KÄNGURU November 2019
Familie: Tierische Freunde. Welches Haustier ist das richtige für unsere Familie? Zuhause: Spielen & Lesen. Was lernen Kinder durch Gesellschaftsspiele? Neues aus der Region Veranstaltungskalender
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23<br />
Wenn der Herbst kommt, pusten viele Eltern den<br />
Staub von der Spielesammlung und bereiten sich auf<br />
lange Winterabende vor. Mit Memory, Monopoly und<br />
Co. lassen sich schöne gemeinsame Stunden erleben.<br />
Vier von zehn Familien sitzen mehrmals im Monat bei<br />
einem Brett- oder Kartenspiel zusammen. Pädagogen<br />
und Entwicklungspsychologen nicken dazu beifällig,<br />
denn das Spiel ist nicht nur eine Auszeit im hektischen<br />
Alltag, sondern für die kindliche Entwicklung<br />
überaus wichtig.<br />
Von Janina Mogendorf<br />
„Spielen ist ein bedeutsamer Baustein der Erziehung“, sagt Entwicklungspsychologin<br />
Birgit Träuble, von der Humanwissenschaftlichen<br />
Fakultät der Universität Köln. Neben motorischen und<br />
sprachlichen Fähigkeiten lernen die Kinder, sich zu konzentrieren,<br />
Probleme gemeinsam zu lösen, gegen andere zu gewinnen oder<br />
auch mal zu verlieren. Im Spiel verinnerlichen sie Regeln, lernen,<br />
Konventionen einzuhalten und die Perspektive der Mitspielenden<br />
einzunehmen.<br />
Schon kleinere Kinder unter drei sind in der Lage, Spielregeln zu<br />
verstehen. Sie begreifen, dass es Gebote und Verbote gibt, die nur<br />
für die Spielsituation gelten. „Lassen Sie die Kinder ruhig eigene<br />
Regeln für das Spiel aufstellen“, ermutigt Träuble. „Das ist ein gutes<br />
Training, weil sie voraussehen müssen, wie das Spiel ablaufen<br />
wird.“ Wichtig sei, die Regeln vorab festzulegen und während des<br />
Spiels auch einzuhalten.<br />
Warum mogeln gut ist<br />
Kinder ab etwa fünf Jahren lernen, eine andere Perspektive einzunehmen,<br />
also Vermutungen darüber anzustellen, was ein anderer<br />
denken, fühlen oder als Nächstes tun könnte. In Rollenspielen, die<br />
im Kindergartenalter sehr beliebt sind, üben sie das intensiv.<br />
„Wenn Kinder Bäckerei spielen, dann müssen sie sich in<br />
die Rolle des Bäckers hineinversetzen, zugleich aber<br />
auch die Rolle der Kunden verstehen. Das ist sehr<br />
komplex“, sagt Träuble.<br />
Ein klassisches Beispiel für einen Perspektivwechsel<br />
beim Gesellschaftsspiel ist das<br />
Mogeln. „Es geht darum, sich in den Mitspieler<br />
hineinzudenken und seinen<br />
Geist zu manipulieren. Ich mache<br />
ihn glauben, dass ich diese oder jene<br />
Spielfarbe noch auf der Hand habe, und<br />
beeinflusse sein Verhalten so, dass es mir<br />
nutzt.“ Wer schummelt, beweist, dass er flexibel<br />
zwischen Perspektiven wechseln kann. „Fünfjährige<br />
machen das schon ganz hervorragend“, sagt<br />
Träuble und empfiehlt zum Üben einfache taktische Spiele,<br />
in denen man auch ein bisschen täuschen muss.<br />
Ganz grundsätzlich stärken Spiele das Selbstvertrauen. Gerade<br />
bei Kindern zwischen eins und drei ist das Thema Autonomie sehr<br />
wichtig. Sie möchten alles alleine machen. „Im Spiel lässt sich das<br />
sehr gut umsetzen“, sagt Träuble und rät: „Auch wenn es nicht<br />
auf Anhieb klappt, das Puzzlestück richtig einzusetzen: erst mal<br />
machen lassen.“ Kinder lernen sich auf diese Weise selbst kennen<br />
und erfahren, was sie gut können, aber auch, woran sie scheitern<br />
und wie sie Grenzen überwinden können. „Die Erfahrung, dass ich<br />
mich mit Ausdauer und Übung verbessern kann, ist für später ganz<br />
wichtig.“<br />
Wenn Kinder nicht verlieren können<br />
Viele Eltern wissen aus leidiger Erfahrung, wie es sich anhört,<br />
wenn die Kleinen im Spiel an ihre Grenzen stoßen. Kinder, die<br />
dreimal hintereinander bei „Mensch ärgere Dich nicht“ rausfliegen<br />
und immer noch ruhig und entspannt bleiben, sind doch eher<br />
die Ausnahme. Viel wahrscheinlicher sind erhöhte Dezibelwerte,<br />
knallende Türen und Würfel, die man ein halbes Jahr später beim<br />
Frühjahrsputz hinterm Sofa findet. Die Gründe dafür sind vielfältig.<br />
„Oft fehlt ihnen noch die emotionale Distanz zum Spiel, sie nehmen<br />
die Niederlage sehr persönlich“, erklärt Birgit Träuble. Auch<br />
Erwachsene verlieren nicht gerne, können ihren Unmut aber entweder<br />
gut verbergen oder sich damit trösten, dass es eben „nur“<br />
ein Spiel ist. Kinder können ihre Emotionen noch nicht so gut regulieren<br />
und reagieren mit Wutanfällen. „Das ist bis zu einem gewissen<br />
Grad ganz normal“, sagt der Brühler Kindertherapeut Dirk<br />
Detampel und erklärt: „Je heftiger ein Kind reagiert, desto größer<br />
ist sein innerer Konflikt.“<br />
Spielen Geschwister miteinander, kann es auch schon mal explosiv<br />
zugehen. „Wenn es vorher Stress gab oder sie sehr in Konkurrenz<br />
stehen, geht es beim Wutanfall vielleicht gar nicht um das Spiel<br />
selber“, so Träuble. Vielmehr werden Gefühle aus der Beziehung<br />
in die Spielsituation hineintransportiert. Damit die Situation nicht<br />
eskaliert, sollten Eltern bei Wettkampfspielen dabeibleiben. Alternativ<br />
bieten sich Spiele an, die auf Teamfähigkeit setzen. Wie der<br />
Klassiker „Obstgarten“ – ein kooperatives Spiel, bei dem die Kinder<br />
ab drei Jahren gemeinsam gegen einen frechen Raben antreten.<br />
Kommt es bei Spielabenden wiederholt zu Tobsuchtsanfällen, vergeht<br />
auch den Geduldigsten irgendwann die Lust. Damit das gemeinsame<br />
Spielen wieder Freude macht, muss das Kind verlieren<br />
lernen. Das geht nicht von heute auf morgen, aber Eltern können<br />
ihre Kinder dabei gut unterstützen. Grundsätzlich gilt: ruhig bleiben,<br />
tief durchatmen und keine Vorwürfe machen. Stattdessen<br />
kleine Wutzwerge lieber in den Arm nehmen und ausweinen lassen.<br />
Sobald sich das Kind beruhigt hat, kann man über die Situation<br />
sprechen und es ermuntern weiterzuspielen.<br />
Wichtig ist auch das Vorbildverhalten der älteren Spieler. Wenn sie<br />
verlorene Spielrunden gelassen und humorvoll wegstecken, geben<br />
sie ein gutes Beispiel und vermitteln dem Kind, dass es Schlimmeres<br />
gibt. Keinesfalls sollte der Gewinner den Verlierer ärgern oder<br />
verhöhnen, das befeuert die Frustration nur noch. Dirk Detampel<br />
empfiehlt, Kinder hin und wieder auch gewinnen zu lassen. „Um<br />
ein gesundes Selbstbewusstsein aufzubauen, müssen die Kleinen<br />
auch mal gegen die Großen und Starken siegen. Auf diese Weise<br />
verringern sich unbewusste Konflikte und das Kind reagiert beim<br />
nächsten Mal vielleicht schon besonnener.“