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Z-kompakt 5/19 :: Leseproben

Der weitere Inhalt: •Eine Kultur der Scham: Hinter Feigenblättern verstecken • Als Kind missbraucht, ein Leben lang gezeichnet • Umfrage unter Neugeborenen: Einjährige wollen bei der Mutter bleiben! • Unser blinder Fleck: Diskriminieren wir das Leben? • Eine Kultur der Vergebungs­bereit­schaft • Toleranz – was ist das genau? • Werden Sie endlich politisch! • Eine „Bank“ gegen Depression • Odem oder KI der Geist, der uns verständig macht •

Der weitere Inhalt:
•Eine Kultur der Scham: Hinter Feigenblättern verstecken • Als Kind missbraucht, ein Leben lang gezeichnet • Umfrage unter Neugeborenen: Einjährige wollen bei der Mutter bleiben! • Unser blinder Fleck: Diskriminieren wir das Leben? • Eine Kultur der Vergebungs­bereit­schaft • Toleranz – was ist das genau? • Werden Sie endlich politisch! • Eine „Bank“ gegen Depression • Odem oder KI der Geist, der uns verständig macht •

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kompakt

Simbabwe – von der Kornkammer zum

Armenhaus: das Land ist gezeichnet

von fast 40 Jahren grausamer Diktatur.

Etwa 80 Prozent der Bevölkerung sind

arbeitslos. Eine Super-Inflation knebelt die

Wirtschaft. Lange Schlangen an Tankstellen

sind alltäglich. Benzin und Grundnahrungsmittel

sind teuer und knapp. Demonstrationen

enden oft in Gewalt – auch

vonseiten der Polizei und Armee.

Jeder Sechste ist HIV-positiv und

fast jeder Vierte leidet an Kufungisisa

– Depression, wörtlich: „wenn du zu viel

denkst“. Die Sorgen rauben den Schlaf

und die Angst nagt an der Seele.

Im Land kommt ein Psychiater oder

Psychotherapeut auf eine halbe Million

Einwohner. Einer von ihnen ist Prof.

Dixon Chibanda. In seiner Praxis empfängt

er vor allem vermögende Patienten

– solche, die an Depressionen leiden, weil

ihre Katze gestorben ist.

Kein Geld für den Bus

Ein Stipendium ermöglichte Chibanda ein

Studium in Prag; Kinder- oder Hautarzt

wollte er werden. Doch der Selbstmord

eines Freundes änderte alles: „Ich hatte

seine schwere Depression nicht erkannt.“

Ein weiteres einschneidendes Erlebnis,

damals war er schon praktizierender

Arzt, ließ ihn wirklich nach einer nachhaltigen

Lösung suchen:

Als eine Frau beim ersten Suizidversuch

mit einer Überdosis Medikamente

ins Spital eingeliefert worden war, hatte

er ihr angeboten, sie kostenlos zu behandeln;

doch die Frau kam nicht. Erst später

erfuhr er, dass sie sich an einem Mangobaum

erhängt hatte; ihr fehlten die paar

Dollar für den Bus, der sie zu seiner Praxis

hätte bringen sollen.

So gründete Chibanda die Initiative

Friendship Bench – „Freundschaftsbank“.

Projekt „Freundschaftsbank“

Am 15. Oktober 2019 brachte „Weltbilder“

eine ermutigende Doku: „Großmütter

als Psychologinnen“. Darin kam

u. a. die Hausfrau und Großmutter Grace

Choga zu Wort.

Eine

„Bank“

gegen

Depression

Foto: © Friendship Bench/ Rainer Kwiotek

Grace Choga will an dem Projekt

„Freundschaftsbank“ mithelfen und hat

sich dafür schulen lassen. Auf diesen „Bänken“

kümmern sich nun Großmütter um die

Sorgen ihrer Mitmenschen – denn: „Wenn

du deine Probleme für dich behältst, wachsen

sie.“ Aber auch ihr eigenes Lebensgefühl

hat sich dadurch deutlich verbessert;

seit die Frauen als Beraterinnen arbeiten,

haben sie eine echte Aufgabe. „Ich fühle

mich gebraucht. Es macht mich stolz, so

vielen Menschen zu helfen.“

„Hallo Gogo, Großmutter“,

grüßt Olenga Manenga, die zur Freundschaftsbank

kommt, um ihr Herz auszuschütten.

„Gogo“ ist die liebevolle

Bezeichnung für eine alte, kluge Dame.

Olenga lebt mit ihren Enkelkindern

zusammen, gemeinsam mit ihrem Mann

zieht sie sie groß. Keiner hat ein geregeltes

Einkommen und als dann auch noch

eines der Kinder starb, wurde die Depression

sichtbar. Eine für Simbabwe typische

Geschichte; doch auf dem Land kann keiner

darin eine Krankheit erkennen.

Es gibt keinen Strom und kaum Wasser,

schon das macht seelisch krank: Es reicht

hinten und vorne nicht, viele können sich

nicht einmal Brennholz leisten. Wie sollen

sie ihren Kindern da etwas kochen? Elementare

Sorgen belasten die Psyche.

Seit vier Wochen kommt nun Olenga

Manenga zu Choga in die Beratung, zu

einer Frau, die selber „nur“ Hausfrau

und Großmutter ist. „Was meinst du, was

kannst du selber tun?“, fragt Choga. Sie

geht eine Liste von Fragen durch: Elf

Symptome werden sichtbar, die zeigen,

dass Olengas Seele krank ist. Choga hört

zu, wenn ihre Patienten von Problemen

erzählen, und hilft ihnen, selber Lösungen

zu finden. In den Gesprächen hört sie

von Gewalt in der Ehe, sexuellem Missbrauch,

von Armut, Angst und Einsamkeit.

Und immer wieder von HIV.

Offener als beim Arzt

„Wenn ich hier mit einer Großmutter

spreche“, sagt Olenga Manenga, „fühle

ich mich wohler als im Gespräch mit dem

Arzt. Ich bin viel offener, und einen Arzt

kann ich mir ohnedies nicht leisten.“

Eine Großmutter ist eine von ihnen,

kennt die Probleme aus eigener Erfahrung.

Mit ihren 73 Jahren strahlt Choga

eine Gelassenheit aus, die man wohl hat,

wenn man selber 6 Kinder geboren und

23 Enkelkinder aufgezogen hat.

Vielleicht deshalb können Großmütter

manchen besser helfen als so mancher

Therapeut, und wohl deshalb wächst auf

den Freundschaftsbänken das Vertrauen

so schnell. „Wenn Patienten zu mir kom-

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