Viersener Quadrat Dezember Ausgabe 2019
Magazin aus Viersen
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| LEBENSFREUDE |
| ZEIT | LIEBE |
drei seltsame Gestalten
aus dem Morgenland?
„Jeder Mensch
hat einen
Stern. Wenn
er geboren
wird, erscheint
er hell am
Himmel und
wacht über ihn
– ein Leben
lang.“
Eine Weihnachtsgeschichte…
So trug es sich zu, dass vor langer, langer Zeit ein besonders
heller Stern am Himmel erschien. Drei unbekannte Gestalten,
in Gewänder gekleidet, wurden auf diesen Stern aufmerksam
und erkannten dessen Bedeutung und die Dringlichkeit,
sich sofort auf den Weg zu machen. Sie nahmen einen
beschwerlichen Weg auf sich und folgten dem Stern bis sie
an einen Stall kamen, in dem ein Kind in Tücher gehüllt, auf
Heu und Stroh gebettet in einem Trog lag. Andächtig und
still standen sie erst einmal da, in diesem Stall, betrachteten
das Kind, bis die erste Gestalt sehr langsam auf es zutrat, gebeugt,
traurig und niedergeschlagen. Als sie dem Kind dann
aber liebevoll über das Gesicht strich, huschte ein Lächeln
über ihres. „Ich bin die Lebensfreude“, sagte sie. „Ich bin zu
dir gekommen, weil die Menschen keine Freude mehr in
ihrem Leben haben. Sie sind so bitterernst. Sie lachen nicht
mehr. Sie sind unzufrieden, sie fluchen, sie schimpfen, jammern
und beklagen sich pausenlos. Es ist kalt geworden in
der Welt. Es fehlt an Wärme, Menschlichkeit und Mitgefühl.“
Langsam und bedächtig zog die Gestalt ihr leuchtend weißes
Gewand aus, das aber auch übersäht war mit dunklen
Flecken und Löchern. Liebevoll legte sie das Gewand über
das Kind. „Vielleicht kann mein Kleid dich wärmen und dir
Freude geben. Vielleicht kann es dir helfen, Licht dort zu
entdecken, wo die Menschen nur noch Dunkelheit sehen.
Ich wünsche es dir von Herzen.“ Sie trat zurück.
Daraufhin trat die zweite Gestalt an das Kind heran. Anders
als die erste bewegte sie sich schnell, eilig, auffällig
war ihr gehetzter Blick. Immer wieder sah sie sich um, als
würde sie verfolgt. Als sie aber vor das Kind an die Krippe
trat, schien es, als falle alle Hast und Hektik von ihr ab.
Ihre Bewegungen wurden langsam, ihr Blick ruhte. „Ich
bin die Zeit“, sagte sie und strich dem Kind zärtlich über
das Gesicht. „Eigentlich gibt es mich so gut wie gar nicht
mehr. Man sagt über mich, ich vergehe wie im Flug. Über
all ihre Eile und ihr Gehetze haben die Menschen mein
Geheimnis vergessen. Dir will ich es offenbaren. Die Zeit
nämlich, sie vergeht nicht, sie entsteht. Zeit wächst überall
dort, wo du sie teilst. Vergiss das nie!“ Dann griff die
Gestalt in ihren Mantel und legte eine Sanduhr in die
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