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Inspiration Nr. 1/2020

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No 01 | <strong>2020</strong><br />

DAS BERGSPORTMAGAZIN<br />

INSPIRATION<br />

WEGWEISER<br />

NATURPARK BEVERIN:<br />

SONNE & SKITOUREN SATT<br />

EXPERT<br />

EISKLETTERN: TECHNIK,<br />

TAKTIK, AUSRÜSTUNG


ZUSTIEG<br />

DIE WANDLUNG<br />

DES ERLEBTEN<br />

Der Jahreswechsel ist oft ein Zeitpunkt der Rückschau. Wir blicken<br />

auf das vergangene Jahr, lassen Erlebtes hinter uns ruhen, um<br />

zu neuen Abenteuern aufzubrechen. Vergessen möchten wir aber<br />

nicht – denn was gibt es Schöneres als Erinnerungen, wachgerufen<br />

im Kreis von Freunden und der Familie? Spannend finde ich<br />

dabei, wie sich das Erlebte im Laufe der Zeit verformt, wie sich<br />

Erinnerungen, im Abstand einiger Jahre und aus neuen Blickwinkeln<br />

betrachtet, anfühlen. Schon unterwegs geht es mir oft<br />

so, dass ich noch vor dem Ende der Tour meine Erlebnisse teilen<br />

möchte. Gerade dann, wenn die Emotionen hochschlagen, ist<br />

dieser Wunsch am stärksten. Ob ich auch ein paar Tage später<br />

noch in der Lage bin, diese Intensität wiederzugeben?<br />

Acts of humanity made by people who bring us closer<br />

to the world we want. Those who see a possibility and<br />

pursue it.<br />

«Meine Erinnerungen<br />

sind der schönste<br />

Reiz für neue<br />

Bergerlebnisse.»<br />

Ein neues Jahr ist aber auch ein willkommener Anlass, Veränderungen<br />

anzustossen. Wir nehmen uns vor, was wir zum Besseren wenden<br />

wollen, Dinge, die uns bisher verwehrt geblieben sind oder die wir<br />

aus reiner Neugier einmal ausprobieren möchten. Falls Sie etwa<br />

mit einem Einstieg ins Eisklettern liebäugeln: Auf den Seiten 28<br />

und 34 finden Sie Ratschläge aus erster Hand – erfahren, erprobt<br />

und getestet aus den eigenen Reihen. Es ist uns als Bergsport-<br />

Spezialist mit hohem Anspruch auf fachkundige und persönliche<br />

Beratung ein grosses Anliegen, Sie auf Ihrem ganz eigenen Weg<br />

zu begleiten. Wenn der Reiz des Neuen lockt oder langersehnte<br />

Träume nach Erfüllung rufen, sind wir für Sie da – und setzen auch<br />

künftig alles daran, Sie bei der Auswahl der richtigen Ausrüstung<br />

kompetent zu unterstützen. Damit Sie beim nächsten Jahreswechsel<br />

wieder auf viele schöne Erinnerungen zurückblicken können.<br />

HERZLICHST,<br />

Arc’teryx Equipment | Vancouver, Canada | arcteryx.com<br />

INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

THOMAS MORAND, CEO BÄCHLI BERGSPORT AG<br />

thomas.morand@baechli-bergsport.ch<br />

1


WEGWEISER<br />

NATURPARK BEVERIN:<br />

SONNE & SKITOUREN SATT<br />

EXPERT<br />

EISKLETTERN: TECHNIK,<br />

TAKTIK, AUSRÜSTUNG<br />

No 01 | <strong>2020</strong><br />

Move to natural.<br />

Natürliche<br />

Komfortzone.<br />

WEGWEISER<br />

NANGA PARBAT<br />

20<br />

INHALT<br />

AUSGABE<br />

01 / <strong>2020</strong><br />

GIPFELTREFFEN<br />

44<br />

Doppelschlag im Karakorum: Dem französischen Steilwand-Duo<br />

Boris Langenstein und Tiphaine Duperier<br />

gelang im Sommer die Erstbefahrung des Spantik und<br />

anschliessend eine nahezu komplette Abfahrt vom<br />

Nanga Parbat. Hier lesen Sie ihr Expeditionstagebuch.<br />

AUSSICHT<br />

Die schönsten Seiten der Berge 4<br />

3 X 3<br />

Produktneuheiten und Bergsport-News 8<br />

WEGWEISER<br />

Piz Beverin: Über die Leiter in den Powder 12<br />

Abgefahren: Mit Ski am Nanga Parbat 20<br />

Kiental: Einmaleins für Eiskletterer 34<br />

EXPERT<br />

Eiskletter-Ausrüstung 28<br />

LVS-Geräte 40<br />

Vielseitige Funktionslayer für<br />

deine Abenteuer auf und<br />

abseits der Skipiste. Geschaffen<br />

für Strapazierfähigkeit und<br />

Bewegungsfreiheit aus weichen<br />

und atmungsaktiven Naturfasern.<br />

KONTROVERS<br />

Skitouren mit ÖV 32<br />

GIPFELTREFFEN<br />

Im Gespräch: Yannick Glatthard 44<br />

HAUSBERG<br />

Rita Jaggi und der Niesen 50<br />

HOCHGENUSS<br />

Bergbücher: Alte Klassiker, frischer Stoff 52<br />

PARTNERCHECK<br />

Schöffel 58<br />

AUSSTIEG<br />

Was ist dran an Kraftorten? 64<br />

YANNICK GLATTHARD<br />

Stark im Eis, stark im Fels, und stark in der Meinung:<br />

Der junge Bergführeranwärter aus Meiringen schafft<br />

es nicht nur mit seinen Podestplätzen in die Medien,<br />

sondern auch, wenn er neu gebohrte Routen ausnagelt.<br />

Uns stand Yannick Glatthard Rede und Antwort.<br />

DAS BERGSPORTMAGAZIN<br />

INSPIRATION<br />

Titelseite: Bei der Bewertung von Eiskletterrouten<br />

wird in WI (Water Ice, saisonal gefrorenes Eis)<br />

und AI (Alpine Ice, ganzjährig bestehendes Eis)<br />

getrennt. Während WI-Routen an gefrorenen<br />

Wasserfällen nur selten überhängendes Eis<br />

bieten, ist die Steilheit an Séracs und in Eishöhlen<br />

quasi beliebig – wie Rafal Andronowski in der Eishöhle<br />

des Athabasca-Gletschers (Rocky Mountains)<br />

am eigenen Leib erfahren darf.<br />

Impressum 64<br />

Foto: John Price<br />

INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

3


AUSSICHT<br />

GEDULDS<br />

SPIEL<br />

Welche Begriffe fallen Ihnen beim<br />

Betrachten dieses Bildes ein?<br />

Tiefschnee, Tempo, weisser Rausch<br />

– solche Assoziationen hätten bei<br />

einer repräsentativen Umfrage wohl<br />

die Spitzenplätze belegt. Spannend<br />

ist aber auch, was in einem Bild<br />

alles NICHT zu sehen ist. Dass der<br />

Zürcher Fotograf Stefan Schlumpf<br />

in Neuseeland wochenlang auf Schnee<br />

wartete und schliesslich den Mount<br />

Cook National Park als letzten Joker<br />

aus dem Ärmel zog, mit seiner Crew<br />

aber noch ein paar Tage in einer<br />

Hütte ohne Strom ausharren musste,<br />

bis das ersehnte Weiss vom Himmel<br />

rieselte – das kann man diesem Bild<br />

nicht ansehen, macht es aber unter<br />

dem Strich noch besser. Und wie<br />

heisst es so schön? Vorfreude ist die<br />

schönste Freude.<br />

MOUNT COOK NATIONAL PARK,<br />

NEUSEELAND<br />

STEFAN SCHLUMPF<br />

STEFANSCHLUMPF.COM<br />

4 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

5


AUSSICHT<br />

HEIZ<br />

KESSEL<br />

Dass der Klettergarten Winteregg<br />

am Sunnbüel oberhalb von Kandersteg<br />

auch im Winter einigen Besuch<br />

bekommt, hat ausnahmsweise nichts<br />

mit der Klimaerwärmung zu tun.<br />

Vielmehr ist es so, dass die südseitigen<br />

und stark überhängenden<br />

Wände durch die flachstehende<br />

Wintersonne ordentlich aufgeheizt<br />

werden. Klettern im T-Shirt, in fast<br />

2000 Metern Höhe – an Orten wie<br />

diesen geht das gelegentlich auch<br />

im Winter. Das nahe Bergrestaurant<br />

Sunnbüel und die einmalige Aussicht<br />

zum Doldenhorn verschönern<br />

die Lage noch dazu. Vor knapp drei<br />

Jahren wurde das Gebiet vom Verein<br />

Rebolting saniert. Altmeister Pesche<br />

Wüthrich im Projekt «Old France<br />

Chipping Style» (ca. 8c).<br />

WINTEREGG-KLETTERGARTEN,<br />

SUNNBÜEL BEI KANDERSTEG<br />

THOMAS SENF<br />

THOMASSENF.CH<br />

6 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

7


3 X 3<br />

NEUES AUS<br />

DER WELT DES<br />

BERGSPORTS<br />

KUNDE FRAGT<br />

DYNEEMA<br />

«In modernen Seilen, Bandschlingen oder auch leichten Rucksäcken ist<br />

immer häufiger das Material Dyneema verarbeitet. Was sind die Vor- und<br />

Nachteile dieses Materials?»<br />

Peter Keller, Bern<br />

NEU BEI UNS:<br />

HYPERLITE<br />

Ab sofort sind bei Bächli Bergsport Produkte der Marke Hyperlite Mountain<br />

Gear erhältlich – exklusiv in der Schweiz. Vor allem Langstrecken- Trekker und<br />

anspruchsvolle Alpinisten dürften sich freuen: Die Firma aus den USA hat sich<br />

auf extrem leichte Rucksäcke und und Zelte aus Dyneema spezialisiert – ein<br />

Material, das sehr geringes Eigengewicht mit hoher Reissfestigkeit vereint.<br />

Entworfen und auch produziert (!) werden alle Hyperlite-Produkte in Maine, an<br />

der Ostküste der USA.<br />

baechli-bergsport.ch/hyperlite<br />

BRÜCKEN<br />

SCHLAG<br />

Die gestrickten Arm- und Hüftabschlüsse aus<br />

Wollmischgewebe der Roldal Insulated von<br />

Norrona erinnern auf den ersten Blick an eine<br />

modische Winterjacke für die Stadt. Aber weit<br />

gefehlt, denn diese Jacke vereint Form und<br />

Funktion gleichermassen. Die Vorderseite<br />

besteht aus dem winddichten, sehr leichten<br />

und zu weiten Teilen aus recyceltem Polyester<br />

gefertigten Pertex Quantum. Gefüllt ist die<br />

Jacke mit der Kunstfaserisolation PrimaLoft<br />

Silver Eco (60 g/m2), die auch dann isoliert, wenn<br />

sie einmal feucht werden sollte. Vorgeformte<br />

Ärmel, ein verlängerter Rücken, Brust- und<br />

Handwärmertaschen, eine einstellbare Kapuze<br />

sowie Daumenschlaufen an den Ärmeln runden<br />

die Ausstattung ab. Der vielseitige Midlayer<br />

für Stadt und Land ist PFC-frei imprägniert und<br />

zudem bluesign-zertifiziert.<br />

ROLDAL INSULATED HOOD JACKET W<br />

NORRONA<br />

Gewicht 300 g<br />

Preis CHF 195.–<br />

BÄCHLI BERGSPORT ANTWORTET<br />

Dyneema ist der Markenname für eine Kunstfaser aus Polyethylen, hergestellt<br />

von der niederländischen Firma DSM. Verarbeitet wird sie meist als Fasergeflecht<br />

zwischen zwei hauchdünnen Schutzschichten aus Polyester. Für seine<br />

geringe Masse verfügt Dyneema über eine äusserst hohe Zugkraft: Diese ist<br />

bis zu fünf Mal höher als bei den im Bergsport üblichen Fasern aus Polyamid<br />

(Nylon) oder Polyester! Bandschlingen oder Expressschlingen aus Dyneema<br />

benötigen somit bei gleichen Festigkeitswerten weit weniger Material. Die Faser<br />

ist ausserdem robust und hydrophob, das wasserdichte Gewebe aus Dyneema<br />

bietet sich daher für Alpinrucksäcke oder Tarps an, zumal Dyneema auch stark<br />

UV-beständig ist. Aufgrund seiner dehnungsarmen Eigenschaften wird Dyneema<br />

auch für hyperstatischen Reepschnüre verwendet. Hier ist allerdings Vorsicht<br />

geboten: Diese sind ausschliesslich für den Gebrauch als leichte Notseile auf<br />

Skitouren, Gletscherseile oder zum Abseilen ausgelegt, ein Sturz beim Sportklettern<br />

in eine hyperstatische Reepschnur kann fatal sein! Ein Nachteil von<br />

Dyneema ist seine Hitzeempfindlichkeit, es schmilzt bereits bei Temperaturen<br />

um die 150°C. Als Vergleich: Der Schmelzpunkt von Polyamid liegt über 220 °C,<br />

gerade wenn es zu Reibung kommt, können punktuell hohe Temperaturen entstehen.<br />

Die Dyneema-Faser ist so glatt, dass sich Knoten leicht lösen können.<br />

Diese Struktur ist übrigens auch der Grund, warum Dyneema-Gewebe oft weiss<br />

ist, denn Farbpigmente haften bisher kaum an der glatten Faser.<br />

WABEN<br />

WUNDER<br />

Alena Johanna Stauffacher, Product Content Managerin<br />

Ihre Fragen an: marketing@baechli-bergsport.ch<br />

Kernstück der neuen Ascent-Schneeschuhserie aus dem Hause Mountain<br />

Safety Equipment (MSR) ist die Paragon-Bindung. Sie besteht aus einem<br />

robusten und kälteresistenten Kunststoffnetz, dessen wabenförmige<br />

Netzstruktur sich perfekt an alle Schuhformen anpasst und keinerlei<br />

Druckstellen erzeugt. Zudem können sich keine Schneereste ansammeln.<br />

In Kombination mit dem Kunststoffdeck ist der Metallrahmen sehr torsionssteif.<br />

Für Halt in vereistem Gelände sorgen zwei aus Martensitstahl gefertigte<br />

Steigeisen. Die Steighilfe des Revo Ascent 25 lässt sich einfach mit<br />

dem Stock verstellen.<br />

WARM<br />

UND GRIFFIG<br />

Ein Handschuh, der die Finger gut warmhält und<br />

gleichzeitig dünn genug ist, um noch ausreichend<br />

Taktilität für Seilmanöver zu bieten – das erfordert<br />

hohe Schneiderkunst. Mammut füllt seinen Nordwand<br />

Pro Handschuh mit der besonders gut<br />

isolierenden Kunstfaser PrimaLoft Gold, von der<br />

dafür schon eine relativ dünne Lage reicht. Besten<br />

Grip liefern die Handinnenflächen aus Pittards<br />

Ziegenleder, vor eindringendem Wasser schützt<br />

eine Gore-Tex-Membran. Zum leichten An- und<br />

Ausziehen der Handschuhe (oder zur Befestigung<br />

am Karabiner) gibt es Schlaufen an Saum und<br />

Mittelfinger.<br />

NORDWAND PRO GLOVE<br />

MAMMUT<br />

Gewicht 148 g<br />

Preis CHF 179.–<br />

REVO ASCENT 25<br />

MSR<br />

Gewicht 2139 g / Paar<br />

Preis CHF 289.–<br />

8 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

9


3 X 3<br />

LEICHT UND<br />

INNOVATIV<br />

Die RT10 von ATK ist eine voll<br />

tourentaugliche Pin-Bindung mit<br />

Stopper am Hinterbacken, die trotzdem<br />

nur 260 Gramm pro Einheit auf die<br />

Waage bringt. Die zweistufigen Steighilfen sind<br />

magnetisch, was das Handling beim Umstellen<br />

erleichtert. Und die RT10 ist noch reich an weiteren<br />

Innovationen: Im Auslösefall werden die Pins<br />

durch den Widerstand eines speziell geformten<br />

U-Profils («Cam Release») bewegt, was einerseits<br />

den Einstieg in den Fersenbacken weicher<br />

macht und andererseits die Auslösepräzision<br />

verbessert. Die Monolink-Technologie spart zwei<br />

von vier Federn am Vorderbacken ein und erhöht<br />

die Steifigkeit. Und exklusiv bei ATKs RT-Bindungen<br />

lässt sich über den «Uphill Hardness<br />

Variator» die Verriegelung für den Aufstieg so<br />

anpassen, dass sie auch mit abgenutzten Pin-Inserts<br />

am Schuh funktioniert. Die Auslösewerte<br />

reichen von Z 5 bis 10, in der Länge ist die RT10<br />

um 20 mm verstellbar. Geeignet für Skibreiten<br />

von 75 bis 120 mm unter der Bindung.<br />

RT10<br />

ATK<br />

Gewicht ca. 560 g / Paar<br />

Preis CHF 588.–<br />

DOPPEL-<br />

WHOPPER<br />

Eine Reise ist immer nur so gut (oder schlecht) wie ihr Rucksack.<br />

Mit dem Tetrad 75 ist man für wirklich alle Eventualitäten gerüstet.<br />

Da sind zum einen Details wie das Active-Shield-Wäschefach, das<br />

nasse Wäsche vom restlichen Gepäck trennt, der stufenlos verstellbare,<br />

anatomische Rücken oder die integrierte 3-in-1-Hülle,<br />

die nicht nur als Regenschutz dient, sondern auch als Reisehülle<br />

bei Flugreisen und als Diebstahlschutz. Vor allem aber besitzt der<br />

Tetrad 75 einen abnehmbarem, voll ausgestatteten Daypack mit 20<br />

Liter Volumen, Laptopfach, seitlichen Netztaschen und gepolsterten<br />

Trägern. So kann unnötiges Gepäck im Basislager (oder in der<br />

Aufbewahrung) bleiben, während man mit leichtem Gepäck zum<br />

Gipfel (oder zum City-Sightseeing) stürmt.<br />

TETRAD 75<br />

GREGORY<br />

Gewicht 2 kg<br />

Preis CHF 249.–<br />

HARTE SCHALE<br />

WEICHER KERN<br />

Die norwegische Firma Devold kann bereits auf mehr als 150 Jahre Erfahrung im<br />

Umgang mit Wolle zurückblicken. Dass man dabei stets mit neuesten Produktionsmethoden<br />

Schritt gehalten hat, beweist ihr Expedition Longsleeve. Es besteht, für<br />

den Träger kaum zu sehen, aus zwei Schichten. Auf der Haut liegt 100 Prozent<br />

weiche, temperaturregulierende und geruchsneutrale Merinowolle. Die äussere<br />

Schicht besteht zu 90 Prozent aus derselben Wolle, allerdings ist etwas Polyamid<br />

beigemischt, was die Lebensdauer und Formtreue des guten Stücks enorm erhöht.<br />

Zudem sind die Wollfasern mit Aquaduct behandelt, was den Feuchtigkeitsabtransport<br />

verbessert. Flachnähte verhindern Druckstellen<br />

und Scheuern unter dem Rucksack, die<br />

Rückenpartie ist verlängert.<br />

WINTERBERGFESTIVAL<br />

<strong>2020</strong><br />

7. bis 9. Februar <strong>2020</strong><br />

Das Winterbergfestival geht in die zweite Runde! Verbringen Sie ein Wochenende auf der Mettmenalp und feiern<br />

Sie mit uns den Winter! Von der Skitour über eine Schneeschuhtour bis hin zur Tourenvorbereitung und Gebirgsfotografie<br />

bieten wir für jeden Geschmack passende Aktivitäten an. Nebst spannenden Vorträgen von Profis<br />

können Sie auch im Biwak übernachten.<br />

Alle Details, Programme und Anmeldung:<br />

baechli-bergsport.ch/winterbergfestival<br />

EXPEDITION LS<br />

DEVOLD<br />

Gewicht 235 g / m 2<br />

Preis CHF 95.–<br />

10<br />

SCHNEE<br />

ARCHITEKT<br />

Beim zweitägigen Iglu Festival auf der Ebenalp im Alpstein am 22. und 23. Februar<br />

<strong>2020</strong> stehen der Spass und das Abenteuer im Vordergrund. Mit der Erfahrung von<br />

Erlebniszeit und der Ausrüstung von Bächli Bergsport wird die Kunst des Iglubauens<br />

mit Schaufel, Schneesägen und den Händen an die Teilnehmer von Jung bis Alt und<br />

die ganze Familie weitergegeben. Ein Outdoor-Abenteuer, das die Naturverbundenheit<br />

ebenso wie die Kameradschaft stärkt.<br />

Weitere Informationen sowie Anmeldung: erlebniszeit.ch<br />

EIN KLASSIKER KENNT KEINEN WINTERSCHLAF.<br />

DANK OPTIMALER DETAILS.<br />

RENEGADE EVO ICE GTX ® | Cold Weather Boots www.lowa.ch


RUBRIK UNTERRUBRIK<br />

WEGWEISER PIZ BEVERIN<br />

LEITERSPIEL<br />

ZUM GIPFEL<br />

Zwei Meter fehlen dem Piz Beverin zum Dreitausender –<br />

als Skitourenziel ist der markante Berg trotzdem grossartig.<br />

Der Schamserberg bietet weitere lohnende Ziele und eine<br />

aussergewöhnliche Berglodge als Basis.<br />

TEXT & FOTOS JÜRG BUSCHOR<br />

Gewöhnungsbedürftig<br />

– Bächli Bergsport<br />

Mitarbeiter Michael Roth<br />

steigt kurz vor dem<br />

Gipfel die rund sieben<br />

Meter 12hohe Leiter ab.<br />

INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

Manchmal braucht’s halt einfach Glück», stellt<br />

Michael Roth zufrieden fest, prostet seinem<br />

Touren- und Arbeitskameraden Jan Maurer mit<br />

einer kleinen Flasche Viamala-Bier zu und greift zum<br />

Sandwich, das er zuvor aus den Untiefen seines Skitourenrucksacks<br />

hervorgekramt hat. Zeit wäre auf dem<br />

Gipfel des Piz Beverin eigentlich genug gewesen für den<br />

Verzehr, doch an eine gemütliche Mittagspause war bei<br />

dem starken Wind nicht zu denken – wie so oft auf dem<br />

windexponierten Paradegipfel zwischen Schamser- und<br />

Safiental. Ganz anders auf der Terrasse der Pensiun<br />

Laresch: Hier heizt die Sonne an diesem Märztag schon<br />

so stark ein, dass sich die zwei bereits nach kurzer Zeit<br />

einer Bekleidungsschicht entledigen. «Das Zwiebelprinzip<br />

funktioniert auch im Après-Ski», stellt Jan mit einem<br />

Grinsen fest.<br />

Noch vor zwei Tagen hatte wenig darauf hingedeutet,<br />

dass dieser Skitourenausflug ins Mittelbünden mit der<br />

Fussnote «Highlight des Winters!» in das Touren-Logbuch<br />

eingetragen würde. Die ganze Woche über war die<br />

Wetterlage so unberechenbar, dass sich die Meteorologen<br />

schwer taten mit einer verlässlichen Prognose.<br />

Während Michi und Jan Tag für Tag gebannt den Schneelagebericht<br />

und die Wetterprognosen verfolgten, wechselten<br />

sich Hoffnung und Zweifel in munterer Folge ab.<br />

Es musste doch einfach klappen, hatten sie doch kein<br />

Verschiebedatum finden können, weil es um diese Jahreszeit<br />

in der Marketingabteilung von Bächli Bergsport<br />

immer besonders hoch zu- und hergeht. Sie wollen es<br />

unbedingt versuchen.<br />

«Herzlich willkommen in der Pensiun Laresch». Als<br />

Gastgeber Lukas Hug seine Gäste begrüsst, ist die Nacht<br />

bereits über Mathon hereingebrochen. Kurz nachdem die<br />

Rucksäcke auf die Zimmer gebracht sind, bittet Lukas<br />

zu Tisch. In der offenen Küche hat er einen saisonalen<br />

und reich dekorierten Salat angerichtet, auf den er seine<br />

leckeren hausgemachten Capuns folgen lässt. Spätestens<br />

jetzt scheint der Arbeitsalltag viel weiter weg, als<br />

die zwei Autostunden es vermuten lassen, die die Anfahrt<br />

von Nänikon gedauert hat.<br />

Klick, klick. Die Hebel der Pin-Bindungen rasten am<br />

nächsten Morgen in der Aufstiegsposition ein. Für die<br />

LVS-Kontrolle zieht Michi trotz der frostigen Temperaturen<br />

die Handschuhe aus. Der Himmel ist klar, weshalb<br />

die Temperaturen über Nacht auf minus 7 Grad gefallen<br />

sind. Der Schnee, der in den vergangenen Tagen gefallen<br />

ist, hat die gewünschte Konsistenz: trocken, leicht,<br />

pulvrig. «Das wird ein Wahnsinnstag», orakelt Jan, legt<br />

den Hebel seiner Skitourenschuhe in den Walkmodus um<br />

und stapft direkt hinter der Berglodge Laresch los. Im<br />

Ortsteil Plàn da Crusch legt er eine Aufstiegsspur in den<br />

steilen Hang zwischen den letzten Wohnhäusern, bevor<br />

es über die schneebedeckten Alpweiden und lockeren<br />

Baumbestand immer höher geht. Um 06:40 Uhr ist es so<br />

weit. Auf der gegenüberliegenden Talseite schiebt sich<br />

13


WEGWEISER<br />

PIZ BEVERIN<br />

Konkurrenz mit dem König der Alpen – dem<br />

Steinbock. Die lokale Kolonie erreichte 1998 ihre<br />

maximale Grösse von 550 Tieren. Doch schon<br />

fünf Jahre später wurde sie wieder dezimiert,<br />

nachdem die Gämsblindheit – eine hoch ansteckende<br />

Augen-Krankheit, die zur Erblindung<br />

führt – viele Tiere in den Tod riss. Auch der harte<br />

Winter 2008/2009 forderte seinen Tribut.<br />

Manchmal braucht’s<br />

halt einfach Glück:<br />

Neuschnee, strahlende<br />

Sonne und ein<br />

menschenleerer Berg.<br />

die Sonne über den Piz Curvér und schickt die ersten<br />

wärmenden Sonnenstrahlen herüber. Jan und Michi halten<br />

inne und schauen zurück. «Das ist immer wieder ein<br />

grossartiger Moment, der auch nach 27 Jahren, in denen<br />

ich nun schon auf Skitouren gehe, nichts von seiner Magie<br />

verloren hat», spricht Michi leise vor sich hin.<br />

RÜCKKEHR EINES JÄGERS<br />

Die Waldgrenze ist hier auf 1900 Höhenmetern und die<br />

konturreiche wellige Winterlandschaft wird optisch<br />

nur noch unterbrochen durch die sonnenverbrannten<br />

Ställe und Alphütten der Weiler Bot l’Ava, Tschavagliuns,<br />

Dros und Mursenas. Auch wenn hier im Sommer<br />

einige Alpstrassen und Wanderwege den Schamserberg<br />

durchmessen, gerade jetzt liegt alles unter einer dicken<br />

Schneedecke und menschliche Spuren sind kaum auszumachen.<br />

Im Val Mirer halten Jan und Michi plötzlich inne.<br />

An der steilen südexponierten Talflanke ist der Schnee<br />

abgerutscht und hat einige Quadratmeter des alten Grases<br />

freigelegt – eine Herde von rund 20 Gämsen nimmt<br />

diese hochwillkommene Essenseinladung dankend an.<br />

Hier im Naturpark Beverin stehen die Gämsen in direkter<br />

Seit einiger Zeit stellt dem Steinwild im Naturpark<br />

Beverin auch ein natürlicher Feind nach:<br />

der Wolf. Bereits 2018 wurde rund um den Piz<br />

Beverin ein Wolfspaar gesichtet, im vergangenen<br />

Jahr haben die beiden erwachsenen Tiere zum<br />

ersten Mal Nachwuchs bekommen. Das Rudel<br />

hatte Anfang Oktober noch zwei Elterntiere und<br />

insgesamt neun Jungtiere umfasst. Doch der<br />

Kanton Graubünden ordnete in demselben Monat<br />

eine Regulierung des Wolfsrudels an. Vier Jungwölfe<br />

sollten ausgemerzt werden, nachdem ein<br />

Elterntier mindestens 15 Ziegen aus geschützten<br />

Herden gerissen hatte.<br />

LEITER ALS KLEINE MUTPROBE<br />

Jetzt herrscht komplette Ruhe am Berg und<br />

einzig die Spuren eines Schneehasen zeugen<br />

davon, dass am Berg auch im Winter Säugetiere<br />

heimisch sind. Nachdem der breite Bergrücken<br />

um Blasatscha die 30 Grad Hangneigung kaum<br />

je überschritten und ein geradezu ideales Terrain für eine<br />

Spuranlage nach Lehrbuch geboten hat, setzen Jan und<br />

Michi jetzt in immer kürzerer Abfolge zu Spitzkehren an.<br />

Auf 2520 Metern schliesslich ist der Punkt erreicht, an dem<br />

sie mit kraftvollen Stampfbewegungen ein kleines Podest<br />

treten, die Bindungen öffnen, die Ski mit den dafür vorgesehenen<br />

Bändern am Rucksack festzurren und die verbleibenden<br />

70 Höhenmeter zum Beverin Pintg hochkraxeln. So<br />

viel Spass die erste Spur in der Abfahrt bereitet, so anstrengend<br />

ist das Vorspuren. Eine kurze Rast lässt nicht nur den<br />

«Klarer Himmel,<br />

minus 7 Grad, trockener<br />

Neuschnee: Das<br />

wird ein Wahnsinnstag.»<br />

JAN MAURER<br />

Den Fast-Dreitausender<br />

Piz Beverin zum Ziel,<br />

die Dreitausender Piz<br />

Grisch, Surettahorn und<br />

Piz Tambo als Kulisse.<br />

14 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

15


WEGWEISER PIZ BEVERIN<br />

Leiter abschwingt – ausser Atem, aber mit einem<br />

breiten Grinsen im Gesicht. Ganz anders sieht’s in<br />

der Abfahrt Richtung Alp digl Oberst aus. Windgeschützt<br />

durch den Felsriegel liegen hier rund<br />

50 Zentimeter unverfahrener Pulverschnee, die in<br />

den letzten zwei Tagen gefallen sind. Eine kurze<br />

Lagebeurteilung drängt sich auf. «Der Einstieg<br />

ist steiler als 30 Grad, aber der Hang flacht schon<br />

kurz danach ab», hält Jan fest und auch Michi teilt<br />

die Meinung, dass das Risiko bei der aktuellen<br />

Lawinenlage vertretbar ist – vorausgesetzt, dass<br />

einzeln abgefahren wird. «Ich lass dir den Vortritt»,<br />

sagt Michi mit einem Augenzwinkern, «schliesslich<br />

bist du ja mein Vorgesetzter». Jan lässt sich nicht<br />

zweimal bitten und fährt – nein schwebt – die ersten<br />

350 Höhenmeter durch den trockenen Pulverschnee<br />

ab. Hinter sich eine gewaltige Staubfahne.<br />

1450 Höhenmeter sind’s vom Gipfel zurück zur<br />

Pensiun Laresch. In der Abfahrt dürften’s bei solchen<br />

Bedingungen gerne ein paar mehr sein.<br />

Pulver gut! In der Abfahrt<br />

zur Alp digl Oberst treffen<br />

Michael Roth und Jan Maurer<br />

perfekte Bedingungen vor.<br />

«Manchmal braucht’s halt einfach Glück», stellt<br />

Michael Roth auf der Sonnenterrasse zufrieden<br />

fest. Und er denkt dabei wahrscheinlich bereits<br />

an den zweiten Tag und den Piz Tarantschun, den<br />

er auf der vor sich liegenden Skitourenkarte mit<br />

roter Farbe markiert hat.<br />

«Manchmal braucht’s<br />

halt einfach Glück!»<br />

MICHAEL ROTH<br />

Puls abfallen, sondern bietet auch eine gute Gelegenheit,<br />

den Ausblick auf die formschönen und beeindruckenden<br />

Dreitausender der Region in aller Ruhe zu geniessen: Surettahorn,<br />

Piz Timun, Piz Grisch auf der anderen Seite des<br />

Schamsertals, Bruschghorn, Pizzas d’Anarosa und Alperschällihorn<br />

in der südwestlichen Verlängerung des Piz Beverin.<br />

Auf dem markanten Bergrücken, der zu beiden Seiten<br />

durch Felsabbrüche begrenzt ist, geht es in direkter Linie<br />

Richtung Piz Beverin. Nach 650 Metern hält Michi plötzlich<br />

inne – vor ihm geht’s rund sieben Meter senkrecht in die<br />

Tiefe. Zwar ist an dieser Schlüsselstelle mittlerweile eine<br />

Aluminiumleiter fest montiert. Doch mit Tourenskischuhen<br />

und den sperrigen, am Rucksack fixierten Ski bleibt trotz<br />

allem ein mulmiges Gefühl, wenn man in die Tiefe steigt.<br />

Platz an der Sonne – Rast auf der Alp Dumagns<br />

Liebes Gipfelbuch – schön ist's hier oben!<br />

Ab hier sind’s nur noch 220 Höhenmeter bis zum 2998<br />

Meter hohen Gipfel. Der steht so frei, dass die Aussicht und<br />

der Weitblick auch an diesem Tag schlicht atemberaubend<br />

sind. Das hat allerdings auch einen Nachteil. Der Gipfelhang<br />

ist so windexponiert, dass der Schnee meist windgepresst<br />

und abgeblasen ist. So auch heute. «Zum Glück<br />

gibt’s keine Stilnoten», sagt Michi, als er zurück bei der<br />

Weitere Informationen zum Piz Beverin<br />

finden Sie unter:<br />

baechli-bergsport.ch/piz_beverin<br />

Durchstiegene Kletterrouten und Gipfelerfolge treiben uns an - sie<br />

sind die Sahnehäubchen auf unseren Erlebnissen. Wir leben für die<br />

Momente, die unsere Reisen besonders machen; gemeinsam mit<br />

Freunden gelebte Herausforderungen, Abenteuer und High-Fives.<br />

Wir sind hier für diese besonderen Momente, die uns das Leben<br />

spüren lassen, und für die Vorfreude auf alle zukünftigen Trips.<br />

16 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

JOHN PRICE<br />

CHINA<br />

17


WEGWEISER PIZ BEVERIN<br />

Bündner Architektur modern interpretiert –<br />

die Berglodge Laresch in Mathon.<br />

«Am Anfang stand die Idee, in den Bergen zu leben und arbeiten.<br />

Mit dem Nebeneffekt, dass wir unseren beliebtesten<br />

Freizeitbeschäftigungen Wandern, Mountainbiken, Klettern<br />

und Skitouren vor der Haustüre nachgehen könnten», erzählt<br />

Lukas Hug. Inspiriert durch verschiedene Aufenthalte<br />

in kleinen Berghotels und befeuert von der persönlichen<br />

Passion, Gäste zu bewirten, entstand die Idee, selber einen<br />

Hotelbetrieb zu etablieren. Über das Format waren sich<br />

Marianne Peyer und Lukas Hug schnell einig: Nur wenige<br />

Zimmer (geworden sind es sieben), eine familiäre Atmosphäre,<br />

ein Ort im Kanton Graubünden, der touristisch eher<br />

unbekannt ist, und ein hoher Anspruch an Architektur und<br />

Inneneinrichtung. Zwischen der Idee und der Aufnahme des<br />

Betriebs im Sommer 2015 lagen rund fünf Jahre, in denen<br />

die Bibliothekarin und der Sozialpädagoge sich von der ursprünglichen<br />

Wunschdestination Unterengadin (zu aufwendig),<br />

der geplanten Strohballen-Lehm-Konstruktionsweise<br />

(zu kompliziert) und dem ersten Architekten (unterschiedliche<br />

Vorstellungen) verabschiedeten.<br />

Die Bauphase bezeichnet Lukas Hug als schwierig: «Die<br />

Pläne wurden mehrfach geändert. Schlussendlich gelangten<br />

wir an den Architekten Bruno Hermann. So wie<br />

die Pensiun Laresch dann gebaut wurde, entspricht sie<br />

jedoch genau dem, was wir uns ursprünglich vorgestellt<br />

hatten.» Die Bauweise ist nachhaltig und es wurden fast<br />

ausschliesslich regionale und traditionelle Materialien verwendet:<br />

Lehm, Calanca-Gneiss und Holz aus dem Bündnerland.<br />

So traditionell die Materialien sind, so modern ist<br />

die architektonische Interpretation, ohne dass die Anmutung<br />

nüchtern oder gar unterkühlt wirkt. Die Küche ist<br />

regional und saisonal sowie mehrheitlich vegetarisch und<br />

aus biologisch produzierten Grundzutaten. «Grossen Wert<br />

legen wir auch auf unser selbst gebackenes Brot, das wir<br />

unseren Gästen täglich servieren», ergänzt der Gastgeber,<br />

der sich vor allem auch über die Tatsache freut, dass die<br />

meisten Gäste wiederkommen.<br />

BERGLODGE<br />

PENSIUN LARESCH<br />

Die zwei Zentralschweizer Marianne Peyer und Lukas Hug<br />

haben sich mit der Pensiun Laresch den Traum vom Leben<br />

& Arbeiten in den Bergen verwirklicht. In ihrer architektonisch<br />

herausragenden Berglodge beherbergen und bekochen sie<br />

ihre Gäste mit viel Passion.<br />

laresch.ch<br />

Wie daheim – eine persönliche Atmosphäre ist<br />

Marianne Peyer und Lukas Hug besonders wichtig.<br />

FOTOS: ZVG<br />

IMMER<br />

BESSER<br />

Skitourengehen ist angesagt wie<br />

nie zuvor. Kein Wunder, dass die<br />

Ausrüstung in den letzten Jahren<br />

enorme Entwicklungssprünge<br />

hingelegt hat: Fast alles ist noch<br />

leichter, sicherer, viel seitiger<br />

und bequemer geworden. Ein<br />

Rundgang durch die aktuellen<br />

Neuheiten lohnt sich also nicht<br />

nur für Novizen, sondern auch<br />

für alte Hasen.<br />

PFLANZLICHE<br />

DAUNE<br />

Beim Skitourengehen brauchen wir atmungsaktives,<br />

strapazierfähiges Material genauso wie<br />

Schutz vor Wind, Nässe und Kälte. La Sportiva<br />

hat auf alle Wünsche eine Antwort: Die gefütterte<br />

Kobik Hoody Jacke ist dank Tech Stretch<br />

Storm Material an Armen und Seiten wind- und<br />

wasserabweisend, atmungsaktiv sowie mit 4-Wege-Stretch<br />

ausgestattet. Die Isolation in der Front<br />

sowie am Rücken besteht aus Kapok und recyceltem<br />

Polyester. Kapok ist eine Naturfaser aus den<br />

Samen des Kapokbaumes aus dem tropischen<br />

Regenwald. Die leichte Faser hält nicht nur warm,<br />

sondern ist auch ökologisch unbedenklich. Genügend<br />

Stauraum geben zwei Fronttaschen sowie<br />

eine Innentasche. Und wird das Wetter ungemütlicher:<br />

Flache Nähte verhindern Reibung oder<br />

Druckstellen beim Tragen im Lagensystem.<br />

KOBIK HOODY W<br />

LA SPORTIVA<br />

Gewicht 420 g (Grösse M)<br />

Preis CHF 269.–<br />

«Geteilte Freude am Gipfel<br />

mit Abfahrtsgenuss über<br />

Traumhänge und danach die<br />

Entspannung. So ein Tag<br />

wie am Beverin hat alles, was<br />

eine gute Skitour ausmacht.»<br />

KRAFT<br />

TEIL<br />

JAN MAURER<br />

MARKETINGLEITER<br />

BÄCHLI BERGSPORT<br />

Der Scott Superguide Carbon ist ein durchdachter<br />

Tourenskischuh, der Leichtigkeit im<br />

Aufstieg und Stabilität in der Abfahrt vereint.<br />

Das geringe Gewicht wird durch die Verwendung<br />

von Leicht-Kunststoffen wie Grilamid<br />

erreicht. Damit die Abfahrtsperformance<br />

nicht leidet, hat Scott die Grilamid-Schale<br />

durch Carboneinlagen verstärkt. Das ermöglicht<br />

eine bessere Kraftübertragung in<br />

der Abfahrt – ohne gross an Gewicht zuzulegen.<br />

Drei mikro-verstellbare Schnallen<br />

sorgen für einen sicheren Sitz, während der<br />

Flex-Wert von 125 Steifigkeit gewährleistet.<br />

Der Walkmechanismus ist mittels Metallbügel<br />

aktivierbar und die Schaftrotation von 60<br />

Grad verspricht Komfort im Aufstieg. Werden<br />

die letzten Meter zum Gipfel alpiner, bietet<br />

die Vibram-Sohle mit Bi-Density-Gummi<br />

Grip. Praktisch: Die Sohle ist für klassische<br />

als auch für Pin-Bindungen geeignet.<br />

SUPERGUIDE CARBON<br />

SCOTT<br />

Gewicht 2830 g / Paar (Grösse 26.5)<br />

Preis CHF 729.–<br />

BÄCHLI<br />

ON TOUR<br />

Sie möchten erst noch fit werden für den Piz<br />

Beverin, oder nach dieser Tour anspruchsvollere<br />

Ziele angehen? Gemeinsam mit vier<br />

sehr engagierten Begführern bietet Bächli<br />

Bergsport das «Bächli on Tour»-Programm<br />

an, das auch für diesen Winter wieder eine<br />

grosse Bandbreite an Skitouren bereithält.<br />

Zum Tourenangebot:<br />

baechli-bergsport.ch/<br />

de/baechliontour<br />

LEICHT<br />

GETRAGEN<br />

Merino sei Dank, sind die Füsse auch auf<br />

Skitour gut umsorgt: Die PhD Ski Touring<br />

Light Elite Skitourensocken sind aus feiner<br />

Merinowolle, Nylon und Elasthan. Das Mischgewebe<br />

sorgt für ein gutes Temperatur- und<br />

Feuchtigkeitsmanagement im Skischuh. Unangenehme<br />

Gerüche werden durch den hohen<br />

Merinowoll-Anteil vermieden. An besonders<br />

empfindlichen Stellen wie Schienbein und<br />

Ferse wurde das Material verstärkt, um den<br />

Tragekomfort zu erhöhen. Ventilationszonen<br />

mit Mesh verbessern die Atmungsaktivität,<br />

wenn der Aufstieg schweisstreibend wird. Die<br />

richtige Form behalten die Socken durch die<br />

gekreuzten Kanäle am Fussrücken sowie der<br />

Flexzone am Sprunggelenk (4 Degree Elite Fit<br />

System), die Faltenbildung und Verrutschen<br />

verhindern.<br />

PHD SKI TOURING LIGHT ELITE<br />

SMART WOOL<br />

Preis CHF 33.–<br />

18<br />

19


WEGWEISER NANGA PARBAT<br />

ZWEI<br />

HOCH ZWEI<br />

TEXT & FOTOS BORIS LANGENSTEIN<br />

20<br />

Am zweiten Tag unserer Akklimatisierung<br />

steigen wir bis auf<br />

5750 Meter. Tiphaine geniesst<br />

den Schnee und die Atmosphäre<br />

unter den Eisbrüchen.<br />

INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

In der kleinen Szene der Himalaya-<br />

Skialpinisten sind Boris Langenstein<br />

und Tiphaine Duperier das Team<br />

undercover. Ohne grossen Medienzirkus<br />

schnappten sich die beiden<br />

Franzosen 2018 die heiss umworbene<br />

Erstbefahrung des formschönen<br />

Laila Peak. 2019 legten sie mit einer<br />

Pionierabfahrt am Siebentausen der<br />

Spantik nach, die jedoch nur als Vorbereitung<br />

für ein noch grösseres<br />

Projekt diente: eine möglichst vollständige<br />

Skibefahrung des 8125 Meter<br />

hohen Nanga Parbat. Boris Langenstein<br />

gewährte uns Einblick in sein<br />

Expeditionstagebuch.<br />

8. BIS 9. JUNI 2019<br />

Wir sind auf dem Weg ins Basislager des Nanga Parbat.<br />

Nach der erfolgreichen Befahrung des Spantik wechseln<br />

wir das Tal, auch die Landschaft und die Menschen ändern<br />

sich. Diese Region ist viel konservativer. In Shilaz, dem<br />

Ausgangspunkt für den Nanga-Trek, tragen die Männer<br />

lange Bärte, und Frauen, die in Skardu schon kaum zu<br />

sehen sind, sind hier völlig unsichtbar. In zwei Tagen erreichen<br />

wir, begleitet von unserem Polizisten, das Lager.<br />

Der Ort ist magisch: etwas Gras und die 4000 Meter hohe<br />

Wand des Nanga Parbat im Hintergrund. Zwei Teams sind<br />

bereits da: zwei georgische Kletterer und ein russischitalienisches<br />

Team, darunter auch Cala Cimenti, die wir letztes<br />

Jahr am Laila Peak getroffen haben. Auch sie wollen wie<br />

wir eine Skiabfahrt versuchen. Die Bedingungen in der<br />

Diamirflanke sehen gut aus, und unsere kleinen Gehirne<br />

träumen bereits ganz aufgekratzt von einer direkten Abfahrtslinie<br />

im Zentrum der Wand.<br />

10. JUNI 2019<br />

An unserem ersten Tag steigen wir ins Lager 2, um die berühmte<br />

Kinshofer-Wand kennenzulernen – eine 150 Meter<br />

hohe, senkrechte Wand und die technisch anspruchsvollste<br />

Passage auf dem Weg zum Gipfel. Wir klettern die ersten<br />

50 Meter und befestigen unser Seil. Von dort aus können<br />

wir den Rest des Weges und vor allem die Reste der vielen<br />

Fixseile sehen. Ein kurzer Materialcheck ergibt, dass einige<br />

noch in gutem Zustand sind. Nur hier an der Kinshofer-<br />

Wand verwenden wir Fixseile. Guter Dinge kehren wir um<br />

und schwingen den riesigen, perfekt geneigten Hang hinab<br />

zum Lager 1. Um 15 Uhr sind wir wieder im Basislager.<br />

11. BIS 15. JUNI 2019<br />

Meine Zweifel vom Vortag sind bestätigt, Pakistan hat meinen<br />

Magen fest im Griff. Tiorfan, Imodium, georgische Medizin …<br />

nichts hilft. Ich spüre Tiphaines sorgenvolle Blicke auf meine<br />

körperliche Verfassung. Erst nach fünf Tagen und etwas Antibiotikum<br />

wird es besser. In der Zwischenzeit hat ein Schneesturm<br />

dem Basislager mehr als 80 cm Neuschnee beschert.<br />

Der Nanga Parbat selbst wurde dagegen vom Wind durchgefegt<br />

– nun glänzt das blanke Eis in der Sonne. Unser Traum<br />

von einer direkten Skibefahrung scheint zu schwinden.<br />

15. BIS 20. JUNI 2019<br />

Wir erkunden die Diamirflanke. Unsere Form ist mässig,<br />

aber wir sind optimistisch, dass in ein paar Tagen alles wieder<br />

normal sein wird. Zum Abschluss der Höhenanpassung<br />

wollen wir noch einmal bis auf 7000 Meter steigen. Um das<br />

ewige Auf und Ab an der Kinshofer-Wand zu vermeiden und<br />

eine mögliche Abfahrtsroute auszukundschaften, gehen<br />

wir in die wilde Diamirflanke. Das Wetter ist wechselhaft,<br />

aber nie wirklich schlecht, und die Schneeverhältnisse sind<br />

gut, also können wir uns in die Höhle des Löwen vorwagen.<br />

Nach vier Tagen erreichen wir, über eine vermutlich bisher<br />

unbegangene Route, das Ende der Diamirflanke auf knapp<br />

7500 Metern. Hier stossen wir auf den Normalweg der<br />

Kinshofer-Route, über die man ebenfalls abfahren könnte.<br />

Nach einer letzten Nacht auf 6600 Metern kehren wir ins<br />

Basislager zurück. Mit dieser Reise ins Herz der Diamirflanke<br />

ist die Expedition für uns bereits ein Erfolg!<br />

«Nur um mal zu sehen,<br />

aber ohne wirklich an<br />

den Gipfel zu glauben,<br />

steige ich weiter auf.»<br />

21


WEGWEISER<br />

NANGA PARBAT<br />

Oben: Unsere Träger<br />

auf dem Weg zum<br />

Spantik-Basislager, zu<br />

Beginn der Saison<br />

liegt noch viel Schnee.<br />

heute: Tiphaine merkt, dass sie die Berg-Apotheke vergessen<br />

hat, aber unsere spanischen und brasilianischen<br />

Freunde helfen uns mit ein paar Pillen aus. Nur Vincent,<br />

unser Wetterfrosch zu Hause in Frankreich, ist nicht mehr<br />

so optimistisch. Statt am 29. Juni soll das beste Wetterfenster<br />

nun am 4. Juli herrschen. Die Vorhersage für die<br />

nächsten Tage ist eher wie die von letzter Woche: sehr<br />

schön am Morgen, etwas bedeckt und etwas Schneefall am<br />

Nachmittag, aber nie wirklich schlecht. Wir müssen eine<br />

Entscheidung treffen. Alle anderen werden ins Basislager<br />

zurückkehren. Aber von dort mit 15 anderen Bergsteigern<br />

im Gänsemarsch aufzusteigen, wäre nicht mehr das gleiche<br />

Abenteuer. Ohne gross zu diskutieren, entscheiden wir<br />

uns, im Lager 2 zu bleiben und den Aufstieg fortzusetzen.<br />

Nebel und Schnee erreichen wir Lager 3, aber die Sonne<br />

kehrt schnell zurück. Als ich das Zelt aufbaue, lasse ich<br />

eine Zeltstange fallen. Sie fliegt in hohem Bogen die Wand<br />

hinab. Jetzt haben wir nur noch ein halbes Zelt … Glücklicherweise<br />

entdeckt Tiphaine das Gestänge am Rande<br />

eines Séracs. Puh, die Expedition ist gerettet! Der Weg von<br />

Lager 3 nach Lager 4 ist sehr anstrengend. Um Triebschneeansammlungen<br />

aus dem Weg zu gehen, müssen wir<br />

erst etwas abfahren und dann steil wieder aufsteigen. Wir<br />

queren das Grosse Plateau hinüber zum Lager 4, das im<br />

Windschatten eines kleinen Séracs liegt. Wir sind auf 7250<br />

Metern, es ist 19 Uhr. Der Zeltaufbau und das Schneeschmelzen<br />

nehmen drei Stunden in Anspruch. Erst um 22<br />

Uhr können wir eine wohlverdiente Pause einlegen.<br />

Unten: Nachdem ich<br />

den Gipfel erreicht habe,<br />

treffe ich Tiphaine auf<br />

7800 m wieder in ihrer<br />

Schneehöhle. Erleichtert<br />

können wir bei<br />

Sonnenuntergang zum<br />

Lager 4 abfahren.<br />

27. UND 28. JUNI 2019<br />

Wir verlassen das Lager gegen 6 Uhr morgens und steigen<br />

den ersten Teil des Grates hinauf, der am Vortag<br />

von den pakistanischen Trägern gespurt wurde. Nach 200<br />

Metern erreichen wir einen grossen, unberührten Hang.<br />

Der Tiefschnee weicht im Laufe der Zeit hartem Eis. Bei<br />

29. JUNI 2019<br />

Tagwacht um 3:30 Uhr. So überraschend es auf 7250 Metern<br />

auch sein mag: Wir haben geschlafen wie die Murmeltiere.<br />

Um 5 Uhr gehen wir los. Mit weniger als 100 Höhenmetern<br />

pro Stunde scheint der Gipfel nicht näher zu kommen.<br />

Unsere Moral wackelt. Gegen 13 Uhr ziehen einige Wolken<br />

BORIS LANGENSTEIN<br />

TIPHAINE DUPERIER<br />

21. BIS 25. JUNI 2019<br />

Unsere Akklimatisierung ist abgeschlossen. Jetzt heisst<br />

es ausruhen und warten auf ein günstiges Wetterfenster.<br />

Zwei neue Expeditionen erreichen das Basislager, unter<br />

anderem das Team um den Nepalesen Nirmal Purja, der<br />

alle 14 Achttausender in sieben Monaten besteigen will.<br />

Wir tauschen uns ein wenig mit den anderen Gruppen aus.<br />

Für uns ist klar, dass wir zum ersten günstigen Zeitpunkt<br />

unser Glück versuchen werden. Wenn wir den Berg dann<br />

für uns alleine haben, umso besser! Am 23. Juni kommen<br />

unseretwegen noch zwei Hubschrauber angeknattert. TF1,<br />

ein französischer Fernsehsender, ist gekommen, um über<br />

uns zu berichten. Leider bleibt keine Zeit, um von unserem<br />

wachsenden Bekanntheitsgrad zu profitieren. Unsere<br />

Wetterbeobachter wachen über uns. Für den 29. Juni ist ein<br />

gutes Wetterfenster angesagt: Diesen Gipfeltag sollten<br />

wir nicht verpassen.<br />

EXPED – EXPEDITION EQUIPMENT<br />

SERAC 35<br />

Der Bergführer Boris Langenstein aus Tignes und die<br />

Pisten-Patrouilleurin Tiphaine Duperier, derzeit ebenfalls<br />

Bergführer-Aspirantin, kennen sich bereits seit Schulzeiten.<br />

Ihre Leidenschaft sind Skibefahrungen an den Bergen<br />

der Welt – immer im möglichst kleinen Team und im<br />

Alpinstil. Zusammen mit Carole Chambaret gelang ihnen<br />

bereits die Erstbefahrung des Laila Peak. Ihr Traum einer<br />

Befahrung der Diamirflanke am Nanga Parbat, wie es<br />

Luis Stitzinger 2008 gelang, erfüllte sich zwar nicht: Boris<br />

Langensteins Startpunkt knapp unter dem Gipfel dürfte<br />

dafür der bisher höchste am Nanga Parbat sein.<br />

26. JUNI 2019<br />

Wir verlassen das Basislager um 4 Uhr morgens. Der Weg<br />

zum Lager 2 muss neu gespurt werden. Über die Kinshofer-<br />

Route mit den schweren Rucksäcken und Ski auf dem<br />

Rücken aufzusteigen, ist ein ordentlicher Kraftakt. Nach elf<br />

anstrengenden Stunden erreichen wir Lager 2, wo sich einige<br />

andere Bergsteiger akklimatisieren. Beim Zeltaufbau<br />

profitieren wir von den Terrassen der Georgier und sparen<br />

uns eine Stunde Schneeschaufeln. Das Karma stimmt<br />

WETTERFESTER ALPIN-WINTERRUCKSACK<br />

Dieser federleichte 35-l-Tourenrucksack mit Rolltop und<br />

seitlichem Reissverschlusszugang bietet trotz seines<br />

minimalistischen Designs funktionale Details und ist für<br />

den Winter bestens ausgestattet: In einer wetterfesten<br />

Fronttasche verstaust du Schaufelblatt, Skifelle & Co.<br />

Eine durchdachte Skihalterung und diverse Befestigungspunkte<br />

für die Alpinausrüstung machen den<br />

Serac 35 zu einem zuverlässigen Begleiter auf<br />

winterlichen Tages- und Weekendtouren.<br />

extrem leicht<br />

wetterfest<br />

minimalistisch<br />

DAS MAXIMALE NATURERLEBNIS MIT MINIMALEN MITTELN | www.exped.com<br />

22 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

23<br />

Photo: Martin Scheel


WEGWEISER NANGA PARBAT<br />

NANGA PARBAT<br />

Blick vom Basislager<br />

des Nanga Parbat auf<br />

die 4000 Meter hohe<br />

Diamirflanke. In rot<br />

die Aufstiegsroute der<br />

Franzosen mit ihren<br />

drei Lagern. Für die<br />

Abfahrt wählten sie den<br />

gleichen Weg, nur die<br />

senkrechte Kinshofer-<br />

Wand umfuhren sie auf<br />

einer Variante (orange).<br />

Die mit Eisbrüchen<br />

übersäte Diamirflanke<br />

in der Bildmitte wurde<br />

2008 vom Allgäuer<br />

Luis Stitzinger mit Ski<br />

befahren, er startete<br />

300 Meter unterhalb<br />

des Gipfels.<br />

Für die Akklimatisierung am<br />

Spantik fanden wir einen 5700<br />

Meter hohen Gipfel mit wunderbaren<br />

Hängen, direkt hinter<br />

unserem Basislager.<br />

auf. Das Spuren verlangt einen zähen Willen. Tiphaine<br />

lässt nicht locker, obwohl sie müde ist. Gegen 18 Uhr sind<br />

wir auf mehr als 8000 Metern. Ich steige noch weiter, bis<br />

der Höhenmesser 8040 Meter zeigt. Der Gipfel ist in Sicht,<br />

aber ausser Reichweite. Tiphaine ist stehen geblieben.<br />

Es ist spät, das Wetter ist mässig, ich gebe auch auf. Als<br />

wir für die Abfahrt fertig sind, wird es bereits dunkel. Wir<br />

benutzen unsere Smartphones als Stirnlampen und fahren<br />

in einem ziemlich abenteuerlichen Stil, mehr seitlich<br />

Erkundung der Diamirflanke. An einigen Stellen ist das<br />

Eis nur mit wenigen Zentimetern Schnee bedeckt.<br />

rutschend als fahrend, zurück ins Lager 4, das wir gegen<br />

21 Uhr erreichen. Wir sind müde, aber nicht verausgabt.<br />

Unser später Aufbruch hat unsere Erfolgsaussichten sabotiert.<br />

Wir müssen es noch einmal versuchen.<br />

30. JUNI 2019<br />

Ruhetag auf 7250 Metern. Wir verbringen den Tag mit<br />

trinken, Geschichten erzählen und der Reparatur meines<br />

Schuhs, der in der Abfahrt gebrochen ist. Mit einer<br />

Eisschraube bohre ich zwei Löcher in die Schale, mit<br />

einer Schnur kann ich den Schuh in der Abfahrtsposition<br />

fixieren. Die Moral ist gut, und ausgestreckt in unseren<br />

Schlafsäcken spüren wir nicht einmal die Höhe!<br />

1. JULI 2019<br />

Diesmal klingelt der Wecker um 0:30 Uhr. Leider verschütten<br />

wir die Hälfte des Topfinhalts im Zelt. Bis wir<br />

wieder Schnee geschmolzen, die Schuhe vorgewärmt<br />

haben und losziehen können, ist es wieder 3:30 Uhr – unser<br />

neuer Rekord bei der Morgenroutine! Zudem müssen<br />

wir spuren. Unser Tempo ist deprimierend niedrig, schon<br />

nach kurzer Zeit wechseln wir uns mit dem Spuren ab.<br />

Auf 7800 Metern bleibt Tiphaine an einem Felsen zurück,<br />

und erklärt mir, dass sie hier auf mich warten wird. Ich<br />

bin etwas überrascht, sie schien bis jetzt in guter Verfassung<br />

zu sein. Ich schlage ihr vor, gemeinsam ins Lager 4<br />

zurückzukehren, doch sie besteht darauf, in einer Mulde<br />

hinter den Felsen auf mich zu warten. Mit meinem etwas<br />

benebelten Gehirn nehme ich das leichtfertig hin. Nur um<br />

mal zu sehen, aber ohne wirklich an den Gipfel zu glauben,<br />

steige ich weiter auf. Bald passiere ich unseren Umkehrpunkt<br />

von vor zwei Tagen, auf etwas über 8000 Metern. Der<br />

tiefe Bruchharsch weicht einer härteren Unterlage, endlich<br />

komme ich in vernünftigem Tempo voran. Erstmals scheint<br />

mir der Gipfel erreichbar zu sein.<br />

Ich beobachte die Wolken, die aus dem Tal kommen. Es ist<br />

sehr windig. Ich bin fokussiert und entschlossen. Auf etwa<br />

8080 Metern erreiche ich eine kleine Scharte links des<br />

Gipfels und deponiere meine Ski. Es ist 17:27 Uhr. Der Wind<br />

weht heftig, zwischen Licht und Schatten stehe ich auf dem<br />

Gipfel des Nanga Parbat. Ohne Tiphaine ist die Freude nicht<br />

so gross, anders als am Spantik fliessen keine Tränen. Es ist<br />

einfach unbeschreiblich, hier zu sein. Ich mache ein Selfie<br />

und ein Panoramafoto und kehre zum Skidepot zurück. 50<br />

Meter unter dem Gipfel schnalle ich die Ski an. Ich hole<br />

Tiphaine ab, die in ihrer Mulde kauert. Wir umarmen uns<br />

und sind erleichtert, wieder zusammen zu sein. Auch wenn<br />

unsere Beine nicht mehr wirklich reagieren, ist die Abfahrt<br />

unglaublich schön. Die tief stehende Sonne leuchtet rot, der<br />

Himmel brennt förmlich, das Licht ist magisch. Um 19 Uhr<br />

sind wir wieder in Lager 4.<br />

2. JULI 2019<br />

Wir warten, bis die Sonne unser Zelt erwärmt. Dann machen<br />

wir uns langsam fertig, wobei Tiphaine tapferer ist als ich.<br />

Ich bin faul, beginne, die Höhe zu spüren. Gegen 13 Uhr beginnen<br />

wir mit dem Abstieg. Unsere ursprüngliche Idee, wieder<br />

200 Höhenmeter aufzusteigen und über die Diamirflanke<br />

abzufahren, geben wir schnell auf. Vier Nächte auf 7250<br />

Metern haben unsere letzten Energiereserven erschöpft, wir<br />

fahren auf der Kinshofer-Route ab. Zwischen Lager 4 und<br />

Lager 3 treffen wir die anderen Gruppen, darunter Nims und<br />

sein Team. Unterhalb von Lager 3 ist das Eis nur mit einer<br />

dünnen Schneeschicht bedeckt. Im Überschwang setze ich<br />

einen letzten Schwung, der zu einer ungewollten Rutschpartie<br />

auf Blankeis führt. Wir beschliessen, uns an den<br />

Fix seilen festzuhalten, um diese kritischen 100 Meter zu<br />

überwinden. Die danach folgenden, senkrechten Felsen der<br />

Kinshofer-Wand wollen wir über eine steile Variante rechts<br />

davon umfahren, die wir im Basislager ausfindig gemacht<br />

haben. Der Allgäuer Luis Stitzinger hat sie 2007 erstmals<br />

befahren. Es ist die Schlüsselstelle der Abfahrt.<br />

Wir sind angespannt. Wolken umhüllen uns, die Sicht ist<br />

gleich Null. Das Eis ist blank, die Wegfindung kompliziert,<br />

denn geradeaus endet die Rinne in einem monströsen<br />

Eisbruch. Entkräftet und zum ersten Mal auf dieser Reise<br />

streiten wir uns wegen des Wegverlaufs. Endlich finden wir<br />

24 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

25


Auf etwa 7000 Metern<br />

zwischen Lager 3 und<br />

Lager 4 am Nanga<br />

Parbat. Der Schnee ist<br />

tief und teilweise verharscht,<br />

das Spuren<br />

anstrengend.<br />

HÖHERE<br />

WEIHEN<br />

Den Nanga Parbat mit Ski zu<br />

besteigen, dürfte wohl nur einem<br />

Promille aller Bergsteiger, wenn<br />

überhaupt, vergönnt sein. Zuverlässige<br />

Ausrüstung, auf die man<br />

sich verlassen kann, braucht es<br />

aber auch an niedrigeren Bergen.<br />

Unsere Empfehlungen für die<br />

ganz grossen Skitouren.<br />

«Die goldene Regel<br />

des Skitourengehens:<br />

Man spürt das Gewicht<br />

an den Füssen 7x<br />

mehr als die am<br />

Rücken getragene Last.»<br />

NICOLAS COSTANZO<br />

FILIALLEITER STV.<br />

FILIALE LAUSANNE<br />

BÄCHLI SERVICE<br />

EINKAUFSBEGLEITER<br />

Grosse Touren oder gar Expeditionen erfordern<br />

eine sorgfältige Planung. Die<br />

überlegte Auswahl der Ausrüstung spielt<br />

dabei eine besondere Rolle. Der Bächli<br />

Bergsport Einkaufsbegleiter unterstützt Sie<br />

mit Rat und Tat an Ihrem Wunschtermin,<br />

kostenfrei und unverbindlich.<br />

baechli-bergsport.ch/<br />

einkaufsbegleiter<br />

«Wir benutzen unsere<br />

Smartphones als<br />

Stirnlampen und fahren<br />

in einem ziemlich<br />

abenteuerlichen Stil<br />

hinab ins Lager 4.»<br />

den Durchschlupf, der zum Fuss der Kinshofer-Wand führt –<br />

dort ist das Ende der Schwierigkeiten. Wir geniessen unsere<br />

letzten Schwünge am Nanga Parbat und erreichen das Ende<br />

des Gletschers, wo Muaz schon mit einer Cola auf uns wartet.<br />

Wir haben den Nanga Parbat mit Ski befahren!<br />

Zwei Monate Zeltleben sind vorbei. Unsere Expedition neigt<br />

sich dem Ende zu. Es war Bergsteigen, wie wir es lieben:<br />

allein, nach unserem Wunsch und unserer Vorstellung vom<br />

Berg. Die guten Zeiten mit unserem Team, den Trägern<br />

und den Pakistanis im Allgemeinen haben unserer Motivation<br />

sehr geholfen. Unsere langen Ruhetage im Basislager<br />

einerseits, die grossen Anstrengungen am Berg andererseits<br />

bilden den Reichtum dieses Abenteuers. Wir freuen<br />

uns auf die Rückkehr nach Hause, in den französischen<br />

Sommer, bevor wir von der nächsten Expedition träumen.<br />

Tiphaine in der Ausfahrt der Kinshofer-Variante.<br />

Die Sicht wurde rechtzeitig<br />

besser, um den letzten kniffligen<br />

Abzweig auf die Normalroute zu finden.<br />

KERN<br />

GESUND<br />

Der Tourenski VTA88 lite knüpft an eine lange<br />

Tradition qualitativ hochwertiger Tourenski<br />

bei Völkl an. Durch eine Ummantelung des<br />

Kerns mit Carbon ist der Ski äusserst leicht,<br />

wobei die 3D.Ridge Technologie dafür sorgt,<br />

dass die Fahrperformance die hohen Ansprüche<br />

von Völkl erfüllt. Der mehrschichtige<br />

Holzkern aus Paulownia und Pappel mit<br />

Isocore-Einsätzen ist mit Carbon ummantelt.<br />

Seine 3D.Ridge Bauart definiert die Torsionssteifigkeit<br />

und Biegelinie des Skis. Auf dem<br />

schneeabweisenden Ice-Off-Deckblatt bleibt<br />

kein unerwünschtes Zusatzgewicht kleben.<br />

Mit seiner Allround-Taillierung (127 – 88 – 106)<br />

und dem geringen Gewicht ist der VTA88 lite<br />

sehr gut geeignet für lange Touren und wechselnde<br />

Schneeverhältnisse.<br />

VTA88 LITE<br />

VÖLKL<br />

Gewicht 2200 g / Paar (170 cm)<br />

Preis CHF 829.–<br />

MISTER<br />

ZUVERLÄSSIG<br />

Der Aergon 2 von Leki ist ein Stock,<br />

der Skitourengeher wunschlos glücklich<br />

macht. Warum? Da wären zum<br />

einen feine Details wie der (austauschbare)<br />

Schneeteller, der an der Hinterseite eine<br />

gerade Kante besitzt, mit der man bestens<br />

vereiste oder stollende Felle frei kratzen oder<br />

die Steighilfe einstellen kann. Ausserdem lässt<br />

sich der Aergon 2 als einer der wenigen Teleskopstöcke<br />

am Markt bis auf 150 cm ausfahren<br />

– für grössere Tourengeher eine willkommene<br />

Schubhilfe im flachen Gelände. Aber nicht nur<br />

die Details stimmen, sondern auch die Grundausstattung:<br />

der zweiteilige Teleskopstock ist<br />

aus stabilem HTS 6.5 Aluminium gefertigt, das<br />

zudem eloxiert und damit recht unempfindlich<br />

gegen Kratzer ist. Die hohen Rohrdurchmesser<br />

von 18 und 16 mm machen den Zweiteiler sehr<br />

robust und stabil. Trotzdem bleibt das Gewicht<br />

im Rahmen. Und die zuverlässige, aussen liegende<br />

Speed-Lock-2-Klemme lässt sich auch<br />

mit Handschuhen gut bedienen.<br />

AERGON 2<br />

LEKI<br />

Gewicht 540 g / Paar<br />

Preis CHF 115.–<br />

HOSE FÜR<br />

HÖHERES<br />

Softshell-Hosen sind angenehm – aber nur,<br />

solange schönes Wetter herrscht und die Tour<br />

nicht zu hoch hinausgeht. Wer beides nicht<br />

garantieren kann, ist mit einer Hardshell-<br />

Hose wie der Radical Pants von Dynafit besser<br />

beraten. Schnee und Wind werden durch das<br />

dreilagige Gore-Tex C-Knit Material effektiv<br />

ausgesperrt, zudem sind alle Nähte verschweisst.<br />

Der Hosensaum ist gegen scharfe<br />

Kanten und Steigeisen verstärkt und in der<br />

Weite verstellbar. Seitliche Reissverschlüsse<br />

ermöglichen, die Hose auch über geöffnete<br />

Schnallen zu ziehen. Angenehm und praktisch<br />

sind die integrierten Gamaschen, die<br />

Ventilationsöffnungen, der verstellbare Bund<br />

sowie die Oberschenkeltaschen.<br />

RADICAL GORE-TEX M PANTS<br />

DYNAFIT<br />

Gewicht 499 g<br />

Preis CHF 429.–<br />

26<br />

27


EXPERT EISKLETTERN<br />

KALTE<br />

KUNST<br />

Beim Eisklettern ist die richtige Ausrüstung essenziell.<br />

Denn ohne haben Kletterer an der eisigen Vertikalen keine Chance.<br />

Doch was sind die richtigen Produkte und auf welche Feinheiten<br />

kommt es an? Ein Ratgeber.<br />

ILLUSTRATION: SOPHIE KETTERER<br />

TEXT RABEA ZÜHLKE<br />

Wenn die Temperaturen fallen, Wasserfälle<br />

zu kletterbaren Säulen gefrieren<br />

und dicke Eisschichten die Felsen<br />

bedecken, zieht Samuel Bundi los. Und das,<br />

so oft es geht – wenn es denn mal geht. «Die<br />

Eisklettersaison ist nicht lang», sagt der Abteilungsleiter<br />

Hartwaren von Bächli Bergsport.<br />

«Meist sind es nur wenige Wochen, an denen<br />

alles zusammenpasst.» Ist es zu kalt, wird das<br />

Eis spröde. Ist es zu warm, sind die Eistrukturen<br />

instabil. «Ideal sind beständige Temperaturen<br />

um null Grad über mehrere Wochen», weiss<br />

Bundi. Doch selbst dann bewegt sich das Eis<br />

von Tag zu Tag. Temperatur, Wassermenge und<br />

Untergrund beeinflussen das Eis permanent.<br />

Aber wenn das Eis einmal steht und die Bedingungen<br />

passen, gibt es wenig Vergleichbares:<br />

So abweisend die gläsernen Strukturen aussehen,<br />

so anziehend sind sie für Eiskletterer. Vorausgesetzt,<br />

die Ausrüstung stimmt. Denn ohne<br />

das richtige Material ist das Spiel in der eisigen<br />

Vertikalen vorbei, bevor es überhaupt losgeht.<br />

EISGERÄTE<br />

Eisgeräte, Steigeisen und Eisschrauben gehören<br />

zu den wichtigsten Tools beim Eisklettern. Im<br />

Vergleich zu klassischen Hochtourenpickeln,<br />

die auf dem Gletscher oder beim Skibergsteigen<br />

als Stockersatz, Werkzeug oder Rettungsanker<br />

dienen, unterscheiden sich technische<br />

Eisgeräte vor allem in Form, Festigkeit und Gewicht.<br />

In Eis-, Mixed- oder Drytooling-Routen<br />

sind sie einer höheren Belastung ausgesetzt.<br />

Anders als Hochtourenpickel müssen Haue<br />

und Schaft deswegen bestimmten Festigkeitswerten<br />

nach UIAA- und EU-Normen entsprechen.<br />

Dadurch sind tech nische Eisgeräte in der<br />

Regel schwerer – was aber der notwendigen<br />

Schlagwucht beim Setzen ins Eis zugutekommt.<br />

Als Kunde erkennt man den Unterschied zwischen<br />

den beiden Typen am Buchstaben, der<br />

am Schaft eingeprägt ist: Eisgeräte haben ein<br />

«T», klassische Hochtourenpickel ein «B». Über<br />

die Form entscheidet der Einsatzbereich: Je<br />

steiler das Gelände, desto gewinkelter Schaft<br />

und Haue. «Leicht gebogene Eisgeräte wie das<br />

Quark von Petzl eignen sich für steile bis vertikale<br />

Eisfälle genauso wie für steile Nordwände oder<br />

Firnfelder», erklärt Bundi. «In Steileis- oder in<br />

Mixed- Routen ist der Schaft stärker gebogen, in<br />

anspruchsvollen und überhängenden Mixed- und<br />

Drytooling-Routen ist die Krümmung noch ausgeprägter<br />

und der Griff geneigt.» So lässt sich das<br />

Gerät präziser und kräftesparender im steilen Gelände<br />

platzieren. Auch die Dicke der Haue unterscheidet<br />

sich nach Spielart: «Zwar sind alle Hauen<br />

aus gehärtetem Stahl, beim Mixed-Klettern und<br />

beim Drytooling müssen sie aber dicker und robuster<br />

sein», urteilt der Bächli-Experte. Zahnung<br />

und Spitze sind bei Touren im Fels oder im kombinierten<br />

Gelände dafür weniger scharf, weil die<br />

Haue gezielt gesetzt und nicht geschlagen wird.<br />

Hammer oder Schaufel am Kopf sind übrigens<br />

unnötig. «Ein Hammer dient zum Einschlagen von<br />

Haken, eine Schaufel zum Stufenschlagen oder<br />

Schnee entfernen», erklärt Bundi. Hilfreich sind<br />

diese Werkzeuge in Nordwänden oder Firnflanken,<br />

weniger beim Eisklettern. Sinnvoll sei dagegen<br />

ein ergonomisch geformter Doppelgriff (z. B.<br />

Petzl Ergonomic). «Das ermöglicht verschiedene<br />

Haltepositionen im steilen oder überhängenden<br />

Gelände», weiss der Abteilungsleiter. Feinheiten,<br />

die bei Anfängern zunächst wenig Relevanz haben,<br />

aber für den ambitionierten Eiskletterer ausschlaggebend<br />

sind. Für Beginner gilt: «Das Gerät<br />

sollte gut in der Hand liegen und der Griff auf die<br />

Handgrösse abgestimmt sein», so Bundi. Den<br />

Wert scharfer Eisgeräte kann man kaum überschätzen.<br />

Sie greifen nicht nur besser im Eis,<br />

sondern entwickeln auch weniger Sprengkraft.<br />

Die Hauen sollten also regelmässig gewartet<br />

werden, zumal das kein Hexenwerk ist: «Mit einer<br />

einfachen Handfeile zu Hause nachschleifen», rät<br />

der Bächli-Experte. Dafür das Gerät an der Haue<br />

einspannen und die Feile senkrecht zur Kante vor<br />

und zurück bewegt – möglichst gerade, um den<br />

Schliff beizubehalten. Für zu stark abgenutzte<br />

Hauen bieten fast alle Hersteller Ersatz an.<br />

STEIGEISEN<br />

Wer Eisklettern richtig lernen will, braucht Steileissteigeisen<br />

mit einer und zwei vertikalen Frontalzacken.<br />

Bei ersten Versuchen im Eis können<br />

diese übrigens in allen Bächli-Filialen gemietet<br />

werden. «Für reines Eisklettern empfehlen sich<br />

Modelle mit Doppelzacken», sagt Bundi. Diese<br />

seien auch für Anfänger von Vorteil: «In wenig<br />

INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

29


EXPERT<br />

EISKLETTERN<br />

steilen und viel begangenen Wasserfällen geht es<br />

eher ums Hooken, also dem Einhängen der Eisgeräte<br />

in vorgeschlagene Einschlaglöcher, und<br />

ums Steigen.» Zwei Zacken geben mehr Auflagefläche<br />

und Stabilität. Wer dabei die Fersen leicht<br />

hängen lässt, spart zudem Kraft und verbessert<br />

den Halt der Frontalzacken im Eis. Ambitionierte<br />

Eiskletterer, die sich im steileren Eis wohlfühlen,<br />

sowie Mixed- und Drytooling-Fans, bevorzugen<br />

Steileissteigeisen mit einem Frontalzacken, sogenannte<br />

Mono-Zacken. Mit ihnen lässt sich präziser<br />

antreten, gleichzeitig besitzen sie im<br />

spröden Eis weniger Sprengkraft. Praktisch sind<br />

Modelle mit austauschbaren Frontalzacken, die<br />

sich je nach Tour umbauen lassen.<br />

EISSCHRAUBEN<br />

Eisschrauben dienen als Zwischensicherung, zum<br />

Bau eines Standplatzes sowie zum Bohren von<br />

Eis-Sanduhren, sogenannten Abalakovs, über die<br />

abgeseilt wird. «Zehn bis zwölf Schrauben pro<br />

Seilschaft sollten reichen», erklärt der Bächli-<br />

Abteilungsleiter. «Idealerweise in unterschiedlichen<br />

Längen von zehn bis 20 Zentimetern, die je<br />

nach Eisdicke zum Einsatz kommen.» Je nach<br />

Konstruktionsart gibt es Eisschrauben mit oder<br />

ohne Kurbel an der Lasche. Eine integrierte Kurbel<br />

ist beim Eisklettern sinnvoll, bei normalen<br />

Hochtouren weniger essenziell. «Sie erleichtern<br />

das Handling – zumal die Schrauben mit einer<br />

Hand gesetzt werden müssen.» Effizientes Arbeiten<br />

ist dabei nicht nur zeitsparend, sondern vermeidet<br />

dicke Unterarme. Ein Fan von Leichtbau<br />

ist Bundi nicht unbedingt: «Wenn sechs Eisschrauben<br />

an jeder Gurtseite in der Bewegung<br />

aneinanderschlagen, geht bei ultraleichten Modellen<br />

aus Aluminium schnell das Gewinde kaputt.»<br />

Robuster als die Hybrid-Konstruktionen<br />

sind Schrauben aus Stahl. Doch auch diese nutzen<br />

sich irgendwann ab. Vom Nachschleifen der<br />

Zähne in Eigenregie rät der Experte allerdings ab:<br />

«Damit Eisschrauben bissig bleiben, muss der<br />

Winkel exakt stimmen.» Von Hand sei das kaum<br />

möglich. In allen Bächli Bergsport Filialen können<br />

Eiskletterer ihre stumpfen Eisschrauben in Spezialmaschinen<br />

schleifen lassen. Zum Bohren einer<br />

Abalakov-Eissanduhr ist eine Fädelhilfe zum<br />

Durchziehen der Reepschnur notwendig. «Ideal<br />

sind Fädler mit integriertem Messer, um die<br />

Reepschnur auf die gewünschte Länge kürzen zu<br />

können.» Der Rest am Klettergurt unterscheidet<br />

sich kaum von anderen alpinen Unternehmungen:<br />

«Wer viel im Eis klettert, nutzt<br />

die Imprägnierung nach einer<br />

Saison ab. Ist das Seil unbeschadet,<br />

kann es aber problemlos zum<br />

Sportklettern benutzt werden.»<br />

SAMUEL BUNDI<br />

ABTEILUNGSLEITER HARTWAREN<br />

Express-Schlingen, Karabiner, Tuber, Bandschlingen.<br />

Die Standard-Ausrüstung.<br />

STEIGEISENFESTE SCHUHE<br />

Als Schuh eignet sich ein voll-steigeisenfestes<br />

Modell der Kategorie D. Bundi rät zu warmen, festen<br />

Lederschuhen, die mit einer Gore-Tex Membran<br />

ausgestattet sind (z. B. Scarpa Mont Blanc Pro<br />

GTX). Im Wettkampf oder bei überhängenden Drytooling-Touren<br />

kommen spezielle Eiskletterschuhe<br />

zum Einsatz, bei denen Mono zacken direkt<br />

im Schuh integriert sind. Doch diese bleiben<br />

normalerweise den Profis überlassen. «In Kombination<br />

mit warmen Merinosocken sind steigeisenfeste<br />

Hochtourenschuhe mit steifer Sohle<br />

und guter Isolation ideal.» Auf Primaloft-Socken<br />

würde Bundi verzichten: «Die Socken sind meist<br />

so dick, dass der Schuh zu eng wird und die Zehen<br />

keinen Spielraum zum Bewegen mehr haben.»<br />

Dann seien kalte Füsse vorprogrammiert.<br />

IMPRÄGNIERTE SEILE<br />

Wie beim Sport- oder Alpinklettern wird mit Einfach-<br />

oder Halbseilen geklettert: In Eisklettergärten<br />

mit Einfachseil, in den alpineren Gefilden<br />

mit Halbseilen. Ausschlaggebend bei beiden ist<br />

die Imprägnierung: Mit nassem oder hartgefrorenem<br />

Strick wird das Seilhandling nicht nur anstrengend,<br />

sondern auch gefährlich, da im nassen<br />

Zustand die Belastbarkeit des Seils reduziert<br />

ist. Bei dem Imprägnierungsprozess wird das<br />

Seil entweder am Ende behandelt (Mantelimprägnierung)<br />

oder Mantel und Fasern werden separat<br />

voneinander imprägniert und nach dem Flechtprozess<br />

nochmals behandelt. Kletterseile der<br />

letzten Variante erfüllen in der Regel die UIAA<br />

Water Repellent Norm – eine Zertifizierung für<br />

imprägnierte Kletterseile. «Um die Zertifizierung<br />

zu erreichen, dürfen Seile nicht mehr als 5 Prozent<br />

des Eigengewichts an Wasser aufnehmen»,<br />

erklärt Christian Peschel von Petzl. Durch den<br />

Veredelungsprozess sind die Seile teurer – dafür<br />

länger schmutz- und wasserabweisend. Trotzdem<br />

haben Seile mit Mantelimprägnierung ihre<br />

Berechtigung: «Für sommerliche Tages- oder<br />

Halb tagestouren reicht eine reguläre Imprägnierung<br />

wie die Duratec Dry vollkommen aus»,<br />

sagt Peschel. Beim Eisklettern, wo Wasser in irgendeiner<br />

Form immer im Spiel ist, empfehle<br />

sich aber in jedem Fall ein Seil mit UIAA Dry<br />

Imprägnierung.<br />

BEKLEIDUNG<br />

Natürlich nützt die beste Hardware nichts, wenn<br />

man zitternd im Eis hängt. So hat sich das Zwiebelprinzip<br />

bewährt: Ein Baselayer aus Merinowolle<br />

als erste Schicht, darüber ein Fleece und<br />

eine leichte Isolationsschicht aus Kunstfaser (z. B.<br />

Primaloft) oder eine leichte Daunenjacke. Die<br />

äus serste Schicht muss wasserdicht und robust<br />

sein, um vor Nässe und Schnittschäden zu schützen.<br />

Und zum Sichern: «Unbedingt eine dicke<br />

Daunenjacke, genauso wie dicke Handschuhe»,<br />

sagt Bundi. Von denen könne man sowieso nicht<br />

genug haben. «Ich nehme mindestens zwei bis<br />

drei Paar mit. Selbst Handschuhe mit wasserdichter<br />

Membran sind irgendwann nass.» Ein<br />

weiterer Tipp: «Beim Abseilen einen einfachen<br />

Wollhandschuh mit Latex-Überzug aus dem Baumarkt<br />

verwenden.» Denn gerade beim Abseilen<br />

ist der Verschleiss durch Nässe und Feuchtigkeit<br />

hoch. Schade wäre es um die teuren Modelle. Zur<br />

weiteren obligatorischen Ausrüstung gehören<br />

nicht nur Stirnlampe, Biwaksack und Erste-Hilfe-<br />

Set, sondern je nach Einzugsgebiet und Ausrichtung<br />

genauso Lawinenverschüttetensuchgerät,<br />

Sonde und Schaufel. «Im Safiental oder im Avers<br />

gibt es Wasserfälle, die ein grosses Einzugsgebiet<br />

haben und stark lawinengefährdet sind», warnt<br />

Bundi. Wer das bei der Tourenplanung beachtet<br />

und gut gerüstet antritt, dem wird der Einstieg<br />

ins Eisklettern garantiert gelingen.<br />

30 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

31


KONTROVERS SKITOUR MIT ÖV<br />

K O N T R O V E R S<br />

«BERGSTEIGER SOLLTEN<br />

MEHR CARSHARING NUTZEN.»<br />

«WENN MAN WEIT REIST,<br />

SOLL MAN AUCH LANG BLEIBEN.»<br />

«LANGFRISTIG GEHT ES<br />

UM DAS ÜBERLEBEN.»<br />

IST BERGSPORT<br />

MOTORSPORT?<br />

PROTOKOLL RABEA ZÜHLKE<br />

Obwohl das ÖV-Angebot in der<br />

Schweiz zu den besten der Welt<br />

zählt, reisen die meisten Bergsteiger<br />

mit dem Auto an – und das<br />

oftmals lang und wenig umweltfreundlich.<br />

Warum verzichten<br />

nicht mehr Bergsteiger auf das<br />

Auto und welche Alternativen gibt<br />

es? Wir haben nachgefragt.<br />

S K I T O U R<br />

M I T Ö V<br />

«Das ÖV-Angebot in der Schweiz ist sehr gut ausgebaut<br />

und im Vergleich zu anderen Ländern funktioniert es<br />

problemlos. Vor allem der Zugang zu Informationen über<br />

diverse Apps ist super. Auf Schweiz Mobil sind beispielsweise<br />

alle Wanderrouten mit Haltestellen und genauem<br />

Fahrplan digitalisiert. Das Argument, dass das Fahren mit<br />

öffentlichen Verkehrsmitteln zu kompliziert ist, ist somit<br />

völliger Blödsinn. Selbst das Argument, dass die Skitourenausrüstung<br />

zu schwer ist, ist heute keine Ausrede<br />

mehr. Trotzdem – und dazu muss ich mich auch zählen<br />

– sind die Leute bequem und möchten nicht auf ihre<br />

Flexibilität verzichten. Im Winter fahre ich oft vor fünf Uhr<br />

los und bin beim ersten Tageslicht am Gipfel. Mit öffentlichen<br />

Verkehrsmitteln müsste ich am Vorabend anreisen<br />

und übernachten. Das ist mir in der Praxis zu umständlich<br />

– und geht bei spontanen Touren nicht. Als Bergführer<br />

bevorzuge ich Fahrgemeinschaften. Kontraproduktiv sind<br />

hier allerdings die Parkgebühren der Fahrgemeinschaftsparkplätze.<br />

Das ärgert auch die Gäste, denn weiter oben<br />

am Ausgangspunkt der Tour sind die Parkplätze meist<br />

kostenfrei. Das fördert das gemeinsame Fahren natürlich<br />

keineswegs. Eine gute Sache sind Carsharing-Angebote<br />

wie sharoo oder Mobility: Ins Tessin fahre ich zum Beispiel<br />

mit dem Zug, um Stau zu umgehen. Vor Ort miete ich für<br />

die Gäste und mich ein Mobility-Auto. Bergsteiger sollten<br />

diese Angebote viel mehr nutzen – vielleicht würde sich<br />

sogar eine Carsharing-Plattform nur für Bergsteiger rentieren.<br />

Was mit den ÖV wiederum toll funktioniert, sind<br />

Skitouren, bei denen sich Ausgangs- und Endpunkt unterscheiden.<br />

Solche Tourenmöglichkeiten könnte der SAC<br />

stärker bewerben. Und mein persönlicher Vorsatz: Wenn<br />

ich nicht wie beim Canyoning viel Material mitnehmen<br />

muss, möchte ich keine Ausreden mehr gelten lassen.»<br />

FELIX MAURHOFER<br />

BERG-CANYONINGFÜHRER<br />

IVBV UND MITGLIED DES<br />

TOURING CLUB SCHWEIZ (TCS)<br />

«Dem Schweizer Alpen-Club SAC ist es ein grosses Anliegen,<br />

dass Bergsportler vermehrt mit dem ÖV unterwegs<br />

sind. Ein Projekt dazu ist der Schneetourenbus (schneetourenbus.ch),<br />

der das Ziel hat, Ausgangspunkte von<br />

Ski- und Schneeschuhtouren mit dem ÖV zu erschliessen.<br />

Der Bus hat letztes Jahr rund 300 Fahrgäste transportiert.<br />

Dieses Jahr haben wir das System für die Kunden nochmals<br />

vereinfacht und im nächsten Jahr werden wir auch<br />

in die Westschweiz ausbauen. Wir hoffen in dieser Saison<br />

auf deutlich höhere Fahrgastzahlen. Ein weiteres Anliegen<br />

ist, dass man die Anreisedauer mit der Tourendauer<br />

in Einklang bringt. Das heisst, wenn man weit reist, soll<br />

man auch lang bleiben. Das reduziert die Reisekilometer<br />

– wenn man nicht jeden Tag anreisen muss. Weiter tragen<br />

wir so zur Wertschöpfung in den Berg regionen bei und<br />

stärken unser Bergerlebnis. Insgesamt ist mein Eindruck,<br />

dass mittlerweile auf den Sektionstouren der ÖV-Anteil<br />

höher ist. Trotzdem darf man das Auto nicht einfach verteufeln,<br />

sondern muss immer die Rahmenbedingungen<br />

für eine Sektionstour im Auge behalten: Frühlingsskitouren<br />

sind schwierig mit ÖV – dann gilt es die Autos gut<br />

zu füllen – oder warum nicht am Vorabend anreisen? Ein<br />

weiterer Unterschied ist die Ausgangslage: Eine Bergsektion,<br />

die einen Grossteil ihrer Touren in ihrer Umgebung<br />

macht, legt insgesamt viel weniger Kilometer zurück als<br />

eine Stadtsektion, die bis zum Schnee eine lange Strecke<br />

bewältigen muss. Deshalb scheint es mir besonders für die<br />

Flachland-Sektionen wichtig, dass sie, wann immer möglich,<br />

den ÖV nutzen und mit Angeboten wie Taxi, Schneetourenbus<br />

oder Bus alpin ergänzen. Diese Überlegungen<br />

zur Mobilität gelten natürlich nicht nur auf Sektionstouren.<br />

Jeder Bergsportler, jede Bergsportlerin kann mit seinem<br />

Verhalten viel bewirken.»<br />

BENNO STEINER<br />

SCHWEIZER ALPENCLUB SAC,<br />

FACHMITARBEITER<br />

LANDSCHAFTSSCHUTZ<br />

«Wann und wo Autos in unserem Alltag oder unserer Freizeit<br />

noch angemessen und sinnvoll eingesetzt werden können,<br />

lässt sich nicht so einfach beantworten. Das ist eine<br />

Frage, welche die Personen primär mit sich selbst aushandeln<br />

müssen. Es gibt keine Gesetze und leider oft relativ<br />

wenig Anreize für Menschen, die das Reisen mit Auto<br />

gewohnt sind, konsequent auf öffentliche Verkehrsmittel<br />

umzusteigen. Die meisten Wintersportler*innen – und da<br />

bin ich keine Ausnahme – unterstützen schon mit dem Kauf<br />

von Liftkarten und Saisonabos eine Tourismusindustrie,<br />

die mit Pistenmaschinen und unzähligen Bauten einen<br />

enormen CO 2<br />

-Ausstoss in eine fragile Umwelt pustet. Dass<br />

wir damit die Klimaerwärmung beschleunigen, dürfte allen<br />

klar sein. Auch die möglichen Konsequenzen bezüglich<br />

unserer Abenteuer in den Bergen sind uns bekannt. Darum<br />

ist es für mich persönlich zu einer Art moralischen Pflicht<br />

geworden, meinen ökologischen Fussabdruck so gering<br />

wie möglich zu halten. Bei der Mobilität, also unserem<br />

Reiseverhalten, gibt es in der Regel am meisten Möglichkeiten,<br />

klimaschädliche Emissionen einzusparen. Das<br />

wiederum kann gleichzeitig mit weiteren Vorteilen verbunden<br />

sein: Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln reist, kann<br />

unterwegs entspannen, genüsslich frühstücken oder einen<br />

gelungenen Tag beim Apero auf Schienen Revue passieren<br />

lassen. Es geht hier um Luxusprobleme und wir sollten diesen<br />

mit Bescheidenheit begegnen. Sich rücksichtsvoll zu<br />

bewegen, fühlt sich besser an. Weiterdenken als nur bis<br />

zum nächsten Powderturn ist angebracht! Bei dem Thema<br />

Mobilität und Bergsport geht es ‹nur› um maximalen Spass,<br />

langfristig gesehen aber um das Überleben von Individuen<br />

und Spezies. Klimagerechtigkeit ist ein Wort, das auch in<br />

märchenhaft verschneiten Landschaften nicht ignoriert<br />

werden sollte.»<br />

RETO KESTENHOLZ<br />

SNOWBOARDER UND<br />

MITGLIED DER UMWELT-<br />

INITIATIVE RIDE GREENER,<br />

ridegreener.com<br />

INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

33


RUBRIK UNTERRUBRIK<br />

WEGWEISER EISKLETTERN<br />

EIN TAG<br />

IM EIS<br />

TEXT JONAS SCHILD & THOMAS EBERT<br />

FOTOS DAN PATITUCCI<br />

Kalt, glatt, gefährlich: Eis- und Mixedklettern<br />

hat einen speziellen Ruf. Gute<br />

Technik und Taktik vorausgesetzt, ist<br />

Eisklettern aber nicht gefährlicher als<br />

andere Bergsportarten. Bächli-Athlet<br />

Jonas Schild zeigt im Kiental, auf was<br />

zu achten ist.<br />

«Gute Planung ist beim Eisklettern der<br />

Schlüssel zum Erfolg. Zum einen taktisch:<br />

Wo ist solides Eis für Eisschrauben,<br />

wo raste ich bequem? Für beides<br />

bot sich der flache Absatz über mir an.<br />

Zum anderen plane ich strategisch:<br />

Filigrane Zapfen wie hier links oben<br />

können jederzeit abbrechen – deshalb<br />

steht der Sichernde weit rechts am<br />

Wandfuss, 34 ausserhalb der Schusslinie.»<br />

INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

Ins Kiental kehre ich immer gerne zurück – hier war ich<br />

als Jugendlicher zum allerersten Mal Eisklettern.<br />

Die Eisfälle sind nur ein paar Minuten von der Strasse<br />

entfernt. An diesem Januartag war es mit -15 °C sehr<br />

kalt, und während sich Fotograf Dan über das wenige<br />

Sonnenlicht ärgerte, machte ich mir Sorgen, weil es die<br />

Tage zuvor eher warm gewesen war. Schlagartige Kälte<br />

ist beim Eisklettern ungünstig, denn das Eis ist dann<br />

sehr spröde, instabil und voller Spannungen. Trotzdem<br />

starteten wir einen Versuch in ‹Elvis› (M9). An einem<br />

Tag wie diesem ist die richtige Strategie und Ausrüstung<br />

dann noch wichtiger.»<br />

35


WEGWEISER EISKLETTERN<br />

UNTERRUBRIK RUBRIK<br />

«Die objektiven Gefahren beginnen schon beim Zustieg. Hier<br />

ist das Gelände flach, aber nicht selten sind Zustiege zu<br />

Eisfällen stark lawinengefährdet. Im Kiental klettern häufig<br />

Kurse, dann ist viel los. Da muss man eher auf Eisschlag<br />

achten. Und die Säule hoch über meinem Kopf könnte sogar<br />

ohne Berührung zusammenbrechen, weil der starke und<br />

rasche Temperaturrückgang ihr Eis so spröde gemacht hat.<br />

Deswegen: Immer den Temperaturverlauf beachten!»<br />

«Der Schritt aus dem<br />

Fels an einen Eiszapfen<br />

ist der grösste, aber auch<br />

der spannendste Moment<br />

beim Eisklettern.»<br />

«Der Übergang vom Fels an einen Eiszapfen ist das Grösste, was es<br />

beim Eisklettern gibt! Und viel angenehmer, als es aussieht, weil<br />

man sich meist zwischen Fels und Eis einspreizen kann – eine gute<br />

Rastposition in eigentlich überhängendem Gelände. Im Vergleich<br />

zum grossen Bild links unten stehe ich recht entspannt – psychisch auch<br />

deshalb, weil neben mir ein Bohrhaken ist. Ob der Zapfen hält, kann<br />

man nie hundertprozentig sagen. Wenn er beim Einschlagen knackt und<br />

das Eisgerät die Vibration wie einen Stromschlag weiterleitet, ist das<br />

kein gutes Zeichen. Mir sind schon grössere Zapfen abgebrochen, und<br />

viel kleinere als hier kann man kaum noch anklettern. Gut zu sehen:<br />

Das rechte Eisgerät sitzt in dunklerem Eis, das mit dem Fels gut<br />

verwachsen ist. Sollte der Zapfen abreissen, bleibt dieses Eis kleben.»<br />

JONAS SCHILD<br />

«Beim Klettern im Fels muss man lernen, mit den Eisgeräten<br />

zu fühlen. Das Wichtigste ist, den Pickel nach unten zu belasten,<br />

nicht nach aussen, dann reisst er schnell aus. Für gute<br />

Felskletterer ist die Physis selten das Problem. Man muss zwar<br />

lange blockieren, aber mit den Griffen der Eisgeräte ist das die<br />

Kraftbelastung einer 6b. Schwierig ist dagegen das Finden guter<br />

Hooks für die Eisgeräte. Viele Begehungen machen eine Route<br />

einfacher, denn Kratzer wie in der linken oberen Bildecke weisen<br />

dann auf Kerben hin, die zudem immer tiefer werden. Und<br />

zum Stehen findet man mit Steigeisen eigentlich immer etwas.<br />

Stichwort Absicherung: In so fragile Zapfen wie hier niemals<br />

Sicherungen setzen – wenn er sich löst, reisst er alles mit.»<br />

«Das Allerwichtigste beim Eisklettern ist: scharfe Pickel und<br />

Steigeisen! Das macht extrem viel aus. Am Abend vor jeder<br />

Tour feile ich meine Geräte. Das ist wie ein Ritual. Ich kenne<br />

keinen Eiskletterer mit Leidenschaft, der das nicht so macht.<br />

Das kann zwar schon mal eine Stunde dauern, bis die Waffen<br />

scharf sind. Aber mit stumpfen Geräten macht es nicht nur<br />

keinen Spass, es ist auch gefährlich, denn ich muss öfter schlagen<br />

und die Sprengwirkung ist grösser: Ein stumpfes Gerät<br />

könnte einen Eiszapfen wie den links zum Absturz bringen.<br />

Scharfes Material ist matchentscheidend. Je nach Fels- und<br />

Eisanteil gibt es unterschiedliche Hauen – meine hier ist im<br />

Eis eher schlecht, aber sehr gut zum Hooken.»<br />

«Die Lehrmeinung sagt: Schraube setzen zwischen<br />

Hüft- und Brusthöhe – das strengt am wenigsten an.<br />

Stimmt! Aber wenn man gut steht, macht auch das<br />

Schrauben über Kopfhöhe Sinn – etwa von einem bequemen<br />

Podest aus, oder weil sich weiter oben besseres<br />

Eis befindet. Man sollte aus dem Schrauben in Hüfthöhe<br />

kein Dogma machen.»<br />

36 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

37


WEGWEISER EISKLETTERN<br />

EISKLETTERN<br />

IN DER SCHWEIZ<br />

AB INS<br />

EIS<br />

BÄCHLI SERVICE<br />

EISSCHRAUBEN-SCHLIFF<br />

Heiss auf Eis, aber wo bitte geht’s<br />

zum Einstieg? Die Eiskletter- Cracks<br />

unter unseren Mitarbeitern hätten<br />

da ein paar Tipps …<br />

Bern<br />

Basel<br />

Aarau<br />

EPTINGEN<br />

Kriens<br />

Volketswil<br />

Zürich<br />

Pfäffikon<br />

St. Gallen<br />

Während man beim sommerlichen<br />

Bouldern mit Shirt, Shorts und<br />

Schuhen fast schon komplett ausgestattet<br />

ist, braucht es beim<br />

Eisklettern schon etwas mehr Ausrüstung.<br />

Neben gut geschliffenen<br />

Eiswerkzeugen empfiehlt sich vor<br />

allem wasserdichte Kleidung und<br />

eine warme Jacke für die Zeit am<br />

Standplatz. Tipp: Unbedingt Reservehandschuhe<br />

einpacken.<br />

«Das Allerwichtigste<br />

beim Eisklettern<br />

sind scharfe Hauen und<br />

Steigeisen! Das macht<br />

extrem viel aus.»<br />

JONAS SCHILD<br />

BERGSPORTBERATER,<br />

BERGFÜHRER ASPIRANT UND<br />

BÄCHLI ATHLET<br />

Haben Ihre Schrauben noch den richtigen<br />

Schliff? Gut geschärfte Schrauben dringen<br />

leichter ins Eis ein und entwickeln weniger<br />

Sprengkraft, sind also sicherer. Beim<br />

Nachschleifen muss der Winkel allerdings<br />

exakt eingehalten werden – dafür haben wir<br />

die richtigen Maschinen. Für CHF 10.– pro<br />

Schraube bringen wir Ihre stumpfen Schrauben<br />

wieder auf Vordermann.<br />

baechli-bergsport.ch/<br />

dienstleistungen<br />

Chur<br />

Thun<br />

Lausanne<br />

Conthey<br />

KANDERSTEG AVERSTAL<br />

AVERSTAL<br />

HOTSPOT OST<br />

«Wenn die Boulderblöcke im Magic Wood<br />

unter dem Schnee verschwinden, wachsen<br />

weiter hinten im Tal beachtliche Eisformationen,<br />

und das mit hoher Zuverlässigkeit.<br />

Egal, ob einfache Stufen für Anfänger und<br />

Kurse oder beachtliche Mehrseillängen-Touren<br />

wie der Extremklassiker ‹Thron›, im Averstal<br />

findet jeder etwas Passendes. Auch Mixedklettern<br />

ist möglich. Ende Januar findet in<br />

der Viamala das Eiskletterfestival ICE AGE<br />

statt, mit Vortrag von Dani Arnold. Infos<br />

über aktuelle Verhältnisse erhält man beim<br />

Gasthaus Edelweiss, 7444 Ausserferrera /<br />

GR. Tel.: 081 661 18 27.»<br />

Führerliteratur: Urs Odermatt, «Hot Ice».<br />

Eisklettern in der Schweiz – Ost<br />

EPTINGEN<br />

DRYLAND<br />

«Das Drytoolgebiet in Eptingen/Diegten ist,<br />

man glaubt es kaum, weltweit ein Impulsgeber<br />

der schwersten Mixed-/Drytoolrouten.<br />

Vor allem der Fastbasler Robert Jasper (DE)<br />

hat hier seine Spuren hinterlassen. In Eptingen<br />

findet der Alpinist nur sehr wenig Eis,<br />

dafür jedoch umso mehr gepumpte Unterarme.<br />

Empfehlenswert sind Steigeisen mit<br />

Monozacken. Eiskletterer finden nicht weit<br />

von hier die Reigoldswiler Wasserfallen.<br />

Leider kann man sie nur nach einer ca. 14-<br />

tägigen Schockkälte unter -5 bis -10 Grad<br />

klettern, was nur alle paar Jahre vorkommt.<br />

Wenn es jedoch klappt, sind diese Tage<br />

wahre Geschenke!»<br />

KANDERSTEG<br />

EIS-MEKKA<br />

«Das Top-Eisklettergebiet Europas unterteilt<br />

sich in neun Sektoren, die von WI2 bis<br />

WI8, M10 und D13 fast alle Schwierigkeitsgrade<br />

und Disziplinen abdecken. Darunter<br />

die berühmte Breitwangfluh mit ‹Crack<br />

Baby› (WI6). Anfänger sind im Sektor Stock<br />

gut aufgehoben, hier gibt es kaum objektive<br />

Gefahren und viele einfache Routen. Sehr<br />

empfehlenswert ist auch die ‹Reise im<br />

Reich der Eiszwerge› (WI5+/M6) im Sektor<br />

Oeschinenwald, der zudem auch bei Lawinengefahr<br />

sicher bleibt.»<br />

Führerliteratur: Urs Odermatt, «Hot Ice».<br />

Eisklettern in der Schweiz – West<br />

(bei Bächli Bergsport erhältlich)<br />

EIS<br />

ZEIT<br />

Wer nicht zitternd am gefrorenen Wasserfall<br />

stehen will, dem sei Black Diamonds wärmste<br />

Jacke ans Herz gelegt. Der Vision Down<br />

Parka ist mit RDS-zertifizierter Gänsedaune<br />

mit einem Loft von 800 cuin gefüllt – und<br />

so vergleichbar mit der Isolationskraft eines<br />

Expeditionsschlafsackes. Damit die Daume<br />

nicht aneinanderklebt, hat Black Diamond<br />

nicht nur das Aussenmaterial, sondern auch<br />

die Daune mit einer DWR-Imprägnierung behandelt.<br />

Das leichte Obermaterial besteht aus<br />

einer Ripstop-Konstruktion mit Flüssigkristallpolymer,<br />

welches das Material reissfest macht.<br />

Features wie die einstellbare, helmkompatible<br />

Kapuze, der Zweiwege-Reissverschluss oder die<br />

grossen Einschubtaschen machen den Vision<br />

Down Parka zum idealen Begleiter während<br />

winterlichen Klettertouren im Fels und Eis.<br />

BISS<br />

FEST<br />

Das Petzl Dart Leverlock Fil ist die erste Wahl<br />

für versierte Eiskletterer, die ein einziges<br />

Steigeisen für Eiskletter-, Drytooling- oder<br />

Mixed-Routen suchen. Je nach Einsatzbereich<br />

kann zwischen vier modularen Frontalzacken<br />

gewählt werden: Die gezahnte,<br />

aggressive Monozacke (kurz oder lang) lässt<br />

sich im steilen Fels und Eis präzise platzieren,<br />

die asymmetrische Doppelzacke ist ideal<br />

im Blankeis, die Doppelzacke in Schneecouloirs<br />

sowie Eisrinnen. Die seitlichen<br />

Halbzacken garantieren dabei sicheren Halt<br />

in verschiedenen Eis-Bedingungen. Ein ungewolltes<br />

Ansammeln von Schnee unter den<br />

Steigeisen wird durch Antistollplatten verhindert.<br />

Das Bindungssystem Leverlock Fil<br />

mit Fersenkipphebel und Frontbügel ist für<br />

jeden steigeisenfesten Bergschuh genauso<br />

wie für Tourenskischuhe geeignet. Praktisch:<br />

Sind die Frontalzacken oder die Frontteile zu<br />

stark abgenutzt, bietet Petzl Ersatz.<br />

NEU<br />

AUFLAGE<br />

Der Klassiker von Haglöfs ist zurück: Die Spitz<br />

Jacket W wurde mit neuen Materialien und<br />

neuer Passform aufgerüstet. Das dreilagige<br />

Gore-Tex Pro Material schützt mit einer Wassersäule<br />

von 28ʼ000 mm vor Niederschlag.<br />

Zusätzlich ist die Oberfläche mit einer Imprägnierung<br />

versehen. An viel beanspruchten Stellen<br />

wurde das Material verstärkt. Die dreifach<br />

verstellbare Kapuze mit beschichtetem Schirm<br />

ist helmkompatibel und leicht einstellbar. Werden<br />

Aufstieg oder Abfahrt anstrengender, sorgen<br />

Unterarmreissverschlüsse für Ventilation.<br />

In diversen Aussen- und Innentaschen finden<br />

Handy, Karte und andere Kleinigkeiten Platz.<br />

Ebenfalls neu ist der integrierte Recco-Reflektor,<br />

der in Kombination mit dem Rettungssystem<br />

SAR 1 eine bessere Auffindbarkeit im Gelände<br />

ermöglicht.<br />

SAMUEL BUNDI<br />

BÄCHLI BERGSPORT CHUR<br />

JONAS ALLEMANN<br />

BÄCHLI BERGSPORT BASEL<br />

BERNARD CHEVALLEY<br />

BÄCHLI BERGSPORT THUN<br />

VISION DOWN PARKA<br />

BLACK DIAMOND<br />

Gewicht 850 g<br />

Preis CHF 409.–<br />

DART LEVERLOCK FIL<br />

PETZL<br />

Gewicht 820 g<br />

Preis CHF 249.–<br />

SPITZ JACKET W<br />

HAGLÖFS<br />

Gewicht 440 g (Grösse M)<br />

Preis CHF 629.–<br />

38 39


EXPERT LVS-GERÄTE<br />

KLUGE<br />

CHÄSCHTLI<br />

Geräte zur Suche von Lawinenverschütteten sind ausgereifter<br />

denn je. Dass in der Praxis dennoch gelegentlich<br />

Probleme auftreten, liegt eher in der Natur des Menschen.<br />

ILLUSTRATION: SOPHIE KETTERER<br />

TEXT THOMAS EBERT<br />

Jedes Bergsportprodukt hat eine primäre<br />

Funktion. Hardshells müssen Wind und<br />

Regen abhalten, Kletterseile müssen<br />

Sturzenergie aufnehmen, ohne zu reissen, und<br />

Lawinenverschüttetensuchgeräte, oder kurz:<br />

LVS-Geräte, müssen Ersthelfer schnell und zuverlässig<br />

zum Verschütteten lotsen. Wobei<br />

beim LVS-Gerät, anders als bei Seil oder Jacke,<br />

immer noch ein beträchtlicher Anteil des Gelingens<br />

vom Benutzer abhängt. Kein anderes<br />

Bergsportprodukt muss im Ernstfall unter so<br />

grossem Stress bedient werden wie der «Piepser».<br />

Denn wenn ein guter Freund oder eine<br />

gute Freundin unter dem Schnee begraben<br />

liegt und die Zeit drängt, dann ist ein «kühler<br />

Kopf» unendlich leichter gesagt als bewahrt. In<br />

Panik kann selbst das Umschalten von «Senden»<br />

auf «Suchen» zu einer Herausforderung<br />

werden. Gute LVS-Geräte sind also nicht nur<br />

sehr leistungsfähig, sondern müssen auch im<br />

Ausnahmezustand intuitiv zu bedienen sein.<br />

Doch der Reihe nach. Was steckt eigentlich in<br />

einem LVS-Gerät? Die europäische Norm<br />

300718 schreibt vor, dass LVS-Geräte auf der<br />

einheitlichen Frequenz von 457 kHz senden.<br />

Was logisch klingt, ist nicht selbstverständlich,<br />

denn noch in den 1980er-Jahren herrschte ein<br />

Durcheinander von Frequenzen. Erzeugt und<br />

empfangen werden die Signale mit hochsensiblen<br />

Ferritantennen – drei davon sollte heutzutage<br />

jedes LVS-Gerät besitzen. Denn gesendet<br />

werden die Signale entlang einer Achse, und<br />

zwar nicht strahlenförmig, sondern in nierenförmigen<br />

Feldlinien. Vereinfacht gesagt wandert<br />

das Signal in einem Bogen vom einen Pol einer<br />

Antenne zum anderen Pol. Experten sprechen<br />

von einer «ungünstigen Koppellage», wenn das<br />

vom Sender ausgestrahlte Magnetfeld beim<br />

Empfänger kein Signal erzeugt. Daher suchen<br />

moderne LVS-Geräte mit drei Antennen – in<br />

jede Richtung des Raumes eine, damit das<br />

Sendesignal auch beim Empfänger registriert<br />

werden kann. Die Antennen sind auch der<br />

Grund, warum Nutzer nicht über die Grösse<br />

von LVS-Geräten klagen sollten. Zwar wirken<br />

die Geräte im Vergleich zu sieben Millimeter<br />

flachen und superschlauen Smartphones recht<br />

klobig. Doch die Signalstärke der Antennen, die<br />

das grösste Bauteil in einem LVS-Gerät sind,<br />

hängt direkt von ihrer Grösse ab, und hier ist<br />

das physikalische Limit erreicht. «Die ideale<br />

Form für ein LVS-Gerät wäre ein Würfel», sagt<br />

Heinz Stocker, Marketing-Manager bei der österreichischen<br />

Firma Pieps. Dann könnten alle drei<br />

Antennen gleich gross und stark sein. Weil ein<br />

LVS-Gerät aber immer am Körper getragen<br />

werden muss – einen Rucksack kann die Lawine<br />

mit Leichtigkeit davonschleudern – muss zumindest<br />

eine Antenne kürzer ausfallen.<br />

GUT GEFÜHRT<br />

Matthias Schmid, Bächli-Bergsport-Experte,<br />

bewertet das derzeitige Angebot an LVS-Geräten<br />

positiv. «Die Entwickler machen zurzeit einen<br />

super Job. Eine Weile gab es fast eine Flut an<br />

neuen Geräten – da war nicht immer so klar,<br />

welche die zuverlässigsten sind. Heute hat sich<br />

das Angebot ziemlich konsolidiert.» Zentrale<br />

Funktionen, die ein modernes LVS-Gerät leisten<br />

sollte, sind neben den standardmässigen drei<br />

Antennen: eine Suchstreifenbreite von mindestens<br />

50 Metern, ein kontrastreiches Display mit<br />

Beleuchtung, Gruppencheck, eine Markierfunktion<br />

bei Mehrfachverschüttungen sowie eine automatische<br />

Umschaltung vom Such- in den Sendemodus,<br />

für den Fall von Nachlawinen. Alle bei<br />

Bächli Bergsport erhältlichen Geräte haben das<br />

drauf. «Bei den Geräten, die wir derzeit anbieten,<br />

geht es eigentlich nur noch darum, welche<br />

Benutzerführung dem Kunden mehr entgegenkommt»,<br />

so Schmid.<br />

Stichwort Benutzerführung: Wie eingangs erwähnt,<br />

sollten gute LVS-Geräte so intuitiv wie<br />

möglich sein, gleichzeitig aber mit vielen Suchszenarien<br />

zurechtkommen. Diesen Spagat beherrschen<br />

die Hersteller immer besser: «Wer<br />

heute ein neues Gerät in die Hand nimmt,<br />

kommt fast schon auf Anhieb damit klar», findet<br />

Schmid und hebt ein Gerät besonders hervor:<br />

INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

41


EXPERT<br />

LVS-GERÄTE<br />

SCHALTER<br />

ODER SENSOR?<br />

«Die meisten Kunden haben<br />

Freude am Knopf. Ein Tastendruck,<br />

optisches und haptisches<br />

Feedback – gerade beim LVS ist<br />

die Intuition wichtig.»<br />

Mammuts Barryvox reduziert etwa die Sensibilität<br />

von Antennen (und damit die Suchstreifenbreite),<br />

wenn Störelemente vorliegen, bei der<br />

«Interference Protection» von Pieps wird automatisch<br />

auf die weniger beeinträchtigte Antenne<br />

umgeschaltet. Zudem sollen Geistersignale verhindert<br />

werden, indem ausschliesslich über 457<br />

kHz gesendete Signale als Verschüttung angezeigt<br />

werden.<br />

«Die visuelle Führung zum Verschütteten ist<br />

beim Barryvox S von Mammut schon klasse gelöst.»<br />

Neben dem Richtungspfeil und der Distanz<br />

zeigt das Display etwa auch an, in welchem<br />

Tempo und Muster sich der Sucher über den Lawinenkegel<br />

bewegen sollte. Und wer sich zwar<br />

auf der richtigen Feldlinie, aber in die falsche<br />

Richtung bewegt, wird per Signal zur 180-Grad-<br />

Wende aufgefordert. Zielführend, im wahrsten<br />

Sinne des Wortes, ist nicht, die LVS-Geräte mit<br />

möglichst vielen Funktionen vollzustopfen, sondern<br />

die Suche zu vereinfachen. So sind LVS-Geräte<br />

mit integriertem Höhenmesser etwa wieder<br />

vom Markt verschwunden.<br />

Jeder Wintersportler, der im Gelände aktiv ist,<br />

braucht ein LVS-Gerät, vom Skitourengeher<br />

über den Eiskletterer bis zum Alpinisten. Diesen<br />

sehr breiten Markt bedienen fast alle Hersteller<br />

mit einer zweigleisigen Strategie: Neben einem<br />

Topmodell mit Funktionen für Profi-Anwender<br />

(etwa Bergführer und -retter) wird ein etwas<br />

günstigeres Standardmodell angeboten. Mammuts<br />

Topmodell Barryvox S verfügt etwa über<br />

einen Analog-Modus mit erhöhter Suchstreifenbreite<br />

und kann Vitaldaten von Verschütteten<br />

(etwa Bewegungen beim Atmen) übermitteln.<br />

Modelle von Pieps lassen sich via Bluetooth per<br />

App konfigurieren. «Eine klasse Funktion, auch<br />

für Übungsszenarien», meint Bächli-Experte<br />

Schmid, «aber konfigurieren sollte man das Gerät<br />

zu Hause, nicht dann, wenn man die Lawine<br />

Um bei der Verschütteten-<br />

Suche Interferenzen mit<br />

metallischen Gegenständen<br />

oder elektronischen<br />

Geräten zu vermeiden,<br />

sollte man das LVS-Gerät<br />

möglichst weit vom Körper<br />

entfernt halten.<br />

schon kommen sieht.» Schmid selbst rät zwar<br />

nicht jedem Kunden zum Topmodell. «Aber oft<br />

stören die Zusatzfunktionen für Profis den Einsteiger<br />

nicht. Ein Fahranfänger nimmt ja auch<br />

kein Auto ohne ABS.»<br />

FEHLERURSACHE MENSCH<br />

In jüngster Zeit häuften sich die Berichte über<br />

Fehlfunktionen an LVS-Geräten, die Branche verzeichnete<br />

steigende Reklamationsraten, und<br />

selbst SRF berichtete Ende November über<br />

«Geistersignale beim LVS-Gerät». Dahinter<br />

steckt in so gut wie allen Fällen: der Mensch. Ursächlich<br />

für die Fehlfunktionen sind metallische<br />

Gegenstände sowie elektronische Geräte, die<br />

sich zu nah am LVS-Gerät befinden. Im Sendemodus<br />

können Lawinenschaufeln, Sackmesser<br />

oder Magnetknöpfe, aber sogar die Alufolie eines<br />

Müesliriegels das Signal abschirmen. Noch anfälliger<br />

für Störungen ist der Suchmodus: Elektronische<br />

Helfer wie Kameras, Smartphones oder<br />

GPS-Uhren können Probleme verursachen, wenn<br />

sie dem LVS-Gerät zu nah kommen – insbesondere<br />

im Suchmodus. Übrigens stören Smartphones<br />

auch dann, wenn sie im Flugmodus oder<br />

ausgeschaltet sind, und zwar umso mehr, je grösser<br />

ihr Display ist. Matthias Schmid erlebte auf<br />

einer Übung, wie sich ein beheizbarer Handschuh<br />

als Übeltäter entpuppte: «Die Heizschlaufen<br />

im Handschuh haben sich gar nicht mit dem<br />

LVS vertragen». Die Hersteller weisen in ihren<br />

Bedienungsanleitungen offensiv auf diesen Um-<br />

FOTO: MAURITIUS IMAGES / MAXIMILIAN PRECHTEL<br />

MATTHIAS SCHMID,<br />

PRODUKTMANAGER LVS-GERÄTE<br />

stand hin. 50 Zentimeter Abstand vom LVS-Gerät<br />

im Suchmodus und 20 Zentimeter im Sendemodus<br />

gelten derzeit unisono als ausreichend. Das<br />

Handy sollte man also keinesfalls mit dem<br />

LVS-Gerät in eine Tasche stecken. Zudem reagieren<br />

die Hersteller aktiv auf die «Fehlbedienungen»:<br />

BACKLAND<br />

EVERYDAY ADVENTURE<br />

Letztlich liegt eine erfolgreiche Suche mit dem<br />

LVS-Gerät aber immer noch in den Händen des<br />

Nutzers. «Bei uns im Laden kann man alle Funktionen<br />

ausprobieren, das Gerät in die Hand nehmen»,<br />

empfiehlt Schmid, auch einfache Suchszenarien<br />

sind vor Ort möglich. Hat man sich für ein<br />

Gerät entschieden, «ist üben, üben, üben angesagt.<br />

Jährlich mit den Freunden zum Auftakt eine<br />

kleine Tour machen, die LVS auspacken und alles<br />

üben, das ist immer eine gute Idee.» Damit im<br />

Ernstfall jeder weiss, was zu tun ist.<br />

42 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

43


GIPFELTREFFEN YANNICK GLATTHARD<br />

«MEIN LEHRGELD<br />

MUSS ICH SCHON<br />

SELBER BEZAHLEN»<br />

Mit 21 Jahren ist Yannick Glatthard bereits ein hochdekorierter Sport- und<br />

Eiskletterer. Wichtiger als Podestplätze ist dem Bergführer- Anwärter<br />

allerdings ein guter Stil – in den Bergen, aber auch vor der eigenen Haustür.<br />

Dafür greift Glatthard auch zu ungewöhnlichen Mitteln.<br />

INTERVIEW THOMAS EBERT<br />

44<br />

Yannick, bevor wir zum Sportlichen<br />

kommen: Du bist 21 Jahre alt, weltweit<br />

sensibilisiert sich deine Generation<br />

für mehr Nachhaltigkeit. Was<br />

ist deine Haltung?<br />

Das ist mir schon sehr wichtig. Sicher<br />

sollten wir vieles etwas zurückschrauben.<br />

Aber ich bin nicht radikal.<br />

Nie mehr fliegen oder nie mehr<br />

Auto fahren, das kann ich ja selber<br />

gar nicht einhalten. Ich wohne eine<br />

Viertelstunde von Meiringen im Urbachtal,<br />

ich brauche mein Auto. Und<br />

ich bin 21 Jahre alt, ich finde, dass<br />

ich noch etwas von der Welt sehen<br />

darf. Aber ich schaue, dass ich nur<br />

einen langen Flug pro Jahr habe.<br />

Die Schweiz hat ja einen sehr hohen<br />

CO 2<br />

-Abdruck pro Kopf, aber weil ich<br />

recht bescheiden wohne, bin ich immerhin<br />

noch unter dem Durchschnitt,<br />

trotz der Fliegerei.<br />

Das heisst, du weisst, wie viel CO 2<br />

du ausstösst?<br />

Ja. Es sind etwa 8 Tonnen im Jahr.<br />

CO 2<br />

reduzieren ist wichtig, aber mein<br />

Fokus liegt auf dem Wegwerf-Thema.<br />

Ich könnte bei meinem Sponsor jedes<br />

Jahr für ein bestimmtes Budget<br />

Kleider bestellen. Aber das will ich<br />

gar nicht, ich habe ja noch meine alte<br />

Daunenjacke. Ich flicke die echt gerne,<br />

das macht ja auch das Kleidungsstück<br />

aus. Da könnte sich jeder etwas<br />

zurücknehmen. In der Schweiz ist das<br />

aber nicht so selbstverständlich. Viele<br />

fahren ihre Skis nur eine Saison und<br />

werfen sie dann weg. Mit dieser Wegwerf-Gesellschaft<br />

habe ich echt Mühe.<br />

Du hast gemeint, du wohnst bescheiden?<br />

Meine Mutter und ich haben ein altes<br />

Holzhaus, 200 Jahre alt. Es gibt einen<br />

Schwedenofen für das ganze Haus,<br />

das ist die einzige Heizung. Obwohl<br />

ich gerade erst neu isoliere, kommen<br />

wir mit sieben Ster Holz gut durch.<br />

Aber klar, wenn du drei Tage nicht zu<br />

Hause bist, sinkt die Innentemperatur<br />

gegen null. Mir gefällt das. Ich komme<br />

FOTO: DIEGO SCHLÄPPI<br />

«Zimmermann, Bergführer,<br />

dazu Klettern: Ich wusste schon<br />

in der 6. Klasse, was ich will.»<br />

Auch in der «Poebene» (8a+/8b)<br />

in Lauterbrunnen hat Yannick<br />

Glatthard das Ziel fest im Blick.<br />

45


GIPFELTREFFEN<br />

YANNICK GLATTHARD<br />

nach Hause, es ist kalt, ich mache etwas,<br />

also habe ich warm. Eine direkte<br />

Konsequenz, und man heizt nicht<br />

mehr, als man muss.<br />

Seit drei Jahren bist du Zimmermann.<br />

Arbeitest du eigentlich in<br />

deinem Beruf?<br />

Pro Jahr noch zirka einen Monat. So<br />

bleibe ich à jour, es wäre ja schlecht,<br />

alles Gelernte wieder zu vergessen.<br />

Und in der Zwischensaison gibt es<br />

immer etwas Arbeit.<br />

Aber finanziell wäre es nicht nötig?<br />

Nein, da habe ich andere Säulen.<br />

Am meisten verdiene ich durch die<br />

Arbeit als Bergführeraspirant, aber<br />

auch die Wettkampfprämien sind<br />

nicht zu verachten, dazu noch Sponsoring-Beiträge.<br />

Lebst du schon als klassischer<br />

Profibergsteiger?<br />

Ich bin nicht der Typ, der sich rundum<br />

verkauft. Lieber nur Materialsponsoring,<br />

dafür kann ich meine Ziele für<br />

nächstes Jahr selbst bestimmen. Ich<br />

leiste lieber etwas, bevor ich den Lohn<br />

dafür erhalte. Nicht andersrum. Ich<br />

poste schon auf Social Media, habe<br />

aber keine Strategie, um in zwei Jahren<br />

auf soundso viele Follower zu kommen.<br />

Entweder teilt der Sponsor meine<br />

Philosophie, oder es passt halt nicht.<br />

Was ist denn deine Philosophie?<br />

Bergsteigen ist ein Ego-Ding, das<br />

machst du ja wirklich nur für dich.<br />

Wenn man klettert, denkt man doch<br />

nie daran, ob etwas einen guten Post<br />

abgeben würde. Alles ist heute so<br />

überspitzt. Vielen geht es nur um den<br />

härtesten Zug, aber dafür kann man<br />

in die Kletterhalle gehen. Mir geht<br />

es nicht nur darum, von hier bis da<br />

klettern zu können. Sondern mich mit<br />

mobilen Sicherungsgeräten durch den<br />

Fels zu bewegen. Viel investieren, so<br />

lange probieren, bis ich es schaffe.<br />

Und nicht alle 1,5 Meter einen Haken<br />

setzen. Didier Berthod hat mal gesagt,<br />

man sollte den Fels nicht so verändern,<br />

dass er zu zugänglich wird. Das finde<br />

ich einen ganz treffenden Satz. Darum<br />

auch die Wendenaktion.<br />

Die «Wendenaktion» – du hast im<br />

September alle Bohrhaken aus der<br />

neu eingerichteten Route «Gran<br />

Paradiso» an den Wendenstöcken<br />

entfernt. Warum?<br />

Es ist bekannt, dass es an den Wendenstöcken<br />

einen obligatorischen Stil<br />

gibt. Man kann da schon technisch<br />

klettern, aber dann mit Cliffs, Keilen,<br />

Peckers etc. Aber nicht mit einer<br />

Bohrmaschine. Nachdem ich von<br />

«Gran Paradiso» und ihrer Charakteristik<br />

erfahren habe, bin ich mit Michal<br />

Pitelka über die Route abgeseilt.<br />

Überall waren Bohrlöcher drin, nicht<br />

nur angebohrt für den Cliff, sondern<br />

fünf Zentimeter tief. Die haben sich<br />

hochgebohrt. Da habe ich gesagt:<br />

Michal, fertig hier, wir nehmen die<br />

Route raus. Das fand er dann auch.<br />

Das kann man nicht bieten, das ist<br />

Missbrauch am Fels.<br />

Und ihr seid so eine Art Hausmeister<br />

an den Wendenstöcken?<br />

Nein, der Fels gehört allen. Ich habe<br />

davor noch nie eine Route entfernt.<br />

Bei «Gran Paradiso» habe ich vorab<br />

mit 20 Kletterern von hier über Bern<br />

bis ins Wallis telefoniert und gefragt,<br />

wie wir als Szene vorgehen sollen.<br />

Alle sind dafür gewesen, dass man ein<br />

klares Zeichen setzt und zeigt, dass es<br />

so nicht geht.<br />

Wie damals, als Hayden Kennedy<br />

und Jason Kruk die Kompressorroute<br />

am Cerro Torre ausnagelten,<br />

gab es ein ordentliches Medienecho.<br />

Im Netz war die Rede von «Vandalismus»<br />

und «Selbstjustiz». Hast du<br />

damit gerechnet?<br />

Ja, das habe ich erwartet. Ich wusste<br />

auch, dass es verschiedene Ansichten<br />

geben wird. In meinem Postfach hat es<br />

Kleine Griffe, grosse Moral:<br />

Yannick Glatthard in «Portami<br />

Via» (7c+) an den Wendenstöcken.<br />

Seit 2004 sah die abenteuerlich<br />

abgesicherte Route erst<br />

vier Rotpunktbegehungen, u. a.<br />

von Ueli Steck, Tommy Caldwell<br />

und nun Glatthard.<br />

FOTO LINKS: ARCHIV YANNICK GLATTHARD, FOTO RECHTS: HEIMATWERK HASLITAL / DAVID BIRRI<br />

ganz schön gerappelt. Aber ich kann<br />

das gut einordnen. Heute sehe ich ein,<br />

dass wir uns vorab mit dem Routenbauer<br />

hätten kurzschliessen sollen. Wobei<br />

wir dachten: Wir sagen rausnehmen, er<br />

sagt drinlassen – was bringt es da, miteinander<br />

zu sprechen. Eins ist klar: Ich<br />

gehe sicher nicht eine Route ausnageln,<br />

damit ich Medienpräsenz habe!<br />

Warum habt ihr Fotos der Aktion auf<br />

Instagram gestellt?<br />

Das war auch ein Wunsch der Kletterszene.<br />

Wenn ich etwas mache, dann<br />

stehe ich dazu, auch öffentlich. Dass<br />

ich für die Szene den Kopf hinhalte, ist<br />

kein Problem für mich. Ich finde den<br />

Post gut, weil er sich verbreitet hat und<br />

jetzt jedem klar ist, dass ein respektloser<br />

Umgang mit dem Fels grundsätzlich<br />

nicht tolerierbar ist.<br />

Kannst du dich in den Erstbegeher<br />

Jörg Andreas hineinversetzen? Wie<br />

fändest du es, wenn jemand deine<br />

Erstbegehung zerstört?<br />

Ich würde mich wohl schämen. Ehrlich.<br />

Wenn meine Route von der lokalen<br />

Kletterszene wegen fehlendem Respekt<br />

vor dem Fels rausgenommen wird,<br />

dann hätte ich ein echtes Problem mit<br />

mir selbst.<br />

Schon mit 17 hast du gesagt, dass<br />

dich Erlebnisse in den Bergen mehr<br />

reizen als jedes Podest. Warst du<br />

damals wirklich so abgeklärt, oder<br />

war das nur Tiefstapelei?<br />

Ganz falsch war das nicht, einen genauen<br />

Plan hatte ich schon immer.<br />

Seit der 6. Klasse weiss ich, dass ich<br />

Zimmermann und Bergführer werden<br />

will, und dazu klettern. Allerdings<br />

hat sich seitdem viel verändert. Mit<br />

18 hatte ich einen Zusammenbruch.<br />

Es war mein letztes Lehrjahr, dazu<br />

die Wettkämpfe, im Alpinismus hatte<br />

ich auch ein paar Projekte – und für<br />

alles war ich hochmotiviert. Nach der<br />

Abschlussprüfung hat es mich für drei<br />

Monate ins Bett gehauen. Von heute<br />

«Die Disco gibt mir<br />

vergleichsweise wenig.»<br />

Die Berge im heimischen<br />

Haslital sind<br />

Dreh- und Angelpunkt<br />

in Glatthards Leben.<br />

auf morgen, niemand wusste, wieso.<br />

Mir ist es im Nachhinein klar.<br />

Woran lag es?<br />

Ich würde sagen, es war ein motorischer<br />

Burn-out. Tag für Tag hatte<br />

ich weniger Energie, obwohl ich 15<br />

Stunden am Tag gepennt habe.<br />

Wie bist du wieder auf die Beine<br />

gekommen?<br />

Ich achte jetzt viel mehr auf meine<br />

Erholung, Ernährung, und dass ich<br />

zur Ruhe komme. Ich habe gelernt,<br />

nichts zu tun, was mir extrem<br />

schwerfällt. Und ich habe mental<br />

gearbeitet, was heute eine meiner<br />

Stärken ist. Ich habe mir neue<br />

Ziele gesetzt. Nicht: «Ich möchte 9a<br />

klettern», sondern: «In diesem Jahr<br />

lerne ich Gelassenheit.»<br />

Greifst du da auf bestimmte Methoden<br />

zurück?<br />

Ja, zum Beispiel auf Kinesiologie. Auf<br />

den Körper hören, nicht einfach nur die<br />

Kampfmaschine sein, sondern auch die<br />

ganz feinen Sachen wahrnehmen. Ich<br />

diskutiere auch viel mit meiner Mentaltrainerin.<br />

Stichwort «Gran Paradiso»:<br />

Ich wusste ja, dass da ein Shitstorm<br />

kommen würde. Einerseits wollte ich<br />

ihn nicht an mich heranlassen, andererseits<br />

war ich neugierig, wie diese Aktion<br />

auf mich wirkt. In meinem Tagesjournal<br />

habe ich das dann verarbeitet.<br />

46<br />

INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

47


GIPFELTREFFEN<br />

YANNICK GLATTHARD<br />

«Ich leiste lieber etwas, bevor<br />

ich den Lohn dafür<br />

erhalte. Nicht andersrum.»<br />

Du schreibst Tagesjournal?<br />

Wenn ich einen schlechten Tag hatte,<br />

dann wird der aufgeschrieben und es<br />

kann neu losgehen. Und ich zeichne<br />

jeden Monat meine Höhen und Tiefen<br />

auf einer Kurve auf. Wenn ich dann<br />

zwei Monate viele Peaks hatte, muss<br />

ich nicht im dritten Monat noch ein<br />

Vollgas-Projekt angehen.<br />

Freeriden, Sport- und Eisklettern<br />

sowieso, alpine Projekte, Bigwall-<br />

Klettern am El Capitan – da fehlen ja<br />

eigentlich nur noch die Expeditionen.<br />

Hohe Berge sagen mir nicht so<br />

viel. Mich reizt eher das Versteckte,<br />

Einsame. Aber ich habe jetzt keine<br />

Ambitionen Richtung Seven Summits.<br />

Ich fände es echt geil, mal auf 6000<br />

Metern noch schwer zu klettern. Trango<br />

Tower oder auch Patagonien, da<br />

werde ich sicher mal hingehen, wenn<br />

die Konstellation passt.<br />

Konstellation heisst, mit dem richtigen<br />

Kletterpartner?<br />

Ja, da bin ich schon konservativ eingestellt.<br />

Meinen Kletterpartner muss ich<br />

schon sehr gut kennen, um zusammen<br />

auf Expedition zu gehen. Da kann<br />

man sich nicht noch auf menschliche<br />

Experimente einlassen.<br />

Auch nicht, wenn dich jemand von<br />

den alten Hasen einlädt?<br />

Klar wäre das cool. Aber es schadet auch<br />

nicht, selber etwas zu entdecken. Dann<br />

trage ich das Risiko meiner taktischen<br />

Entscheidungen selbst. Mein Lehrgeld<br />

muss ich schon selber bezahlen.<br />

Du willst dich als jüngerer Bergsteiger<br />

nicht als zweites Glied<br />

einordnen?<br />

Ja, so kann man das sagen. Aber<br />

wenn die Konstellation stimmt, gibt es<br />

ohnehin kein zweites Glied, weil jeder<br />

Kopfüber ins Glück: 2019<br />

gewinnt Yannick Glatthard<br />

vor 18ʼ000 Zuschauern<br />

den Eiskletter-Weltcup in<br />

Denver / USA – obwohl er<br />

den Wettkampf eigentlich<br />

schon abgesagt hatte.<br />

auf seinem Gebiet absolut notwendig<br />

ist und vom Partner respektiert wird.<br />

Am Berg wie auch im Marketing.<br />

Wie geht es denn mit deiner Eiskletter-Karriere<br />

weiter? Erst der<br />

Rückzug, und letzten Winter hast<br />

du die Weltcups in Saas-Fee und in<br />

Denver gewonnen.<br />

Wettkämpfe sind eine Hassliebe von<br />

mir. Mit 18 habe ich ja mal Pause<br />

gemacht, für die Bergführerausbildung.<br />

Das hat gut getan. Aber schon<br />

im Herbst hat mir die Competition<br />

gefehlt. Das 20-jährige Jubiläum vom<br />

Eiskletter-Weltcup in Saas-Fee war<br />

dann ein gutes Trainingsziel.<br />

Einmal im Parkhaus gewinnen ...<br />

… das war schon immer ein Kindheitstraum<br />

von mir! Aus der Wettkampfpause<br />

zurück nach Saas-Fee<br />

und direkt gewinnen, das hat mich<br />

schon gereizt.<br />

Ein Ego-Streichler.<br />

Voll. Ego ist Ego, ohne geht es nicht.<br />

Nach dem Sieg in Saas-Fee habe<br />

ich auch für Denver zugesagt. Aber<br />

dann hat sich für ein alpines Projekt,<br />

auf das ich schon sehr lange schaue,<br />

ein Wetterfenster aufgetan. Dann bin<br />

ich einfach meinem Flow nachgegangen,<br />

habe Denver abgesagt, und<br />

bin in das Projekt …<br />

Was für ein Projekt war das?<br />

Hmm, einfach ein alpines Projekt<br />

(schmunzelt). Wir sind aber abgeblitzt,<br />

und waren nach 18 Stunden<br />

wieder zu Hause. Dort habe ich ge-<br />

FOTO: HEATHER FAIRCHILD<br />

merkt, dass ich den Denver-Flug gar<br />

nicht gecancelt hatte.<br />

Oh!<br />

Also gepackt, morgens um 6 in Zürich<br />

gewesen, Abflug. Das war schon sehr<br />

mystisch. Der Flug war brechend voll,<br />

nur der Passagier neben mir ist nicht<br />

erschienen. Eine Reihe nur für mich,<br />

ich habe den ganzen Flug geschlafen.<br />

In Denver bin ich, weiter voll im Flow,<br />

noch die «Saphira» geklettert, eine<br />

M15. Ich hatte nicht mal die richtigen<br />

Steigeisen dabei. Unten ist mir eingefallen,<br />

dass am nächsten Tag der<br />

Weltcup ist. Ich weiss heute noch<br />

nicht, wie ich das Finale geklettert bin.<br />

Es war keine Anstrengung im Wortsinn.<br />

Eher, wie wenn man im Zug sitzt.<br />

Wie auf Schienen.<br />

Wie läuft denn die Jugend eines angehenden<br />

Profi-Bergsteigers ab? Ist<br />

Schnupftabak dein einziges Laster?<br />

Wenn ich kein Schnupf habe, nehme ich<br />

manchmal ein Snus zur Entspannung.<br />

Sonst nichts!<br />

Also ist noch Zeit für einen Disco-<br />

Besuch, oder kletterst du nur noch?<br />

Nein, nein … Ich hatte schon auch<br />

meine wilde Zeit. Aber was ich am<br />

Klettersport extrem schätze, ist das<br />

Kollegiale. Man klettert zusammen,<br />

man isst zusammen, man macht Party<br />

zusammen, man steht zueinander. Da<br />

gibt mir die Disco vergleichsweise wenig,<br />

auch wenn ich da natürlich auch<br />

war, mit 16 oder so. Nach unserem<br />

Yosemite-Trip letzten Herbst waren<br />

wir noch in Las Vegas. Das war mir<br />

höchst unangenehm.<br />

Warum, hast du im Casino verloren?<br />

Wir waren dort, aber ich habe nicht gespielt.<br />

Der ganze Lärm, alle präsentieren<br />

sich … da wird mir richtig unwohl.<br />

Früher hattest du sogar in Thun<br />

Orientierungsprobleme, ist das<br />

inzwischen besser?<br />

Haha. Ja, das ist besser geworden.<br />

Ich habe noch meine Links-Rechts-<br />

Schwäche, aber ich gehe mittlerweile<br />

ziemlich gerne in die Stadt. Und es ist<br />

mir auch egal, wenn ich etwas nicht<br />

auf Anhieb finde.<br />

Ein wenig die Anonymität der<br />

Stadt geniessen?<br />

Ja. In Bern kann ich mit den grossen<br />

Kopfhörern und Kapuze drüber herumlaufen.<br />

In Meiringen geht das<br />

nicht, das ist ein Dorf mit einem Dorfleben,<br />

wo man auch dazugehört.<br />

Du bist derzeit Bergführer-Anwärter.<br />

Gäste auf die immer gleichen Berge<br />

ziehen, zehn Mal Jungfrau pro Saison,<br />

ist das wirklich das, was du willst?<br />

Das gefällt mir enorm gut. Ich habe<br />

den Vater meiner Freundin mit aufs<br />

Diechterhorn geführt. Der hat sich so<br />

gefreut! Er hat sich richtig vorbereitet,<br />

neue Schuhe besorgt und ist viel Wandern<br />

gegangen. Zu sehen, was ihm<br />

der Gipfel gegeben hat, das war das<br />

schönste Erlebnis des Jahres. Und<br />

ohne Führen geht es als Profibergsteiger<br />

eh immer nur um dich. Bin ich fit?<br />

Kann ich heute die Route klettern? Da<br />

tut der Ausgleich mit Gästen gut.<br />

Besteht keine Gefahr, dass du das<br />

Führen irgendwann nur noch als<br />

Dienstleistung ansiehst?<br />

Diese Gefahr gibt es sicher. Wichtig<br />

ist, dass die eigenen Ambitionen befriedigt<br />

sind. Dann ist man ausgeglichen<br />

gegenüber den Gästen. Ich werde<br />

nicht der Bergführer sein, der 29<br />

Tage pro Monat einen Gast nach dem<br />

anderen begleitet. Mehr als sechs<br />

Tage am Stück Führen geht nicht,<br />

ich brauche auch viel Zeit für mich.<br />

Aber wenn das passt, freue mich auf<br />

jeden einzelnen Gast. Es ist ja auch<br />

sicherer: Wenn man gerne selbst<br />

etwas machen würde und die Gäste<br />

mit reinzieht, einen Gipfel durchzieht,<br />

obwohl nicht viel dafür spricht – das<br />

ist schade.<br />

Dein Grossvater Arnold Glatthard<br />

gründete 1940 die erste Bergsteigerschule<br />

der Welt. Du bist<br />

heute noch mit seinem Eispickel<br />

unterwegs. Gibt es für dich Fussstapfen,<br />

die du ausfüllen musst?<br />

Ich war sechs Jahre alt, als er starb.<br />

Was bei ihm sehr dominant war, war<br />

sein Charakter, seine Motivation<br />

gegenüber den Bergen. Ende der<br />

40er-Jahre hat er ein kleines Heftchen<br />

gemacht, wie man sich als Bergführer<br />

gegenüber den Gästen zu verhalten<br />

hat. Viele der Inhalte sind heute noch<br />

aktuell. Er war ein wenig seiner Zeit<br />

voraus. Seine vielen Ideen, die Initiative<br />

ergreifen, sich ausprobieren, exponieren<br />

– das ist schon etwas, wo ich<br />

mir ein Stück abschneiden möchte.<br />

STECKBRIEF<br />

YANNICK GLATTHARD<br />

Yannick Glatthard, geboren am 14. Januar<br />

1998 in Meiringen, ist mehrfacher Junioren-<br />

Weltmeister im Eisklettern und belegte im<br />

Gesamtweltcup 2019 den 3. Rang. Er war<br />

Mitglied der Schweizer Sportkletter-Nationalmannschaft<br />

und Teilnehmer der Freeride<br />

World Tour. 2019 gelangen ihm Rotpunkt-<br />

Wiederholungen von «Golden Gate» (5.13a,<br />

El Capitan), «Rotbrätt» (8a+, Jungfrau) und<br />

«Portami Via» (7c+, Wendenstöcke). Im<br />

November erhielt er als erster Bergsportler<br />

seit Jürg von Känel den Panathlon-Preis<br />

des Clubs Berner Oberland, der alle zwei<br />

Jahre für Fairness und Ethik an ausgezeichnete<br />

Sportler vergeben wird.<br />

yannickglatthard.ch<br />

48<br />

INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong> 49


HAUSBERG NIESEN<br />

H A U S B E R G<br />

Man tut dem Niesen nicht unrecht, wenn man ihn<br />

als einen klassischen Ausflugsberg bezeichnet.<br />

Knapp 30 Minuten braucht die Standseilbahn<br />

hinauf zur Niesen Kulm. Von dort sind es dann nur wenige<br />

Schritte bis zur eigentlichen Gipfelplattform auf 2362<br />

Metern. Doch wenn die Ausflügler, Wanderer und die vielen<br />

Familien mit Kind und Kegel, die den Niesen Kulm bevölkern,<br />

sitze ich schon wieder bei einem gemütlichen<br />

Kaffee zu Hause in Spiez.<br />

«Ich war sicher schon 400 Mal auf dem<br />

Niesen. Leider bisher noch nie mit Ski. Das<br />

steht ganz oben auf meiner Liste.»<br />

VOM VIRUS<br />

INFIZIERT<br />

PROTOKOLL THOMAS WERZ<br />

Kraftort, Trainingsgelände,<br />

guter Freund: Ein Hausberg<br />

kann viele Eigenschaften haben.<br />

Der Niesen vereint für Rita<br />

Jaggi aus der Bächli Berg sport<br />

Filiale Thun all das. So oft wie<br />

nur möglich zieht es die stellvertretende<br />

Filialleiterin auf den Gipfel<br />

der imposanten Pyramide auf der<br />

Südseite des Thunersees. Am<br />

liebsten ganz früh morgens, um<br />

vor der Arbeit Energie zu tanken.<br />

N I E S E N<br />

Am liebsten nähere ich mich der wunderschönen Pyramide<br />

von der Ostseite. Von der Talstation in Mülenen<br />

führt der Weg entlang der Standseilbahn ziemlich direkt<br />

nach oben. 1650 Höhenmeter, am liebsten gehe ich<br />

sie noch vor der Arbeit. Wenn andere sich noch einmal<br />

im Bett umdrehen, bin ich meist schon unterwegs. Je<br />

nachdem wie die Verhältnisse sind, benötige ich für die<br />

Strecke um die zwei Stunden, manchmal auch etwas<br />

länger. Ich gehe zügig, aber es geht mir nicht um die<br />

Rekorde. Vor etwa zehn Jahren hat mich der Niesen-Virus<br />

befallen. Hört sich komisch an, aber ich bin überzeugt<br />

davon, dass dieser hochansteckend ist. Zumindest haben<br />

sich auch in meinem Umfeld etliche infiziert. Früher<br />

sind wir mit der Familie nur gewandert, aber nachdem<br />

die Kinder grösser waren, habe ich bei der SAC Sektion<br />

Niesen mit dem Bergsteigen begonnen. Dafür brauchte<br />

ich eine dementsprechend gute Grundkondition. Obwohl<br />

nicht einmal 2500 Meter hoch, hat mir mein Hausberg<br />

die richtigen Gipfel überhaupt erst ermöglicht. Im Jahr<br />

2017 konnte ich mit einem Kollegen auf der Punta<br />

Giordani (4046 Meter) meine Sammlung aller 82 Viertausender<br />

komplettieren.<br />

Perfekte Pyramide: Der Niesen wirft seinen<br />

symmetrischen Schatten über den Thunersee.<br />

FOTO LINKS: ARCHIV RITA JAGGI, FOTO RECHTS: GABI MÜLLER<br />

BIS ZU 50 MAL IM JAHR ZUM GIPFEL<br />

Wie oft ich mittlerweile auf der Gipfelplattform der<br />

eindrucksvollen Schiefer-Pyramide stand und den Blick<br />

über den See und das 360-Grad-Panorama schweifen<br />

liess? Ganz genau weiss ich es nicht, es sind sicher über<br />

400 Mal. Von Mitte April bis in den November steige<br />

ich zwischen 30 und 50 Mal über den «Top Walk»-Weg<br />

hinauf zur Niesen Kulm. Bereits 1856 wurde dort oben<br />

ein Gasthaus erbaut. Manchmal nehme ich auch den Weg<br />

von Wimmis am Ausgang des Simmentals. Gerade im<br />

Hochsommer ist es auf der Westseite morgens noch angenehm<br />

kühl. Diese Strecke hat zudem einen kleinen<br />

alpinistischen Reiz, verläuft sie doch auf den letzten 450<br />

Höhenmetern ohne richtigen Weg am Grat entlang.<br />

Oft werde ich gefragt, warum ich eigentlich nicht beim<br />

legendären Niesen-Treppenlauf starte. Dieser führt<br />

entlang der Bahnstrecke über die mit 11ʼ674 Stufen<br />

längste Treppe der Welt nach oben. Aber ich bin nicht so<br />

der Wettkampftyp. Ich mach‘ das für mich. Der Niesen<br />

macht den Kopf frei und gibt mir Energie. Egal, ob mich<br />

im Hochsommer die ersten Sonnenstrahlen wärmen<br />

oder ob ich im Herbst bei Nieselregen gehe und mich<br />

im Schein der Stirnlampe frage, warum ich eigentlich<br />

aufgestanden bin. Der Niesen hat mich bisher jedes<br />

Mal belohnt. Besonders schön war es, den Weg zum ersten<br />

Mal mit meinem achtjährigen Grosskind zu gehen. Das<br />

Kinderbuch «Die Geschichte vom Niesenfuchs» hat ihn<br />

völlig fasziniert und er war ganz schön stolz, dass er es<br />

bis zum Gipfel geschafft hat und schauen konnte, wo<br />

Fuchs, Murmeltier und Dohle wohnen. Generell ist der<br />

Berg ein lohnendes Ziel für Familien mit Kindern.<br />

Am schönsten ist der Berg im Herbst, wenn die Nebelschwanden<br />

durch den Wald streifen und langsam die<br />

Sonne durchbricht. Zudem wachsen dann am Wegesrand<br />

Steinpilze – da kann ich nicht widerstehen. Dieses<br />

Jahr lag Anfang November im oberen Drittel sogar schon<br />

Allein im Schnee: Die Spiezerin Rita Jaggi unterwegs<br />

an ihrem Hausberg. Selbst der erste Schneefall<br />

im November hält sie nicht vor einer Niesen-Tour ab.<br />

Schnee, und ich habe am frühen Morgen die ersten<br />

Spuren in den Gipfelhang gestapft. Das ist ein sicheres<br />

Zeichen, dass die Saison ihrem Ende entgegengeht.<br />

Normalerweise versuche ich immer, am letzten Tag noch<br />

einmal oben zu sein und mit einem ausgiebigen Brunch<br />

die Saison zu beschliessen. Nur der Winter fehlt bisher in<br />

meinem persönlichen Niesen-Gipfelbuch. Aber der Berg<br />

ist oben steil und oft heikel, der Niesen ist alles andere<br />

als ein leichter Skitourenberg. Dennoch: Eine Skitour<br />

auf meinen Hausberg steht ganz oben auf der To-do-Liste.<br />

Vielleicht klappt es ja diesen Winter?<br />

INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

51


RUBRIK UNTERRUBRIK<br />

HOCHGENUSS BERGLITERATUR<br />

PFLICHT<br />

LEKTÜRE<br />

BÜCHER, DIE<br />

BERÜHREN<br />

TEXT SUSANNA BÄCHLI<br />

Bücher sind für Susanna Bächli eine Herzensangelegenheit<br />

– umso mehr, wenn sie von Bergen handeln. Klar, dass<br />

Bücher bei Bächli «Chefsache» sind: Susanna Bächli wacht<br />

über die Neuerscheinungen und stellt für jede Filiale das passende<br />

Buchsortiment zusammen, vom Kletterführer bis zum Bildband.<br />

Diese beiden Bücher haben es ihr besonders angetan.<br />

«Im Winter ein inspirierendes<br />

Bergbuch in der<br />

warmen Stube lesen – gibt<br />

es etwas Schöneres?»<br />

SUSANNA BÄCHLI<br />

VR VIZEPRÄSIDENTIN<br />

BÄCHLI BERGSPORT AG<br />

APPELL AN<br />

DIE JUGEND<br />

Ein gutes Bergbuch ersetzt vielleicht keinen Friend.<br />

Aber wie ein echter Freund kann es inspirieren,<br />

trösten, begeistern. Wir haben alte Klassiker und<br />

neue Entdeckungen gesammelt.<br />

FOTO: ANDY KIRKPATRICK<br />

Ich habe meine Schwiegermutter Margrit Bächli einmal gefragt,<br />

wie sie sich auf die Klettertouren vorbereitet hat, es gab ja noch<br />

keine Kletterhallen. Antwort: Sie habe die Einkaufstaschen vier<br />

Stockwerke hochgetragen und die Windeln der Kinder von Hand<br />

gewaschen und ausgewrungen. Der Alltag und die körperliche<br />

Arbeit darin hat sie fit gemacht. Wenn sie alle Haken mit dem<br />

Hammer herausschlug und den ganzen Bund am Stand Heinz<br />

Bächli übergab – darauf war sie stolz. Das war ihr Glück.<br />

Patricia Purtschert hat sich auf die Suche gemacht nach Bergsteigerinnen<br />

aus einer Zeit, in der das Bergsteigen noch Männersache<br />

war. Sie haben ihre Fotoalben geöffnet und erzählt: Wie<br />

sie mit anderen Frauen kletterten, mit ihren Vätern Skitouren<br />

machten, mit den Ehemännern in steile Wände einstiegen. Mit<br />

Hammer, Haken, Trittleitern und strengen Kleidervorschriften,<br />

aber ohne Kletterfinken, Sonnencrème und LVS. Purtschert zeigt<br />

auf, was diese Bergsteigerinnen verband: die Leidenschaft für den<br />

Alpinismus, trotz gesellschaftlicher Vorurteile. Sie waren Wegbereiterinnen<br />

und haben sich über die Konventionen hinweggesetzt.<br />

Das Buch ist ein Blick auf die Schweiz und auf das vergangene<br />

Jahrhundert. Jeder sollte Purtscherts Suche nach diesen Frauen<br />

fortsetzen und fragen, wie es war. Damit diese Schweizer Frauengeschichte<br />

nicht in Vergessenheit gerät.<br />

INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

PATRICIA PURTSCHERT<br />

«FRÜH LOS. IM GESPRÄCH<br />

MIT BERGSTEIGERINNEN ÜBER<br />

SIEBZIG.»<br />

Baden 2011. Das Buch aus dem Hier und<br />

Jetzt Verlag ist inzwischen in 2. Auflage<br />

erhältlich. ISBN: 978-3-03919-153-6,<br />

CHF 48.–, hierundjetzt.ch<br />

REINHARD KARL<br />

«ZEIT ZUM ATMEN»<br />

Bad Homburg 1980. Der Reprint von 1994<br />

ist antiquarisch erhältlich, der AS Verlag<br />

hat 2002 die meisten seiner Schriften neu<br />

herausgegeben (Tom Dauer: Reinhard<br />

Karl. Ein Leben ohne Wenn und Aber.<br />

AS Verlag, Zürich 2002.)<br />

DIE BERGE ALS<br />

LEHRMEISTER<br />

Zu Beginn meiner Bergsteigeraktivität fragte mein Bruder: «Warum<br />

gehst du jede freie Minute in die Berge?» Ja, warum? Im Buch<br />

«Zeit zum Atmen» schreibt Reinhard Karl so treffend: «Diese letzten<br />

Schritte, ja die tun richtig gut. Und dann oben. Zeit zum Atmen,<br />

Zeit zum Sehen, Zeit zum Staunen.» Karl, ein Automechaniker,<br />

der jede freie Minute in die Berge ging, als Flucht aus dem Alltag.<br />

Der immer besser und stärker wurde, die Idee der Freikletterei<br />

aus den USA mitnahm und an den Pumprissen im Wilden Kaiser<br />

die erste alpine Klettertour im VII. Grad beging. Der fantastisch<br />

zu fotografieren lernte, 1978 als erster Deutscher auf dem Everest<br />

stand und Glücksmomente beschreiben konnte wie kein Zweiter,<br />

etwa wenn beim ersten Bier nach einer Klettertour der Wunsch<br />

erfüllt, aber noch nicht Vergangenheit ist. Karl war auch ein sensibler,<br />

kritischer Geist. Er hinterfragte sich selbst, wenn er Gipfel<br />

nur abhakte und nicht erlebte, und hinterfragte andere, die auf<br />

Expedition die Sherpas als «Eselersatz» und nicht als Menschen<br />

behandelten. Schluss des Buches, nachdem die Cerro-Torre-<br />

Begehung nicht geklappt hat: «Denn vielleicht ist eine Niederlage<br />

genauso konstruktiv wie die Angst. Zeit zum Denken – Zeit zum<br />

Atmen». Wie wahr. 1982 starb Karl, viel zu früh, in einer Eislawine<br />

am Cho Oyu. Aber seine Gedanken, die veralten nie.<br />

53


HOCHGENUSS<br />

BERGLITERATUR<br />

ANKERS<br />

ANTIQUARIAT<br />

TEXT DANIEL ANKER<br />

Der Schweizer Journalist und Autor Daniel Anker hat mehrere Berg-<br />

Monografien im AS Verlag publiziert und rezensiert auf bergliteratur.ch<br />

wöchentlich mindestens ein Bergbuch. Als ausgebildeter Historiker<br />

ist er zudem Experte für alpine Literatur aus allen Jahrhunderten – kein Wunder,<br />

dass seine drei Lieblingsbergbücher alle mehr als hundert Jahre alt sind.<br />

DANIEL ANKER<br />

JOURNALIST UND AUTOR<br />

FRISCHES<br />

LESEFUTTER<br />

TEXT THOMAS EBERT<br />

Fünf aktuelle Bergbücher, die Sie auf keinen Fall<br />

verpassen sollten. Alle Werke sind bei Bächli<br />

Bergsport erhältlich. Wer noch mehr Lesestoff<br />

braucht, dem empfehlen wir «Piz Buch & Berg» die alpine<br />

Buchhandlung von Lieni Roffler in Zürich (pizbube.ch).<br />

GRENZEN<br />

VERSCHIEBEN<br />

Nach ihrer Trainingsbibel für Alpinisten<br />

haben sich Scott Johnston und Steve House<br />

den Ausnahmeathleten Kilian Jornet ins<br />

Boot geholt. Das neue Werk des Trios richtet<br />

sich an Trailrunner und Skitourengeher,<br />

die ihr Leistungsvermögen steigern wollen.<br />

Wer all die detaillierten Trainingspläne,<br />

Kraftübungen, Ernährungstipps und Erfahrungen<br />

aus erster Hand umsetzt, bekommt<br />

so schnell keine Konditionsprobleme.<br />

EIN KLASSE<br />

KLASSIKER<br />

Der Berner Patrizier Edmund von Fellenberg und der aus dem Thurgau<br />

stammende, dann in Bern ansässige Abraham Roth bestiegen 1862 mit ihren<br />

Führern erstmals zwei markante Eisgipfel im Berner Oberland: das Doldenhorn<br />

(3638 m) und die Wyssi Frau (3648 m), den Mittelgipfel der berühmten<br />

Blüemlisalp. Alpinistisch keine so epochalen Touren wie die Erstbesteigungen<br />

der Jungfrau oder des Matterhorns. Aber die beiden Herren verfassten<br />

ein Werk, das mit seinen grossartigen und -formatigen, meist farbigen Abbildungen<br />

zu den schönsten (Berg)büchern überhaupt gehört: «Doldenhorn<br />

und Weisse Frau. Zum ersten Mal erstiegen und geschildert». Und der Text<br />

ist noch immer wunderbar zu lesen – flott, spannend und humorvoll.<br />

FRANÇOIS-FRÉDÉRIC ROGET<br />

«SKI-RUNS IN THE HIGH ALPS»<br />

T. Fisher Unwin, London 1913. Das Buch<br />

wurde ab 2005 mehrmals wieder neu<br />

aufgelegt. Erhältlich auf bookfinder.com.<br />

HOCHGENUSS VOM<br />

FEINSTEN UND BÖSESTEN<br />

Die Jungfrau ist seit über 200 Jahren einer der schönsten und berühmtesten<br />

Berge der Schweiz, und so wundert es nicht, dass der französische<br />

Dichter Alphonse Daudet 1885 seinen Helden im zweiten Band der Tartarin-Trilogie<br />

auch ins Berner Oberland schickte, um sich mit der Besteigung<br />

des so verlockenden Berges die Stellung als Präsident des Alpenclubs der<br />

provenzalischen Kleinstadt Tarascon zu sichern. Was der südfranzösische<br />

Möchtegernalpinist, Aufschneider und Herzensbrecher in «Tartarin sur les<br />

Alpes» auf der Rigi, der Jungfrau und dem Mont Blanc erlebt, gehört zum<br />

Vergnüglichsten (und Bissigsten), was je über die Bergsteigerei, den Fremdenverkehr<br />

und die touristische Schweiz geschrieben wurde.<br />

ABRAHAM ROTH,<br />

EDMUND VON FELLENBERG<br />

«DOLDENHORN<br />

UND WEISSE FRAU»<br />

Zum ersten Mal erstiegen und geschildert.<br />

Karl Baedeker, Coblenz 1863.<br />

Wurde auch in einer englischen Ausgabe<br />

gedruckt. Erhältlich auf zvab.com. Das<br />

Kapitel über die geglückte Erstbesteigung<br />

der Wyssi Frau und die meisten der<br />

Abbildungen sind neu zu finden in: Daniel<br />

Anker / Marco Volken: Blüemlisalp –<br />

Schneezauber und die sieben Berge. AS<br />

Verlag, Zürich 2018, CHF 49.80.<br />

AUF TOUR MIT DEM PIONIER<br />

DER SKI-HAUTE-ROUTE<br />

Ein gewichtiger Teil der Alpinliteratur ist Skiliteratur, man denke auch an die<br />

Nobelpreisträger Thomas Mann («Zauberberg») und Hemingway («Schnee<br />

überm Land»). 1913 erschien «Ski-Runs in the High Alps» des Genfer Historikers<br />

François-Frédéric Roget. Kapitel acht beschreibt die erste Begehung der<br />

eigentlichen Haute Route von Bourg St-Pierre nach Zermatt im Januar 1911, zusammen<br />

mit Marcel Kurz und vier Führern. Mein Exemplar der «Ski-Runs» trägt<br />

folgende Widmung: «à Marcel Kurz, témoignage de l’affection de l’auteur.» Noch<br />

spannender sind natürlich die mit Bleistift gemachten Anmerkungen von Kurz.<br />

Zu L. M. Crisp, die laut Titelblatt 25 Illustrationen beisteuerte, setzte er in Klammern:<br />

«now Mrs. Roget». Was wäre die (Berg)literatur ohne Liebesgeschichten?<br />

ALPHONSE DAUDET<br />

«TARTARIN IN DEN ALPEN»<br />

Die Besteigung der Jungfrau und andere<br />

Heldentaten. AS Verlag, Zürich 2011.<br />

CHF 29.80. Natürlich auch auf Französisch<br />

erhältlich.<br />

LIFESTYLE UND<br />

LEISTUNGSSPORT<br />

«Den Gorilla spazieren führen, der in mir wohnt», so definierte<br />

John Bachar einmal das Bouldern, «nach den Sternen greifen»<br />

nennt es der Tiroler Bernd Zangerl. Wie auch immer: Als einer<br />

der weltbesten Boulderer erzählt Zangerl in diesem grossartig<br />

bebilderten Werk von den Grundlagen und Gebieten des Bouldersports,<br />

aber auch von der Geschichte und den Gefühlen vom<br />

Leben an den Blöcken, die Boulderern die Welt bedeuten.<br />

LEBENS<br />

WERK<br />

BERND ZANGERL<br />

«BOULDERN»<br />

Preis CHF 33.–<br />

Etwa acht Jahre hat Fotograf Röbi Bösch an diesem nicht nur<br />

in Grösse und Gewicht monumentalen Bildband gearbeitet.<br />

Bösch vereint darin die Landschafts- («die Kunst des Sehens»)<br />

und die Actionfotografie («die Kunst des Voraussehens»),<br />

den roten Faden bilden die Berge. Kluge Essays von alpinen<br />

Könnern (Robert Jasper, Steve House, Nina Caprez u.a.) unterstreichen<br />

Böschs tiefgründigen Blick auf die Berge.<br />

ROBERT BÖSCH<br />

«MOUNTAINS»<br />

Preis CHF 129.–<br />

FRAUEN IN<br />

FÜHRUNG<br />

K. JORNET, S. HOUSE,<br />

S. JOHNSTON<br />

«UPHILL ATHLETE»<br />

Preis CHF 45.–<br />

Ein Buch, das v.a. als Pendant zu «Früh los»<br />

(S. 53) enorme Kraft entfaltet: Ein Dutzend<br />

Schweizer Bergführerinnen hat Daniela<br />

Schwegler porträtiert, darunter die beiden<br />

allerersten überhaupt, aber auch eine<br />

Architektin, eine Juristin und eine Rinderhirtin.<br />

Die inspirierenden Biografien legen<br />

Ambitionen, Rollenbilder und Anekdoten<br />

der Frauen lesenswert offen – begleitet von<br />

ausgezeichneten Bildreportagen.<br />

DANIELA SCHWEGLER<br />

«HIMMELWÄRTS»<br />

Preis CHF 39.–<br />

LUG UND<br />

TRUG<br />

Cesare Maestri, Christian Stangl, Tomo<br />

Česen: Das sind nur die berühmten Fälle<br />

der an Unwahrheiten nicht armen alpinen<br />

Geschichte. Der italienische Journalist Mario<br />

Casella hat mit bemerkenswertem Biss<br />

die Rekonstruktion diverser Berg-Märchen<br />

gewagt – und dort, wo er mit den Akteuren<br />

sprechen konnte, häufig die Motive dahinter<br />

enthüllt. Ein ebenso spannendes wie bestürzendes,<br />

vor allem aber mutiges Buch.<br />

MARIO CASELLA<br />

«DIE LAST DER SCHATTEN»<br />

Preis CHF 29.–<br />

54 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

55


HOCHGENUSS BERGLITERATUR<br />

UNTERRUBRIK RUBRIK<br />

«DIE ZEIT DER<br />

TELEFONBÜCHER<br />

IST VORBEI»<br />

Andreas Mathyer ist SAC-Verlagsleiter und verantwortet<br />

den Inhalt des Online-Tourenportals,<br />

das 2018 an den Start ging. Was passiert jetzt mit<br />

den gedruckten Führern?<br />

INTERVIEW THOMAS EBERT<br />

Warum verlagert der SAC seine<br />

Touren beschreibungen ins Internet?<br />

Die Digitalisierung geht natürlich<br />

auch am SAC nicht einfach so vorbei.<br />

Tourenbeschriebe, die in Buchform<br />

nur alle paar Jahre neu aufgelegt<br />

werden können, kann man digital<br />

besser pflegen und vor allem aktualisieren.<br />

Das hochalpine Gelände<br />

verändert sich durch den Gletscherrückgang<br />

so rasant – da kommen<br />

wir mit gedruckten Büchern schlicht<br />

nicht hinterher. Online können wir<br />

Zustandswarnungen schnell integrieren,<br />

etwa Felsausbrüche oder<br />

Wegsperrungen. Darum haben wir<br />

Mitte der 2010er-Jahre das Projekt<br />

«Tourenportal» gestartet. Seit Ende<br />

ANDREAS MATHYER<br />

SAC-VERLAGSLEITER<br />

2018 sind wir online. Das Webdesign<br />

ist responsive, funktioniert also nicht<br />

nur am Rechner, sondern auch auf<br />

allen mobilen Devices.<br />

Wird es denn klassische Führerliteratur<br />

vom SAC überhaupt noch<br />

geben?<br />

Der SAC bekennt sich ganz klar zum<br />

gedruckten Buch. Kletter- und Ausbildungsliteratur<br />

wird es weiterhin geben.<br />

Bei Berg- und Alpinwanderführern<br />

fokussieren wir uns auf das Tourenportal,<br />

was die technischen Beschreibungen<br />

angeht. Mit den Filtermöglichkeiten<br />

lässt sich digital viel effizienter<br />

planen – der Mehrwert für den Nutzer<br />

ist grösser. Bücher erscheinen weiterhin<br />

mit thematischen Aufhängern,<br />

die digital schwierig abzubilden sind.<br />

Etwa der Renner «Familienausflüge zu<br />

SAC-Hütten» – für solche Themen ist<br />

das Buch ein ideales Medium.<br />

Führer für Ski-, Schneeschuh- und<br />

Hochtouren planen wir mittelfristig<br />

nicht mehr in Buchform. Die Zeit der<br />

dicken, enzyklopädischen Skitourenführer,<br />

die wie ein Telefonbuch jede<br />

Tour aufführen, ist vorbei. Das zeigen<br />

nicht nur die Verkaufszahlen. Wir<br />

arbeiten mit Hochdruck daran, den<br />

Grossteil der begehbaren Touren,<br />

die bisher gedruckt erschienen sind,<br />

im Tourenportal zu erfassen. Zukünftig<br />

ist aber auch der umgekehrte Weg<br />

denkbar: Nämlich aus der Datenbank<br />

heraus Bücher zu produzieren.<br />

Wie wird die Qualität der Tourenbeschreibungen<br />

auf dem SAC-Tourenportal<br />

sichergestellt?<br />

In Abgrenzung zu Web-Portalen mit<br />

nutzergeneriertem Inhalt aus der<br />

Crowd gibt es auf dem SAC-Tourenportal<br />

garantiert hochwertige Berichte<br />

von unseren bewährten und<br />

fachkundigen Autoren – aktuell rund<br />

30 an der Zahl. Im Verlag werden<br />

diese Inhalte dann redigiert, teilweise<br />

übersetzt und publiziert.<br />

SAC-<br />

TOURENPORTAL<br />

Rund 900 Touren aus der gesamten<br />

Schweiz sind gratis zugänglich. Das<br />

gesamte Routenangebot, Abspeicherung<br />

per PDF, Offline-Routen karten<br />

und Zeichnungsfunktion für GPS-<br />

Tracks gibt es im Abonnement. Das<br />

Jahresabo kostet für SAC-Mitglieder<br />

CHF 32.– (Nicht- Mitglieder 42.–), ein<br />

Monatsabo CHF 3.50 (Nicht-Mitglieder<br />

4.50). sac-cas.ch<br />

L.I.M Touring PROOF Jacket<br />

Auf das Wesentliche für Skitouren reduziert.<br />

Die L.I.M Touring PROOF Jacke ist ein treuer<br />

Begleiter bei schweißtreibenden Aufstiegen und<br />

rasanten Abfahrten. Das dehnbare, beschichtete<br />

Material mit bluesign®-Zertifizierung überzeugt<br />

durch uneingeschränkte Bewegungsfreiheit und<br />

erstklassigen Schutz vor Wind und Wasser –<br />

und zwar ganz ohne Fluorcarbon.<br />

56 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

Dalarna Sweden Est.1914<br />

57<br />

www.haglofs.com


RUBRIK UNTERRUBRIK<br />

PARTNERCHECK SCHÖFFEL<br />

P A R T N E R C H E C K<br />

KONSTANZ<br />

DURCH WANDEL<br />

Ein Familienunternehmen in siebter Generation, das verwaltet<br />

sich doch von alleine? Von wegen. Der Outdoor- und Ski-Ausrüster<br />

Schöffel hat sich stets gewandelt, um vorne zu bleiben.<br />

TEXT THOMAS EBERT<br />

S C H Ö F F E L<br />

FOTOS: ARCHIV SCHÖFFEL<br />

Wir schreiben das Jahr 1804. Friedrich Schiller<br />

vollendet gerade seinen «Wilhelm Tell», ohne<br />

je selbst in der Schweiz gewesen zu sein, und<br />

im bayerischen Schwabmünchen erhält Georg Schöffel<br />

die Lizenz zum Strumpfhandel. Weil sein Sohn Josef fünf<br />

Jahre später in der Schlacht von Abensberg auch noch<br />

dem Kronprinzen das Leben rettet und zum Dank eine lebenslange<br />

Leibrente erhält, kann die junge Firma Schöffel<br />

auf einem soliden Fundament bauen. Eineinhalb Jahrhunderte<br />

lang wird mit Strickwaren gehandelt, doch als<br />

Ludwig Schöffel aus dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr<br />

heimkehrt, stehen die Zeichen auf Veränderung. Hubert<br />

Schöffel, Jahrgang 1930 und begeisterter Berggänger,<br />

dreht das Unternehmen auf links. 1961 kauft er eine alte<br />

Lederhosenfabrik auf, erstmals in der Firmengeschichte<br />

handelt man nicht nur mit Waren, sondern stellt sie<br />

selbst her. Der Absatz der Strassenhosen läuft jedoch<br />

schleppend, Schöffel muss sogar Kurzarbeit anordnen.<br />

Gleichzeitig beginnt das Wirtschaftswunder zu wirken:<br />

Die Fünf-Tage-Woche setzt sich durch, Wochenenden<br />

gehören ab sofort den Familien, der Wanderausflug wird<br />

massentauglich. Hubert Schöffel erkennt die Zeichen der<br />

Zeit und setzt ab 1967 voll auf Outdoor-Bekleidung, die<br />

damals noch nicht so hiess. Eine Wanderhose mit elastischem<br />

Bund, ein Schlupfblouson, der unter den Münchner<br />

Studenten zum It-Piece wird und schliesslich, in den<br />

80er-Jahren, die erste Gore-Tex-Jacke. Hubert Schöffel<br />

setzt als Erster in Deutschland auf das wind- und wasserdichte,<br />

atmungsaktive Laminat und ordert ohne einen<br />

einzigen Auftrag Material für 24̓000 Jacken – am Ende<br />

geht das Spiel auf. Es sind Meilensteine in der Bergsportausrüstung<br />

und Sargnägel für Lederhose, Wolljanker<br />

und Kniestrümpfe.<br />

TRADITION VERPFLICHTET<br />

So schwer es ist, zwanzig Jahrzehnte Firmengeschichte<br />

auf ein paar Zeilen zu komprimieren – eines wird im Falle<br />

Schöffels deutlich: Ein Familienunternehmen in siebter<br />

Generation ist kein Tanker, den man einmal auf Kurs bringt<br />

und dann laufen lässt. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit<br />

der Zeit. Und wer durch Schöffels Firmensitz in Schwabmünchen<br />

geht, der sieht neben Hubert Schöffels beeindruckender<br />

Kunstsammlung in der Chefetage vor allem<br />

ein altes Rohwarenlager, das 2015 komplett entkernt und<br />

58 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

59


PARTNERCHECK<br />

SCHÖFFEL<br />

zum loftartigen Kreativzentrum umgebaut wurde. Denn<br />

wie fast jeder grosse Textilhersteller fertigt auch Schöffel<br />

nicht mehr in Mitteleuropa, sondern fast ausschliesslich in<br />

Asien. Von den gut 180 Näherinnen sind heute noch rund<br />

20 Arbeitsplätze übrig, verteilt auf Reparatur und Prototypen-<br />

Fertigung. Im neuen, 600 Quadratmeter grossen «Development<br />

Center», das mit viel Licht, hohen Decken und gläsernen<br />

Meetingräumen zum Kreieren einladen soll, sind<br />

die Wände über und über mit Stoffmustern, Moodboards<br />

und Kollektionsentwürfen gepflastert. An den 30 Schreibtischen<br />

arbeiten Marktforscher und Produktentwickler<br />

nicht getrennt, sondern im direkten Austausch.<br />

In unberührtem Terrain: Zum letzten<br />

Winter brachte Schöffel erstmals<br />

eine Skitourenkollektion an den Start.<br />

Nun soll Bekleidung für All mountain-<br />

Skifahrer folgen.<br />

Genau deshalb ist für Henrik Vogel,<br />

Leiter des Innovationsmanagements<br />

bei Schöffel, hier das «Epizentrum»<br />

der Firma. Der 39-jährige promovierte<br />

Betriebswirt und Bergretter<br />

war, wie auch der CEO von Schöffel<br />

Schweiz, Peter Jud (siehe Interview<br />

S. 62), massgeblich am jüngsten Wurf<br />

von Schöffel beteiligt: einer Bekleidungslinie<br />

für Skitourengeher, die zum<br />

Winter 2019 neu entwickelt wurde.<br />

Im Schöffel-Produkt-Kosmos, der intern<br />

in Bereiche, Segmente und Kapseln<br />

unterteilt wird, gilt die Skitourenkollektion laut PR-Referentin<br />

Katrin Lörch als «Leuchtturmkapsel». Schöffels jahrzehntelange<br />

Expertise in Sachen Skibekleidung kommt nun<br />

also auch abseits der Pisten zum Tragen – zum nächsten<br />

Winter soll eine Allmountain-Kollektion folgen. Denn die<br />

Zeiten, in denen Schöffel sich auf Wanderausrüstung für<br />

die kaufkräftige, aber eben auch spitze Zielgruppe der<br />

40- bis 60-Jährigen fokussierte (so Peter Schöffel in einem<br />

Zeitungsinterview Ende 2017), sind vorbei. Eine «spürbare<br />

Verjüngung in Kampagnen und Produkten», sagt Katrin<br />

Lörch, habe es in den letzten Jahren gegeben, Zielgruppen<br />

würden generell nicht mehr nach Alter klassifiziert:<br />

«Heute verbinden sich ältere und jüngere Generationen<br />

über die Leidenschaft, nach draussen zu gehen», so Lörch.<br />

In den Schöffel-Lookbooks dominieren junge Gesichter, seit<br />

drei Jahren verkauft Schöffel eine «Outleisure»-Kollektion,<br />

also modische und zugleich funktionelle Freizeitbekleidung.<br />

Und wie in den 80er-Jahren, als man frühzeitig auf Gore-Tex<br />

setzte, bleibt Schöffel auch technisch am Ball. PrimaLoft<br />

Next Evolve-Isolierung, S.Café-Garne aus Polyester und geruchshemmendem<br />

Kaffeesatz – in den neuen Kollektionen<br />

findet sich die ganze Klaviatur aktueller Textiltrends.<br />

Naturgemäss liegt in solch einer Verjüngungskur mit frischen<br />

Kollektionskapseln auch die Gefahr, sich zu verzetteln.<br />

Zwischen Schöffels TV-Spots einerseits, deren eingängiger<br />

Claim «Ich bin raus» nicht zuletzt auf die Natursehnsüchte<br />

urbaner Schichten abzielt, und dem langjährigen Engagement<br />

als Ausrüster diverser Ski-Nationalmannschaften andererseits,<br />

besteht inzwischen doch eine ordentliche Spannweite an<br />

Image-Möglichkeiten. Lörch steckt das Feld über die Leistung<br />

ab: «Wir sind nicht die Höher-Schneller-Weiter-Ausrüster.<br />

In welcher Zeit unsere Kunden auf den Berg gehen, ist uns<br />

egal», und fügt mit einem Schmunzeln hinzu: «Das karierte<br />

Hemd wird bei Schöffel nie ganz aussterben.»<br />

«10 Prozent mehr Silicon Valley» wünschte sich Hubert<br />

Schöffels Sohn Peter, der seit 30 Jahren die Geschicke<br />

der Firma leitet, zum Firmenjubiläum 2017. Nicht nur die<br />

Stelle des Innovationsmanagers schuf er neu, auch die<br />

Leitung der Abteilungen Produktentwicklung, Marketing<br />

und Vertrieb hat Schöffel binnen eines Jahres neu besetzt.<br />

«Der Wandel bei Schöffel ist spürbar, es wurde enorm in<br />

Digitalisierung investiert», sagt Katrin Lörch.<br />

KREATION STATT PRODUKTION<br />

Bei all dem Wandel beweist Schöffel vor allem in einem<br />

Punkt Konstanz: Die Firma bleibt zu 100 Prozent ein Familienunternehmen.<br />

«Generationenvertrag statt Quartalsbericht»,<br />

sagt Peter Schöffel gerne. Mit 200 Mitarbeitern und<br />

100 Millionen Euro Umsatz pro Jahr ist Schöffel unter den<br />

führenden deutschen Herstellern von funktioneller Outdoor-<br />

und Skibekleidung. Grösser ist nur die Marke mit der<br />

Hundepfote, die nach turbulenten Jahren inzwischen einem<br />

Golfausrüster aus den USA gehört. «Verkaufen will ich auch<br />

nicht. Mir geht es ausschliesslich um die Erhaltung unserer<br />

Werte, unserer Tradition und den Generationenauftrag. Weniger<br />

ist mehr, ist einer meiner Grundsätze. Deshalb lassen<br />

wir auch die Finger von Rucksäcken oder Schuhen«, bekannte<br />

Peter Schöffel Anfang 2019 in einem Familieninterview<br />

mit dem Stern. Apropos Familie: Die Staffelübergabe<br />

der Gesamtleitung ist bereits angestossen. Peter Schöffels<br />

Tochter Johanna arbeitet neben ihrem Studium bereits in<br />

der Personalabteilung, Sohn Jakob gilt mit 21 Jahren bereits<br />

als designierter Nachfolger. Man darf gespannt sein, welchen<br />

Wandel die achte Generation plant.<br />

SCHÖFFEL<br />

BEI BÄCHLI<br />

baechli-bergsport.ch/schoeffel<br />

MEILENSTEINE<br />

1804 1961 1967 1976<br />

1983 1990 2016<br />

2019<br />

Startschuss:<br />

Georg Schöffel erhält<br />

die Konzession<br />

zum Handel mit<br />

Strickwaren.<br />

Hersteller statt<br />

Händler: Hubert<br />

Schöffel startet die<br />

Produktion von<br />

Strassenbekleidung.<br />

Das Wirtschaftswunder<br />

wirkt: Im «Werk<br />

1» näht Schöffel erstmals<br />

selbst Wanderund<br />

Bergbekleidung.<br />

Der Berganorak<br />

Tibet mit brandneuem<br />

Gore-Tex-<br />

Laminat wird zum<br />

Verkaufsschlager.<br />

FOTO: MICHAEL MÜLLER / SCHÖFFEL<br />

It-Piece mit Funktion:<br />

Der Schlupfblouson<br />

«Stormbreaker»<br />

verkauft sich hunderttausendfach.<br />

Peter Schöffel wird<br />

Geschäftsführer, ist<br />

es heute noch und<br />

steigert den Umsatz<br />

um 70 Prozent.<br />

Kreativzone: Im<br />

ehemaligen Rohwarenlager<br />

wird das<br />

Development Center<br />

eingerichtet.<br />

Abseits der Piste:<br />

Schöffel bringt erstmals<br />

eine eigene<br />

Skitourenkollektion<br />

heraus.<br />

60 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

61


PARTNERCHECK SCHÖFFEL<br />

IM GESPRÄCH<br />

PETER JUD<br />

COUNTRY MANAGER SCHÖFFEL SCHWEIZ AG<br />

INTERVIEW THOMAS EBERT<br />

Sie waren Teil des Projektteams,<br />

das die erste Skitourenkollektion<br />

von Schöffel konzipieren durfte.<br />

Wie geht man so etwas an?<br />

Wir haben eine grosse Kundenumfrage<br />

gemacht und erkannt, dass uns<br />

viele Menschen als Skitourenmarke<br />

sehen. Obwohl wir ja bis dato gar<br />

keine Skitourenbekleidung hergestellt<br />

haben. Peter Schöffel hat dann ein<br />

kleines Team zusammengestellt und<br />

gesagt: «Hey, habt ihr Lust, zusammen<br />

eine Skitourenkollektion zu entwickeln?»<br />

Alle, die in diesem agilen<br />

Team drin waren, sind selbst Skitourengänger.<br />

Vor den Brainstormings<br />

haben wir gemeinsam am Berg mit<br />

unseren Lieblingsteilen biwakiert,<br />

was eine ganz neue Dynamik ergab:<br />

Wie kann man das LVS am Körper<br />

tragen, ohne dass es stört? Wie har-<br />

2005 wurde die<br />

Schöffel Schweiz AG<br />

gegründet, 2008 stiess<br />

Peter Jud als Geschäftsführer<br />

dazu.<br />

Derzeit hat die AG<br />

13 Mitarbeiter.<br />

moniert eine Hose mit den offenen<br />

Schuhschnallen? Wie muss der Highlift<br />

einer Jacke sein, damit es dir beim<br />

Gehen nicht ständig die Ärmel hochzieht?<br />

Warum gibt es kaum Midlayer,<br />

die man bis zur Nase schlies sen und<br />

trotzdem noch durchatmen kann? Aus<br />

eigener Erfahrung designen, darum<br />

ging es bei diesem Projekt. Nicht für<br />

Spitzenprofis, sondern für Menschen<br />

wie du und ich.<br />

Warum hat man die Skitourenkollektion<br />

nicht früher entwickelt?<br />

Der Sport boomt ja nicht erst seit<br />

gestern.<br />

Ich glaube, es ist der richtige Zeitpunkt.<br />

Wir sehen Skitourengehen<br />

nicht als Trendsportart. Es ist etabliert,<br />

und in Davos, wo ich zu Hause<br />

bin, etwas, was man schon das ganze<br />

Leben macht. Es ist nicht so, dass<br />

wir diese Kollektion entwickelt haben,<br />

weil Skitourengehen boomt. Wir haben<br />

entdeckt, dass Leute mit Jacken,<br />

die eigentlich für Trekking und Hiking<br />

gemacht sind, Skitouren gehen, was<br />

in Ordnung ist. Aber wir wollten eine<br />

spezifische Skitourenausrüstung machen,<br />

die wirklich alle Features bietet,<br />

die man braucht.<br />

Die Zeiten, in denen sich die Firma,<br />

wie Peter Schöffel öfters kundtat,<br />

auf die 40- bis 60-jährige Kundschaft<br />

fokussierte, sind aber passé?<br />

Ich bin Jahrgang 1968. Ich werde<br />

nicht mehr an einer Olympiade teilnehmen,<br />

will ich auch nicht. Ich bin<br />

aber noch im Saft, und ich will<br />

schwitzen. Mein Schwiegervater ist<br />

80, und ein super Skitourengänger.<br />

62 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

FOTO: MARC DOLLINGER<br />

Aber der will doch nicht mit alten<br />

Klamotten rumlaufen! Man kann Anwendergruppen<br />

nicht mehr nur mit<br />

einem Alter belegen. Ich kann nachvollziehen,<br />

was Peter Schöffel sagt.<br />

Wir wollen Kleidung herstellen, die<br />

funktionell ist, passt und gut ausschaut.<br />

Und das, sorry, ist ziemlich<br />

altersunabhängig.<br />

Was zeichnet Bächli Bergsport aus<br />

Ihrer Sicht aus?<br />

Bächli ist einer der Outdoor-Händler<br />

in Europa. Sie haben eine brutal<br />

grosse Auswahl, aber gleichzeitig sehr<br />

konzentriert auf den Bergsport. Und<br />

Bächli ist ein Innovationstreiber, das<br />

sieht man nicht nur am Online-Shop.<br />

Das Personal hat ein sehr hohes Knowhow,<br />

weiss, was gut ist. Wie Schöffel<br />

ist Bächli auch ein familiengeführtes<br />

Unternehmen, da sind schon einige<br />

Parallelen. Wir sind keine Schreibtischtäter,<br />

sondern machen selber,<br />

was wir verkaufen. Es kommt nicht<br />

darauf an, wie gut man Ski fährt. Sondern<br />

dass man Spass am Skitourengehen<br />

hat. Wenn man das rüberbringt,<br />

kann man auch erfolgreich Bekleidung<br />

verkaufen.<br />

AUF SKITOUR<br />

MIT SCHÖFFEL<br />

Passend zur neuen Skitouren-Kollektion<br />

von Schöffel verlosen wir eine exklusive<br />

Skitour – mit dem Firmeninhaber Peter<br />

Schöffel persönlich! Zum Testen gibt es<br />

dazu natürlich Produkte aus der neuen<br />

Kollektion. Und wer noch Gipfelziele für<br />

den Winter sucht: Lassen Sie sich doch<br />

einfach von unseren Video-Tourentipps inspirieren.<br />

Vom Tällihorn über das Hunds hore<br />

bis zum Chli Chärpf ist für jeden Skitourengeher<br />

etwas dabei.<br />

Mehr Infos: baechli-bergsport.ch/schoeffel<br />

FALKE · P.O.BOX 11 09 - D-57376 SCHMALLENBERG / GERMANY<br />

Men<br />

Women<br />

FALKE TK2 Crest<br />

Der „TK2 Crest“ mit mittelstarker Polsterung und einem Merinowoll-Mix sorgt<br />

für besten Komfort und gute Wärmeisolation bei Wanderungen in leichtem<br />

Gelände und bei jeglichen Wetterbedingungen. Der schnelle Feuchtigkeitstransport<br />

sowie die optimale Passform sorgen für die perfekte Temperatur<br />

und hohen Komfort am Fuß. Durch die in den Schaft eingearbeitete Bergsilhouette<br />

in verschiedenen Farbschattierungen ist die Wandersocke ein<br />

echter Hingucker


AUSSTIEG<br />

TEXT JENS BADURA<br />

Jens Badura ist habilitierter Kulturphilosoph,<br />

unterrichtet an der Zürcher<br />

Hochschule der Künste (ZHdK)<br />

und betreibt das berg_kulturbüro in<br />

Ramsau bei Berchtesgaden.<br />

Es gibt Begriffe, die zugleich<br />

zutreffend und unfasslich sind.<br />

«Kraftort» ist so ein Begriff –<br />

und wohl fast alle, die regelmässig in<br />

den Bergen unterwegs sind, werden<br />

ihm dort schon mal begegnet sein. Anlass<br />

genug also, einmal genauer<br />

zu fragen, was das, wofür der Begriff<br />

steht, eigentlich ist.<br />

Wenn über Kraftorte diskutiert wird,<br />

stehen sich meist zwei Lager gegenüber:<br />

auf der einen Seite die, vereinfacht<br />

gesagt, Rationalisten, die in einer aufgeklärten<br />

Welt die Idee der Existenz von<br />

Kraft orten für esoterischen Humbug<br />

halten, auf der anderen Seite jene, die<br />

Kraftorte als Kontaktzone zu jenseitigen<br />

Sphären erklären und den Rationalisten<br />

mangelnden Spürsinn für das Wesentliche<br />

unterstellen. Muss man sich nun<br />

für eine der Seiten entscheiden, wenn<br />

man über Kraftorte redet? Nein – muss<br />

man nicht. Denn beide Sichtweisen<br />

sind zu einseitig. Weder kann etwas<br />

nur dann als «wirklich» gelten, wenn<br />

man es aufgeklärt-wissenschaftlich<br />

beweisen kann, noch ist die zuweilen<br />

obskure Spekulation esoterisch-verklärter<br />

Weltbeschreibungen der einzige<br />

Weg, um über Erfahrungen zu reden,<br />

die sich nicht einfach in unsere rationale<br />

KRAFT<br />

ORTE<br />

Kultur einpassen lassen. Und glaubt<br />

man vielen Erzählungen (nicht nur)<br />

von Berggängern, dann kommt es in<br />

den Bergen eben öfter zu solchen<br />

Erfahrungen als auf dem flachen Land.<br />

Was aber kann es heissen, dass Orte<br />

«Kraft» haben – und dass diese Kraft<br />

dann auch so eindrücklich spürbar<br />

wird, dass Menschen sich von ihnen<br />

angezogen fühlen und dies zuweilen in<br />

Ritualen auch zum Ausdruck bringen?<br />

Kraftorte stiften die Bedingung für<br />

eine besonders intensive Wahrnehmungsweise.<br />

Es sind Orte, wo die<br />

Vielfalt der sinnlichen Erfahrungen<br />

– Geomorphologie, Formen, Farben,<br />

Lichtstimmungen, Gerüche, Geräusche<br />

usw. – dazu verführt, sich mit<br />

voller Aufmerksamkeit auf das Zusammenspiel<br />

dieser unterschiedlichen<br />

Faktoren einzulassen. Es sind Orte,<br />

die dazu bringen, von dem abzusehen,<br />

was gerade nicht «vor Ort» ist – Gedanken<br />

an Ärger im Job, den anstehenden<br />

Gipfel oder die letzte Bergtour,<br />

das ausstehende Bier auf der Hütte<br />

usw. Anders gesagt: Kraftorte stiften<br />

den atmosphärischen Rahmen dafür,<br />

die Gegenwart – das «Jetzt» – vom<br />

Vergangenen und Künftigen zu entkoppeln<br />

und so als Jetzt erfahrbar zu<br />

machen. Sie ziehen unsere Aufmerksamkeit<br />

in ihren Bann und lenken<br />

ab von dem, was ansonsten vom «Im-<br />

Moment-Sein» ablenkt.<br />

Eigentlich ist es wie in der Kunst: Auch<br />

Kunstwerke können eine bannende<br />

Wirkung haben und uns aus gewohnten<br />

Denkmustern herausleiten – um ihnen<br />

nachher in anderer Verfassung wieder<br />

zu begegnen. Nicht jeder erfährt dies in<br />

den gleichen Zusammenhängen. Aber<br />

wer sich darauf einlässt, findet in der<br />

Kunst wie auch im Gebirge entsprechende<br />

Wege aus dem Gewohnten. Ein<br />

solches Einlassen erfordert aber vor<br />

allem eins: eine gewisse Gelassenheit.<br />

Ob die zeitgenössischen Bergsporttrends<br />

eine solche befördern, darf bezweifelt<br />

werden. Denn wenn alle Kraft<br />

der «Performance», dem Abhaken des<br />

Tourenkanons oder der Jagd nach dem<br />

Modemotiv gewidmet wird, stellt sich<br />

Gelassenheit in der Regel kaum ein.<br />

Die Idee von Kraftorten ist attraktiv, weil<br />

sie in einer Sehnsucht wurzelt: einer<br />

Sehnsucht danach, im Moment verweilen<br />

zu können, ohne durch vermeintlich zu<br />

leistende «To-dos» aus ihm herausgezerrt<br />

zu werden. Im Vertrauen darauf,<br />

dass die Kraft eines Ortes es vermag,<br />

diesem Zerren entgegenzuwirken.<br />

Wenn wir uns denn darauf einlassen.<br />

Wie stehen Sie zu Kraftorten?<br />

Wo liegen Ihre Lieblingsorte in den<br />

Bergen? Diskutieren Sie mit auf:<br />

baechli-bergsport.ch<br />

see you<br />

out there<br />

Nature is waiting<br />

Impressum<br />

«<strong>Inspiration</strong>», die Kundenzeitschrift der Bächli Bergsport<br />

AG, erscheint 4 x jährlich und ist in allen Filialen kostenlos<br />

erhältlich. Auflage: 130’000 Exemplare<br />

Herausgeber<br />

Bächli Bergsport AG<br />

Gewerbestrasse 12, 8606 Nänikon<br />

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