Inspiration Nr. 1/2020
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No 01 | <strong>2020</strong><br />
DAS BERGSPORTMAGAZIN<br />
INSPIRATION<br />
WEGWEISER<br />
NATURPARK BEVERIN:<br />
SONNE & SKITOUREN SATT<br />
EXPERT<br />
EISKLETTERN: TECHNIK,<br />
TAKTIK, AUSRÜSTUNG
ZUSTIEG<br />
DIE WANDLUNG<br />
DES ERLEBTEN<br />
Der Jahreswechsel ist oft ein Zeitpunkt der Rückschau. Wir blicken<br />
auf das vergangene Jahr, lassen Erlebtes hinter uns ruhen, um<br />
zu neuen Abenteuern aufzubrechen. Vergessen möchten wir aber<br />
nicht – denn was gibt es Schöneres als Erinnerungen, wachgerufen<br />
im Kreis von Freunden und der Familie? Spannend finde ich<br />
dabei, wie sich das Erlebte im Laufe der Zeit verformt, wie sich<br />
Erinnerungen, im Abstand einiger Jahre und aus neuen Blickwinkeln<br />
betrachtet, anfühlen. Schon unterwegs geht es mir oft<br />
so, dass ich noch vor dem Ende der Tour meine Erlebnisse teilen<br />
möchte. Gerade dann, wenn die Emotionen hochschlagen, ist<br />
dieser Wunsch am stärksten. Ob ich auch ein paar Tage später<br />
noch in der Lage bin, diese Intensität wiederzugeben?<br />
Acts of humanity made by people who bring us closer<br />
to the world we want. Those who see a possibility and<br />
pursue it.<br />
«Meine Erinnerungen<br />
sind der schönste<br />
Reiz für neue<br />
Bergerlebnisse.»<br />
Ein neues Jahr ist aber auch ein willkommener Anlass, Veränderungen<br />
anzustossen. Wir nehmen uns vor, was wir zum Besseren wenden<br />
wollen, Dinge, die uns bisher verwehrt geblieben sind oder die wir<br />
aus reiner Neugier einmal ausprobieren möchten. Falls Sie etwa<br />
mit einem Einstieg ins Eisklettern liebäugeln: Auf den Seiten 28<br />
und 34 finden Sie Ratschläge aus erster Hand – erfahren, erprobt<br />
und getestet aus den eigenen Reihen. Es ist uns als Bergsport-<br />
Spezialist mit hohem Anspruch auf fachkundige und persönliche<br />
Beratung ein grosses Anliegen, Sie auf Ihrem ganz eigenen Weg<br />
zu begleiten. Wenn der Reiz des Neuen lockt oder langersehnte<br />
Träume nach Erfüllung rufen, sind wir für Sie da – und setzen auch<br />
künftig alles daran, Sie bei der Auswahl der richtigen Ausrüstung<br />
kompetent zu unterstützen. Damit Sie beim nächsten Jahreswechsel<br />
wieder auf viele schöne Erinnerungen zurückblicken können.<br />
HERZLICHST,<br />
Arc’teryx Equipment | Vancouver, Canada | arcteryx.com<br />
INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
THOMAS MORAND, CEO BÄCHLI BERGSPORT AG<br />
thomas.morand@baechli-bergsport.ch<br />
1
WEGWEISER<br />
NATURPARK BEVERIN:<br />
SONNE & SKITOUREN SATT<br />
EXPERT<br />
EISKLETTERN: TECHNIK,<br />
TAKTIK, AUSRÜSTUNG<br />
No 01 | <strong>2020</strong><br />
Move to natural.<br />
Natürliche<br />
Komfortzone.<br />
WEGWEISER<br />
NANGA PARBAT<br />
20<br />
INHALT<br />
AUSGABE<br />
01 / <strong>2020</strong><br />
GIPFELTREFFEN<br />
44<br />
Doppelschlag im Karakorum: Dem französischen Steilwand-Duo<br />
Boris Langenstein und Tiphaine Duperier<br />
gelang im Sommer die Erstbefahrung des Spantik und<br />
anschliessend eine nahezu komplette Abfahrt vom<br />
Nanga Parbat. Hier lesen Sie ihr Expeditionstagebuch.<br />
AUSSICHT<br />
Die schönsten Seiten der Berge 4<br />
3 X 3<br />
Produktneuheiten und Bergsport-News 8<br />
WEGWEISER<br />
Piz Beverin: Über die Leiter in den Powder 12<br />
Abgefahren: Mit Ski am Nanga Parbat 20<br />
Kiental: Einmaleins für Eiskletterer 34<br />
EXPERT<br />
Eiskletter-Ausrüstung 28<br />
LVS-Geräte 40<br />
Vielseitige Funktionslayer für<br />
deine Abenteuer auf und<br />
abseits der Skipiste. Geschaffen<br />
für Strapazierfähigkeit und<br />
Bewegungsfreiheit aus weichen<br />
und atmungsaktiven Naturfasern.<br />
KONTROVERS<br />
Skitouren mit ÖV 32<br />
GIPFELTREFFEN<br />
Im Gespräch: Yannick Glatthard 44<br />
HAUSBERG<br />
Rita Jaggi und der Niesen 50<br />
HOCHGENUSS<br />
Bergbücher: Alte Klassiker, frischer Stoff 52<br />
PARTNERCHECK<br />
Schöffel 58<br />
AUSSTIEG<br />
Was ist dran an Kraftorten? 64<br />
YANNICK GLATTHARD<br />
Stark im Eis, stark im Fels, und stark in der Meinung:<br />
Der junge Bergführeranwärter aus Meiringen schafft<br />
es nicht nur mit seinen Podestplätzen in die Medien,<br />
sondern auch, wenn er neu gebohrte Routen ausnagelt.<br />
Uns stand Yannick Glatthard Rede und Antwort.<br />
DAS BERGSPORTMAGAZIN<br />
INSPIRATION<br />
Titelseite: Bei der Bewertung von Eiskletterrouten<br />
wird in WI (Water Ice, saisonal gefrorenes Eis)<br />
und AI (Alpine Ice, ganzjährig bestehendes Eis)<br />
getrennt. Während WI-Routen an gefrorenen<br />
Wasserfällen nur selten überhängendes Eis<br />
bieten, ist die Steilheit an Séracs und in Eishöhlen<br />
quasi beliebig – wie Rafal Andronowski in der Eishöhle<br />
des Athabasca-Gletschers (Rocky Mountains)<br />
am eigenen Leib erfahren darf.<br />
Impressum 64<br />
Foto: John Price<br />
INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
3
AUSSICHT<br />
GEDULDS<br />
SPIEL<br />
Welche Begriffe fallen Ihnen beim<br />
Betrachten dieses Bildes ein?<br />
Tiefschnee, Tempo, weisser Rausch<br />
– solche Assoziationen hätten bei<br />
einer repräsentativen Umfrage wohl<br />
die Spitzenplätze belegt. Spannend<br />
ist aber auch, was in einem Bild<br />
alles NICHT zu sehen ist. Dass der<br />
Zürcher Fotograf Stefan Schlumpf<br />
in Neuseeland wochenlang auf Schnee<br />
wartete und schliesslich den Mount<br />
Cook National Park als letzten Joker<br />
aus dem Ärmel zog, mit seiner Crew<br />
aber noch ein paar Tage in einer<br />
Hütte ohne Strom ausharren musste,<br />
bis das ersehnte Weiss vom Himmel<br />
rieselte – das kann man diesem Bild<br />
nicht ansehen, macht es aber unter<br />
dem Strich noch besser. Und wie<br />
heisst es so schön? Vorfreude ist die<br />
schönste Freude.<br />
MOUNT COOK NATIONAL PARK,<br />
NEUSEELAND<br />
STEFAN SCHLUMPF<br />
STEFANSCHLUMPF.COM<br />
4 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
5
AUSSICHT<br />
HEIZ<br />
KESSEL<br />
Dass der Klettergarten Winteregg<br />
am Sunnbüel oberhalb von Kandersteg<br />
auch im Winter einigen Besuch<br />
bekommt, hat ausnahmsweise nichts<br />
mit der Klimaerwärmung zu tun.<br />
Vielmehr ist es so, dass die südseitigen<br />
und stark überhängenden<br />
Wände durch die flachstehende<br />
Wintersonne ordentlich aufgeheizt<br />
werden. Klettern im T-Shirt, in fast<br />
2000 Metern Höhe – an Orten wie<br />
diesen geht das gelegentlich auch<br />
im Winter. Das nahe Bergrestaurant<br />
Sunnbüel und die einmalige Aussicht<br />
zum Doldenhorn verschönern<br />
die Lage noch dazu. Vor knapp drei<br />
Jahren wurde das Gebiet vom Verein<br />
Rebolting saniert. Altmeister Pesche<br />
Wüthrich im Projekt «Old France<br />
Chipping Style» (ca. 8c).<br />
WINTEREGG-KLETTERGARTEN,<br />
SUNNBÜEL BEI KANDERSTEG<br />
THOMAS SENF<br />
THOMASSENF.CH<br />
6 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
7
3 X 3<br />
NEUES AUS<br />
DER WELT DES<br />
BERGSPORTS<br />
KUNDE FRAGT<br />
DYNEEMA<br />
«In modernen Seilen, Bandschlingen oder auch leichten Rucksäcken ist<br />
immer häufiger das Material Dyneema verarbeitet. Was sind die Vor- und<br />
Nachteile dieses Materials?»<br />
Peter Keller, Bern<br />
NEU BEI UNS:<br />
HYPERLITE<br />
Ab sofort sind bei Bächli Bergsport Produkte der Marke Hyperlite Mountain<br />
Gear erhältlich – exklusiv in der Schweiz. Vor allem Langstrecken- Trekker und<br />
anspruchsvolle Alpinisten dürften sich freuen: Die Firma aus den USA hat sich<br />
auf extrem leichte Rucksäcke und und Zelte aus Dyneema spezialisiert – ein<br />
Material, das sehr geringes Eigengewicht mit hoher Reissfestigkeit vereint.<br />
Entworfen und auch produziert (!) werden alle Hyperlite-Produkte in Maine, an<br />
der Ostküste der USA.<br />
baechli-bergsport.ch/hyperlite<br />
BRÜCKEN<br />
SCHLAG<br />
Die gestrickten Arm- und Hüftabschlüsse aus<br />
Wollmischgewebe der Roldal Insulated von<br />
Norrona erinnern auf den ersten Blick an eine<br />
modische Winterjacke für die Stadt. Aber weit<br />
gefehlt, denn diese Jacke vereint Form und<br />
Funktion gleichermassen. Die Vorderseite<br />
besteht aus dem winddichten, sehr leichten<br />
und zu weiten Teilen aus recyceltem Polyester<br />
gefertigten Pertex Quantum. Gefüllt ist die<br />
Jacke mit der Kunstfaserisolation PrimaLoft<br />
Silver Eco (60 g/m2), die auch dann isoliert, wenn<br />
sie einmal feucht werden sollte. Vorgeformte<br />
Ärmel, ein verlängerter Rücken, Brust- und<br />
Handwärmertaschen, eine einstellbare Kapuze<br />
sowie Daumenschlaufen an den Ärmeln runden<br />
die Ausstattung ab. Der vielseitige Midlayer<br />
für Stadt und Land ist PFC-frei imprägniert und<br />
zudem bluesign-zertifiziert.<br />
ROLDAL INSULATED HOOD JACKET W<br />
NORRONA<br />
Gewicht 300 g<br />
Preis CHF 195.–<br />
BÄCHLI BERGSPORT ANTWORTET<br />
Dyneema ist der Markenname für eine Kunstfaser aus Polyethylen, hergestellt<br />
von der niederländischen Firma DSM. Verarbeitet wird sie meist als Fasergeflecht<br />
zwischen zwei hauchdünnen Schutzschichten aus Polyester. Für seine<br />
geringe Masse verfügt Dyneema über eine äusserst hohe Zugkraft: Diese ist<br />
bis zu fünf Mal höher als bei den im Bergsport üblichen Fasern aus Polyamid<br />
(Nylon) oder Polyester! Bandschlingen oder Expressschlingen aus Dyneema<br />
benötigen somit bei gleichen Festigkeitswerten weit weniger Material. Die Faser<br />
ist ausserdem robust und hydrophob, das wasserdichte Gewebe aus Dyneema<br />
bietet sich daher für Alpinrucksäcke oder Tarps an, zumal Dyneema auch stark<br />
UV-beständig ist. Aufgrund seiner dehnungsarmen Eigenschaften wird Dyneema<br />
auch für hyperstatischen Reepschnüre verwendet. Hier ist allerdings Vorsicht<br />
geboten: Diese sind ausschliesslich für den Gebrauch als leichte Notseile auf<br />
Skitouren, Gletscherseile oder zum Abseilen ausgelegt, ein Sturz beim Sportklettern<br />
in eine hyperstatische Reepschnur kann fatal sein! Ein Nachteil von<br />
Dyneema ist seine Hitzeempfindlichkeit, es schmilzt bereits bei Temperaturen<br />
um die 150°C. Als Vergleich: Der Schmelzpunkt von Polyamid liegt über 220 °C,<br />
gerade wenn es zu Reibung kommt, können punktuell hohe Temperaturen entstehen.<br />
Die Dyneema-Faser ist so glatt, dass sich Knoten leicht lösen können.<br />
Diese Struktur ist übrigens auch der Grund, warum Dyneema-Gewebe oft weiss<br />
ist, denn Farbpigmente haften bisher kaum an der glatten Faser.<br />
WABEN<br />
WUNDER<br />
Alena Johanna Stauffacher, Product Content Managerin<br />
Ihre Fragen an: marketing@baechli-bergsport.ch<br />
Kernstück der neuen Ascent-Schneeschuhserie aus dem Hause Mountain<br />
Safety Equipment (MSR) ist die Paragon-Bindung. Sie besteht aus einem<br />
robusten und kälteresistenten Kunststoffnetz, dessen wabenförmige<br />
Netzstruktur sich perfekt an alle Schuhformen anpasst und keinerlei<br />
Druckstellen erzeugt. Zudem können sich keine Schneereste ansammeln.<br />
In Kombination mit dem Kunststoffdeck ist der Metallrahmen sehr torsionssteif.<br />
Für Halt in vereistem Gelände sorgen zwei aus Martensitstahl gefertigte<br />
Steigeisen. Die Steighilfe des Revo Ascent 25 lässt sich einfach mit<br />
dem Stock verstellen.<br />
WARM<br />
UND GRIFFIG<br />
Ein Handschuh, der die Finger gut warmhält und<br />
gleichzeitig dünn genug ist, um noch ausreichend<br />
Taktilität für Seilmanöver zu bieten – das erfordert<br />
hohe Schneiderkunst. Mammut füllt seinen Nordwand<br />
Pro Handschuh mit der besonders gut<br />
isolierenden Kunstfaser PrimaLoft Gold, von der<br />
dafür schon eine relativ dünne Lage reicht. Besten<br />
Grip liefern die Handinnenflächen aus Pittards<br />
Ziegenleder, vor eindringendem Wasser schützt<br />
eine Gore-Tex-Membran. Zum leichten An- und<br />
Ausziehen der Handschuhe (oder zur Befestigung<br />
am Karabiner) gibt es Schlaufen an Saum und<br />
Mittelfinger.<br />
NORDWAND PRO GLOVE<br />
MAMMUT<br />
Gewicht 148 g<br />
Preis CHF 179.–<br />
REVO ASCENT 25<br />
MSR<br />
Gewicht 2139 g / Paar<br />
Preis CHF 289.–<br />
8 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
9
3 X 3<br />
LEICHT UND<br />
INNOVATIV<br />
Die RT10 von ATK ist eine voll<br />
tourentaugliche Pin-Bindung mit<br />
Stopper am Hinterbacken, die trotzdem<br />
nur 260 Gramm pro Einheit auf die<br />
Waage bringt. Die zweistufigen Steighilfen sind<br />
magnetisch, was das Handling beim Umstellen<br />
erleichtert. Und die RT10 ist noch reich an weiteren<br />
Innovationen: Im Auslösefall werden die Pins<br />
durch den Widerstand eines speziell geformten<br />
U-Profils («Cam Release») bewegt, was einerseits<br />
den Einstieg in den Fersenbacken weicher<br />
macht und andererseits die Auslösepräzision<br />
verbessert. Die Monolink-Technologie spart zwei<br />
von vier Federn am Vorderbacken ein und erhöht<br />
die Steifigkeit. Und exklusiv bei ATKs RT-Bindungen<br />
lässt sich über den «Uphill Hardness<br />
Variator» die Verriegelung für den Aufstieg so<br />
anpassen, dass sie auch mit abgenutzten Pin-Inserts<br />
am Schuh funktioniert. Die Auslösewerte<br />
reichen von Z 5 bis 10, in der Länge ist die RT10<br />
um 20 mm verstellbar. Geeignet für Skibreiten<br />
von 75 bis 120 mm unter der Bindung.<br />
RT10<br />
ATK<br />
Gewicht ca. 560 g / Paar<br />
Preis CHF 588.–<br />
DOPPEL-<br />
WHOPPER<br />
Eine Reise ist immer nur so gut (oder schlecht) wie ihr Rucksack.<br />
Mit dem Tetrad 75 ist man für wirklich alle Eventualitäten gerüstet.<br />
Da sind zum einen Details wie das Active-Shield-Wäschefach, das<br />
nasse Wäsche vom restlichen Gepäck trennt, der stufenlos verstellbare,<br />
anatomische Rücken oder die integrierte 3-in-1-Hülle,<br />
die nicht nur als Regenschutz dient, sondern auch als Reisehülle<br />
bei Flugreisen und als Diebstahlschutz. Vor allem aber besitzt der<br />
Tetrad 75 einen abnehmbarem, voll ausgestatteten Daypack mit 20<br />
Liter Volumen, Laptopfach, seitlichen Netztaschen und gepolsterten<br />
Trägern. So kann unnötiges Gepäck im Basislager (oder in der<br />
Aufbewahrung) bleiben, während man mit leichtem Gepäck zum<br />
Gipfel (oder zum City-Sightseeing) stürmt.<br />
TETRAD 75<br />
GREGORY<br />
Gewicht 2 kg<br />
Preis CHF 249.–<br />
HARTE SCHALE<br />
WEICHER KERN<br />
Die norwegische Firma Devold kann bereits auf mehr als 150 Jahre Erfahrung im<br />
Umgang mit Wolle zurückblicken. Dass man dabei stets mit neuesten Produktionsmethoden<br />
Schritt gehalten hat, beweist ihr Expedition Longsleeve. Es besteht, für<br />
den Träger kaum zu sehen, aus zwei Schichten. Auf der Haut liegt 100 Prozent<br />
weiche, temperaturregulierende und geruchsneutrale Merinowolle. Die äussere<br />
Schicht besteht zu 90 Prozent aus derselben Wolle, allerdings ist etwas Polyamid<br />
beigemischt, was die Lebensdauer und Formtreue des guten Stücks enorm erhöht.<br />
Zudem sind die Wollfasern mit Aquaduct behandelt, was den Feuchtigkeitsabtransport<br />
verbessert. Flachnähte verhindern Druckstellen<br />
und Scheuern unter dem Rucksack, die<br />
Rückenpartie ist verlängert.<br />
WINTERBERGFESTIVAL<br />
<strong>2020</strong><br />
7. bis 9. Februar <strong>2020</strong><br />
Das Winterbergfestival geht in die zweite Runde! Verbringen Sie ein Wochenende auf der Mettmenalp und feiern<br />
Sie mit uns den Winter! Von der Skitour über eine Schneeschuhtour bis hin zur Tourenvorbereitung und Gebirgsfotografie<br />
bieten wir für jeden Geschmack passende Aktivitäten an. Nebst spannenden Vorträgen von Profis<br />
können Sie auch im Biwak übernachten.<br />
Alle Details, Programme und Anmeldung:<br />
baechli-bergsport.ch/winterbergfestival<br />
EXPEDITION LS<br />
DEVOLD<br />
Gewicht 235 g / m 2<br />
Preis CHF 95.–<br />
10<br />
SCHNEE<br />
ARCHITEKT<br />
Beim zweitägigen Iglu Festival auf der Ebenalp im Alpstein am 22. und 23. Februar<br />
<strong>2020</strong> stehen der Spass und das Abenteuer im Vordergrund. Mit der Erfahrung von<br />
Erlebniszeit und der Ausrüstung von Bächli Bergsport wird die Kunst des Iglubauens<br />
mit Schaufel, Schneesägen und den Händen an die Teilnehmer von Jung bis Alt und<br />
die ganze Familie weitergegeben. Ein Outdoor-Abenteuer, das die Naturverbundenheit<br />
ebenso wie die Kameradschaft stärkt.<br />
Weitere Informationen sowie Anmeldung: erlebniszeit.ch<br />
EIN KLASSIKER KENNT KEINEN WINTERSCHLAF.<br />
DANK OPTIMALER DETAILS.<br />
RENEGADE EVO ICE GTX ® | Cold Weather Boots www.lowa.ch
RUBRIK UNTERRUBRIK<br />
WEGWEISER PIZ BEVERIN<br />
LEITERSPIEL<br />
ZUM GIPFEL<br />
Zwei Meter fehlen dem Piz Beverin zum Dreitausender –<br />
als Skitourenziel ist der markante Berg trotzdem grossartig.<br />
Der Schamserberg bietet weitere lohnende Ziele und eine<br />
aussergewöhnliche Berglodge als Basis.<br />
TEXT & FOTOS JÜRG BUSCHOR<br />
Gewöhnungsbedürftig<br />
– Bächli Bergsport<br />
Mitarbeiter Michael Roth<br />
steigt kurz vor dem<br />
Gipfel die rund sieben<br />
Meter 12hohe Leiter ab.<br />
INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
Manchmal braucht’s halt einfach Glück», stellt<br />
Michael Roth zufrieden fest, prostet seinem<br />
Touren- und Arbeitskameraden Jan Maurer mit<br />
einer kleinen Flasche Viamala-Bier zu und greift zum<br />
Sandwich, das er zuvor aus den Untiefen seines Skitourenrucksacks<br />
hervorgekramt hat. Zeit wäre auf dem<br />
Gipfel des Piz Beverin eigentlich genug gewesen für den<br />
Verzehr, doch an eine gemütliche Mittagspause war bei<br />
dem starken Wind nicht zu denken – wie so oft auf dem<br />
windexponierten Paradegipfel zwischen Schamser- und<br />
Safiental. Ganz anders auf der Terrasse der Pensiun<br />
Laresch: Hier heizt die Sonne an diesem Märztag schon<br />
so stark ein, dass sich die zwei bereits nach kurzer Zeit<br />
einer Bekleidungsschicht entledigen. «Das Zwiebelprinzip<br />
funktioniert auch im Après-Ski», stellt Jan mit einem<br />
Grinsen fest.<br />
Noch vor zwei Tagen hatte wenig darauf hingedeutet,<br />
dass dieser Skitourenausflug ins Mittelbünden mit der<br />
Fussnote «Highlight des Winters!» in das Touren-Logbuch<br />
eingetragen würde. Die ganze Woche über war die<br />
Wetterlage so unberechenbar, dass sich die Meteorologen<br />
schwer taten mit einer verlässlichen Prognose.<br />
Während Michi und Jan Tag für Tag gebannt den Schneelagebericht<br />
und die Wetterprognosen verfolgten, wechselten<br />
sich Hoffnung und Zweifel in munterer Folge ab.<br />
Es musste doch einfach klappen, hatten sie doch kein<br />
Verschiebedatum finden können, weil es um diese Jahreszeit<br />
in der Marketingabteilung von Bächli Bergsport<br />
immer besonders hoch zu- und hergeht. Sie wollen es<br />
unbedingt versuchen.<br />
«Herzlich willkommen in der Pensiun Laresch». Als<br />
Gastgeber Lukas Hug seine Gäste begrüsst, ist die Nacht<br />
bereits über Mathon hereingebrochen. Kurz nachdem die<br />
Rucksäcke auf die Zimmer gebracht sind, bittet Lukas<br />
zu Tisch. In der offenen Küche hat er einen saisonalen<br />
und reich dekorierten Salat angerichtet, auf den er seine<br />
leckeren hausgemachten Capuns folgen lässt. Spätestens<br />
jetzt scheint der Arbeitsalltag viel weiter weg, als<br />
die zwei Autostunden es vermuten lassen, die die Anfahrt<br />
von Nänikon gedauert hat.<br />
Klick, klick. Die Hebel der Pin-Bindungen rasten am<br />
nächsten Morgen in der Aufstiegsposition ein. Für die<br />
LVS-Kontrolle zieht Michi trotz der frostigen Temperaturen<br />
die Handschuhe aus. Der Himmel ist klar, weshalb<br />
die Temperaturen über Nacht auf minus 7 Grad gefallen<br />
sind. Der Schnee, der in den vergangenen Tagen gefallen<br />
ist, hat die gewünschte Konsistenz: trocken, leicht,<br />
pulvrig. «Das wird ein Wahnsinnstag», orakelt Jan, legt<br />
den Hebel seiner Skitourenschuhe in den Walkmodus um<br />
und stapft direkt hinter der Berglodge Laresch los. Im<br />
Ortsteil Plàn da Crusch legt er eine Aufstiegsspur in den<br />
steilen Hang zwischen den letzten Wohnhäusern, bevor<br />
es über die schneebedeckten Alpweiden und lockeren<br />
Baumbestand immer höher geht. Um 06:40 Uhr ist es so<br />
weit. Auf der gegenüberliegenden Talseite schiebt sich<br />
13
WEGWEISER<br />
PIZ BEVERIN<br />
Konkurrenz mit dem König der Alpen – dem<br />
Steinbock. Die lokale Kolonie erreichte 1998 ihre<br />
maximale Grösse von 550 Tieren. Doch schon<br />
fünf Jahre später wurde sie wieder dezimiert,<br />
nachdem die Gämsblindheit – eine hoch ansteckende<br />
Augen-Krankheit, die zur Erblindung<br />
führt – viele Tiere in den Tod riss. Auch der harte<br />
Winter 2008/2009 forderte seinen Tribut.<br />
Manchmal braucht’s<br />
halt einfach Glück:<br />
Neuschnee, strahlende<br />
Sonne und ein<br />
menschenleerer Berg.<br />
die Sonne über den Piz Curvér und schickt die ersten<br />
wärmenden Sonnenstrahlen herüber. Jan und Michi halten<br />
inne und schauen zurück. «Das ist immer wieder ein<br />
grossartiger Moment, der auch nach 27 Jahren, in denen<br />
ich nun schon auf Skitouren gehe, nichts von seiner Magie<br />
verloren hat», spricht Michi leise vor sich hin.<br />
RÜCKKEHR EINES JÄGERS<br />
Die Waldgrenze ist hier auf 1900 Höhenmetern und die<br />
konturreiche wellige Winterlandschaft wird optisch<br />
nur noch unterbrochen durch die sonnenverbrannten<br />
Ställe und Alphütten der Weiler Bot l’Ava, Tschavagliuns,<br />
Dros und Mursenas. Auch wenn hier im Sommer<br />
einige Alpstrassen und Wanderwege den Schamserberg<br />
durchmessen, gerade jetzt liegt alles unter einer dicken<br />
Schneedecke und menschliche Spuren sind kaum auszumachen.<br />
Im Val Mirer halten Jan und Michi plötzlich inne.<br />
An der steilen südexponierten Talflanke ist der Schnee<br />
abgerutscht und hat einige Quadratmeter des alten Grases<br />
freigelegt – eine Herde von rund 20 Gämsen nimmt<br />
diese hochwillkommene Essenseinladung dankend an.<br />
Hier im Naturpark Beverin stehen die Gämsen in direkter<br />
Seit einiger Zeit stellt dem Steinwild im Naturpark<br />
Beverin auch ein natürlicher Feind nach:<br />
der Wolf. Bereits 2018 wurde rund um den Piz<br />
Beverin ein Wolfspaar gesichtet, im vergangenen<br />
Jahr haben die beiden erwachsenen Tiere zum<br />
ersten Mal Nachwuchs bekommen. Das Rudel<br />
hatte Anfang Oktober noch zwei Elterntiere und<br />
insgesamt neun Jungtiere umfasst. Doch der<br />
Kanton Graubünden ordnete in demselben Monat<br />
eine Regulierung des Wolfsrudels an. Vier Jungwölfe<br />
sollten ausgemerzt werden, nachdem ein<br />
Elterntier mindestens 15 Ziegen aus geschützten<br />
Herden gerissen hatte.<br />
LEITER ALS KLEINE MUTPROBE<br />
Jetzt herrscht komplette Ruhe am Berg und<br />
einzig die Spuren eines Schneehasen zeugen<br />
davon, dass am Berg auch im Winter Säugetiere<br />
heimisch sind. Nachdem der breite Bergrücken<br />
um Blasatscha die 30 Grad Hangneigung kaum<br />
je überschritten und ein geradezu ideales Terrain für eine<br />
Spuranlage nach Lehrbuch geboten hat, setzen Jan und<br />
Michi jetzt in immer kürzerer Abfolge zu Spitzkehren an.<br />
Auf 2520 Metern schliesslich ist der Punkt erreicht, an dem<br />
sie mit kraftvollen Stampfbewegungen ein kleines Podest<br />
treten, die Bindungen öffnen, die Ski mit den dafür vorgesehenen<br />
Bändern am Rucksack festzurren und die verbleibenden<br />
70 Höhenmeter zum Beverin Pintg hochkraxeln. So<br />
viel Spass die erste Spur in der Abfahrt bereitet, so anstrengend<br />
ist das Vorspuren. Eine kurze Rast lässt nicht nur den<br />
«Klarer Himmel,<br />
minus 7 Grad, trockener<br />
Neuschnee: Das<br />
wird ein Wahnsinnstag.»<br />
JAN MAURER<br />
Den Fast-Dreitausender<br />
Piz Beverin zum Ziel,<br />
die Dreitausender Piz<br />
Grisch, Surettahorn und<br />
Piz Tambo als Kulisse.<br />
14 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
15
WEGWEISER PIZ BEVERIN<br />
Leiter abschwingt – ausser Atem, aber mit einem<br />
breiten Grinsen im Gesicht. Ganz anders sieht’s in<br />
der Abfahrt Richtung Alp digl Oberst aus. Windgeschützt<br />
durch den Felsriegel liegen hier rund<br />
50 Zentimeter unverfahrener Pulverschnee, die in<br />
den letzten zwei Tagen gefallen sind. Eine kurze<br />
Lagebeurteilung drängt sich auf. «Der Einstieg<br />
ist steiler als 30 Grad, aber der Hang flacht schon<br />
kurz danach ab», hält Jan fest und auch Michi teilt<br />
die Meinung, dass das Risiko bei der aktuellen<br />
Lawinenlage vertretbar ist – vorausgesetzt, dass<br />
einzeln abgefahren wird. «Ich lass dir den Vortritt»,<br />
sagt Michi mit einem Augenzwinkern, «schliesslich<br />
bist du ja mein Vorgesetzter». Jan lässt sich nicht<br />
zweimal bitten und fährt – nein schwebt – die ersten<br />
350 Höhenmeter durch den trockenen Pulverschnee<br />
ab. Hinter sich eine gewaltige Staubfahne.<br />
1450 Höhenmeter sind’s vom Gipfel zurück zur<br />
Pensiun Laresch. In der Abfahrt dürften’s bei solchen<br />
Bedingungen gerne ein paar mehr sein.<br />
Pulver gut! In der Abfahrt<br />
zur Alp digl Oberst treffen<br />
Michael Roth und Jan Maurer<br />
perfekte Bedingungen vor.<br />
«Manchmal braucht’s halt einfach Glück», stellt<br />
Michael Roth auf der Sonnenterrasse zufrieden<br />
fest. Und er denkt dabei wahrscheinlich bereits<br />
an den zweiten Tag und den Piz Tarantschun, den<br />
er auf der vor sich liegenden Skitourenkarte mit<br />
roter Farbe markiert hat.<br />
«Manchmal braucht’s<br />
halt einfach Glück!»<br />
MICHAEL ROTH<br />
Puls abfallen, sondern bietet auch eine gute Gelegenheit,<br />
den Ausblick auf die formschönen und beeindruckenden<br />
Dreitausender der Region in aller Ruhe zu geniessen: Surettahorn,<br />
Piz Timun, Piz Grisch auf der anderen Seite des<br />
Schamsertals, Bruschghorn, Pizzas d’Anarosa und Alperschällihorn<br />
in der südwestlichen Verlängerung des Piz Beverin.<br />
Auf dem markanten Bergrücken, der zu beiden Seiten<br />
durch Felsabbrüche begrenzt ist, geht es in direkter Linie<br />
Richtung Piz Beverin. Nach 650 Metern hält Michi plötzlich<br />
inne – vor ihm geht’s rund sieben Meter senkrecht in die<br />
Tiefe. Zwar ist an dieser Schlüsselstelle mittlerweile eine<br />
Aluminiumleiter fest montiert. Doch mit Tourenskischuhen<br />
und den sperrigen, am Rucksack fixierten Ski bleibt trotz<br />
allem ein mulmiges Gefühl, wenn man in die Tiefe steigt.<br />
Platz an der Sonne – Rast auf der Alp Dumagns<br />
Liebes Gipfelbuch – schön ist's hier oben!<br />
Ab hier sind’s nur noch 220 Höhenmeter bis zum 2998<br />
Meter hohen Gipfel. Der steht so frei, dass die Aussicht und<br />
der Weitblick auch an diesem Tag schlicht atemberaubend<br />
sind. Das hat allerdings auch einen Nachteil. Der Gipfelhang<br />
ist so windexponiert, dass der Schnee meist windgepresst<br />
und abgeblasen ist. So auch heute. «Zum Glück<br />
gibt’s keine Stilnoten», sagt Michi, als er zurück bei der<br />
Weitere Informationen zum Piz Beverin<br />
finden Sie unter:<br />
baechli-bergsport.ch/piz_beverin<br />
Durchstiegene Kletterrouten und Gipfelerfolge treiben uns an - sie<br />
sind die Sahnehäubchen auf unseren Erlebnissen. Wir leben für die<br />
Momente, die unsere Reisen besonders machen; gemeinsam mit<br />
Freunden gelebte Herausforderungen, Abenteuer und High-Fives.<br />
Wir sind hier für diese besonderen Momente, die uns das Leben<br />
spüren lassen, und für die Vorfreude auf alle zukünftigen Trips.<br />
16 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
JOHN PRICE<br />
CHINA<br />
17
WEGWEISER PIZ BEVERIN<br />
Bündner Architektur modern interpretiert –<br />
die Berglodge Laresch in Mathon.<br />
«Am Anfang stand die Idee, in den Bergen zu leben und arbeiten.<br />
Mit dem Nebeneffekt, dass wir unseren beliebtesten<br />
Freizeitbeschäftigungen Wandern, Mountainbiken, Klettern<br />
und Skitouren vor der Haustüre nachgehen könnten», erzählt<br />
Lukas Hug. Inspiriert durch verschiedene Aufenthalte<br />
in kleinen Berghotels und befeuert von der persönlichen<br />
Passion, Gäste zu bewirten, entstand die Idee, selber einen<br />
Hotelbetrieb zu etablieren. Über das Format waren sich<br />
Marianne Peyer und Lukas Hug schnell einig: Nur wenige<br />
Zimmer (geworden sind es sieben), eine familiäre Atmosphäre,<br />
ein Ort im Kanton Graubünden, der touristisch eher<br />
unbekannt ist, und ein hoher Anspruch an Architektur und<br />
Inneneinrichtung. Zwischen der Idee und der Aufnahme des<br />
Betriebs im Sommer 2015 lagen rund fünf Jahre, in denen<br />
die Bibliothekarin und der Sozialpädagoge sich von der ursprünglichen<br />
Wunschdestination Unterengadin (zu aufwendig),<br />
der geplanten Strohballen-Lehm-Konstruktionsweise<br />
(zu kompliziert) und dem ersten Architekten (unterschiedliche<br />
Vorstellungen) verabschiedeten.<br />
Die Bauphase bezeichnet Lukas Hug als schwierig: «Die<br />
Pläne wurden mehrfach geändert. Schlussendlich gelangten<br />
wir an den Architekten Bruno Hermann. So wie<br />
die Pensiun Laresch dann gebaut wurde, entspricht sie<br />
jedoch genau dem, was wir uns ursprünglich vorgestellt<br />
hatten.» Die Bauweise ist nachhaltig und es wurden fast<br />
ausschliesslich regionale und traditionelle Materialien verwendet:<br />
Lehm, Calanca-Gneiss und Holz aus dem Bündnerland.<br />
So traditionell die Materialien sind, so modern ist<br />
die architektonische Interpretation, ohne dass die Anmutung<br />
nüchtern oder gar unterkühlt wirkt. Die Küche ist<br />
regional und saisonal sowie mehrheitlich vegetarisch und<br />
aus biologisch produzierten Grundzutaten. «Grossen Wert<br />
legen wir auch auf unser selbst gebackenes Brot, das wir<br />
unseren Gästen täglich servieren», ergänzt der Gastgeber,<br />
der sich vor allem auch über die Tatsache freut, dass die<br />
meisten Gäste wiederkommen.<br />
BERGLODGE<br />
PENSIUN LARESCH<br />
Die zwei Zentralschweizer Marianne Peyer und Lukas Hug<br />
haben sich mit der Pensiun Laresch den Traum vom Leben<br />
& Arbeiten in den Bergen verwirklicht. In ihrer architektonisch<br />
herausragenden Berglodge beherbergen und bekochen sie<br />
ihre Gäste mit viel Passion.<br />
laresch.ch<br />
Wie daheim – eine persönliche Atmosphäre ist<br />
Marianne Peyer und Lukas Hug besonders wichtig.<br />
FOTOS: ZVG<br />
IMMER<br />
BESSER<br />
Skitourengehen ist angesagt wie<br />
nie zuvor. Kein Wunder, dass die<br />
Ausrüstung in den letzten Jahren<br />
enorme Entwicklungssprünge<br />
hingelegt hat: Fast alles ist noch<br />
leichter, sicherer, viel seitiger<br />
und bequemer geworden. Ein<br />
Rundgang durch die aktuellen<br />
Neuheiten lohnt sich also nicht<br />
nur für Novizen, sondern auch<br />
für alte Hasen.<br />
PFLANZLICHE<br />
DAUNE<br />
Beim Skitourengehen brauchen wir atmungsaktives,<br />
strapazierfähiges Material genauso wie<br />
Schutz vor Wind, Nässe und Kälte. La Sportiva<br />
hat auf alle Wünsche eine Antwort: Die gefütterte<br />
Kobik Hoody Jacke ist dank Tech Stretch<br />
Storm Material an Armen und Seiten wind- und<br />
wasserabweisend, atmungsaktiv sowie mit 4-Wege-Stretch<br />
ausgestattet. Die Isolation in der Front<br />
sowie am Rücken besteht aus Kapok und recyceltem<br />
Polyester. Kapok ist eine Naturfaser aus den<br />
Samen des Kapokbaumes aus dem tropischen<br />
Regenwald. Die leichte Faser hält nicht nur warm,<br />
sondern ist auch ökologisch unbedenklich. Genügend<br />
Stauraum geben zwei Fronttaschen sowie<br />
eine Innentasche. Und wird das Wetter ungemütlicher:<br />
Flache Nähte verhindern Reibung oder<br />
Druckstellen beim Tragen im Lagensystem.<br />
KOBIK HOODY W<br />
LA SPORTIVA<br />
Gewicht 420 g (Grösse M)<br />
Preis CHF 269.–<br />
«Geteilte Freude am Gipfel<br />
mit Abfahrtsgenuss über<br />
Traumhänge und danach die<br />
Entspannung. So ein Tag<br />
wie am Beverin hat alles, was<br />
eine gute Skitour ausmacht.»<br />
KRAFT<br />
TEIL<br />
JAN MAURER<br />
MARKETINGLEITER<br />
BÄCHLI BERGSPORT<br />
Der Scott Superguide Carbon ist ein durchdachter<br />
Tourenskischuh, der Leichtigkeit im<br />
Aufstieg und Stabilität in der Abfahrt vereint.<br />
Das geringe Gewicht wird durch die Verwendung<br />
von Leicht-Kunststoffen wie Grilamid<br />
erreicht. Damit die Abfahrtsperformance<br />
nicht leidet, hat Scott die Grilamid-Schale<br />
durch Carboneinlagen verstärkt. Das ermöglicht<br />
eine bessere Kraftübertragung in<br />
der Abfahrt – ohne gross an Gewicht zuzulegen.<br />
Drei mikro-verstellbare Schnallen<br />
sorgen für einen sicheren Sitz, während der<br />
Flex-Wert von 125 Steifigkeit gewährleistet.<br />
Der Walkmechanismus ist mittels Metallbügel<br />
aktivierbar und die Schaftrotation von 60<br />
Grad verspricht Komfort im Aufstieg. Werden<br />
die letzten Meter zum Gipfel alpiner, bietet<br />
die Vibram-Sohle mit Bi-Density-Gummi<br />
Grip. Praktisch: Die Sohle ist für klassische<br />
als auch für Pin-Bindungen geeignet.<br />
SUPERGUIDE CARBON<br />
SCOTT<br />
Gewicht 2830 g / Paar (Grösse 26.5)<br />
Preis CHF 729.–<br />
BÄCHLI<br />
ON TOUR<br />
Sie möchten erst noch fit werden für den Piz<br />
Beverin, oder nach dieser Tour anspruchsvollere<br />
Ziele angehen? Gemeinsam mit vier<br />
sehr engagierten Begführern bietet Bächli<br />
Bergsport das «Bächli on Tour»-Programm<br />
an, das auch für diesen Winter wieder eine<br />
grosse Bandbreite an Skitouren bereithält.<br />
Zum Tourenangebot:<br />
baechli-bergsport.ch/<br />
de/baechliontour<br />
LEICHT<br />
GETRAGEN<br />
Merino sei Dank, sind die Füsse auch auf<br />
Skitour gut umsorgt: Die PhD Ski Touring<br />
Light Elite Skitourensocken sind aus feiner<br />
Merinowolle, Nylon und Elasthan. Das Mischgewebe<br />
sorgt für ein gutes Temperatur- und<br />
Feuchtigkeitsmanagement im Skischuh. Unangenehme<br />
Gerüche werden durch den hohen<br />
Merinowoll-Anteil vermieden. An besonders<br />
empfindlichen Stellen wie Schienbein und<br />
Ferse wurde das Material verstärkt, um den<br />
Tragekomfort zu erhöhen. Ventilationszonen<br />
mit Mesh verbessern die Atmungsaktivität,<br />
wenn der Aufstieg schweisstreibend wird. Die<br />
richtige Form behalten die Socken durch die<br />
gekreuzten Kanäle am Fussrücken sowie der<br />
Flexzone am Sprunggelenk (4 Degree Elite Fit<br />
System), die Faltenbildung und Verrutschen<br />
verhindern.<br />
PHD SKI TOURING LIGHT ELITE<br />
SMART WOOL<br />
Preis CHF 33.–<br />
18<br />
19
WEGWEISER NANGA PARBAT<br />
ZWEI<br />
HOCH ZWEI<br />
TEXT & FOTOS BORIS LANGENSTEIN<br />
20<br />
Am zweiten Tag unserer Akklimatisierung<br />
steigen wir bis auf<br />
5750 Meter. Tiphaine geniesst<br />
den Schnee und die Atmosphäre<br />
unter den Eisbrüchen.<br />
INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
In der kleinen Szene der Himalaya-<br />
Skialpinisten sind Boris Langenstein<br />
und Tiphaine Duperier das Team<br />
undercover. Ohne grossen Medienzirkus<br />
schnappten sich die beiden<br />
Franzosen 2018 die heiss umworbene<br />
Erstbefahrung des formschönen<br />
Laila Peak. 2019 legten sie mit einer<br />
Pionierabfahrt am Siebentausen der<br />
Spantik nach, die jedoch nur als Vorbereitung<br />
für ein noch grösseres<br />
Projekt diente: eine möglichst vollständige<br />
Skibefahrung des 8125 Meter<br />
hohen Nanga Parbat. Boris Langenstein<br />
gewährte uns Einblick in sein<br />
Expeditionstagebuch.<br />
8. BIS 9. JUNI 2019<br />
Wir sind auf dem Weg ins Basislager des Nanga Parbat.<br />
Nach der erfolgreichen Befahrung des Spantik wechseln<br />
wir das Tal, auch die Landschaft und die Menschen ändern<br />
sich. Diese Region ist viel konservativer. In Shilaz, dem<br />
Ausgangspunkt für den Nanga-Trek, tragen die Männer<br />
lange Bärte, und Frauen, die in Skardu schon kaum zu<br />
sehen sind, sind hier völlig unsichtbar. In zwei Tagen erreichen<br />
wir, begleitet von unserem Polizisten, das Lager.<br />
Der Ort ist magisch: etwas Gras und die 4000 Meter hohe<br />
Wand des Nanga Parbat im Hintergrund. Zwei Teams sind<br />
bereits da: zwei georgische Kletterer und ein russischitalienisches<br />
Team, darunter auch Cala Cimenti, die wir letztes<br />
Jahr am Laila Peak getroffen haben. Auch sie wollen wie<br />
wir eine Skiabfahrt versuchen. Die Bedingungen in der<br />
Diamirflanke sehen gut aus, und unsere kleinen Gehirne<br />
träumen bereits ganz aufgekratzt von einer direkten Abfahrtslinie<br />
im Zentrum der Wand.<br />
10. JUNI 2019<br />
An unserem ersten Tag steigen wir ins Lager 2, um die berühmte<br />
Kinshofer-Wand kennenzulernen – eine 150 Meter<br />
hohe, senkrechte Wand und die technisch anspruchsvollste<br />
Passage auf dem Weg zum Gipfel. Wir klettern die ersten<br />
50 Meter und befestigen unser Seil. Von dort aus können<br />
wir den Rest des Weges und vor allem die Reste der vielen<br />
Fixseile sehen. Ein kurzer Materialcheck ergibt, dass einige<br />
noch in gutem Zustand sind. Nur hier an der Kinshofer-<br />
Wand verwenden wir Fixseile. Guter Dinge kehren wir um<br />
und schwingen den riesigen, perfekt geneigten Hang hinab<br />
zum Lager 1. Um 15 Uhr sind wir wieder im Basislager.<br />
11. BIS 15. JUNI 2019<br />
Meine Zweifel vom Vortag sind bestätigt, Pakistan hat meinen<br />
Magen fest im Griff. Tiorfan, Imodium, georgische Medizin …<br />
nichts hilft. Ich spüre Tiphaines sorgenvolle Blicke auf meine<br />
körperliche Verfassung. Erst nach fünf Tagen und etwas Antibiotikum<br />
wird es besser. In der Zwischenzeit hat ein Schneesturm<br />
dem Basislager mehr als 80 cm Neuschnee beschert.<br />
Der Nanga Parbat selbst wurde dagegen vom Wind durchgefegt<br />
– nun glänzt das blanke Eis in der Sonne. Unser Traum<br />
von einer direkten Skibefahrung scheint zu schwinden.<br />
15. BIS 20. JUNI 2019<br />
Wir erkunden die Diamirflanke. Unsere Form ist mässig,<br />
aber wir sind optimistisch, dass in ein paar Tagen alles wieder<br />
normal sein wird. Zum Abschluss der Höhenanpassung<br />
wollen wir noch einmal bis auf 7000 Meter steigen. Um das<br />
ewige Auf und Ab an der Kinshofer-Wand zu vermeiden und<br />
eine mögliche Abfahrtsroute auszukundschaften, gehen<br />
wir in die wilde Diamirflanke. Das Wetter ist wechselhaft,<br />
aber nie wirklich schlecht, und die Schneeverhältnisse sind<br />
gut, also können wir uns in die Höhle des Löwen vorwagen.<br />
Nach vier Tagen erreichen wir, über eine vermutlich bisher<br />
unbegangene Route, das Ende der Diamirflanke auf knapp<br />
7500 Metern. Hier stossen wir auf den Normalweg der<br />
Kinshofer-Route, über die man ebenfalls abfahren könnte.<br />
Nach einer letzten Nacht auf 6600 Metern kehren wir ins<br />
Basislager zurück. Mit dieser Reise ins Herz der Diamirflanke<br />
ist die Expedition für uns bereits ein Erfolg!<br />
«Nur um mal zu sehen,<br />
aber ohne wirklich an<br />
den Gipfel zu glauben,<br />
steige ich weiter auf.»<br />
21
WEGWEISER<br />
NANGA PARBAT<br />
Oben: Unsere Träger<br />
auf dem Weg zum<br />
Spantik-Basislager, zu<br />
Beginn der Saison<br />
liegt noch viel Schnee.<br />
heute: Tiphaine merkt, dass sie die Berg-Apotheke vergessen<br />
hat, aber unsere spanischen und brasilianischen<br />
Freunde helfen uns mit ein paar Pillen aus. Nur Vincent,<br />
unser Wetterfrosch zu Hause in Frankreich, ist nicht mehr<br />
so optimistisch. Statt am 29. Juni soll das beste Wetterfenster<br />
nun am 4. Juli herrschen. Die Vorhersage für die<br />
nächsten Tage ist eher wie die von letzter Woche: sehr<br />
schön am Morgen, etwas bedeckt und etwas Schneefall am<br />
Nachmittag, aber nie wirklich schlecht. Wir müssen eine<br />
Entscheidung treffen. Alle anderen werden ins Basislager<br />
zurückkehren. Aber von dort mit 15 anderen Bergsteigern<br />
im Gänsemarsch aufzusteigen, wäre nicht mehr das gleiche<br />
Abenteuer. Ohne gross zu diskutieren, entscheiden wir<br />
uns, im Lager 2 zu bleiben und den Aufstieg fortzusetzen.<br />
Nebel und Schnee erreichen wir Lager 3, aber die Sonne<br />
kehrt schnell zurück. Als ich das Zelt aufbaue, lasse ich<br />
eine Zeltstange fallen. Sie fliegt in hohem Bogen die Wand<br />
hinab. Jetzt haben wir nur noch ein halbes Zelt … Glücklicherweise<br />
entdeckt Tiphaine das Gestänge am Rande<br />
eines Séracs. Puh, die Expedition ist gerettet! Der Weg von<br />
Lager 3 nach Lager 4 ist sehr anstrengend. Um Triebschneeansammlungen<br />
aus dem Weg zu gehen, müssen wir<br />
erst etwas abfahren und dann steil wieder aufsteigen. Wir<br />
queren das Grosse Plateau hinüber zum Lager 4, das im<br />
Windschatten eines kleinen Séracs liegt. Wir sind auf 7250<br />
Metern, es ist 19 Uhr. Der Zeltaufbau und das Schneeschmelzen<br />
nehmen drei Stunden in Anspruch. Erst um 22<br />
Uhr können wir eine wohlverdiente Pause einlegen.<br />
Unten: Nachdem ich<br />
den Gipfel erreicht habe,<br />
treffe ich Tiphaine auf<br />
7800 m wieder in ihrer<br />
Schneehöhle. Erleichtert<br />
können wir bei<br />
Sonnenuntergang zum<br />
Lager 4 abfahren.<br />
27. UND 28. JUNI 2019<br />
Wir verlassen das Lager gegen 6 Uhr morgens und steigen<br />
den ersten Teil des Grates hinauf, der am Vortag<br />
von den pakistanischen Trägern gespurt wurde. Nach 200<br />
Metern erreichen wir einen grossen, unberührten Hang.<br />
Der Tiefschnee weicht im Laufe der Zeit hartem Eis. Bei<br />
29. JUNI 2019<br />
Tagwacht um 3:30 Uhr. So überraschend es auf 7250 Metern<br />
auch sein mag: Wir haben geschlafen wie die Murmeltiere.<br />
Um 5 Uhr gehen wir los. Mit weniger als 100 Höhenmetern<br />
pro Stunde scheint der Gipfel nicht näher zu kommen.<br />
Unsere Moral wackelt. Gegen 13 Uhr ziehen einige Wolken<br />
BORIS LANGENSTEIN<br />
TIPHAINE DUPERIER<br />
21. BIS 25. JUNI 2019<br />
Unsere Akklimatisierung ist abgeschlossen. Jetzt heisst<br />
es ausruhen und warten auf ein günstiges Wetterfenster.<br />
Zwei neue Expeditionen erreichen das Basislager, unter<br />
anderem das Team um den Nepalesen Nirmal Purja, der<br />
alle 14 Achttausender in sieben Monaten besteigen will.<br />
Wir tauschen uns ein wenig mit den anderen Gruppen aus.<br />
Für uns ist klar, dass wir zum ersten günstigen Zeitpunkt<br />
unser Glück versuchen werden. Wenn wir den Berg dann<br />
für uns alleine haben, umso besser! Am 23. Juni kommen<br />
unseretwegen noch zwei Hubschrauber angeknattert. TF1,<br />
ein französischer Fernsehsender, ist gekommen, um über<br />
uns zu berichten. Leider bleibt keine Zeit, um von unserem<br />
wachsenden Bekanntheitsgrad zu profitieren. Unsere<br />
Wetterbeobachter wachen über uns. Für den 29. Juni ist ein<br />
gutes Wetterfenster angesagt: Diesen Gipfeltag sollten<br />
wir nicht verpassen.<br />
EXPED – EXPEDITION EQUIPMENT<br />
SERAC 35<br />
Der Bergführer Boris Langenstein aus Tignes und die<br />
Pisten-Patrouilleurin Tiphaine Duperier, derzeit ebenfalls<br />
Bergführer-Aspirantin, kennen sich bereits seit Schulzeiten.<br />
Ihre Leidenschaft sind Skibefahrungen an den Bergen<br />
der Welt – immer im möglichst kleinen Team und im<br />
Alpinstil. Zusammen mit Carole Chambaret gelang ihnen<br />
bereits die Erstbefahrung des Laila Peak. Ihr Traum einer<br />
Befahrung der Diamirflanke am Nanga Parbat, wie es<br />
Luis Stitzinger 2008 gelang, erfüllte sich zwar nicht: Boris<br />
Langensteins Startpunkt knapp unter dem Gipfel dürfte<br />
dafür der bisher höchste am Nanga Parbat sein.<br />
26. JUNI 2019<br />
Wir verlassen das Basislager um 4 Uhr morgens. Der Weg<br />
zum Lager 2 muss neu gespurt werden. Über die Kinshofer-<br />
Route mit den schweren Rucksäcken und Ski auf dem<br />
Rücken aufzusteigen, ist ein ordentlicher Kraftakt. Nach elf<br />
anstrengenden Stunden erreichen wir Lager 2, wo sich einige<br />
andere Bergsteiger akklimatisieren. Beim Zeltaufbau<br />
profitieren wir von den Terrassen der Georgier und sparen<br />
uns eine Stunde Schneeschaufeln. Das Karma stimmt<br />
WETTERFESTER ALPIN-WINTERRUCKSACK<br />
Dieser federleichte 35-l-Tourenrucksack mit Rolltop und<br />
seitlichem Reissverschlusszugang bietet trotz seines<br />
minimalistischen Designs funktionale Details und ist für<br />
den Winter bestens ausgestattet: In einer wetterfesten<br />
Fronttasche verstaust du Schaufelblatt, Skifelle & Co.<br />
Eine durchdachte Skihalterung und diverse Befestigungspunkte<br />
für die Alpinausrüstung machen den<br />
Serac 35 zu einem zuverlässigen Begleiter auf<br />
winterlichen Tages- und Weekendtouren.<br />
extrem leicht<br />
wetterfest<br />
minimalistisch<br />
DAS MAXIMALE NATURERLEBNIS MIT MINIMALEN MITTELN | www.exped.com<br />
22 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
23<br />
Photo: Martin Scheel
WEGWEISER NANGA PARBAT<br />
NANGA PARBAT<br />
Blick vom Basislager<br />
des Nanga Parbat auf<br />
die 4000 Meter hohe<br />
Diamirflanke. In rot<br />
die Aufstiegsroute der<br />
Franzosen mit ihren<br />
drei Lagern. Für die<br />
Abfahrt wählten sie den<br />
gleichen Weg, nur die<br />
senkrechte Kinshofer-<br />
Wand umfuhren sie auf<br />
einer Variante (orange).<br />
Die mit Eisbrüchen<br />
übersäte Diamirflanke<br />
in der Bildmitte wurde<br />
2008 vom Allgäuer<br />
Luis Stitzinger mit Ski<br />
befahren, er startete<br />
300 Meter unterhalb<br />
des Gipfels.<br />
Für die Akklimatisierung am<br />
Spantik fanden wir einen 5700<br />
Meter hohen Gipfel mit wunderbaren<br />
Hängen, direkt hinter<br />
unserem Basislager.<br />
auf. Das Spuren verlangt einen zähen Willen. Tiphaine<br />
lässt nicht locker, obwohl sie müde ist. Gegen 18 Uhr sind<br />
wir auf mehr als 8000 Metern. Ich steige noch weiter, bis<br />
der Höhenmesser 8040 Meter zeigt. Der Gipfel ist in Sicht,<br />
aber ausser Reichweite. Tiphaine ist stehen geblieben.<br />
Es ist spät, das Wetter ist mässig, ich gebe auch auf. Als<br />
wir für die Abfahrt fertig sind, wird es bereits dunkel. Wir<br />
benutzen unsere Smartphones als Stirnlampen und fahren<br />
in einem ziemlich abenteuerlichen Stil, mehr seitlich<br />
Erkundung der Diamirflanke. An einigen Stellen ist das<br />
Eis nur mit wenigen Zentimetern Schnee bedeckt.<br />
rutschend als fahrend, zurück ins Lager 4, das wir gegen<br />
21 Uhr erreichen. Wir sind müde, aber nicht verausgabt.<br />
Unser später Aufbruch hat unsere Erfolgsaussichten sabotiert.<br />
Wir müssen es noch einmal versuchen.<br />
30. JUNI 2019<br />
Ruhetag auf 7250 Metern. Wir verbringen den Tag mit<br />
trinken, Geschichten erzählen und der Reparatur meines<br />
Schuhs, der in der Abfahrt gebrochen ist. Mit einer<br />
Eisschraube bohre ich zwei Löcher in die Schale, mit<br />
einer Schnur kann ich den Schuh in der Abfahrtsposition<br />
fixieren. Die Moral ist gut, und ausgestreckt in unseren<br />
Schlafsäcken spüren wir nicht einmal die Höhe!<br />
1. JULI 2019<br />
Diesmal klingelt der Wecker um 0:30 Uhr. Leider verschütten<br />
wir die Hälfte des Topfinhalts im Zelt. Bis wir<br />
wieder Schnee geschmolzen, die Schuhe vorgewärmt<br />
haben und losziehen können, ist es wieder 3:30 Uhr – unser<br />
neuer Rekord bei der Morgenroutine! Zudem müssen<br />
wir spuren. Unser Tempo ist deprimierend niedrig, schon<br />
nach kurzer Zeit wechseln wir uns mit dem Spuren ab.<br />
Auf 7800 Metern bleibt Tiphaine an einem Felsen zurück,<br />
und erklärt mir, dass sie hier auf mich warten wird. Ich<br />
bin etwas überrascht, sie schien bis jetzt in guter Verfassung<br />
zu sein. Ich schlage ihr vor, gemeinsam ins Lager 4<br />
zurückzukehren, doch sie besteht darauf, in einer Mulde<br />
hinter den Felsen auf mich zu warten. Mit meinem etwas<br />
benebelten Gehirn nehme ich das leichtfertig hin. Nur um<br />
mal zu sehen, aber ohne wirklich an den Gipfel zu glauben,<br />
steige ich weiter auf. Bald passiere ich unseren Umkehrpunkt<br />
von vor zwei Tagen, auf etwas über 8000 Metern. Der<br />
tiefe Bruchharsch weicht einer härteren Unterlage, endlich<br />
komme ich in vernünftigem Tempo voran. Erstmals scheint<br />
mir der Gipfel erreichbar zu sein.<br />
Ich beobachte die Wolken, die aus dem Tal kommen. Es ist<br />
sehr windig. Ich bin fokussiert und entschlossen. Auf etwa<br />
8080 Metern erreiche ich eine kleine Scharte links des<br />
Gipfels und deponiere meine Ski. Es ist 17:27 Uhr. Der Wind<br />
weht heftig, zwischen Licht und Schatten stehe ich auf dem<br />
Gipfel des Nanga Parbat. Ohne Tiphaine ist die Freude nicht<br />
so gross, anders als am Spantik fliessen keine Tränen. Es ist<br />
einfach unbeschreiblich, hier zu sein. Ich mache ein Selfie<br />
und ein Panoramafoto und kehre zum Skidepot zurück. 50<br />
Meter unter dem Gipfel schnalle ich die Ski an. Ich hole<br />
Tiphaine ab, die in ihrer Mulde kauert. Wir umarmen uns<br />
und sind erleichtert, wieder zusammen zu sein. Auch wenn<br />
unsere Beine nicht mehr wirklich reagieren, ist die Abfahrt<br />
unglaublich schön. Die tief stehende Sonne leuchtet rot, der<br />
Himmel brennt förmlich, das Licht ist magisch. Um 19 Uhr<br />
sind wir wieder in Lager 4.<br />
2. JULI 2019<br />
Wir warten, bis die Sonne unser Zelt erwärmt. Dann machen<br />
wir uns langsam fertig, wobei Tiphaine tapferer ist als ich.<br />
Ich bin faul, beginne, die Höhe zu spüren. Gegen 13 Uhr beginnen<br />
wir mit dem Abstieg. Unsere ursprüngliche Idee, wieder<br />
200 Höhenmeter aufzusteigen und über die Diamirflanke<br />
abzufahren, geben wir schnell auf. Vier Nächte auf 7250<br />
Metern haben unsere letzten Energiereserven erschöpft, wir<br />
fahren auf der Kinshofer-Route ab. Zwischen Lager 4 und<br />
Lager 3 treffen wir die anderen Gruppen, darunter Nims und<br />
sein Team. Unterhalb von Lager 3 ist das Eis nur mit einer<br />
dünnen Schneeschicht bedeckt. Im Überschwang setze ich<br />
einen letzten Schwung, der zu einer ungewollten Rutschpartie<br />
auf Blankeis führt. Wir beschliessen, uns an den<br />
Fix seilen festzuhalten, um diese kritischen 100 Meter zu<br />
überwinden. Die danach folgenden, senkrechten Felsen der<br />
Kinshofer-Wand wollen wir über eine steile Variante rechts<br />
davon umfahren, die wir im Basislager ausfindig gemacht<br />
haben. Der Allgäuer Luis Stitzinger hat sie 2007 erstmals<br />
befahren. Es ist die Schlüsselstelle der Abfahrt.<br />
Wir sind angespannt. Wolken umhüllen uns, die Sicht ist<br />
gleich Null. Das Eis ist blank, die Wegfindung kompliziert,<br />
denn geradeaus endet die Rinne in einem monströsen<br />
Eisbruch. Entkräftet und zum ersten Mal auf dieser Reise<br />
streiten wir uns wegen des Wegverlaufs. Endlich finden wir<br />
24 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
25
Auf etwa 7000 Metern<br />
zwischen Lager 3 und<br />
Lager 4 am Nanga<br />
Parbat. Der Schnee ist<br />
tief und teilweise verharscht,<br />
das Spuren<br />
anstrengend.<br />
HÖHERE<br />
WEIHEN<br />
Den Nanga Parbat mit Ski zu<br />
besteigen, dürfte wohl nur einem<br />
Promille aller Bergsteiger, wenn<br />
überhaupt, vergönnt sein. Zuverlässige<br />
Ausrüstung, auf die man<br />
sich verlassen kann, braucht es<br />
aber auch an niedrigeren Bergen.<br />
Unsere Empfehlungen für die<br />
ganz grossen Skitouren.<br />
«Die goldene Regel<br />
des Skitourengehens:<br />
Man spürt das Gewicht<br />
an den Füssen 7x<br />
mehr als die am<br />
Rücken getragene Last.»<br />
NICOLAS COSTANZO<br />
FILIALLEITER STV.<br />
FILIALE LAUSANNE<br />
BÄCHLI SERVICE<br />
EINKAUFSBEGLEITER<br />
Grosse Touren oder gar Expeditionen erfordern<br />
eine sorgfältige Planung. Die<br />
überlegte Auswahl der Ausrüstung spielt<br />
dabei eine besondere Rolle. Der Bächli<br />
Bergsport Einkaufsbegleiter unterstützt Sie<br />
mit Rat und Tat an Ihrem Wunschtermin,<br />
kostenfrei und unverbindlich.<br />
baechli-bergsport.ch/<br />
einkaufsbegleiter<br />
«Wir benutzen unsere<br />
Smartphones als<br />
Stirnlampen und fahren<br />
in einem ziemlich<br />
abenteuerlichen Stil<br />
hinab ins Lager 4.»<br />
den Durchschlupf, der zum Fuss der Kinshofer-Wand führt –<br />
dort ist das Ende der Schwierigkeiten. Wir geniessen unsere<br />
letzten Schwünge am Nanga Parbat und erreichen das Ende<br />
des Gletschers, wo Muaz schon mit einer Cola auf uns wartet.<br />
Wir haben den Nanga Parbat mit Ski befahren!<br />
Zwei Monate Zeltleben sind vorbei. Unsere Expedition neigt<br />
sich dem Ende zu. Es war Bergsteigen, wie wir es lieben:<br />
allein, nach unserem Wunsch und unserer Vorstellung vom<br />
Berg. Die guten Zeiten mit unserem Team, den Trägern<br />
und den Pakistanis im Allgemeinen haben unserer Motivation<br />
sehr geholfen. Unsere langen Ruhetage im Basislager<br />
einerseits, die grossen Anstrengungen am Berg andererseits<br />
bilden den Reichtum dieses Abenteuers. Wir freuen<br />
uns auf die Rückkehr nach Hause, in den französischen<br />
Sommer, bevor wir von der nächsten Expedition träumen.<br />
Tiphaine in der Ausfahrt der Kinshofer-Variante.<br />
Die Sicht wurde rechtzeitig<br />
besser, um den letzten kniffligen<br />
Abzweig auf die Normalroute zu finden.<br />
KERN<br />
GESUND<br />
Der Tourenski VTA88 lite knüpft an eine lange<br />
Tradition qualitativ hochwertiger Tourenski<br />
bei Völkl an. Durch eine Ummantelung des<br />
Kerns mit Carbon ist der Ski äusserst leicht,<br />
wobei die 3D.Ridge Technologie dafür sorgt,<br />
dass die Fahrperformance die hohen Ansprüche<br />
von Völkl erfüllt. Der mehrschichtige<br />
Holzkern aus Paulownia und Pappel mit<br />
Isocore-Einsätzen ist mit Carbon ummantelt.<br />
Seine 3D.Ridge Bauart definiert die Torsionssteifigkeit<br />
und Biegelinie des Skis. Auf dem<br />
schneeabweisenden Ice-Off-Deckblatt bleibt<br />
kein unerwünschtes Zusatzgewicht kleben.<br />
Mit seiner Allround-Taillierung (127 – 88 – 106)<br />
und dem geringen Gewicht ist der VTA88 lite<br />
sehr gut geeignet für lange Touren und wechselnde<br />
Schneeverhältnisse.<br />
VTA88 LITE<br />
VÖLKL<br />
Gewicht 2200 g / Paar (170 cm)<br />
Preis CHF 829.–<br />
MISTER<br />
ZUVERLÄSSIG<br />
Der Aergon 2 von Leki ist ein Stock,<br />
der Skitourengeher wunschlos glücklich<br />
macht. Warum? Da wären zum<br />
einen feine Details wie der (austauschbare)<br />
Schneeteller, der an der Hinterseite eine<br />
gerade Kante besitzt, mit der man bestens<br />
vereiste oder stollende Felle frei kratzen oder<br />
die Steighilfe einstellen kann. Ausserdem lässt<br />
sich der Aergon 2 als einer der wenigen Teleskopstöcke<br />
am Markt bis auf 150 cm ausfahren<br />
– für grössere Tourengeher eine willkommene<br />
Schubhilfe im flachen Gelände. Aber nicht nur<br />
die Details stimmen, sondern auch die Grundausstattung:<br />
der zweiteilige Teleskopstock ist<br />
aus stabilem HTS 6.5 Aluminium gefertigt, das<br />
zudem eloxiert und damit recht unempfindlich<br />
gegen Kratzer ist. Die hohen Rohrdurchmesser<br />
von 18 und 16 mm machen den Zweiteiler sehr<br />
robust und stabil. Trotzdem bleibt das Gewicht<br />
im Rahmen. Und die zuverlässige, aussen liegende<br />
Speed-Lock-2-Klemme lässt sich auch<br />
mit Handschuhen gut bedienen.<br />
AERGON 2<br />
LEKI<br />
Gewicht 540 g / Paar<br />
Preis CHF 115.–<br />
HOSE FÜR<br />
HÖHERES<br />
Softshell-Hosen sind angenehm – aber nur,<br />
solange schönes Wetter herrscht und die Tour<br />
nicht zu hoch hinausgeht. Wer beides nicht<br />
garantieren kann, ist mit einer Hardshell-<br />
Hose wie der Radical Pants von Dynafit besser<br />
beraten. Schnee und Wind werden durch das<br />
dreilagige Gore-Tex C-Knit Material effektiv<br />
ausgesperrt, zudem sind alle Nähte verschweisst.<br />
Der Hosensaum ist gegen scharfe<br />
Kanten und Steigeisen verstärkt und in der<br />
Weite verstellbar. Seitliche Reissverschlüsse<br />
ermöglichen, die Hose auch über geöffnete<br />
Schnallen zu ziehen. Angenehm und praktisch<br />
sind die integrierten Gamaschen, die<br />
Ventilationsöffnungen, der verstellbare Bund<br />
sowie die Oberschenkeltaschen.<br />
RADICAL GORE-TEX M PANTS<br />
DYNAFIT<br />
Gewicht 499 g<br />
Preis CHF 429.–<br />
26<br />
27
EXPERT EISKLETTERN<br />
KALTE<br />
KUNST<br />
Beim Eisklettern ist die richtige Ausrüstung essenziell.<br />
Denn ohne haben Kletterer an der eisigen Vertikalen keine Chance.<br />
Doch was sind die richtigen Produkte und auf welche Feinheiten<br />
kommt es an? Ein Ratgeber.<br />
ILLUSTRATION: SOPHIE KETTERER<br />
TEXT RABEA ZÜHLKE<br />
Wenn die Temperaturen fallen, Wasserfälle<br />
zu kletterbaren Säulen gefrieren<br />
und dicke Eisschichten die Felsen<br />
bedecken, zieht Samuel Bundi los. Und das,<br />
so oft es geht – wenn es denn mal geht. «Die<br />
Eisklettersaison ist nicht lang», sagt der Abteilungsleiter<br />
Hartwaren von Bächli Bergsport.<br />
«Meist sind es nur wenige Wochen, an denen<br />
alles zusammenpasst.» Ist es zu kalt, wird das<br />
Eis spröde. Ist es zu warm, sind die Eistrukturen<br />
instabil. «Ideal sind beständige Temperaturen<br />
um null Grad über mehrere Wochen», weiss<br />
Bundi. Doch selbst dann bewegt sich das Eis<br />
von Tag zu Tag. Temperatur, Wassermenge und<br />
Untergrund beeinflussen das Eis permanent.<br />
Aber wenn das Eis einmal steht und die Bedingungen<br />
passen, gibt es wenig Vergleichbares:<br />
So abweisend die gläsernen Strukturen aussehen,<br />
so anziehend sind sie für Eiskletterer. Vorausgesetzt,<br />
die Ausrüstung stimmt. Denn ohne<br />
das richtige Material ist das Spiel in der eisigen<br />
Vertikalen vorbei, bevor es überhaupt losgeht.<br />
EISGERÄTE<br />
Eisgeräte, Steigeisen und Eisschrauben gehören<br />
zu den wichtigsten Tools beim Eisklettern. Im<br />
Vergleich zu klassischen Hochtourenpickeln,<br />
die auf dem Gletscher oder beim Skibergsteigen<br />
als Stockersatz, Werkzeug oder Rettungsanker<br />
dienen, unterscheiden sich technische<br />
Eisgeräte vor allem in Form, Festigkeit und Gewicht.<br />
In Eis-, Mixed- oder Drytooling-Routen<br />
sind sie einer höheren Belastung ausgesetzt.<br />
Anders als Hochtourenpickel müssen Haue<br />
und Schaft deswegen bestimmten Festigkeitswerten<br />
nach UIAA- und EU-Normen entsprechen.<br />
Dadurch sind tech nische Eisgeräte in der<br />
Regel schwerer – was aber der notwendigen<br />
Schlagwucht beim Setzen ins Eis zugutekommt.<br />
Als Kunde erkennt man den Unterschied zwischen<br />
den beiden Typen am Buchstaben, der<br />
am Schaft eingeprägt ist: Eisgeräte haben ein<br />
«T», klassische Hochtourenpickel ein «B». Über<br />
die Form entscheidet der Einsatzbereich: Je<br />
steiler das Gelände, desto gewinkelter Schaft<br />
und Haue. «Leicht gebogene Eisgeräte wie das<br />
Quark von Petzl eignen sich für steile bis vertikale<br />
Eisfälle genauso wie für steile Nordwände oder<br />
Firnfelder», erklärt Bundi. «In Steileis- oder in<br />
Mixed- Routen ist der Schaft stärker gebogen, in<br />
anspruchsvollen und überhängenden Mixed- und<br />
Drytooling-Routen ist die Krümmung noch ausgeprägter<br />
und der Griff geneigt.» So lässt sich das<br />
Gerät präziser und kräftesparender im steilen Gelände<br />
platzieren. Auch die Dicke der Haue unterscheidet<br />
sich nach Spielart: «Zwar sind alle Hauen<br />
aus gehärtetem Stahl, beim Mixed-Klettern und<br />
beim Drytooling müssen sie aber dicker und robuster<br />
sein», urteilt der Bächli-Experte. Zahnung<br />
und Spitze sind bei Touren im Fels oder im kombinierten<br />
Gelände dafür weniger scharf, weil die<br />
Haue gezielt gesetzt und nicht geschlagen wird.<br />
Hammer oder Schaufel am Kopf sind übrigens<br />
unnötig. «Ein Hammer dient zum Einschlagen von<br />
Haken, eine Schaufel zum Stufenschlagen oder<br />
Schnee entfernen», erklärt Bundi. Hilfreich sind<br />
diese Werkzeuge in Nordwänden oder Firnflanken,<br />
weniger beim Eisklettern. Sinnvoll sei dagegen<br />
ein ergonomisch geformter Doppelgriff (z. B.<br />
Petzl Ergonomic). «Das ermöglicht verschiedene<br />
Haltepositionen im steilen oder überhängenden<br />
Gelände», weiss der Abteilungsleiter. Feinheiten,<br />
die bei Anfängern zunächst wenig Relevanz haben,<br />
aber für den ambitionierten Eiskletterer ausschlaggebend<br />
sind. Für Beginner gilt: «Das Gerät<br />
sollte gut in der Hand liegen und der Griff auf die<br />
Handgrösse abgestimmt sein», so Bundi. Den<br />
Wert scharfer Eisgeräte kann man kaum überschätzen.<br />
Sie greifen nicht nur besser im Eis,<br />
sondern entwickeln auch weniger Sprengkraft.<br />
Die Hauen sollten also regelmässig gewartet<br />
werden, zumal das kein Hexenwerk ist: «Mit einer<br />
einfachen Handfeile zu Hause nachschleifen», rät<br />
der Bächli-Experte. Dafür das Gerät an der Haue<br />
einspannen und die Feile senkrecht zur Kante vor<br />
und zurück bewegt – möglichst gerade, um den<br />
Schliff beizubehalten. Für zu stark abgenutzte<br />
Hauen bieten fast alle Hersteller Ersatz an.<br />
STEIGEISEN<br />
Wer Eisklettern richtig lernen will, braucht Steileissteigeisen<br />
mit einer und zwei vertikalen Frontalzacken.<br />
Bei ersten Versuchen im Eis können<br />
diese übrigens in allen Bächli-Filialen gemietet<br />
werden. «Für reines Eisklettern empfehlen sich<br />
Modelle mit Doppelzacken», sagt Bundi. Diese<br />
seien auch für Anfänger von Vorteil: «In wenig<br />
INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
29
EXPERT<br />
EISKLETTERN<br />
steilen und viel begangenen Wasserfällen geht es<br />
eher ums Hooken, also dem Einhängen der Eisgeräte<br />
in vorgeschlagene Einschlaglöcher, und<br />
ums Steigen.» Zwei Zacken geben mehr Auflagefläche<br />
und Stabilität. Wer dabei die Fersen leicht<br />
hängen lässt, spart zudem Kraft und verbessert<br />
den Halt der Frontalzacken im Eis. Ambitionierte<br />
Eiskletterer, die sich im steileren Eis wohlfühlen,<br />
sowie Mixed- und Drytooling-Fans, bevorzugen<br />
Steileissteigeisen mit einem Frontalzacken, sogenannte<br />
Mono-Zacken. Mit ihnen lässt sich präziser<br />
antreten, gleichzeitig besitzen sie im<br />
spröden Eis weniger Sprengkraft. Praktisch sind<br />
Modelle mit austauschbaren Frontalzacken, die<br />
sich je nach Tour umbauen lassen.<br />
EISSCHRAUBEN<br />
Eisschrauben dienen als Zwischensicherung, zum<br />
Bau eines Standplatzes sowie zum Bohren von<br />
Eis-Sanduhren, sogenannten Abalakovs, über die<br />
abgeseilt wird. «Zehn bis zwölf Schrauben pro<br />
Seilschaft sollten reichen», erklärt der Bächli-<br />
Abteilungsleiter. «Idealerweise in unterschiedlichen<br />
Längen von zehn bis 20 Zentimetern, die je<br />
nach Eisdicke zum Einsatz kommen.» Je nach<br />
Konstruktionsart gibt es Eisschrauben mit oder<br />
ohne Kurbel an der Lasche. Eine integrierte Kurbel<br />
ist beim Eisklettern sinnvoll, bei normalen<br />
Hochtouren weniger essenziell. «Sie erleichtern<br />
das Handling – zumal die Schrauben mit einer<br />
Hand gesetzt werden müssen.» Effizientes Arbeiten<br />
ist dabei nicht nur zeitsparend, sondern vermeidet<br />
dicke Unterarme. Ein Fan von Leichtbau<br />
ist Bundi nicht unbedingt: «Wenn sechs Eisschrauben<br />
an jeder Gurtseite in der Bewegung<br />
aneinanderschlagen, geht bei ultraleichten Modellen<br />
aus Aluminium schnell das Gewinde kaputt.»<br />
Robuster als die Hybrid-Konstruktionen<br />
sind Schrauben aus Stahl. Doch auch diese nutzen<br />
sich irgendwann ab. Vom Nachschleifen der<br />
Zähne in Eigenregie rät der Experte allerdings ab:<br />
«Damit Eisschrauben bissig bleiben, muss der<br />
Winkel exakt stimmen.» Von Hand sei das kaum<br />
möglich. In allen Bächli Bergsport Filialen können<br />
Eiskletterer ihre stumpfen Eisschrauben in Spezialmaschinen<br />
schleifen lassen. Zum Bohren einer<br />
Abalakov-Eissanduhr ist eine Fädelhilfe zum<br />
Durchziehen der Reepschnur notwendig. «Ideal<br />
sind Fädler mit integriertem Messer, um die<br />
Reepschnur auf die gewünschte Länge kürzen zu<br />
können.» Der Rest am Klettergurt unterscheidet<br />
sich kaum von anderen alpinen Unternehmungen:<br />
«Wer viel im Eis klettert, nutzt<br />
die Imprägnierung nach einer<br />
Saison ab. Ist das Seil unbeschadet,<br />
kann es aber problemlos zum<br />
Sportklettern benutzt werden.»<br />
SAMUEL BUNDI<br />
ABTEILUNGSLEITER HARTWAREN<br />
Express-Schlingen, Karabiner, Tuber, Bandschlingen.<br />
Die Standard-Ausrüstung.<br />
STEIGEISENFESTE SCHUHE<br />
Als Schuh eignet sich ein voll-steigeisenfestes<br />
Modell der Kategorie D. Bundi rät zu warmen, festen<br />
Lederschuhen, die mit einer Gore-Tex Membran<br />
ausgestattet sind (z. B. Scarpa Mont Blanc Pro<br />
GTX). Im Wettkampf oder bei überhängenden Drytooling-Touren<br />
kommen spezielle Eiskletterschuhe<br />
zum Einsatz, bei denen Mono zacken direkt<br />
im Schuh integriert sind. Doch diese bleiben<br />
normalerweise den Profis überlassen. «In Kombination<br />
mit warmen Merinosocken sind steigeisenfeste<br />
Hochtourenschuhe mit steifer Sohle<br />
und guter Isolation ideal.» Auf Primaloft-Socken<br />
würde Bundi verzichten: «Die Socken sind meist<br />
so dick, dass der Schuh zu eng wird und die Zehen<br />
keinen Spielraum zum Bewegen mehr haben.»<br />
Dann seien kalte Füsse vorprogrammiert.<br />
IMPRÄGNIERTE SEILE<br />
Wie beim Sport- oder Alpinklettern wird mit Einfach-<br />
oder Halbseilen geklettert: In Eisklettergärten<br />
mit Einfachseil, in den alpineren Gefilden<br />
mit Halbseilen. Ausschlaggebend bei beiden ist<br />
die Imprägnierung: Mit nassem oder hartgefrorenem<br />
Strick wird das Seilhandling nicht nur anstrengend,<br />
sondern auch gefährlich, da im nassen<br />
Zustand die Belastbarkeit des Seils reduziert<br />
ist. Bei dem Imprägnierungsprozess wird das<br />
Seil entweder am Ende behandelt (Mantelimprägnierung)<br />
oder Mantel und Fasern werden separat<br />
voneinander imprägniert und nach dem Flechtprozess<br />
nochmals behandelt. Kletterseile der<br />
letzten Variante erfüllen in der Regel die UIAA<br />
Water Repellent Norm – eine Zertifizierung für<br />
imprägnierte Kletterseile. «Um die Zertifizierung<br />
zu erreichen, dürfen Seile nicht mehr als 5 Prozent<br />
des Eigengewichts an Wasser aufnehmen»,<br />
erklärt Christian Peschel von Petzl. Durch den<br />
Veredelungsprozess sind die Seile teurer – dafür<br />
länger schmutz- und wasserabweisend. Trotzdem<br />
haben Seile mit Mantelimprägnierung ihre<br />
Berechtigung: «Für sommerliche Tages- oder<br />
Halb tagestouren reicht eine reguläre Imprägnierung<br />
wie die Duratec Dry vollkommen aus»,<br />
sagt Peschel. Beim Eisklettern, wo Wasser in irgendeiner<br />
Form immer im Spiel ist, empfehle<br />
sich aber in jedem Fall ein Seil mit UIAA Dry<br />
Imprägnierung.<br />
BEKLEIDUNG<br />
Natürlich nützt die beste Hardware nichts, wenn<br />
man zitternd im Eis hängt. So hat sich das Zwiebelprinzip<br />
bewährt: Ein Baselayer aus Merinowolle<br />
als erste Schicht, darüber ein Fleece und<br />
eine leichte Isolationsschicht aus Kunstfaser (z. B.<br />
Primaloft) oder eine leichte Daunenjacke. Die<br />
äus serste Schicht muss wasserdicht und robust<br />
sein, um vor Nässe und Schnittschäden zu schützen.<br />
Und zum Sichern: «Unbedingt eine dicke<br />
Daunenjacke, genauso wie dicke Handschuhe»,<br />
sagt Bundi. Von denen könne man sowieso nicht<br />
genug haben. «Ich nehme mindestens zwei bis<br />
drei Paar mit. Selbst Handschuhe mit wasserdichter<br />
Membran sind irgendwann nass.» Ein<br />
weiterer Tipp: «Beim Abseilen einen einfachen<br />
Wollhandschuh mit Latex-Überzug aus dem Baumarkt<br />
verwenden.» Denn gerade beim Abseilen<br />
ist der Verschleiss durch Nässe und Feuchtigkeit<br />
hoch. Schade wäre es um die teuren Modelle. Zur<br />
weiteren obligatorischen Ausrüstung gehören<br />
nicht nur Stirnlampe, Biwaksack und Erste-Hilfe-<br />
Set, sondern je nach Einzugsgebiet und Ausrichtung<br />
genauso Lawinenverschüttetensuchgerät,<br />
Sonde und Schaufel. «Im Safiental oder im Avers<br />
gibt es Wasserfälle, die ein grosses Einzugsgebiet<br />
haben und stark lawinengefährdet sind», warnt<br />
Bundi. Wer das bei der Tourenplanung beachtet<br />
und gut gerüstet antritt, dem wird der Einstieg<br />
ins Eisklettern garantiert gelingen.<br />
30 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
31
KONTROVERS SKITOUR MIT ÖV<br />
K O N T R O V E R S<br />
«BERGSTEIGER SOLLTEN<br />
MEHR CARSHARING NUTZEN.»<br />
«WENN MAN WEIT REIST,<br />
SOLL MAN AUCH LANG BLEIBEN.»<br />
«LANGFRISTIG GEHT ES<br />
UM DAS ÜBERLEBEN.»<br />
IST BERGSPORT<br />
MOTORSPORT?<br />
PROTOKOLL RABEA ZÜHLKE<br />
Obwohl das ÖV-Angebot in der<br />
Schweiz zu den besten der Welt<br />
zählt, reisen die meisten Bergsteiger<br />
mit dem Auto an – und das<br />
oftmals lang und wenig umweltfreundlich.<br />
Warum verzichten<br />
nicht mehr Bergsteiger auf das<br />
Auto und welche Alternativen gibt<br />
es? Wir haben nachgefragt.<br />
S K I T O U R<br />
M I T Ö V<br />
«Das ÖV-Angebot in der Schweiz ist sehr gut ausgebaut<br />
und im Vergleich zu anderen Ländern funktioniert es<br />
problemlos. Vor allem der Zugang zu Informationen über<br />
diverse Apps ist super. Auf Schweiz Mobil sind beispielsweise<br />
alle Wanderrouten mit Haltestellen und genauem<br />
Fahrplan digitalisiert. Das Argument, dass das Fahren mit<br />
öffentlichen Verkehrsmitteln zu kompliziert ist, ist somit<br />
völliger Blödsinn. Selbst das Argument, dass die Skitourenausrüstung<br />
zu schwer ist, ist heute keine Ausrede<br />
mehr. Trotzdem – und dazu muss ich mich auch zählen<br />
– sind die Leute bequem und möchten nicht auf ihre<br />
Flexibilität verzichten. Im Winter fahre ich oft vor fünf Uhr<br />
los und bin beim ersten Tageslicht am Gipfel. Mit öffentlichen<br />
Verkehrsmitteln müsste ich am Vorabend anreisen<br />
und übernachten. Das ist mir in der Praxis zu umständlich<br />
– und geht bei spontanen Touren nicht. Als Bergführer<br />
bevorzuge ich Fahrgemeinschaften. Kontraproduktiv sind<br />
hier allerdings die Parkgebühren der Fahrgemeinschaftsparkplätze.<br />
Das ärgert auch die Gäste, denn weiter oben<br />
am Ausgangspunkt der Tour sind die Parkplätze meist<br />
kostenfrei. Das fördert das gemeinsame Fahren natürlich<br />
keineswegs. Eine gute Sache sind Carsharing-Angebote<br />
wie sharoo oder Mobility: Ins Tessin fahre ich zum Beispiel<br />
mit dem Zug, um Stau zu umgehen. Vor Ort miete ich für<br />
die Gäste und mich ein Mobility-Auto. Bergsteiger sollten<br />
diese Angebote viel mehr nutzen – vielleicht würde sich<br />
sogar eine Carsharing-Plattform nur für Bergsteiger rentieren.<br />
Was mit den ÖV wiederum toll funktioniert, sind<br />
Skitouren, bei denen sich Ausgangs- und Endpunkt unterscheiden.<br />
Solche Tourenmöglichkeiten könnte der SAC<br />
stärker bewerben. Und mein persönlicher Vorsatz: Wenn<br />
ich nicht wie beim Canyoning viel Material mitnehmen<br />
muss, möchte ich keine Ausreden mehr gelten lassen.»<br />
FELIX MAURHOFER<br />
BERG-CANYONINGFÜHRER<br />
IVBV UND MITGLIED DES<br />
TOURING CLUB SCHWEIZ (TCS)<br />
«Dem Schweizer Alpen-Club SAC ist es ein grosses Anliegen,<br />
dass Bergsportler vermehrt mit dem ÖV unterwegs<br />
sind. Ein Projekt dazu ist der Schneetourenbus (schneetourenbus.ch),<br />
der das Ziel hat, Ausgangspunkte von<br />
Ski- und Schneeschuhtouren mit dem ÖV zu erschliessen.<br />
Der Bus hat letztes Jahr rund 300 Fahrgäste transportiert.<br />
Dieses Jahr haben wir das System für die Kunden nochmals<br />
vereinfacht und im nächsten Jahr werden wir auch<br />
in die Westschweiz ausbauen. Wir hoffen in dieser Saison<br />
auf deutlich höhere Fahrgastzahlen. Ein weiteres Anliegen<br />
ist, dass man die Anreisedauer mit der Tourendauer<br />
in Einklang bringt. Das heisst, wenn man weit reist, soll<br />
man auch lang bleiben. Das reduziert die Reisekilometer<br />
– wenn man nicht jeden Tag anreisen muss. Weiter tragen<br />
wir so zur Wertschöpfung in den Berg regionen bei und<br />
stärken unser Bergerlebnis. Insgesamt ist mein Eindruck,<br />
dass mittlerweile auf den Sektionstouren der ÖV-Anteil<br />
höher ist. Trotzdem darf man das Auto nicht einfach verteufeln,<br />
sondern muss immer die Rahmenbedingungen<br />
für eine Sektionstour im Auge behalten: Frühlingsskitouren<br />
sind schwierig mit ÖV – dann gilt es die Autos gut<br />
zu füllen – oder warum nicht am Vorabend anreisen? Ein<br />
weiterer Unterschied ist die Ausgangslage: Eine Bergsektion,<br />
die einen Grossteil ihrer Touren in ihrer Umgebung<br />
macht, legt insgesamt viel weniger Kilometer zurück als<br />
eine Stadtsektion, die bis zum Schnee eine lange Strecke<br />
bewältigen muss. Deshalb scheint es mir besonders für die<br />
Flachland-Sektionen wichtig, dass sie, wann immer möglich,<br />
den ÖV nutzen und mit Angeboten wie Taxi, Schneetourenbus<br />
oder Bus alpin ergänzen. Diese Überlegungen<br />
zur Mobilität gelten natürlich nicht nur auf Sektionstouren.<br />
Jeder Bergsportler, jede Bergsportlerin kann mit seinem<br />
Verhalten viel bewirken.»<br />
BENNO STEINER<br />
SCHWEIZER ALPENCLUB SAC,<br />
FACHMITARBEITER<br />
LANDSCHAFTSSCHUTZ<br />
«Wann und wo Autos in unserem Alltag oder unserer Freizeit<br />
noch angemessen und sinnvoll eingesetzt werden können,<br />
lässt sich nicht so einfach beantworten. Das ist eine<br />
Frage, welche die Personen primär mit sich selbst aushandeln<br />
müssen. Es gibt keine Gesetze und leider oft relativ<br />
wenig Anreize für Menschen, die das Reisen mit Auto<br />
gewohnt sind, konsequent auf öffentliche Verkehrsmittel<br />
umzusteigen. Die meisten Wintersportler*innen – und da<br />
bin ich keine Ausnahme – unterstützen schon mit dem Kauf<br />
von Liftkarten und Saisonabos eine Tourismusindustrie,<br />
die mit Pistenmaschinen und unzähligen Bauten einen<br />
enormen CO 2<br />
-Ausstoss in eine fragile Umwelt pustet. Dass<br />
wir damit die Klimaerwärmung beschleunigen, dürfte allen<br />
klar sein. Auch die möglichen Konsequenzen bezüglich<br />
unserer Abenteuer in den Bergen sind uns bekannt. Darum<br />
ist es für mich persönlich zu einer Art moralischen Pflicht<br />
geworden, meinen ökologischen Fussabdruck so gering<br />
wie möglich zu halten. Bei der Mobilität, also unserem<br />
Reiseverhalten, gibt es in der Regel am meisten Möglichkeiten,<br />
klimaschädliche Emissionen einzusparen. Das<br />
wiederum kann gleichzeitig mit weiteren Vorteilen verbunden<br />
sein: Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln reist, kann<br />
unterwegs entspannen, genüsslich frühstücken oder einen<br />
gelungenen Tag beim Apero auf Schienen Revue passieren<br />
lassen. Es geht hier um Luxusprobleme und wir sollten diesen<br />
mit Bescheidenheit begegnen. Sich rücksichtsvoll zu<br />
bewegen, fühlt sich besser an. Weiterdenken als nur bis<br />
zum nächsten Powderturn ist angebracht! Bei dem Thema<br />
Mobilität und Bergsport geht es ‹nur› um maximalen Spass,<br />
langfristig gesehen aber um das Überleben von Individuen<br />
und Spezies. Klimagerechtigkeit ist ein Wort, das auch in<br />
märchenhaft verschneiten Landschaften nicht ignoriert<br />
werden sollte.»<br />
RETO KESTENHOLZ<br />
SNOWBOARDER UND<br />
MITGLIED DER UMWELT-<br />
INITIATIVE RIDE GREENER,<br />
ridegreener.com<br />
INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
33
RUBRIK UNTERRUBRIK<br />
WEGWEISER EISKLETTERN<br />
EIN TAG<br />
IM EIS<br />
TEXT JONAS SCHILD & THOMAS EBERT<br />
FOTOS DAN PATITUCCI<br />
Kalt, glatt, gefährlich: Eis- und Mixedklettern<br />
hat einen speziellen Ruf. Gute<br />
Technik und Taktik vorausgesetzt, ist<br />
Eisklettern aber nicht gefährlicher als<br />
andere Bergsportarten. Bächli-Athlet<br />
Jonas Schild zeigt im Kiental, auf was<br />
zu achten ist.<br />
«Gute Planung ist beim Eisklettern der<br />
Schlüssel zum Erfolg. Zum einen taktisch:<br />
Wo ist solides Eis für Eisschrauben,<br />
wo raste ich bequem? Für beides<br />
bot sich der flache Absatz über mir an.<br />
Zum anderen plane ich strategisch:<br />
Filigrane Zapfen wie hier links oben<br />
können jederzeit abbrechen – deshalb<br />
steht der Sichernde weit rechts am<br />
Wandfuss, 34 ausserhalb der Schusslinie.»<br />
INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
Ins Kiental kehre ich immer gerne zurück – hier war ich<br />
als Jugendlicher zum allerersten Mal Eisklettern.<br />
Die Eisfälle sind nur ein paar Minuten von der Strasse<br />
entfernt. An diesem Januartag war es mit -15 °C sehr<br />
kalt, und während sich Fotograf Dan über das wenige<br />
Sonnenlicht ärgerte, machte ich mir Sorgen, weil es die<br />
Tage zuvor eher warm gewesen war. Schlagartige Kälte<br />
ist beim Eisklettern ungünstig, denn das Eis ist dann<br />
sehr spröde, instabil und voller Spannungen. Trotzdem<br />
starteten wir einen Versuch in ‹Elvis› (M9). An einem<br />
Tag wie diesem ist die richtige Strategie und Ausrüstung<br />
dann noch wichtiger.»<br />
35
WEGWEISER EISKLETTERN<br />
UNTERRUBRIK RUBRIK<br />
«Die objektiven Gefahren beginnen schon beim Zustieg. Hier<br />
ist das Gelände flach, aber nicht selten sind Zustiege zu<br />
Eisfällen stark lawinengefährdet. Im Kiental klettern häufig<br />
Kurse, dann ist viel los. Da muss man eher auf Eisschlag<br />
achten. Und die Säule hoch über meinem Kopf könnte sogar<br />
ohne Berührung zusammenbrechen, weil der starke und<br />
rasche Temperaturrückgang ihr Eis so spröde gemacht hat.<br />
Deswegen: Immer den Temperaturverlauf beachten!»<br />
«Der Schritt aus dem<br />
Fels an einen Eiszapfen<br />
ist der grösste, aber auch<br />
der spannendste Moment<br />
beim Eisklettern.»<br />
«Der Übergang vom Fels an einen Eiszapfen ist das Grösste, was es<br />
beim Eisklettern gibt! Und viel angenehmer, als es aussieht, weil<br />
man sich meist zwischen Fels und Eis einspreizen kann – eine gute<br />
Rastposition in eigentlich überhängendem Gelände. Im Vergleich<br />
zum grossen Bild links unten stehe ich recht entspannt – psychisch auch<br />
deshalb, weil neben mir ein Bohrhaken ist. Ob der Zapfen hält, kann<br />
man nie hundertprozentig sagen. Wenn er beim Einschlagen knackt und<br />
das Eisgerät die Vibration wie einen Stromschlag weiterleitet, ist das<br />
kein gutes Zeichen. Mir sind schon grössere Zapfen abgebrochen, und<br />
viel kleinere als hier kann man kaum noch anklettern. Gut zu sehen:<br />
Das rechte Eisgerät sitzt in dunklerem Eis, das mit dem Fels gut<br />
verwachsen ist. Sollte der Zapfen abreissen, bleibt dieses Eis kleben.»<br />
JONAS SCHILD<br />
«Beim Klettern im Fels muss man lernen, mit den Eisgeräten<br />
zu fühlen. Das Wichtigste ist, den Pickel nach unten zu belasten,<br />
nicht nach aussen, dann reisst er schnell aus. Für gute<br />
Felskletterer ist die Physis selten das Problem. Man muss zwar<br />
lange blockieren, aber mit den Griffen der Eisgeräte ist das die<br />
Kraftbelastung einer 6b. Schwierig ist dagegen das Finden guter<br />
Hooks für die Eisgeräte. Viele Begehungen machen eine Route<br />
einfacher, denn Kratzer wie in der linken oberen Bildecke weisen<br />
dann auf Kerben hin, die zudem immer tiefer werden. Und<br />
zum Stehen findet man mit Steigeisen eigentlich immer etwas.<br />
Stichwort Absicherung: In so fragile Zapfen wie hier niemals<br />
Sicherungen setzen – wenn er sich löst, reisst er alles mit.»<br />
«Das Allerwichtigste beim Eisklettern ist: scharfe Pickel und<br />
Steigeisen! Das macht extrem viel aus. Am Abend vor jeder<br />
Tour feile ich meine Geräte. Das ist wie ein Ritual. Ich kenne<br />
keinen Eiskletterer mit Leidenschaft, der das nicht so macht.<br />
Das kann zwar schon mal eine Stunde dauern, bis die Waffen<br />
scharf sind. Aber mit stumpfen Geräten macht es nicht nur<br />
keinen Spass, es ist auch gefährlich, denn ich muss öfter schlagen<br />
und die Sprengwirkung ist grösser: Ein stumpfes Gerät<br />
könnte einen Eiszapfen wie den links zum Absturz bringen.<br />
Scharfes Material ist matchentscheidend. Je nach Fels- und<br />
Eisanteil gibt es unterschiedliche Hauen – meine hier ist im<br />
Eis eher schlecht, aber sehr gut zum Hooken.»<br />
«Die Lehrmeinung sagt: Schraube setzen zwischen<br />
Hüft- und Brusthöhe – das strengt am wenigsten an.<br />
Stimmt! Aber wenn man gut steht, macht auch das<br />
Schrauben über Kopfhöhe Sinn – etwa von einem bequemen<br />
Podest aus, oder weil sich weiter oben besseres<br />
Eis befindet. Man sollte aus dem Schrauben in Hüfthöhe<br />
kein Dogma machen.»<br />
36 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
37
WEGWEISER EISKLETTERN<br />
EISKLETTERN<br />
IN DER SCHWEIZ<br />
AB INS<br />
EIS<br />
BÄCHLI SERVICE<br />
EISSCHRAUBEN-SCHLIFF<br />
Heiss auf Eis, aber wo bitte geht’s<br />
zum Einstieg? Die Eiskletter- Cracks<br />
unter unseren Mitarbeitern hätten<br />
da ein paar Tipps …<br />
Bern<br />
Basel<br />
Aarau<br />
EPTINGEN<br />
Kriens<br />
Volketswil<br />
Zürich<br />
Pfäffikon<br />
St. Gallen<br />
Während man beim sommerlichen<br />
Bouldern mit Shirt, Shorts und<br />
Schuhen fast schon komplett ausgestattet<br />
ist, braucht es beim<br />
Eisklettern schon etwas mehr Ausrüstung.<br />
Neben gut geschliffenen<br />
Eiswerkzeugen empfiehlt sich vor<br />
allem wasserdichte Kleidung und<br />
eine warme Jacke für die Zeit am<br />
Standplatz. Tipp: Unbedingt Reservehandschuhe<br />
einpacken.<br />
«Das Allerwichtigste<br />
beim Eisklettern<br />
sind scharfe Hauen und<br />
Steigeisen! Das macht<br />
extrem viel aus.»<br />
JONAS SCHILD<br />
BERGSPORTBERATER,<br />
BERGFÜHRER ASPIRANT UND<br />
BÄCHLI ATHLET<br />
Haben Ihre Schrauben noch den richtigen<br />
Schliff? Gut geschärfte Schrauben dringen<br />
leichter ins Eis ein und entwickeln weniger<br />
Sprengkraft, sind also sicherer. Beim<br />
Nachschleifen muss der Winkel allerdings<br />
exakt eingehalten werden – dafür haben wir<br />
die richtigen Maschinen. Für CHF 10.– pro<br />
Schraube bringen wir Ihre stumpfen Schrauben<br />
wieder auf Vordermann.<br />
baechli-bergsport.ch/<br />
dienstleistungen<br />
Chur<br />
Thun<br />
Lausanne<br />
Conthey<br />
KANDERSTEG AVERSTAL<br />
AVERSTAL<br />
HOTSPOT OST<br />
«Wenn die Boulderblöcke im Magic Wood<br />
unter dem Schnee verschwinden, wachsen<br />
weiter hinten im Tal beachtliche Eisformationen,<br />
und das mit hoher Zuverlässigkeit.<br />
Egal, ob einfache Stufen für Anfänger und<br />
Kurse oder beachtliche Mehrseillängen-Touren<br />
wie der Extremklassiker ‹Thron›, im Averstal<br />
findet jeder etwas Passendes. Auch Mixedklettern<br />
ist möglich. Ende Januar findet in<br />
der Viamala das Eiskletterfestival ICE AGE<br />
statt, mit Vortrag von Dani Arnold. Infos<br />
über aktuelle Verhältnisse erhält man beim<br />
Gasthaus Edelweiss, 7444 Ausserferrera /<br />
GR. Tel.: 081 661 18 27.»<br />
Führerliteratur: Urs Odermatt, «Hot Ice».<br />
Eisklettern in der Schweiz – Ost<br />
EPTINGEN<br />
DRYLAND<br />
«Das Drytoolgebiet in Eptingen/Diegten ist,<br />
man glaubt es kaum, weltweit ein Impulsgeber<br />
der schwersten Mixed-/Drytoolrouten.<br />
Vor allem der Fastbasler Robert Jasper (DE)<br />
hat hier seine Spuren hinterlassen. In Eptingen<br />
findet der Alpinist nur sehr wenig Eis,<br />
dafür jedoch umso mehr gepumpte Unterarme.<br />
Empfehlenswert sind Steigeisen mit<br />
Monozacken. Eiskletterer finden nicht weit<br />
von hier die Reigoldswiler Wasserfallen.<br />
Leider kann man sie nur nach einer ca. 14-<br />
tägigen Schockkälte unter -5 bis -10 Grad<br />
klettern, was nur alle paar Jahre vorkommt.<br />
Wenn es jedoch klappt, sind diese Tage<br />
wahre Geschenke!»<br />
KANDERSTEG<br />
EIS-MEKKA<br />
«Das Top-Eisklettergebiet Europas unterteilt<br />
sich in neun Sektoren, die von WI2 bis<br />
WI8, M10 und D13 fast alle Schwierigkeitsgrade<br />
und Disziplinen abdecken. Darunter<br />
die berühmte Breitwangfluh mit ‹Crack<br />
Baby› (WI6). Anfänger sind im Sektor Stock<br />
gut aufgehoben, hier gibt es kaum objektive<br />
Gefahren und viele einfache Routen. Sehr<br />
empfehlenswert ist auch die ‹Reise im<br />
Reich der Eiszwerge› (WI5+/M6) im Sektor<br />
Oeschinenwald, der zudem auch bei Lawinengefahr<br />
sicher bleibt.»<br />
Führerliteratur: Urs Odermatt, «Hot Ice».<br />
Eisklettern in der Schweiz – West<br />
(bei Bächli Bergsport erhältlich)<br />
EIS<br />
ZEIT<br />
Wer nicht zitternd am gefrorenen Wasserfall<br />
stehen will, dem sei Black Diamonds wärmste<br />
Jacke ans Herz gelegt. Der Vision Down<br />
Parka ist mit RDS-zertifizierter Gänsedaune<br />
mit einem Loft von 800 cuin gefüllt – und<br />
so vergleichbar mit der Isolationskraft eines<br />
Expeditionsschlafsackes. Damit die Daume<br />
nicht aneinanderklebt, hat Black Diamond<br />
nicht nur das Aussenmaterial, sondern auch<br />
die Daune mit einer DWR-Imprägnierung behandelt.<br />
Das leichte Obermaterial besteht aus<br />
einer Ripstop-Konstruktion mit Flüssigkristallpolymer,<br />
welches das Material reissfest macht.<br />
Features wie die einstellbare, helmkompatible<br />
Kapuze, der Zweiwege-Reissverschluss oder die<br />
grossen Einschubtaschen machen den Vision<br />
Down Parka zum idealen Begleiter während<br />
winterlichen Klettertouren im Fels und Eis.<br />
BISS<br />
FEST<br />
Das Petzl Dart Leverlock Fil ist die erste Wahl<br />
für versierte Eiskletterer, die ein einziges<br />
Steigeisen für Eiskletter-, Drytooling- oder<br />
Mixed-Routen suchen. Je nach Einsatzbereich<br />
kann zwischen vier modularen Frontalzacken<br />
gewählt werden: Die gezahnte,<br />
aggressive Monozacke (kurz oder lang) lässt<br />
sich im steilen Fels und Eis präzise platzieren,<br />
die asymmetrische Doppelzacke ist ideal<br />
im Blankeis, die Doppelzacke in Schneecouloirs<br />
sowie Eisrinnen. Die seitlichen<br />
Halbzacken garantieren dabei sicheren Halt<br />
in verschiedenen Eis-Bedingungen. Ein ungewolltes<br />
Ansammeln von Schnee unter den<br />
Steigeisen wird durch Antistollplatten verhindert.<br />
Das Bindungssystem Leverlock Fil<br />
mit Fersenkipphebel und Frontbügel ist für<br />
jeden steigeisenfesten Bergschuh genauso<br />
wie für Tourenskischuhe geeignet. Praktisch:<br />
Sind die Frontalzacken oder die Frontteile zu<br />
stark abgenutzt, bietet Petzl Ersatz.<br />
NEU<br />
AUFLAGE<br />
Der Klassiker von Haglöfs ist zurück: Die Spitz<br />
Jacket W wurde mit neuen Materialien und<br />
neuer Passform aufgerüstet. Das dreilagige<br />
Gore-Tex Pro Material schützt mit einer Wassersäule<br />
von 28ʼ000 mm vor Niederschlag.<br />
Zusätzlich ist die Oberfläche mit einer Imprägnierung<br />
versehen. An viel beanspruchten Stellen<br />
wurde das Material verstärkt. Die dreifach<br />
verstellbare Kapuze mit beschichtetem Schirm<br />
ist helmkompatibel und leicht einstellbar. Werden<br />
Aufstieg oder Abfahrt anstrengender, sorgen<br />
Unterarmreissverschlüsse für Ventilation.<br />
In diversen Aussen- und Innentaschen finden<br />
Handy, Karte und andere Kleinigkeiten Platz.<br />
Ebenfalls neu ist der integrierte Recco-Reflektor,<br />
der in Kombination mit dem Rettungssystem<br />
SAR 1 eine bessere Auffindbarkeit im Gelände<br />
ermöglicht.<br />
SAMUEL BUNDI<br />
BÄCHLI BERGSPORT CHUR<br />
JONAS ALLEMANN<br />
BÄCHLI BERGSPORT BASEL<br />
BERNARD CHEVALLEY<br />
BÄCHLI BERGSPORT THUN<br />
VISION DOWN PARKA<br />
BLACK DIAMOND<br />
Gewicht 850 g<br />
Preis CHF 409.–<br />
DART LEVERLOCK FIL<br />
PETZL<br />
Gewicht 820 g<br />
Preis CHF 249.–<br />
SPITZ JACKET W<br />
HAGLÖFS<br />
Gewicht 440 g (Grösse M)<br />
Preis CHF 629.–<br />
38 39
EXPERT LVS-GERÄTE<br />
KLUGE<br />
CHÄSCHTLI<br />
Geräte zur Suche von Lawinenverschütteten sind ausgereifter<br />
denn je. Dass in der Praxis dennoch gelegentlich<br />
Probleme auftreten, liegt eher in der Natur des Menschen.<br />
ILLUSTRATION: SOPHIE KETTERER<br />
TEXT THOMAS EBERT<br />
Jedes Bergsportprodukt hat eine primäre<br />
Funktion. Hardshells müssen Wind und<br />
Regen abhalten, Kletterseile müssen<br />
Sturzenergie aufnehmen, ohne zu reissen, und<br />
Lawinenverschüttetensuchgeräte, oder kurz:<br />
LVS-Geräte, müssen Ersthelfer schnell und zuverlässig<br />
zum Verschütteten lotsen. Wobei<br />
beim LVS-Gerät, anders als bei Seil oder Jacke,<br />
immer noch ein beträchtlicher Anteil des Gelingens<br />
vom Benutzer abhängt. Kein anderes<br />
Bergsportprodukt muss im Ernstfall unter so<br />
grossem Stress bedient werden wie der «Piepser».<br />
Denn wenn ein guter Freund oder eine<br />
gute Freundin unter dem Schnee begraben<br />
liegt und die Zeit drängt, dann ist ein «kühler<br />
Kopf» unendlich leichter gesagt als bewahrt. In<br />
Panik kann selbst das Umschalten von «Senden»<br />
auf «Suchen» zu einer Herausforderung<br />
werden. Gute LVS-Geräte sind also nicht nur<br />
sehr leistungsfähig, sondern müssen auch im<br />
Ausnahmezustand intuitiv zu bedienen sein.<br />
Doch der Reihe nach. Was steckt eigentlich in<br />
einem LVS-Gerät? Die europäische Norm<br />
300718 schreibt vor, dass LVS-Geräte auf der<br />
einheitlichen Frequenz von 457 kHz senden.<br />
Was logisch klingt, ist nicht selbstverständlich,<br />
denn noch in den 1980er-Jahren herrschte ein<br />
Durcheinander von Frequenzen. Erzeugt und<br />
empfangen werden die Signale mit hochsensiblen<br />
Ferritantennen – drei davon sollte heutzutage<br />
jedes LVS-Gerät besitzen. Denn gesendet<br />
werden die Signale entlang einer Achse, und<br />
zwar nicht strahlenförmig, sondern in nierenförmigen<br />
Feldlinien. Vereinfacht gesagt wandert<br />
das Signal in einem Bogen vom einen Pol einer<br />
Antenne zum anderen Pol. Experten sprechen<br />
von einer «ungünstigen Koppellage», wenn das<br />
vom Sender ausgestrahlte Magnetfeld beim<br />
Empfänger kein Signal erzeugt. Daher suchen<br />
moderne LVS-Geräte mit drei Antennen – in<br />
jede Richtung des Raumes eine, damit das<br />
Sendesignal auch beim Empfänger registriert<br />
werden kann. Die Antennen sind auch der<br />
Grund, warum Nutzer nicht über die Grösse<br />
von LVS-Geräten klagen sollten. Zwar wirken<br />
die Geräte im Vergleich zu sieben Millimeter<br />
flachen und superschlauen Smartphones recht<br />
klobig. Doch die Signalstärke der Antennen, die<br />
das grösste Bauteil in einem LVS-Gerät sind,<br />
hängt direkt von ihrer Grösse ab, und hier ist<br />
das physikalische Limit erreicht. «Die ideale<br />
Form für ein LVS-Gerät wäre ein Würfel», sagt<br />
Heinz Stocker, Marketing-Manager bei der österreichischen<br />
Firma Pieps. Dann könnten alle drei<br />
Antennen gleich gross und stark sein. Weil ein<br />
LVS-Gerät aber immer am Körper getragen<br />
werden muss – einen Rucksack kann die Lawine<br />
mit Leichtigkeit davonschleudern – muss zumindest<br />
eine Antenne kürzer ausfallen.<br />
GUT GEFÜHRT<br />
Matthias Schmid, Bächli-Bergsport-Experte,<br />
bewertet das derzeitige Angebot an LVS-Geräten<br />
positiv. «Die Entwickler machen zurzeit einen<br />
super Job. Eine Weile gab es fast eine Flut an<br />
neuen Geräten – da war nicht immer so klar,<br />
welche die zuverlässigsten sind. Heute hat sich<br />
das Angebot ziemlich konsolidiert.» Zentrale<br />
Funktionen, die ein modernes LVS-Gerät leisten<br />
sollte, sind neben den standardmässigen drei<br />
Antennen: eine Suchstreifenbreite von mindestens<br />
50 Metern, ein kontrastreiches Display mit<br />
Beleuchtung, Gruppencheck, eine Markierfunktion<br />
bei Mehrfachverschüttungen sowie eine automatische<br />
Umschaltung vom Such- in den Sendemodus,<br />
für den Fall von Nachlawinen. Alle bei<br />
Bächli Bergsport erhältlichen Geräte haben das<br />
drauf. «Bei den Geräten, die wir derzeit anbieten,<br />
geht es eigentlich nur noch darum, welche<br />
Benutzerführung dem Kunden mehr entgegenkommt»,<br />
so Schmid.<br />
Stichwort Benutzerführung: Wie eingangs erwähnt,<br />
sollten gute LVS-Geräte so intuitiv wie<br />
möglich sein, gleichzeitig aber mit vielen Suchszenarien<br />
zurechtkommen. Diesen Spagat beherrschen<br />
die Hersteller immer besser: «Wer<br />
heute ein neues Gerät in die Hand nimmt,<br />
kommt fast schon auf Anhieb damit klar», findet<br />
Schmid und hebt ein Gerät besonders hervor:<br />
INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
41
EXPERT<br />
LVS-GERÄTE<br />
SCHALTER<br />
ODER SENSOR?<br />
«Die meisten Kunden haben<br />
Freude am Knopf. Ein Tastendruck,<br />
optisches und haptisches<br />
Feedback – gerade beim LVS ist<br />
die Intuition wichtig.»<br />
Mammuts Barryvox reduziert etwa die Sensibilität<br />
von Antennen (und damit die Suchstreifenbreite),<br />
wenn Störelemente vorliegen, bei der<br />
«Interference Protection» von Pieps wird automatisch<br />
auf die weniger beeinträchtigte Antenne<br />
umgeschaltet. Zudem sollen Geistersignale verhindert<br />
werden, indem ausschliesslich über 457<br />
kHz gesendete Signale als Verschüttung angezeigt<br />
werden.<br />
«Die visuelle Führung zum Verschütteten ist<br />
beim Barryvox S von Mammut schon klasse gelöst.»<br />
Neben dem Richtungspfeil und der Distanz<br />
zeigt das Display etwa auch an, in welchem<br />
Tempo und Muster sich der Sucher über den Lawinenkegel<br />
bewegen sollte. Und wer sich zwar<br />
auf der richtigen Feldlinie, aber in die falsche<br />
Richtung bewegt, wird per Signal zur 180-Grad-<br />
Wende aufgefordert. Zielführend, im wahrsten<br />
Sinne des Wortes, ist nicht, die LVS-Geräte mit<br />
möglichst vielen Funktionen vollzustopfen, sondern<br />
die Suche zu vereinfachen. So sind LVS-Geräte<br />
mit integriertem Höhenmesser etwa wieder<br />
vom Markt verschwunden.<br />
Jeder Wintersportler, der im Gelände aktiv ist,<br />
braucht ein LVS-Gerät, vom Skitourengeher<br />
über den Eiskletterer bis zum Alpinisten. Diesen<br />
sehr breiten Markt bedienen fast alle Hersteller<br />
mit einer zweigleisigen Strategie: Neben einem<br />
Topmodell mit Funktionen für Profi-Anwender<br />
(etwa Bergführer und -retter) wird ein etwas<br />
günstigeres Standardmodell angeboten. Mammuts<br />
Topmodell Barryvox S verfügt etwa über<br />
einen Analog-Modus mit erhöhter Suchstreifenbreite<br />
und kann Vitaldaten von Verschütteten<br />
(etwa Bewegungen beim Atmen) übermitteln.<br />
Modelle von Pieps lassen sich via Bluetooth per<br />
App konfigurieren. «Eine klasse Funktion, auch<br />
für Übungsszenarien», meint Bächli-Experte<br />
Schmid, «aber konfigurieren sollte man das Gerät<br />
zu Hause, nicht dann, wenn man die Lawine<br />
Um bei der Verschütteten-<br />
Suche Interferenzen mit<br />
metallischen Gegenständen<br />
oder elektronischen<br />
Geräten zu vermeiden,<br />
sollte man das LVS-Gerät<br />
möglichst weit vom Körper<br />
entfernt halten.<br />
schon kommen sieht.» Schmid selbst rät zwar<br />
nicht jedem Kunden zum Topmodell. «Aber oft<br />
stören die Zusatzfunktionen für Profis den Einsteiger<br />
nicht. Ein Fahranfänger nimmt ja auch<br />
kein Auto ohne ABS.»<br />
FEHLERURSACHE MENSCH<br />
In jüngster Zeit häuften sich die Berichte über<br />
Fehlfunktionen an LVS-Geräten, die Branche verzeichnete<br />
steigende Reklamationsraten, und<br />
selbst SRF berichtete Ende November über<br />
«Geistersignale beim LVS-Gerät». Dahinter<br />
steckt in so gut wie allen Fällen: der Mensch. Ursächlich<br />
für die Fehlfunktionen sind metallische<br />
Gegenstände sowie elektronische Geräte, die<br />
sich zu nah am LVS-Gerät befinden. Im Sendemodus<br />
können Lawinenschaufeln, Sackmesser<br />
oder Magnetknöpfe, aber sogar die Alufolie eines<br />
Müesliriegels das Signal abschirmen. Noch anfälliger<br />
für Störungen ist der Suchmodus: Elektronische<br />
Helfer wie Kameras, Smartphones oder<br />
GPS-Uhren können Probleme verursachen, wenn<br />
sie dem LVS-Gerät zu nah kommen – insbesondere<br />
im Suchmodus. Übrigens stören Smartphones<br />
auch dann, wenn sie im Flugmodus oder<br />
ausgeschaltet sind, und zwar umso mehr, je grösser<br />
ihr Display ist. Matthias Schmid erlebte auf<br />
einer Übung, wie sich ein beheizbarer Handschuh<br />
als Übeltäter entpuppte: «Die Heizschlaufen<br />
im Handschuh haben sich gar nicht mit dem<br />
LVS vertragen». Die Hersteller weisen in ihren<br />
Bedienungsanleitungen offensiv auf diesen Um-<br />
FOTO: MAURITIUS IMAGES / MAXIMILIAN PRECHTEL<br />
MATTHIAS SCHMID,<br />
PRODUKTMANAGER LVS-GERÄTE<br />
stand hin. 50 Zentimeter Abstand vom LVS-Gerät<br />
im Suchmodus und 20 Zentimeter im Sendemodus<br />
gelten derzeit unisono als ausreichend. Das<br />
Handy sollte man also keinesfalls mit dem<br />
LVS-Gerät in eine Tasche stecken. Zudem reagieren<br />
die Hersteller aktiv auf die «Fehlbedienungen»:<br />
BACKLAND<br />
EVERYDAY ADVENTURE<br />
Letztlich liegt eine erfolgreiche Suche mit dem<br />
LVS-Gerät aber immer noch in den Händen des<br />
Nutzers. «Bei uns im Laden kann man alle Funktionen<br />
ausprobieren, das Gerät in die Hand nehmen»,<br />
empfiehlt Schmid, auch einfache Suchszenarien<br />
sind vor Ort möglich. Hat man sich für ein<br />
Gerät entschieden, «ist üben, üben, üben angesagt.<br />
Jährlich mit den Freunden zum Auftakt eine<br />
kleine Tour machen, die LVS auspacken und alles<br />
üben, das ist immer eine gute Idee.» Damit im<br />
Ernstfall jeder weiss, was zu tun ist.<br />
42 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
43
GIPFELTREFFEN YANNICK GLATTHARD<br />
«MEIN LEHRGELD<br />
MUSS ICH SCHON<br />
SELBER BEZAHLEN»<br />
Mit 21 Jahren ist Yannick Glatthard bereits ein hochdekorierter Sport- und<br />
Eiskletterer. Wichtiger als Podestplätze ist dem Bergführer- Anwärter<br />
allerdings ein guter Stil – in den Bergen, aber auch vor der eigenen Haustür.<br />
Dafür greift Glatthard auch zu ungewöhnlichen Mitteln.<br />
INTERVIEW THOMAS EBERT<br />
44<br />
Yannick, bevor wir zum Sportlichen<br />
kommen: Du bist 21 Jahre alt, weltweit<br />
sensibilisiert sich deine Generation<br />
für mehr Nachhaltigkeit. Was<br />
ist deine Haltung?<br />
Das ist mir schon sehr wichtig. Sicher<br />
sollten wir vieles etwas zurückschrauben.<br />
Aber ich bin nicht radikal.<br />
Nie mehr fliegen oder nie mehr<br />
Auto fahren, das kann ich ja selber<br />
gar nicht einhalten. Ich wohne eine<br />
Viertelstunde von Meiringen im Urbachtal,<br />
ich brauche mein Auto. Und<br />
ich bin 21 Jahre alt, ich finde, dass<br />
ich noch etwas von der Welt sehen<br />
darf. Aber ich schaue, dass ich nur<br />
einen langen Flug pro Jahr habe.<br />
Die Schweiz hat ja einen sehr hohen<br />
CO 2<br />
-Abdruck pro Kopf, aber weil ich<br />
recht bescheiden wohne, bin ich immerhin<br />
noch unter dem Durchschnitt,<br />
trotz der Fliegerei.<br />
Das heisst, du weisst, wie viel CO 2<br />
du ausstösst?<br />
Ja. Es sind etwa 8 Tonnen im Jahr.<br />
CO 2<br />
reduzieren ist wichtig, aber mein<br />
Fokus liegt auf dem Wegwerf-Thema.<br />
Ich könnte bei meinem Sponsor jedes<br />
Jahr für ein bestimmtes Budget<br />
Kleider bestellen. Aber das will ich<br />
gar nicht, ich habe ja noch meine alte<br />
Daunenjacke. Ich flicke die echt gerne,<br />
das macht ja auch das Kleidungsstück<br />
aus. Da könnte sich jeder etwas<br />
zurücknehmen. In der Schweiz ist das<br />
aber nicht so selbstverständlich. Viele<br />
fahren ihre Skis nur eine Saison und<br />
werfen sie dann weg. Mit dieser Wegwerf-Gesellschaft<br />
habe ich echt Mühe.<br />
Du hast gemeint, du wohnst bescheiden?<br />
Meine Mutter und ich haben ein altes<br />
Holzhaus, 200 Jahre alt. Es gibt einen<br />
Schwedenofen für das ganze Haus,<br />
das ist die einzige Heizung. Obwohl<br />
ich gerade erst neu isoliere, kommen<br />
wir mit sieben Ster Holz gut durch.<br />
Aber klar, wenn du drei Tage nicht zu<br />
Hause bist, sinkt die Innentemperatur<br />
gegen null. Mir gefällt das. Ich komme<br />
FOTO: DIEGO SCHLÄPPI<br />
«Zimmermann, Bergführer,<br />
dazu Klettern: Ich wusste schon<br />
in der 6. Klasse, was ich will.»<br />
Auch in der «Poebene» (8a+/8b)<br />
in Lauterbrunnen hat Yannick<br />
Glatthard das Ziel fest im Blick.<br />
45
GIPFELTREFFEN<br />
YANNICK GLATTHARD<br />
nach Hause, es ist kalt, ich mache etwas,<br />
also habe ich warm. Eine direkte<br />
Konsequenz, und man heizt nicht<br />
mehr, als man muss.<br />
Seit drei Jahren bist du Zimmermann.<br />
Arbeitest du eigentlich in<br />
deinem Beruf?<br />
Pro Jahr noch zirka einen Monat. So<br />
bleibe ich à jour, es wäre ja schlecht,<br />
alles Gelernte wieder zu vergessen.<br />
Und in der Zwischensaison gibt es<br />
immer etwas Arbeit.<br />
Aber finanziell wäre es nicht nötig?<br />
Nein, da habe ich andere Säulen.<br />
Am meisten verdiene ich durch die<br />
Arbeit als Bergführeraspirant, aber<br />
auch die Wettkampfprämien sind<br />
nicht zu verachten, dazu noch Sponsoring-Beiträge.<br />
Lebst du schon als klassischer<br />
Profibergsteiger?<br />
Ich bin nicht der Typ, der sich rundum<br />
verkauft. Lieber nur Materialsponsoring,<br />
dafür kann ich meine Ziele für<br />
nächstes Jahr selbst bestimmen. Ich<br />
leiste lieber etwas, bevor ich den Lohn<br />
dafür erhalte. Nicht andersrum. Ich<br />
poste schon auf Social Media, habe<br />
aber keine Strategie, um in zwei Jahren<br />
auf soundso viele Follower zu kommen.<br />
Entweder teilt der Sponsor meine<br />
Philosophie, oder es passt halt nicht.<br />
Was ist denn deine Philosophie?<br />
Bergsteigen ist ein Ego-Ding, das<br />
machst du ja wirklich nur für dich.<br />
Wenn man klettert, denkt man doch<br />
nie daran, ob etwas einen guten Post<br />
abgeben würde. Alles ist heute so<br />
überspitzt. Vielen geht es nur um den<br />
härtesten Zug, aber dafür kann man<br />
in die Kletterhalle gehen. Mir geht<br />
es nicht nur darum, von hier bis da<br />
klettern zu können. Sondern mich mit<br />
mobilen Sicherungsgeräten durch den<br />
Fels zu bewegen. Viel investieren, so<br />
lange probieren, bis ich es schaffe.<br />
Und nicht alle 1,5 Meter einen Haken<br />
setzen. Didier Berthod hat mal gesagt,<br />
man sollte den Fels nicht so verändern,<br />
dass er zu zugänglich wird. Das finde<br />
ich einen ganz treffenden Satz. Darum<br />
auch die Wendenaktion.<br />
Die «Wendenaktion» – du hast im<br />
September alle Bohrhaken aus der<br />
neu eingerichteten Route «Gran<br />
Paradiso» an den Wendenstöcken<br />
entfernt. Warum?<br />
Es ist bekannt, dass es an den Wendenstöcken<br />
einen obligatorischen Stil<br />
gibt. Man kann da schon technisch<br />
klettern, aber dann mit Cliffs, Keilen,<br />
Peckers etc. Aber nicht mit einer<br />
Bohrmaschine. Nachdem ich von<br />
«Gran Paradiso» und ihrer Charakteristik<br />
erfahren habe, bin ich mit Michal<br />
Pitelka über die Route abgeseilt.<br />
Überall waren Bohrlöcher drin, nicht<br />
nur angebohrt für den Cliff, sondern<br />
fünf Zentimeter tief. Die haben sich<br />
hochgebohrt. Da habe ich gesagt:<br />
Michal, fertig hier, wir nehmen die<br />
Route raus. Das fand er dann auch.<br />
Das kann man nicht bieten, das ist<br />
Missbrauch am Fels.<br />
Und ihr seid so eine Art Hausmeister<br />
an den Wendenstöcken?<br />
Nein, der Fels gehört allen. Ich habe<br />
davor noch nie eine Route entfernt.<br />
Bei «Gran Paradiso» habe ich vorab<br />
mit 20 Kletterern von hier über Bern<br />
bis ins Wallis telefoniert und gefragt,<br />
wie wir als Szene vorgehen sollen.<br />
Alle sind dafür gewesen, dass man ein<br />
klares Zeichen setzt und zeigt, dass es<br />
so nicht geht.<br />
Wie damals, als Hayden Kennedy<br />
und Jason Kruk die Kompressorroute<br />
am Cerro Torre ausnagelten,<br />
gab es ein ordentliches Medienecho.<br />
Im Netz war die Rede von «Vandalismus»<br />
und «Selbstjustiz». Hast du<br />
damit gerechnet?<br />
Ja, das habe ich erwartet. Ich wusste<br />
auch, dass es verschiedene Ansichten<br />
geben wird. In meinem Postfach hat es<br />
Kleine Griffe, grosse Moral:<br />
Yannick Glatthard in «Portami<br />
Via» (7c+) an den Wendenstöcken.<br />
Seit 2004 sah die abenteuerlich<br />
abgesicherte Route erst<br />
vier Rotpunktbegehungen, u. a.<br />
von Ueli Steck, Tommy Caldwell<br />
und nun Glatthard.<br />
FOTO LINKS: ARCHIV YANNICK GLATTHARD, FOTO RECHTS: HEIMATWERK HASLITAL / DAVID BIRRI<br />
ganz schön gerappelt. Aber ich kann<br />
das gut einordnen. Heute sehe ich ein,<br />
dass wir uns vorab mit dem Routenbauer<br />
hätten kurzschliessen sollen. Wobei<br />
wir dachten: Wir sagen rausnehmen, er<br />
sagt drinlassen – was bringt es da, miteinander<br />
zu sprechen. Eins ist klar: Ich<br />
gehe sicher nicht eine Route ausnageln,<br />
damit ich Medienpräsenz habe!<br />
Warum habt ihr Fotos der Aktion auf<br />
Instagram gestellt?<br />
Das war auch ein Wunsch der Kletterszene.<br />
Wenn ich etwas mache, dann<br />
stehe ich dazu, auch öffentlich. Dass<br />
ich für die Szene den Kopf hinhalte, ist<br />
kein Problem für mich. Ich finde den<br />
Post gut, weil er sich verbreitet hat und<br />
jetzt jedem klar ist, dass ein respektloser<br />
Umgang mit dem Fels grundsätzlich<br />
nicht tolerierbar ist.<br />
Kannst du dich in den Erstbegeher<br />
Jörg Andreas hineinversetzen? Wie<br />
fändest du es, wenn jemand deine<br />
Erstbegehung zerstört?<br />
Ich würde mich wohl schämen. Ehrlich.<br />
Wenn meine Route von der lokalen<br />
Kletterszene wegen fehlendem Respekt<br />
vor dem Fels rausgenommen wird,<br />
dann hätte ich ein echtes Problem mit<br />
mir selbst.<br />
Schon mit 17 hast du gesagt, dass<br />
dich Erlebnisse in den Bergen mehr<br />
reizen als jedes Podest. Warst du<br />
damals wirklich so abgeklärt, oder<br />
war das nur Tiefstapelei?<br />
Ganz falsch war das nicht, einen genauen<br />
Plan hatte ich schon immer.<br />
Seit der 6. Klasse weiss ich, dass ich<br />
Zimmermann und Bergführer werden<br />
will, und dazu klettern. Allerdings<br />
hat sich seitdem viel verändert. Mit<br />
18 hatte ich einen Zusammenbruch.<br />
Es war mein letztes Lehrjahr, dazu<br />
die Wettkämpfe, im Alpinismus hatte<br />
ich auch ein paar Projekte – und für<br />
alles war ich hochmotiviert. Nach der<br />
Abschlussprüfung hat es mich für drei<br />
Monate ins Bett gehauen. Von heute<br />
«Die Disco gibt mir<br />
vergleichsweise wenig.»<br />
Die Berge im heimischen<br />
Haslital sind<br />
Dreh- und Angelpunkt<br />
in Glatthards Leben.<br />
auf morgen, niemand wusste, wieso.<br />
Mir ist es im Nachhinein klar.<br />
Woran lag es?<br />
Ich würde sagen, es war ein motorischer<br />
Burn-out. Tag für Tag hatte<br />
ich weniger Energie, obwohl ich 15<br />
Stunden am Tag gepennt habe.<br />
Wie bist du wieder auf die Beine<br />
gekommen?<br />
Ich achte jetzt viel mehr auf meine<br />
Erholung, Ernährung, und dass ich<br />
zur Ruhe komme. Ich habe gelernt,<br />
nichts zu tun, was mir extrem<br />
schwerfällt. Und ich habe mental<br />
gearbeitet, was heute eine meiner<br />
Stärken ist. Ich habe mir neue<br />
Ziele gesetzt. Nicht: «Ich möchte 9a<br />
klettern», sondern: «In diesem Jahr<br />
lerne ich Gelassenheit.»<br />
Greifst du da auf bestimmte Methoden<br />
zurück?<br />
Ja, zum Beispiel auf Kinesiologie. Auf<br />
den Körper hören, nicht einfach nur die<br />
Kampfmaschine sein, sondern auch die<br />
ganz feinen Sachen wahrnehmen. Ich<br />
diskutiere auch viel mit meiner Mentaltrainerin.<br />
Stichwort «Gran Paradiso»:<br />
Ich wusste ja, dass da ein Shitstorm<br />
kommen würde. Einerseits wollte ich<br />
ihn nicht an mich heranlassen, andererseits<br />
war ich neugierig, wie diese Aktion<br />
auf mich wirkt. In meinem Tagesjournal<br />
habe ich das dann verarbeitet.<br />
46<br />
INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
47
GIPFELTREFFEN<br />
YANNICK GLATTHARD<br />
«Ich leiste lieber etwas, bevor<br />
ich den Lohn dafür<br />
erhalte. Nicht andersrum.»<br />
Du schreibst Tagesjournal?<br />
Wenn ich einen schlechten Tag hatte,<br />
dann wird der aufgeschrieben und es<br />
kann neu losgehen. Und ich zeichne<br />
jeden Monat meine Höhen und Tiefen<br />
auf einer Kurve auf. Wenn ich dann<br />
zwei Monate viele Peaks hatte, muss<br />
ich nicht im dritten Monat noch ein<br />
Vollgas-Projekt angehen.<br />
Freeriden, Sport- und Eisklettern<br />
sowieso, alpine Projekte, Bigwall-<br />
Klettern am El Capitan – da fehlen ja<br />
eigentlich nur noch die Expeditionen.<br />
Hohe Berge sagen mir nicht so<br />
viel. Mich reizt eher das Versteckte,<br />
Einsame. Aber ich habe jetzt keine<br />
Ambitionen Richtung Seven Summits.<br />
Ich fände es echt geil, mal auf 6000<br />
Metern noch schwer zu klettern. Trango<br />
Tower oder auch Patagonien, da<br />
werde ich sicher mal hingehen, wenn<br />
die Konstellation passt.<br />
Konstellation heisst, mit dem richtigen<br />
Kletterpartner?<br />
Ja, da bin ich schon konservativ eingestellt.<br />
Meinen Kletterpartner muss ich<br />
schon sehr gut kennen, um zusammen<br />
auf Expedition zu gehen. Da kann<br />
man sich nicht noch auf menschliche<br />
Experimente einlassen.<br />
Auch nicht, wenn dich jemand von<br />
den alten Hasen einlädt?<br />
Klar wäre das cool. Aber es schadet auch<br />
nicht, selber etwas zu entdecken. Dann<br />
trage ich das Risiko meiner taktischen<br />
Entscheidungen selbst. Mein Lehrgeld<br />
muss ich schon selber bezahlen.<br />
Du willst dich als jüngerer Bergsteiger<br />
nicht als zweites Glied<br />
einordnen?<br />
Ja, so kann man das sagen. Aber<br />
wenn die Konstellation stimmt, gibt es<br />
ohnehin kein zweites Glied, weil jeder<br />
Kopfüber ins Glück: 2019<br />
gewinnt Yannick Glatthard<br />
vor 18ʼ000 Zuschauern<br />
den Eiskletter-Weltcup in<br />
Denver / USA – obwohl er<br />
den Wettkampf eigentlich<br />
schon abgesagt hatte.<br />
auf seinem Gebiet absolut notwendig<br />
ist und vom Partner respektiert wird.<br />
Am Berg wie auch im Marketing.<br />
Wie geht es denn mit deiner Eiskletter-Karriere<br />
weiter? Erst der<br />
Rückzug, und letzten Winter hast<br />
du die Weltcups in Saas-Fee und in<br />
Denver gewonnen.<br />
Wettkämpfe sind eine Hassliebe von<br />
mir. Mit 18 habe ich ja mal Pause<br />
gemacht, für die Bergführerausbildung.<br />
Das hat gut getan. Aber schon<br />
im Herbst hat mir die Competition<br />
gefehlt. Das 20-jährige Jubiläum vom<br />
Eiskletter-Weltcup in Saas-Fee war<br />
dann ein gutes Trainingsziel.<br />
Einmal im Parkhaus gewinnen ...<br />
… das war schon immer ein Kindheitstraum<br />
von mir! Aus der Wettkampfpause<br />
zurück nach Saas-Fee<br />
und direkt gewinnen, das hat mich<br />
schon gereizt.<br />
Ein Ego-Streichler.<br />
Voll. Ego ist Ego, ohne geht es nicht.<br />
Nach dem Sieg in Saas-Fee habe<br />
ich auch für Denver zugesagt. Aber<br />
dann hat sich für ein alpines Projekt,<br />
auf das ich schon sehr lange schaue,<br />
ein Wetterfenster aufgetan. Dann bin<br />
ich einfach meinem Flow nachgegangen,<br />
habe Denver abgesagt, und<br />
bin in das Projekt …<br />
Was für ein Projekt war das?<br />
Hmm, einfach ein alpines Projekt<br />
(schmunzelt). Wir sind aber abgeblitzt,<br />
und waren nach 18 Stunden<br />
wieder zu Hause. Dort habe ich ge-<br />
FOTO: HEATHER FAIRCHILD<br />
merkt, dass ich den Denver-Flug gar<br />
nicht gecancelt hatte.<br />
Oh!<br />
Also gepackt, morgens um 6 in Zürich<br />
gewesen, Abflug. Das war schon sehr<br />
mystisch. Der Flug war brechend voll,<br />
nur der Passagier neben mir ist nicht<br />
erschienen. Eine Reihe nur für mich,<br />
ich habe den ganzen Flug geschlafen.<br />
In Denver bin ich, weiter voll im Flow,<br />
noch die «Saphira» geklettert, eine<br />
M15. Ich hatte nicht mal die richtigen<br />
Steigeisen dabei. Unten ist mir eingefallen,<br />
dass am nächsten Tag der<br />
Weltcup ist. Ich weiss heute noch<br />
nicht, wie ich das Finale geklettert bin.<br />
Es war keine Anstrengung im Wortsinn.<br />
Eher, wie wenn man im Zug sitzt.<br />
Wie auf Schienen.<br />
Wie läuft denn die Jugend eines angehenden<br />
Profi-Bergsteigers ab? Ist<br />
Schnupftabak dein einziges Laster?<br />
Wenn ich kein Schnupf habe, nehme ich<br />
manchmal ein Snus zur Entspannung.<br />
Sonst nichts!<br />
Also ist noch Zeit für einen Disco-<br />
Besuch, oder kletterst du nur noch?<br />
Nein, nein … Ich hatte schon auch<br />
meine wilde Zeit. Aber was ich am<br />
Klettersport extrem schätze, ist das<br />
Kollegiale. Man klettert zusammen,<br />
man isst zusammen, man macht Party<br />
zusammen, man steht zueinander. Da<br />
gibt mir die Disco vergleichsweise wenig,<br />
auch wenn ich da natürlich auch<br />
war, mit 16 oder so. Nach unserem<br />
Yosemite-Trip letzten Herbst waren<br />
wir noch in Las Vegas. Das war mir<br />
höchst unangenehm.<br />
Warum, hast du im Casino verloren?<br />
Wir waren dort, aber ich habe nicht gespielt.<br />
Der ganze Lärm, alle präsentieren<br />
sich … da wird mir richtig unwohl.<br />
Früher hattest du sogar in Thun<br />
Orientierungsprobleme, ist das<br />
inzwischen besser?<br />
Haha. Ja, das ist besser geworden.<br />
Ich habe noch meine Links-Rechts-<br />
Schwäche, aber ich gehe mittlerweile<br />
ziemlich gerne in die Stadt. Und es ist<br />
mir auch egal, wenn ich etwas nicht<br />
auf Anhieb finde.<br />
Ein wenig die Anonymität der<br />
Stadt geniessen?<br />
Ja. In Bern kann ich mit den grossen<br />
Kopfhörern und Kapuze drüber herumlaufen.<br />
In Meiringen geht das<br />
nicht, das ist ein Dorf mit einem Dorfleben,<br />
wo man auch dazugehört.<br />
Du bist derzeit Bergführer-Anwärter.<br />
Gäste auf die immer gleichen Berge<br />
ziehen, zehn Mal Jungfrau pro Saison,<br />
ist das wirklich das, was du willst?<br />
Das gefällt mir enorm gut. Ich habe<br />
den Vater meiner Freundin mit aufs<br />
Diechterhorn geführt. Der hat sich so<br />
gefreut! Er hat sich richtig vorbereitet,<br />
neue Schuhe besorgt und ist viel Wandern<br />
gegangen. Zu sehen, was ihm<br />
der Gipfel gegeben hat, das war das<br />
schönste Erlebnis des Jahres. Und<br />
ohne Führen geht es als Profibergsteiger<br />
eh immer nur um dich. Bin ich fit?<br />
Kann ich heute die Route klettern? Da<br />
tut der Ausgleich mit Gästen gut.<br />
Besteht keine Gefahr, dass du das<br />
Führen irgendwann nur noch als<br />
Dienstleistung ansiehst?<br />
Diese Gefahr gibt es sicher. Wichtig<br />
ist, dass die eigenen Ambitionen befriedigt<br />
sind. Dann ist man ausgeglichen<br />
gegenüber den Gästen. Ich werde<br />
nicht der Bergführer sein, der 29<br />
Tage pro Monat einen Gast nach dem<br />
anderen begleitet. Mehr als sechs<br />
Tage am Stück Führen geht nicht,<br />
ich brauche auch viel Zeit für mich.<br />
Aber wenn das passt, freue mich auf<br />
jeden einzelnen Gast. Es ist ja auch<br />
sicherer: Wenn man gerne selbst<br />
etwas machen würde und die Gäste<br />
mit reinzieht, einen Gipfel durchzieht,<br />
obwohl nicht viel dafür spricht – das<br />
ist schade.<br />
Dein Grossvater Arnold Glatthard<br />
gründete 1940 die erste Bergsteigerschule<br />
der Welt. Du bist<br />
heute noch mit seinem Eispickel<br />
unterwegs. Gibt es für dich Fussstapfen,<br />
die du ausfüllen musst?<br />
Ich war sechs Jahre alt, als er starb.<br />
Was bei ihm sehr dominant war, war<br />
sein Charakter, seine Motivation<br />
gegenüber den Bergen. Ende der<br />
40er-Jahre hat er ein kleines Heftchen<br />
gemacht, wie man sich als Bergführer<br />
gegenüber den Gästen zu verhalten<br />
hat. Viele der Inhalte sind heute noch<br />
aktuell. Er war ein wenig seiner Zeit<br />
voraus. Seine vielen Ideen, die Initiative<br />
ergreifen, sich ausprobieren, exponieren<br />
– das ist schon etwas, wo ich<br />
mir ein Stück abschneiden möchte.<br />
STECKBRIEF<br />
YANNICK GLATTHARD<br />
Yannick Glatthard, geboren am 14. Januar<br />
1998 in Meiringen, ist mehrfacher Junioren-<br />
Weltmeister im Eisklettern und belegte im<br />
Gesamtweltcup 2019 den 3. Rang. Er war<br />
Mitglied der Schweizer Sportkletter-Nationalmannschaft<br />
und Teilnehmer der Freeride<br />
World Tour. 2019 gelangen ihm Rotpunkt-<br />
Wiederholungen von «Golden Gate» (5.13a,<br />
El Capitan), «Rotbrätt» (8a+, Jungfrau) und<br />
«Portami Via» (7c+, Wendenstöcke). Im<br />
November erhielt er als erster Bergsportler<br />
seit Jürg von Känel den Panathlon-Preis<br />
des Clubs Berner Oberland, der alle zwei<br />
Jahre für Fairness und Ethik an ausgezeichnete<br />
Sportler vergeben wird.<br />
yannickglatthard.ch<br />
48<br />
INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong> 49
HAUSBERG NIESEN<br />
H A U S B E R G<br />
Man tut dem Niesen nicht unrecht, wenn man ihn<br />
als einen klassischen Ausflugsberg bezeichnet.<br />
Knapp 30 Minuten braucht die Standseilbahn<br />
hinauf zur Niesen Kulm. Von dort sind es dann nur wenige<br />
Schritte bis zur eigentlichen Gipfelplattform auf 2362<br />
Metern. Doch wenn die Ausflügler, Wanderer und die vielen<br />
Familien mit Kind und Kegel, die den Niesen Kulm bevölkern,<br />
sitze ich schon wieder bei einem gemütlichen<br />
Kaffee zu Hause in Spiez.<br />
«Ich war sicher schon 400 Mal auf dem<br />
Niesen. Leider bisher noch nie mit Ski. Das<br />
steht ganz oben auf meiner Liste.»<br />
VOM VIRUS<br />
INFIZIERT<br />
PROTOKOLL THOMAS WERZ<br />
Kraftort, Trainingsgelände,<br />
guter Freund: Ein Hausberg<br />
kann viele Eigenschaften haben.<br />
Der Niesen vereint für Rita<br />
Jaggi aus der Bächli Berg sport<br />
Filiale Thun all das. So oft wie<br />
nur möglich zieht es die stellvertretende<br />
Filialleiterin auf den Gipfel<br />
der imposanten Pyramide auf der<br />
Südseite des Thunersees. Am<br />
liebsten ganz früh morgens, um<br />
vor der Arbeit Energie zu tanken.<br />
N I E S E N<br />
Am liebsten nähere ich mich der wunderschönen Pyramide<br />
von der Ostseite. Von der Talstation in Mülenen<br />
führt der Weg entlang der Standseilbahn ziemlich direkt<br />
nach oben. 1650 Höhenmeter, am liebsten gehe ich<br />
sie noch vor der Arbeit. Wenn andere sich noch einmal<br />
im Bett umdrehen, bin ich meist schon unterwegs. Je<br />
nachdem wie die Verhältnisse sind, benötige ich für die<br />
Strecke um die zwei Stunden, manchmal auch etwas<br />
länger. Ich gehe zügig, aber es geht mir nicht um die<br />
Rekorde. Vor etwa zehn Jahren hat mich der Niesen-Virus<br />
befallen. Hört sich komisch an, aber ich bin überzeugt<br />
davon, dass dieser hochansteckend ist. Zumindest haben<br />
sich auch in meinem Umfeld etliche infiziert. Früher<br />
sind wir mit der Familie nur gewandert, aber nachdem<br />
die Kinder grösser waren, habe ich bei der SAC Sektion<br />
Niesen mit dem Bergsteigen begonnen. Dafür brauchte<br />
ich eine dementsprechend gute Grundkondition. Obwohl<br />
nicht einmal 2500 Meter hoch, hat mir mein Hausberg<br />
die richtigen Gipfel überhaupt erst ermöglicht. Im Jahr<br />
2017 konnte ich mit einem Kollegen auf der Punta<br />
Giordani (4046 Meter) meine Sammlung aller 82 Viertausender<br />
komplettieren.<br />
Perfekte Pyramide: Der Niesen wirft seinen<br />
symmetrischen Schatten über den Thunersee.<br />
FOTO LINKS: ARCHIV RITA JAGGI, FOTO RECHTS: GABI MÜLLER<br />
BIS ZU 50 MAL IM JAHR ZUM GIPFEL<br />
Wie oft ich mittlerweile auf der Gipfelplattform der<br />
eindrucksvollen Schiefer-Pyramide stand und den Blick<br />
über den See und das 360-Grad-Panorama schweifen<br />
liess? Ganz genau weiss ich es nicht, es sind sicher über<br />
400 Mal. Von Mitte April bis in den November steige<br />
ich zwischen 30 und 50 Mal über den «Top Walk»-Weg<br />
hinauf zur Niesen Kulm. Bereits 1856 wurde dort oben<br />
ein Gasthaus erbaut. Manchmal nehme ich auch den Weg<br />
von Wimmis am Ausgang des Simmentals. Gerade im<br />
Hochsommer ist es auf der Westseite morgens noch angenehm<br />
kühl. Diese Strecke hat zudem einen kleinen<br />
alpinistischen Reiz, verläuft sie doch auf den letzten 450<br />
Höhenmetern ohne richtigen Weg am Grat entlang.<br />
Oft werde ich gefragt, warum ich eigentlich nicht beim<br />
legendären Niesen-Treppenlauf starte. Dieser führt<br />
entlang der Bahnstrecke über die mit 11ʼ674 Stufen<br />
längste Treppe der Welt nach oben. Aber ich bin nicht so<br />
der Wettkampftyp. Ich mach‘ das für mich. Der Niesen<br />
macht den Kopf frei und gibt mir Energie. Egal, ob mich<br />
im Hochsommer die ersten Sonnenstrahlen wärmen<br />
oder ob ich im Herbst bei Nieselregen gehe und mich<br />
im Schein der Stirnlampe frage, warum ich eigentlich<br />
aufgestanden bin. Der Niesen hat mich bisher jedes<br />
Mal belohnt. Besonders schön war es, den Weg zum ersten<br />
Mal mit meinem achtjährigen Grosskind zu gehen. Das<br />
Kinderbuch «Die Geschichte vom Niesenfuchs» hat ihn<br />
völlig fasziniert und er war ganz schön stolz, dass er es<br />
bis zum Gipfel geschafft hat und schauen konnte, wo<br />
Fuchs, Murmeltier und Dohle wohnen. Generell ist der<br />
Berg ein lohnendes Ziel für Familien mit Kindern.<br />
Am schönsten ist der Berg im Herbst, wenn die Nebelschwanden<br />
durch den Wald streifen und langsam die<br />
Sonne durchbricht. Zudem wachsen dann am Wegesrand<br />
Steinpilze – da kann ich nicht widerstehen. Dieses<br />
Jahr lag Anfang November im oberen Drittel sogar schon<br />
Allein im Schnee: Die Spiezerin Rita Jaggi unterwegs<br />
an ihrem Hausberg. Selbst der erste Schneefall<br />
im November hält sie nicht vor einer Niesen-Tour ab.<br />
Schnee, und ich habe am frühen Morgen die ersten<br />
Spuren in den Gipfelhang gestapft. Das ist ein sicheres<br />
Zeichen, dass die Saison ihrem Ende entgegengeht.<br />
Normalerweise versuche ich immer, am letzten Tag noch<br />
einmal oben zu sein und mit einem ausgiebigen Brunch<br />
die Saison zu beschliessen. Nur der Winter fehlt bisher in<br />
meinem persönlichen Niesen-Gipfelbuch. Aber der Berg<br />
ist oben steil und oft heikel, der Niesen ist alles andere<br />
als ein leichter Skitourenberg. Dennoch: Eine Skitour<br />
auf meinen Hausberg steht ganz oben auf der To-do-Liste.<br />
Vielleicht klappt es ja diesen Winter?<br />
INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
51
RUBRIK UNTERRUBRIK<br />
HOCHGENUSS BERGLITERATUR<br />
PFLICHT<br />
LEKTÜRE<br />
BÜCHER, DIE<br />
BERÜHREN<br />
TEXT SUSANNA BÄCHLI<br />
Bücher sind für Susanna Bächli eine Herzensangelegenheit<br />
– umso mehr, wenn sie von Bergen handeln. Klar, dass<br />
Bücher bei Bächli «Chefsache» sind: Susanna Bächli wacht<br />
über die Neuerscheinungen und stellt für jede Filiale das passende<br />
Buchsortiment zusammen, vom Kletterführer bis zum Bildband.<br />
Diese beiden Bücher haben es ihr besonders angetan.<br />
«Im Winter ein inspirierendes<br />
Bergbuch in der<br />
warmen Stube lesen – gibt<br />
es etwas Schöneres?»<br />
SUSANNA BÄCHLI<br />
VR VIZEPRÄSIDENTIN<br />
BÄCHLI BERGSPORT AG<br />
APPELL AN<br />
DIE JUGEND<br />
Ein gutes Bergbuch ersetzt vielleicht keinen Friend.<br />
Aber wie ein echter Freund kann es inspirieren,<br />
trösten, begeistern. Wir haben alte Klassiker und<br />
neue Entdeckungen gesammelt.<br />
FOTO: ANDY KIRKPATRICK<br />
Ich habe meine Schwiegermutter Margrit Bächli einmal gefragt,<br />
wie sie sich auf die Klettertouren vorbereitet hat, es gab ja noch<br />
keine Kletterhallen. Antwort: Sie habe die Einkaufstaschen vier<br />
Stockwerke hochgetragen und die Windeln der Kinder von Hand<br />
gewaschen und ausgewrungen. Der Alltag und die körperliche<br />
Arbeit darin hat sie fit gemacht. Wenn sie alle Haken mit dem<br />
Hammer herausschlug und den ganzen Bund am Stand Heinz<br />
Bächli übergab – darauf war sie stolz. Das war ihr Glück.<br />
Patricia Purtschert hat sich auf die Suche gemacht nach Bergsteigerinnen<br />
aus einer Zeit, in der das Bergsteigen noch Männersache<br />
war. Sie haben ihre Fotoalben geöffnet und erzählt: Wie<br />
sie mit anderen Frauen kletterten, mit ihren Vätern Skitouren<br />
machten, mit den Ehemännern in steile Wände einstiegen. Mit<br />
Hammer, Haken, Trittleitern und strengen Kleidervorschriften,<br />
aber ohne Kletterfinken, Sonnencrème und LVS. Purtschert zeigt<br />
auf, was diese Bergsteigerinnen verband: die Leidenschaft für den<br />
Alpinismus, trotz gesellschaftlicher Vorurteile. Sie waren Wegbereiterinnen<br />
und haben sich über die Konventionen hinweggesetzt.<br />
Das Buch ist ein Blick auf die Schweiz und auf das vergangene<br />
Jahrhundert. Jeder sollte Purtscherts Suche nach diesen Frauen<br />
fortsetzen und fragen, wie es war. Damit diese Schweizer Frauengeschichte<br />
nicht in Vergessenheit gerät.<br />
INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
PATRICIA PURTSCHERT<br />
«FRÜH LOS. IM GESPRÄCH<br />
MIT BERGSTEIGERINNEN ÜBER<br />
SIEBZIG.»<br />
Baden 2011. Das Buch aus dem Hier und<br />
Jetzt Verlag ist inzwischen in 2. Auflage<br />
erhältlich. ISBN: 978-3-03919-153-6,<br />
CHF 48.–, hierundjetzt.ch<br />
REINHARD KARL<br />
«ZEIT ZUM ATMEN»<br />
Bad Homburg 1980. Der Reprint von 1994<br />
ist antiquarisch erhältlich, der AS Verlag<br />
hat 2002 die meisten seiner Schriften neu<br />
herausgegeben (Tom Dauer: Reinhard<br />
Karl. Ein Leben ohne Wenn und Aber.<br />
AS Verlag, Zürich 2002.)<br />
DIE BERGE ALS<br />
LEHRMEISTER<br />
Zu Beginn meiner Bergsteigeraktivität fragte mein Bruder: «Warum<br />
gehst du jede freie Minute in die Berge?» Ja, warum? Im Buch<br />
«Zeit zum Atmen» schreibt Reinhard Karl so treffend: «Diese letzten<br />
Schritte, ja die tun richtig gut. Und dann oben. Zeit zum Atmen,<br />
Zeit zum Sehen, Zeit zum Staunen.» Karl, ein Automechaniker,<br />
der jede freie Minute in die Berge ging, als Flucht aus dem Alltag.<br />
Der immer besser und stärker wurde, die Idee der Freikletterei<br />
aus den USA mitnahm und an den Pumprissen im Wilden Kaiser<br />
die erste alpine Klettertour im VII. Grad beging. Der fantastisch<br />
zu fotografieren lernte, 1978 als erster Deutscher auf dem Everest<br />
stand und Glücksmomente beschreiben konnte wie kein Zweiter,<br />
etwa wenn beim ersten Bier nach einer Klettertour der Wunsch<br />
erfüllt, aber noch nicht Vergangenheit ist. Karl war auch ein sensibler,<br />
kritischer Geist. Er hinterfragte sich selbst, wenn er Gipfel<br />
nur abhakte und nicht erlebte, und hinterfragte andere, die auf<br />
Expedition die Sherpas als «Eselersatz» und nicht als Menschen<br />
behandelten. Schluss des Buches, nachdem die Cerro-Torre-<br />
Begehung nicht geklappt hat: «Denn vielleicht ist eine Niederlage<br />
genauso konstruktiv wie die Angst. Zeit zum Denken – Zeit zum<br />
Atmen». Wie wahr. 1982 starb Karl, viel zu früh, in einer Eislawine<br />
am Cho Oyu. Aber seine Gedanken, die veralten nie.<br />
53
HOCHGENUSS<br />
BERGLITERATUR<br />
ANKERS<br />
ANTIQUARIAT<br />
TEXT DANIEL ANKER<br />
Der Schweizer Journalist und Autor Daniel Anker hat mehrere Berg-<br />
Monografien im AS Verlag publiziert und rezensiert auf bergliteratur.ch<br />
wöchentlich mindestens ein Bergbuch. Als ausgebildeter Historiker<br />
ist er zudem Experte für alpine Literatur aus allen Jahrhunderten – kein Wunder,<br />
dass seine drei Lieblingsbergbücher alle mehr als hundert Jahre alt sind.<br />
DANIEL ANKER<br />
JOURNALIST UND AUTOR<br />
FRISCHES<br />
LESEFUTTER<br />
TEXT THOMAS EBERT<br />
Fünf aktuelle Bergbücher, die Sie auf keinen Fall<br />
verpassen sollten. Alle Werke sind bei Bächli<br />
Bergsport erhältlich. Wer noch mehr Lesestoff<br />
braucht, dem empfehlen wir «Piz Buch & Berg» die alpine<br />
Buchhandlung von Lieni Roffler in Zürich (pizbube.ch).<br />
GRENZEN<br />
VERSCHIEBEN<br />
Nach ihrer Trainingsbibel für Alpinisten<br />
haben sich Scott Johnston und Steve House<br />
den Ausnahmeathleten Kilian Jornet ins<br />
Boot geholt. Das neue Werk des Trios richtet<br />
sich an Trailrunner und Skitourengeher,<br />
die ihr Leistungsvermögen steigern wollen.<br />
Wer all die detaillierten Trainingspläne,<br />
Kraftübungen, Ernährungstipps und Erfahrungen<br />
aus erster Hand umsetzt, bekommt<br />
so schnell keine Konditionsprobleme.<br />
EIN KLASSE<br />
KLASSIKER<br />
Der Berner Patrizier Edmund von Fellenberg und der aus dem Thurgau<br />
stammende, dann in Bern ansässige Abraham Roth bestiegen 1862 mit ihren<br />
Führern erstmals zwei markante Eisgipfel im Berner Oberland: das Doldenhorn<br />
(3638 m) und die Wyssi Frau (3648 m), den Mittelgipfel der berühmten<br />
Blüemlisalp. Alpinistisch keine so epochalen Touren wie die Erstbesteigungen<br />
der Jungfrau oder des Matterhorns. Aber die beiden Herren verfassten<br />
ein Werk, das mit seinen grossartigen und -formatigen, meist farbigen Abbildungen<br />
zu den schönsten (Berg)büchern überhaupt gehört: «Doldenhorn<br />
und Weisse Frau. Zum ersten Mal erstiegen und geschildert». Und der Text<br />
ist noch immer wunderbar zu lesen – flott, spannend und humorvoll.<br />
FRANÇOIS-FRÉDÉRIC ROGET<br />
«SKI-RUNS IN THE HIGH ALPS»<br />
T. Fisher Unwin, London 1913. Das Buch<br />
wurde ab 2005 mehrmals wieder neu<br />
aufgelegt. Erhältlich auf bookfinder.com.<br />
HOCHGENUSS VOM<br />
FEINSTEN UND BÖSESTEN<br />
Die Jungfrau ist seit über 200 Jahren einer der schönsten und berühmtesten<br />
Berge der Schweiz, und so wundert es nicht, dass der französische<br />
Dichter Alphonse Daudet 1885 seinen Helden im zweiten Band der Tartarin-Trilogie<br />
auch ins Berner Oberland schickte, um sich mit der Besteigung<br />
des so verlockenden Berges die Stellung als Präsident des Alpenclubs der<br />
provenzalischen Kleinstadt Tarascon zu sichern. Was der südfranzösische<br />
Möchtegernalpinist, Aufschneider und Herzensbrecher in «Tartarin sur les<br />
Alpes» auf der Rigi, der Jungfrau und dem Mont Blanc erlebt, gehört zum<br />
Vergnüglichsten (und Bissigsten), was je über die Bergsteigerei, den Fremdenverkehr<br />
und die touristische Schweiz geschrieben wurde.<br />
ABRAHAM ROTH,<br />
EDMUND VON FELLENBERG<br />
«DOLDENHORN<br />
UND WEISSE FRAU»<br />
Zum ersten Mal erstiegen und geschildert.<br />
Karl Baedeker, Coblenz 1863.<br />
Wurde auch in einer englischen Ausgabe<br />
gedruckt. Erhältlich auf zvab.com. Das<br />
Kapitel über die geglückte Erstbesteigung<br />
der Wyssi Frau und die meisten der<br />
Abbildungen sind neu zu finden in: Daniel<br />
Anker / Marco Volken: Blüemlisalp –<br />
Schneezauber und die sieben Berge. AS<br />
Verlag, Zürich 2018, CHF 49.80.<br />
AUF TOUR MIT DEM PIONIER<br />
DER SKI-HAUTE-ROUTE<br />
Ein gewichtiger Teil der Alpinliteratur ist Skiliteratur, man denke auch an die<br />
Nobelpreisträger Thomas Mann («Zauberberg») und Hemingway («Schnee<br />
überm Land»). 1913 erschien «Ski-Runs in the High Alps» des Genfer Historikers<br />
François-Frédéric Roget. Kapitel acht beschreibt die erste Begehung der<br />
eigentlichen Haute Route von Bourg St-Pierre nach Zermatt im Januar 1911, zusammen<br />
mit Marcel Kurz und vier Führern. Mein Exemplar der «Ski-Runs» trägt<br />
folgende Widmung: «à Marcel Kurz, témoignage de l’affection de l’auteur.» Noch<br />
spannender sind natürlich die mit Bleistift gemachten Anmerkungen von Kurz.<br />
Zu L. M. Crisp, die laut Titelblatt 25 Illustrationen beisteuerte, setzte er in Klammern:<br />
«now Mrs. Roget». Was wäre die (Berg)literatur ohne Liebesgeschichten?<br />
ALPHONSE DAUDET<br />
«TARTARIN IN DEN ALPEN»<br />
Die Besteigung der Jungfrau und andere<br />
Heldentaten. AS Verlag, Zürich 2011.<br />
CHF 29.80. Natürlich auch auf Französisch<br />
erhältlich.<br />
LIFESTYLE UND<br />
LEISTUNGSSPORT<br />
«Den Gorilla spazieren führen, der in mir wohnt», so definierte<br />
John Bachar einmal das Bouldern, «nach den Sternen greifen»<br />
nennt es der Tiroler Bernd Zangerl. Wie auch immer: Als einer<br />
der weltbesten Boulderer erzählt Zangerl in diesem grossartig<br />
bebilderten Werk von den Grundlagen und Gebieten des Bouldersports,<br />
aber auch von der Geschichte und den Gefühlen vom<br />
Leben an den Blöcken, die Boulderern die Welt bedeuten.<br />
LEBENS<br />
WERK<br />
BERND ZANGERL<br />
«BOULDERN»<br />
Preis CHF 33.–<br />
Etwa acht Jahre hat Fotograf Röbi Bösch an diesem nicht nur<br />
in Grösse und Gewicht monumentalen Bildband gearbeitet.<br />
Bösch vereint darin die Landschafts- («die Kunst des Sehens»)<br />
und die Actionfotografie («die Kunst des Voraussehens»),<br />
den roten Faden bilden die Berge. Kluge Essays von alpinen<br />
Könnern (Robert Jasper, Steve House, Nina Caprez u.a.) unterstreichen<br />
Böschs tiefgründigen Blick auf die Berge.<br />
ROBERT BÖSCH<br />
«MOUNTAINS»<br />
Preis CHF 129.–<br />
FRAUEN IN<br />
FÜHRUNG<br />
K. JORNET, S. HOUSE,<br />
S. JOHNSTON<br />
«UPHILL ATHLETE»<br />
Preis CHF 45.–<br />
Ein Buch, das v.a. als Pendant zu «Früh los»<br />
(S. 53) enorme Kraft entfaltet: Ein Dutzend<br />
Schweizer Bergführerinnen hat Daniela<br />
Schwegler porträtiert, darunter die beiden<br />
allerersten überhaupt, aber auch eine<br />
Architektin, eine Juristin und eine Rinderhirtin.<br />
Die inspirierenden Biografien legen<br />
Ambitionen, Rollenbilder und Anekdoten<br />
der Frauen lesenswert offen – begleitet von<br />
ausgezeichneten Bildreportagen.<br />
DANIELA SCHWEGLER<br />
«HIMMELWÄRTS»<br />
Preis CHF 39.–<br />
LUG UND<br />
TRUG<br />
Cesare Maestri, Christian Stangl, Tomo<br />
Česen: Das sind nur die berühmten Fälle<br />
der an Unwahrheiten nicht armen alpinen<br />
Geschichte. Der italienische Journalist Mario<br />
Casella hat mit bemerkenswertem Biss<br />
die Rekonstruktion diverser Berg-Märchen<br />
gewagt – und dort, wo er mit den Akteuren<br />
sprechen konnte, häufig die Motive dahinter<br />
enthüllt. Ein ebenso spannendes wie bestürzendes,<br />
vor allem aber mutiges Buch.<br />
MARIO CASELLA<br />
«DIE LAST DER SCHATTEN»<br />
Preis CHF 29.–<br />
54 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
55
HOCHGENUSS BERGLITERATUR<br />
UNTERRUBRIK RUBRIK<br />
«DIE ZEIT DER<br />
TELEFONBÜCHER<br />
IST VORBEI»<br />
Andreas Mathyer ist SAC-Verlagsleiter und verantwortet<br />
den Inhalt des Online-Tourenportals,<br />
das 2018 an den Start ging. Was passiert jetzt mit<br />
den gedruckten Führern?<br />
INTERVIEW THOMAS EBERT<br />
Warum verlagert der SAC seine<br />
Touren beschreibungen ins Internet?<br />
Die Digitalisierung geht natürlich<br />
auch am SAC nicht einfach so vorbei.<br />
Tourenbeschriebe, die in Buchform<br />
nur alle paar Jahre neu aufgelegt<br />
werden können, kann man digital<br />
besser pflegen und vor allem aktualisieren.<br />
Das hochalpine Gelände<br />
verändert sich durch den Gletscherrückgang<br />
so rasant – da kommen<br />
wir mit gedruckten Büchern schlicht<br />
nicht hinterher. Online können wir<br />
Zustandswarnungen schnell integrieren,<br />
etwa Felsausbrüche oder<br />
Wegsperrungen. Darum haben wir<br />
Mitte der 2010er-Jahre das Projekt<br />
«Tourenportal» gestartet. Seit Ende<br />
ANDREAS MATHYER<br />
SAC-VERLAGSLEITER<br />
2018 sind wir online. Das Webdesign<br />
ist responsive, funktioniert also nicht<br />
nur am Rechner, sondern auch auf<br />
allen mobilen Devices.<br />
Wird es denn klassische Führerliteratur<br />
vom SAC überhaupt noch<br />
geben?<br />
Der SAC bekennt sich ganz klar zum<br />
gedruckten Buch. Kletter- und Ausbildungsliteratur<br />
wird es weiterhin geben.<br />
Bei Berg- und Alpinwanderführern<br />
fokussieren wir uns auf das Tourenportal,<br />
was die technischen Beschreibungen<br />
angeht. Mit den Filtermöglichkeiten<br />
lässt sich digital viel effizienter<br />
planen – der Mehrwert für den Nutzer<br />
ist grösser. Bücher erscheinen weiterhin<br />
mit thematischen Aufhängern,<br />
die digital schwierig abzubilden sind.<br />
Etwa der Renner «Familienausflüge zu<br />
SAC-Hütten» – für solche Themen ist<br />
das Buch ein ideales Medium.<br />
Führer für Ski-, Schneeschuh- und<br />
Hochtouren planen wir mittelfristig<br />
nicht mehr in Buchform. Die Zeit der<br />
dicken, enzyklopädischen Skitourenführer,<br />
die wie ein Telefonbuch jede<br />
Tour aufführen, ist vorbei. Das zeigen<br />
nicht nur die Verkaufszahlen. Wir<br />
arbeiten mit Hochdruck daran, den<br />
Grossteil der begehbaren Touren,<br />
die bisher gedruckt erschienen sind,<br />
im Tourenportal zu erfassen. Zukünftig<br />
ist aber auch der umgekehrte Weg<br />
denkbar: Nämlich aus der Datenbank<br />
heraus Bücher zu produzieren.<br />
Wie wird die Qualität der Tourenbeschreibungen<br />
auf dem SAC-Tourenportal<br />
sichergestellt?<br />
In Abgrenzung zu Web-Portalen mit<br />
nutzergeneriertem Inhalt aus der<br />
Crowd gibt es auf dem SAC-Tourenportal<br />
garantiert hochwertige Berichte<br />
von unseren bewährten und<br />
fachkundigen Autoren – aktuell rund<br />
30 an der Zahl. Im Verlag werden<br />
diese Inhalte dann redigiert, teilweise<br />
übersetzt und publiziert.<br />
SAC-<br />
TOURENPORTAL<br />
Rund 900 Touren aus der gesamten<br />
Schweiz sind gratis zugänglich. Das<br />
gesamte Routenangebot, Abspeicherung<br />
per PDF, Offline-Routen karten<br />
und Zeichnungsfunktion für GPS-<br />
Tracks gibt es im Abonnement. Das<br />
Jahresabo kostet für SAC-Mitglieder<br />
CHF 32.– (Nicht- Mitglieder 42.–), ein<br />
Monatsabo CHF 3.50 (Nicht-Mitglieder<br />
4.50). sac-cas.ch<br />
L.I.M Touring PROOF Jacket<br />
Auf das Wesentliche für Skitouren reduziert.<br />
Die L.I.M Touring PROOF Jacke ist ein treuer<br />
Begleiter bei schweißtreibenden Aufstiegen und<br />
rasanten Abfahrten. Das dehnbare, beschichtete<br />
Material mit bluesign®-Zertifizierung überzeugt<br />
durch uneingeschränkte Bewegungsfreiheit und<br />
erstklassigen Schutz vor Wind und Wasser –<br />
und zwar ganz ohne Fluorcarbon.<br />
56 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
Dalarna Sweden Est.1914<br />
57<br />
www.haglofs.com
RUBRIK UNTERRUBRIK<br />
PARTNERCHECK SCHÖFFEL<br />
P A R T N E R C H E C K<br />
KONSTANZ<br />
DURCH WANDEL<br />
Ein Familienunternehmen in siebter Generation, das verwaltet<br />
sich doch von alleine? Von wegen. Der Outdoor- und Ski-Ausrüster<br />
Schöffel hat sich stets gewandelt, um vorne zu bleiben.<br />
TEXT THOMAS EBERT<br />
S C H Ö F F E L<br />
FOTOS: ARCHIV SCHÖFFEL<br />
Wir schreiben das Jahr 1804. Friedrich Schiller<br />
vollendet gerade seinen «Wilhelm Tell», ohne<br />
je selbst in der Schweiz gewesen zu sein, und<br />
im bayerischen Schwabmünchen erhält Georg Schöffel<br />
die Lizenz zum Strumpfhandel. Weil sein Sohn Josef fünf<br />
Jahre später in der Schlacht von Abensberg auch noch<br />
dem Kronprinzen das Leben rettet und zum Dank eine lebenslange<br />
Leibrente erhält, kann die junge Firma Schöffel<br />
auf einem soliden Fundament bauen. Eineinhalb Jahrhunderte<br />
lang wird mit Strickwaren gehandelt, doch als<br />
Ludwig Schöffel aus dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr<br />
heimkehrt, stehen die Zeichen auf Veränderung. Hubert<br />
Schöffel, Jahrgang 1930 und begeisterter Berggänger,<br />
dreht das Unternehmen auf links. 1961 kauft er eine alte<br />
Lederhosenfabrik auf, erstmals in der Firmengeschichte<br />
handelt man nicht nur mit Waren, sondern stellt sie<br />
selbst her. Der Absatz der Strassenhosen läuft jedoch<br />
schleppend, Schöffel muss sogar Kurzarbeit anordnen.<br />
Gleichzeitig beginnt das Wirtschaftswunder zu wirken:<br />
Die Fünf-Tage-Woche setzt sich durch, Wochenenden<br />
gehören ab sofort den Familien, der Wanderausflug wird<br />
massentauglich. Hubert Schöffel erkennt die Zeichen der<br />
Zeit und setzt ab 1967 voll auf Outdoor-Bekleidung, die<br />
damals noch nicht so hiess. Eine Wanderhose mit elastischem<br />
Bund, ein Schlupfblouson, der unter den Münchner<br />
Studenten zum It-Piece wird und schliesslich, in den<br />
80er-Jahren, die erste Gore-Tex-Jacke. Hubert Schöffel<br />
setzt als Erster in Deutschland auf das wind- und wasserdichte,<br />
atmungsaktive Laminat und ordert ohne einen<br />
einzigen Auftrag Material für 24̓000 Jacken – am Ende<br />
geht das Spiel auf. Es sind Meilensteine in der Bergsportausrüstung<br />
und Sargnägel für Lederhose, Wolljanker<br />
und Kniestrümpfe.<br />
TRADITION VERPFLICHTET<br />
So schwer es ist, zwanzig Jahrzehnte Firmengeschichte<br />
auf ein paar Zeilen zu komprimieren – eines wird im Falle<br />
Schöffels deutlich: Ein Familienunternehmen in siebter<br />
Generation ist kein Tanker, den man einmal auf Kurs bringt<br />
und dann laufen lässt. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit<br />
der Zeit. Und wer durch Schöffels Firmensitz in Schwabmünchen<br />
geht, der sieht neben Hubert Schöffels beeindruckender<br />
Kunstsammlung in der Chefetage vor allem<br />
ein altes Rohwarenlager, das 2015 komplett entkernt und<br />
58 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
59
PARTNERCHECK<br />
SCHÖFFEL<br />
zum loftartigen Kreativzentrum umgebaut wurde. Denn<br />
wie fast jeder grosse Textilhersteller fertigt auch Schöffel<br />
nicht mehr in Mitteleuropa, sondern fast ausschliesslich in<br />
Asien. Von den gut 180 Näherinnen sind heute noch rund<br />
20 Arbeitsplätze übrig, verteilt auf Reparatur und Prototypen-<br />
Fertigung. Im neuen, 600 Quadratmeter grossen «Development<br />
Center», das mit viel Licht, hohen Decken und gläsernen<br />
Meetingräumen zum Kreieren einladen soll, sind<br />
die Wände über und über mit Stoffmustern, Moodboards<br />
und Kollektionsentwürfen gepflastert. An den 30 Schreibtischen<br />
arbeiten Marktforscher und Produktentwickler<br />
nicht getrennt, sondern im direkten Austausch.<br />
In unberührtem Terrain: Zum letzten<br />
Winter brachte Schöffel erstmals<br />
eine Skitourenkollektion an den Start.<br />
Nun soll Bekleidung für All mountain-<br />
Skifahrer folgen.<br />
Genau deshalb ist für Henrik Vogel,<br />
Leiter des Innovationsmanagements<br />
bei Schöffel, hier das «Epizentrum»<br />
der Firma. Der 39-jährige promovierte<br />
Betriebswirt und Bergretter<br />
war, wie auch der CEO von Schöffel<br />
Schweiz, Peter Jud (siehe Interview<br />
S. 62), massgeblich am jüngsten Wurf<br />
von Schöffel beteiligt: einer Bekleidungslinie<br />
für Skitourengeher, die zum<br />
Winter 2019 neu entwickelt wurde.<br />
Im Schöffel-Produkt-Kosmos, der intern<br />
in Bereiche, Segmente und Kapseln<br />
unterteilt wird, gilt die Skitourenkollektion laut PR-Referentin<br />
Katrin Lörch als «Leuchtturmkapsel». Schöffels jahrzehntelange<br />
Expertise in Sachen Skibekleidung kommt nun<br />
also auch abseits der Pisten zum Tragen – zum nächsten<br />
Winter soll eine Allmountain-Kollektion folgen. Denn die<br />
Zeiten, in denen Schöffel sich auf Wanderausrüstung für<br />
die kaufkräftige, aber eben auch spitze Zielgruppe der<br />
40- bis 60-Jährigen fokussierte (so Peter Schöffel in einem<br />
Zeitungsinterview Ende 2017), sind vorbei. Eine «spürbare<br />
Verjüngung in Kampagnen und Produkten», sagt Katrin<br />
Lörch, habe es in den letzten Jahren gegeben, Zielgruppen<br />
würden generell nicht mehr nach Alter klassifiziert:<br />
«Heute verbinden sich ältere und jüngere Generationen<br />
über die Leidenschaft, nach draussen zu gehen», so Lörch.<br />
In den Schöffel-Lookbooks dominieren junge Gesichter, seit<br />
drei Jahren verkauft Schöffel eine «Outleisure»-Kollektion,<br />
also modische und zugleich funktionelle Freizeitbekleidung.<br />
Und wie in den 80er-Jahren, als man frühzeitig auf Gore-Tex<br />
setzte, bleibt Schöffel auch technisch am Ball. PrimaLoft<br />
Next Evolve-Isolierung, S.Café-Garne aus Polyester und geruchshemmendem<br />
Kaffeesatz – in den neuen Kollektionen<br />
findet sich die ganze Klaviatur aktueller Textiltrends.<br />
Naturgemäss liegt in solch einer Verjüngungskur mit frischen<br />
Kollektionskapseln auch die Gefahr, sich zu verzetteln.<br />
Zwischen Schöffels TV-Spots einerseits, deren eingängiger<br />
Claim «Ich bin raus» nicht zuletzt auf die Natursehnsüchte<br />
urbaner Schichten abzielt, und dem langjährigen Engagement<br />
als Ausrüster diverser Ski-Nationalmannschaften andererseits,<br />
besteht inzwischen doch eine ordentliche Spannweite an<br />
Image-Möglichkeiten. Lörch steckt das Feld über die Leistung<br />
ab: «Wir sind nicht die Höher-Schneller-Weiter-Ausrüster.<br />
In welcher Zeit unsere Kunden auf den Berg gehen, ist uns<br />
egal», und fügt mit einem Schmunzeln hinzu: «Das karierte<br />
Hemd wird bei Schöffel nie ganz aussterben.»<br />
«10 Prozent mehr Silicon Valley» wünschte sich Hubert<br />
Schöffels Sohn Peter, der seit 30 Jahren die Geschicke<br />
der Firma leitet, zum Firmenjubiläum 2017. Nicht nur die<br />
Stelle des Innovationsmanagers schuf er neu, auch die<br />
Leitung der Abteilungen Produktentwicklung, Marketing<br />
und Vertrieb hat Schöffel binnen eines Jahres neu besetzt.<br />
«Der Wandel bei Schöffel ist spürbar, es wurde enorm in<br />
Digitalisierung investiert», sagt Katrin Lörch.<br />
KREATION STATT PRODUKTION<br />
Bei all dem Wandel beweist Schöffel vor allem in einem<br />
Punkt Konstanz: Die Firma bleibt zu 100 Prozent ein Familienunternehmen.<br />
«Generationenvertrag statt Quartalsbericht»,<br />
sagt Peter Schöffel gerne. Mit 200 Mitarbeitern und<br />
100 Millionen Euro Umsatz pro Jahr ist Schöffel unter den<br />
führenden deutschen Herstellern von funktioneller Outdoor-<br />
und Skibekleidung. Grösser ist nur die Marke mit der<br />
Hundepfote, die nach turbulenten Jahren inzwischen einem<br />
Golfausrüster aus den USA gehört. «Verkaufen will ich auch<br />
nicht. Mir geht es ausschliesslich um die Erhaltung unserer<br />
Werte, unserer Tradition und den Generationenauftrag. Weniger<br />
ist mehr, ist einer meiner Grundsätze. Deshalb lassen<br />
wir auch die Finger von Rucksäcken oder Schuhen«, bekannte<br />
Peter Schöffel Anfang 2019 in einem Familieninterview<br />
mit dem Stern. Apropos Familie: Die Staffelübergabe<br />
der Gesamtleitung ist bereits angestossen. Peter Schöffels<br />
Tochter Johanna arbeitet neben ihrem Studium bereits in<br />
der Personalabteilung, Sohn Jakob gilt mit 21 Jahren bereits<br />
als designierter Nachfolger. Man darf gespannt sein, welchen<br />
Wandel die achte Generation plant.<br />
SCHÖFFEL<br />
BEI BÄCHLI<br />
baechli-bergsport.ch/schoeffel<br />
MEILENSTEINE<br />
1804 1961 1967 1976<br />
1983 1990 2016<br />
2019<br />
Startschuss:<br />
Georg Schöffel erhält<br />
die Konzession<br />
zum Handel mit<br />
Strickwaren.<br />
Hersteller statt<br />
Händler: Hubert<br />
Schöffel startet die<br />
Produktion von<br />
Strassenbekleidung.<br />
Das Wirtschaftswunder<br />
wirkt: Im «Werk<br />
1» näht Schöffel erstmals<br />
selbst Wanderund<br />
Bergbekleidung.<br />
Der Berganorak<br />
Tibet mit brandneuem<br />
Gore-Tex-<br />
Laminat wird zum<br />
Verkaufsschlager.<br />
FOTO: MICHAEL MÜLLER / SCHÖFFEL<br />
It-Piece mit Funktion:<br />
Der Schlupfblouson<br />
«Stormbreaker»<br />
verkauft sich hunderttausendfach.<br />
Peter Schöffel wird<br />
Geschäftsführer, ist<br />
es heute noch und<br />
steigert den Umsatz<br />
um 70 Prozent.<br />
Kreativzone: Im<br />
ehemaligen Rohwarenlager<br />
wird das<br />
Development Center<br />
eingerichtet.<br />
Abseits der Piste:<br />
Schöffel bringt erstmals<br />
eine eigene<br />
Skitourenkollektion<br />
heraus.<br />
60 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
61
PARTNERCHECK SCHÖFFEL<br />
IM GESPRÄCH<br />
PETER JUD<br />
COUNTRY MANAGER SCHÖFFEL SCHWEIZ AG<br />
INTERVIEW THOMAS EBERT<br />
Sie waren Teil des Projektteams,<br />
das die erste Skitourenkollektion<br />
von Schöffel konzipieren durfte.<br />
Wie geht man so etwas an?<br />
Wir haben eine grosse Kundenumfrage<br />
gemacht und erkannt, dass uns<br />
viele Menschen als Skitourenmarke<br />
sehen. Obwohl wir ja bis dato gar<br />
keine Skitourenbekleidung hergestellt<br />
haben. Peter Schöffel hat dann ein<br />
kleines Team zusammengestellt und<br />
gesagt: «Hey, habt ihr Lust, zusammen<br />
eine Skitourenkollektion zu entwickeln?»<br />
Alle, die in diesem agilen<br />
Team drin waren, sind selbst Skitourengänger.<br />
Vor den Brainstormings<br />
haben wir gemeinsam am Berg mit<br />
unseren Lieblingsteilen biwakiert,<br />
was eine ganz neue Dynamik ergab:<br />
Wie kann man das LVS am Körper<br />
tragen, ohne dass es stört? Wie har-<br />
2005 wurde die<br />
Schöffel Schweiz AG<br />
gegründet, 2008 stiess<br />
Peter Jud als Geschäftsführer<br />
dazu.<br />
Derzeit hat die AG<br />
13 Mitarbeiter.<br />
moniert eine Hose mit den offenen<br />
Schuhschnallen? Wie muss der Highlift<br />
einer Jacke sein, damit es dir beim<br />
Gehen nicht ständig die Ärmel hochzieht?<br />
Warum gibt es kaum Midlayer,<br />
die man bis zur Nase schlies sen und<br />
trotzdem noch durchatmen kann? Aus<br />
eigener Erfahrung designen, darum<br />
ging es bei diesem Projekt. Nicht für<br />
Spitzenprofis, sondern für Menschen<br />
wie du und ich.<br />
Warum hat man die Skitourenkollektion<br />
nicht früher entwickelt?<br />
Der Sport boomt ja nicht erst seit<br />
gestern.<br />
Ich glaube, es ist der richtige Zeitpunkt.<br />
Wir sehen Skitourengehen<br />
nicht als Trendsportart. Es ist etabliert,<br />
und in Davos, wo ich zu Hause<br />
bin, etwas, was man schon das ganze<br />
Leben macht. Es ist nicht so, dass<br />
wir diese Kollektion entwickelt haben,<br />
weil Skitourengehen boomt. Wir haben<br />
entdeckt, dass Leute mit Jacken,<br />
die eigentlich für Trekking und Hiking<br />
gemacht sind, Skitouren gehen, was<br />
in Ordnung ist. Aber wir wollten eine<br />
spezifische Skitourenausrüstung machen,<br />
die wirklich alle Features bietet,<br />
die man braucht.<br />
Die Zeiten, in denen sich die Firma,<br />
wie Peter Schöffel öfters kundtat,<br />
auf die 40- bis 60-jährige Kundschaft<br />
fokussierte, sind aber passé?<br />
Ich bin Jahrgang 1968. Ich werde<br />
nicht mehr an einer Olympiade teilnehmen,<br />
will ich auch nicht. Ich bin<br />
aber noch im Saft, und ich will<br />
schwitzen. Mein Schwiegervater ist<br />
80, und ein super Skitourengänger.<br />
62 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />
FOTO: MARC DOLLINGER<br />
Aber der will doch nicht mit alten<br />
Klamotten rumlaufen! Man kann Anwendergruppen<br />
nicht mehr nur mit<br />
einem Alter belegen. Ich kann nachvollziehen,<br />
was Peter Schöffel sagt.<br />
Wir wollen Kleidung herstellen, die<br />
funktionell ist, passt und gut ausschaut.<br />
Und das, sorry, ist ziemlich<br />
altersunabhängig.<br />
Was zeichnet Bächli Bergsport aus<br />
Ihrer Sicht aus?<br />
Bächli ist einer der Outdoor-Händler<br />
in Europa. Sie haben eine brutal<br />
grosse Auswahl, aber gleichzeitig sehr<br />
konzentriert auf den Bergsport. Und<br />
Bächli ist ein Innovationstreiber, das<br />
sieht man nicht nur am Online-Shop.<br />
Das Personal hat ein sehr hohes Knowhow,<br />
weiss, was gut ist. Wie Schöffel<br />
ist Bächli auch ein familiengeführtes<br />
Unternehmen, da sind schon einige<br />
Parallelen. Wir sind keine Schreibtischtäter,<br />
sondern machen selber,<br />
was wir verkaufen. Es kommt nicht<br />
darauf an, wie gut man Ski fährt. Sondern<br />
dass man Spass am Skitourengehen<br />
hat. Wenn man das rüberbringt,<br />
kann man auch erfolgreich Bekleidung<br />
verkaufen.<br />
AUF SKITOUR<br />
MIT SCHÖFFEL<br />
Passend zur neuen Skitouren-Kollektion<br />
von Schöffel verlosen wir eine exklusive<br />
Skitour – mit dem Firmeninhaber Peter<br />
Schöffel persönlich! Zum Testen gibt es<br />
dazu natürlich Produkte aus der neuen<br />
Kollektion. Und wer noch Gipfelziele für<br />
den Winter sucht: Lassen Sie sich doch<br />
einfach von unseren Video-Tourentipps inspirieren.<br />
Vom Tällihorn über das Hunds hore<br />
bis zum Chli Chärpf ist für jeden Skitourengeher<br />
etwas dabei.<br />
Mehr Infos: baechli-bergsport.ch/schoeffel<br />
FALKE · P.O.BOX 11 09 - D-57376 SCHMALLENBERG / GERMANY<br />
Men<br />
Women<br />
FALKE TK2 Crest<br />
Der „TK2 Crest“ mit mittelstarker Polsterung und einem Merinowoll-Mix sorgt<br />
für besten Komfort und gute Wärmeisolation bei Wanderungen in leichtem<br />
Gelände und bei jeglichen Wetterbedingungen. Der schnelle Feuchtigkeitstransport<br />
sowie die optimale Passform sorgen für die perfekte Temperatur<br />
und hohen Komfort am Fuß. Durch die in den Schaft eingearbeitete Bergsilhouette<br />
in verschiedenen Farbschattierungen ist die Wandersocke ein<br />
echter Hingucker
AUSSTIEG<br />
TEXT JENS BADURA<br />
Jens Badura ist habilitierter Kulturphilosoph,<br />
unterrichtet an der Zürcher<br />
Hochschule der Künste (ZHdK)<br />
und betreibt das berg_kulturbüro in<br />
Ramsau bei Berchtesgaden.<br />
Es gibt Begriffe, die zugleich<br />
zutreffend und unfasslich sind.<br />
«Kraftort» ist so ein Begriff –<br />
und wohl fast alle, die regelmässig in<br />
den Bergen unterwegs sind, werden<br />
ihm dort schon mal begegnet sein. Anlass<br />
genug also, einmal genauer<br />
zu fragen, was das, wofür der Begriff<br />
steht, eigentlich ist.<br />
Wenn über Kraftorte diskutiert wird,<br />
stehen sich meist zwei Lager gegenüber:<br />
auf der einen Seite die, vereinfacht<br />
gesagt, Rationalisten, die in einer aufgeklärten<br />
Welt die Idee der Existenz von<br />
Kraft orten für esoterischen Humbug<br />
halten, auf der anderen Seite jene, die<br />
Kraftorte als Kontaktzone zu jenseitigen<br />
Sphären erklären und den Rationalisten<br />
mangelnden Spürsinn für das Wesentliche<br />
unterstellen. Muss man sich nun<br />
für eine der Seiten entscheiden, wenn<br />
man über Kraftorte redet? Nein – muss<br />
man nicht. Denn beide Sichtweisen<br />
sind zu einseitig. Weder kann etwas<br />
nur dann als «wirklich» gelten, wenn<br />
man es aufgeklärt-wissenschaftlich<br />
beweisen kann, noch ist die zuweilen<br />
obskure Spekulation esoterisch-verklärter<br />
Weltbeschreibungen der einzige<br />
Weg, um über Erfahrungen zu reden,<br />
die sich nicht einfach in unsere rationale<br />
KRAFT<br />
ORTE<br />
Kultur einpassen lassen. Und glaubt<br />
man vielen Erzählungen (nicht nur)<br />
von Berggängern, dann kommt es in<br />
den Bergen eben öfter zu solchen<br />
Erfahrungen als auf dem flachen Land.<br />
Was aber kann es heissen, dass Orte<br />
«Kraft» haben – und dass diese Kraft<br />
dann auch so eindrücklich spürbar<br />
wird, dass Menschen sich von ihnen<br />
angezogen fühlen und dies zuweilen in<br />
Ritualen auch zum Ausdruck bringen?<br />
Kraftorte stiften die Bedingung für<br />
eine besonders intensive Wahrnehmungsweise.<br />
Es sind Orte, wo die<br />
Vielfalt der sinnlichen Erfahrungen<br />
– Geomorphologie, Formen, Farben,<br />
Lichtstimmungen, Gerüche, Geräusche<br />
usw. – dazu verführt, sich mit<br />
voller Aufmerksamkeit auf das Zusammenspiel<br />
dieser unterschiedlichen<br />
Faktoren einzulassen. Es sind Orte,<br />
die dazu bringen, von dem abzusehen,<br />
was gerade nicht «vor Ort» ist – Gedanken<br />
an Ärger im Job, den anstehenden<br />
Gipfel oder die letzte Bergtour,<br />
das ausstehende Bier auf der Hütte<br />
usw. Anders gesagt: Kraftorte stiften<br />
den atmosphärischen Rahmen dafür,<br />
die Gegenwart – das «Jetzt» – vom<br />
Vergangenen und Künftigen zu entkoppeln<br />
und so als Jetzt erfahrbar zu<br />
machen. Sie ziehen unsere Aufmerksamkeit<br />
in ihren Bann und lenken<br />
ab von dem, was ansonsten vom «Im-<br />
Moment-Sein» ablenkt.<br />
Eigentlich ist es wie in der Kunst: Auch<br />
Kunstwerke können eine bannende<br />
Wirkung haben und uns aus gewohnten<br />
Denkmustern herausleiten – um ihnen<br />
nachher in anderer Verfassung wieder<br />
zu begegnen. Nicht jeder erfährt dies in<br />
den gleichen Zusammenhängen. Aber<br />
wer sich darauf einlässt, findet in der<br />
Kunst wie auch im Gebirge entsprechende<br />
Wege aus dem Gewohnten. Ein<br />
solches Einlassen erfordert aber vor<br />
allem eins: eine gewisse Gelassenheit.<br />
Ob die zeitgenössischen Bergsporttrends<br />
eine solche befördern, darf bezweifelt<br />
werden. Denn wenn alle Kraft<br />
der «Performance», dem Abhaken des<br />
Tourenkanons oder der Jagd nach dem<br />
Modemotiv gewidmet wird, stellt sich<br />
Gelassenheit in der Regel kaum ein.<br />
Die Idee von Kraftorten ist attraktiv, weil<br />
sie in einer Sehnsucht wurzelt: einer<br />
Sehnsucht danach, im Moment verweilen<br />
zu können, ohne durch vermeintlich zu<br />
leistende «To-dos» aus ihm herausgezerrt<br />
zu werden. Im Vertrauen darauf,<br />
dass die Kraft eines Ortes es vermag,<br />
diesem Zerren entgegenzuwirken.<br />
Wenn wir uns denn darauf einlassen.<br />
Wie stehen Sie zu Kraftorten?<br />
Wo liegen Ihre Lieblingsorte in den<br />
Bergen? Diskutieren Sie mit auf:<br />
baechli-bergsport.ch<br />
see you<br />
out there<br />
Nature is waiting<br />
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