Gemeinde Insider März 2020
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
IKG
EIN PLÄDOYER FÜR
DEN STADTTEMPEL
von MMag. Tommy Gross
Viele brauchen den Stadttempel gelegentlich; sei es für Familienfeiern,
gemeinschaftliche Anlässe, weil sie Freunde oder Bekannte treffen
wollen oder leider auch für traurige Anlässe. Natürlich auch für die
Hohen Feiertage. Manchmal ensteht der Eindruck, dass die Existenz des
Stadttempels und seiner lebendigen Strukturen als Selbstverständlichkeit
betrachtet wird. Es funktioniert ja zweimal täglich an jedem Tag im Jahr.
Ist es wirklich unvorstellbar, dass der Stadttempel irgendwann einmal
periodenmäßig geschlossen sein wird, weil er keinen mehr interessiert?
Nicht ganz; schließlich kommen Menschen
freiwillig in den Stadttempel. Aber das
kann sich ändern. Und was dann? Soll der
Stadttempel dann nur noch künstlich am
Leben erhalten werden? Ist es wirklich das,
was wir uns vorstellen?
Wie hofnungsvoll ist es daher festzustellen,
dass zurzeit für Viele das Kommen in
den Stadttempel eine tägliche oder wöchentliche
Routine geworden ist. Die Erfahrung
zeigt, je intensiver der Stadttempel von einer
Person besetzt wird, umso mehr Freude
schaft der Tempelaufenthalt der Person
selbst und allen anderen, und umgekehrt. Es
sind gerade diese regelmäßigen Besucher, die
die lebendigen Strukturen im Stadttempel
auf täglicher bzw. wöchentlicher Basis aufrechterhalten
und erst damit die Voraussetzungen
schafen, dass der Stadttempel von
allen Mitgliedern der Gemeinde, auf welcher
Basis auch immer, genutzt werden kann.
An dieser Stelle sei die Frage erlaubt,
wieso ganz ofensichtlich die Vorzüge des
Stadttempels nicht geeignet sind, weitaus
mehr Menschen anzusprechen, den
Stadttempel regelmäßig, und sei es nur auf
wöchentlicher Basis, am Schabbat, zu besuchen?
Die gegebenen Strukturen würden es
ja erlauben, ja sich geradezu anbieten.
Welche Vorzüge?
• Viele Menschen, Mitglieder der Gemeinde
und Gäste, erleben das Freitagabend-Gebet
(Kabbalat Schabbat), vorgebetet und gesungen
vom Oberkantor und dem Tempelchor,
als spirituelle Verabschiedung von den säkularen
Aufgaben des Wochenalltags (heute
auch Stress genannt) und als spirituelle Begrüßung
des Heiligen Ruhetags, Schabbat;
als bewusste Drosselung des menschlichen
Motors, die vorübergehende Beseitigung der
ständigen Erreichbarkeit. Man spürt direkt
wie sich die innere Ruhe entwickelt. Man
findet mit Eintritt des Schabbat endlich Zeit,
22 insider März 2020
Viele Menschen erleben das
Freitagabend-Gebet als spirituelle
Verabschiedung von
den säkularen Aufgaben des
Wochenalltags.
während des gemeinsamen Gebets ein wenig
in sich zu gehen, Freunde und Bekannte zu
trefen und für ein gemeinsames Abendessen
in familiärer Atmosphäre. Es ist genau jener
Zeitpunkt bei Kabbalat Schabbat am Freitagabend
(es ist schade, ihn zu verpassen!),
an dem die Möglichkeit der Transformation
des Bewusstseins entsteht, sich völlig von allen
alltäglichen Ablenkungen abzuwenden
und sich ohne Störungen der Spiritualität
des Schabbat zu widmen. All das kann man
jeden Freitagabend zu Kabbalat Schabbat im
gemeinsamen Gebet mit allen anwesenden
Menschen im Stadttempel erbeten, ersingen
und erleben. Das Verlassen des Stadtempels
am Freitagabend erfolgt dann mit einer völlig
anderen inneren Einstellung als das Betreten
des Stadtempels vor dem Schabbat-Eingang.
• Gleiches kann man am Samstagmorgen
beim Morgengebet erleben. Das gemeinsame
Beten und Singen sind dazu geeignet,
den Schabbat in seiner einzigartigen spirituellen
Ruhe in besonderer Art und Form spüren
zu lassen. Der fantastische Kinderchor,
als fester Bestandteil des Morgengebets, singt
gemeinsam mit dem Oberkantor beim Mussafgebet
und das Schlussgebet.
• Zurzeit läuft im Stadttempel auch eine
Art „Hydepark“-Aktion. Alle sind eingeladen,
sich auf einen Gedanken aus einem
jeweiligen Wochenabschnitt vorzubereiten
und (nach Absprache mit dem Oberkantor)
diesen entweder am Freitagabend während
des Gebetes oder am Schabbatmorgen beim
Kiddusch vor der Gemeinschaft vorzutragen.
Zugegeben, es bedarf etwas Vorbereitung
und Mut, aber viele Menschen, Junge und
Junggebliebene, haben diese Chance schon
wahrgenommen. So etwas schaft sicher eine
große innere Befriedigung.
• Am Schabbatmorgen wird auch der jeweilige
Wochenabschnitt aus der Thora vorgelesen,
wozu einer Anzahl von mindestens 7
Personen die Ehre zuteil wird, einen Segen
über die Thora zu sprechen.
• Aus jeweils gegebenem Anlass feiern wir im
Stadttempel gemeinsam mit den Familien
Bar oder Bat Mitzwa, Aufrufe für Bräutigame,
Geburtstage und vieles mehr.
• Wir sprechen auch ein Krankengebet für all
jene, die Genesung brauchen, und es besteht
in aller Regel die Möglichkeit, bei dieser Gelegenheit
Namen von Kranken zu nennen,
damit auch sie im Krankengebet namentlich
erwähnt werden.
• Einer der Höhepunkte ist der gemeinsame
wöchentliche Kiddusch nach dem Morgengebet,
wo wir das Gebet gesellig bei Kigel,
Kuchen und Getränken, wie auch mit Gesang
und vorgetragenen Gedanken zum Wochenabschnitt
abrunden.
• An jedem Wochentag findet in der Früh
und am Abend ein Gebet statt, an dem alle
teilnehmen können, vor allem jene, die
das Kaddisch-Gebet sagen müssen. Bei
Bedarf wird beim Gebet auch Unterstützung
angeboten.
Soweit nur einige der Vorzüge, die wir in
unserem Stadttempel jahrein, jahraus zur
Verfügung haben. Um all diese Strukturen
aufrechtzuerhalten, setzen sich viele
Personen, zum Teil auch ehrenamtlich, ein,
wie etwa der Tempelvorstand, das Rabbinat,
Kantoren, Tempelchor, Tempeldiener,
Sicherheit, Garderobe, MitarbeiterInnen
der IKG und viele mehr. Wer also all jenen
Personen, die sich für den Stadttempel
einsetzen, den ihnen zustehenden Respekt
erweisen will, und wem es wichtig ist, einen
höchstpersönlichen Beitrag dafür zu
leisten, dass die lebendigen Strukturen im
Stadttempel auch weiterhin, vor allem für
unsere Kinder, aufrecht bleiben, damit
auch sie alle Vorzüge genießen werden
können, sollte sich, auch im höchsten eigenen
Interesse, überlegen ob er/sie nicht