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Magazyn Polonia 15/16

Zeitschrift der Polen in Deutschland Kwartalnik Polaków w Niemczech

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GESCHICHTE

Eine ganz einfache Geschichte einer besonderen

Familie – Interview mit Ewa Maria Alaska

Joanna Trümner: Wie lange dauerte deine Reise

aus Lublin nach Berlin?

Ewa Maria Slaska: Meine Familie kam wahrscheinlich

tatsächlich aus Lublin. Auch wenn Lublin weder in der Familienerinnerung

noch im Buch vorkommt. Die Familie

stammte aus Galizien, lebte aber in Warschau. Meine

„Reise“ dauerte je nach Betrachtungsweise fünfundzwanzig

bzw. dreißig Jahre, intellektuell bzw. gedanklich, emotional

fing ich sofort nach der Entdeckung des bis jetzt Verheimlichten,

der jüdischen Abstammung meiner Familie,

damit an. Ich dachte viel darüber nach, fragte Menschen

und suchte nach Informationen, die nicht für das Buch,

sondern für mich persönlich, wichtig waren. Allerdings

wäre dieses Buch ohne dieses Sammeln von Informationen

nicht entstanden. Ich muss gestehen, dass mich lange Zeit

kaum etwas anderes interessierte, ich wollte einfach möglichst

viel in Erfahrung bringen. Nachdem ich die Wahrheit

über meine Herkunft kennengelernt hatte, schrieb ich in

Anlehnung an den „Ewigen Juden“ die Erzählung „Die

ewige Jüdin“ (auf Deutsch „Archäologie der Kindheit“).

Ich schrieb es vor ca. 20 Jahren, also Ende der neunziger

Jahre. Die Hauptfigur, Großmutter, hieß Róża. Es ist zwar

lange her, ich glaube dennoch, dass die Erzählung auch auf

einem Blog erschien. Die Geschichte erschien auch in einigen

Zeitungen, Anthologien und Büchern, lange Zeit war

ich der Meinung, dass ich nun genug getan habe und nichts

mehr darüber schreiben muss, da das, was ich mitteilen

wollte, mitgeteilt worden ist. Eigentlich ist danach nichts

mehr passiert, bis auf eine Tatsache, die auch in meinem

Buch erwähnt worden ist. Damals führte ich den Blog „Jak

udusić kurę?”. Dort erschienen unter anderem Erzählungen

über meine Familie, auch über meine Großtante, Karusia.

Ein Unbekannter nahm mit mir Kontakt auf, was übrigens

keine Seltenheit war, viele Bücher sind durch

„Blog-Bekanntschaften“ zustande gekommen. Dieser Herr

fragte mich, ob ich die Großnichte von Karolina Lubliner-

Mianowska sei. Dadurch wäre ich die Urgroßenkelin von

Eugenia Lubliner, die die erste Schule für geistig behinderte

Kinder in Polen gründete und inzwischen leider in Vergessenheit

geraten ist. Er möchte über sie seine Habilitationsarbeit

schreiben. Ich muss zugeben, dass mein Wissen über

die Familie nicht gerade groß war, was dazu führte, dass

ich vor der Kontaktaufnahme durch Tomasz Fetzki, der inzwischen

vielen bekannt ist, davon ausgegangen bin, dass

meine Urgroßmutter Genowefa (alle nannten sie Gieniusia)

hieß. Erst Tomasz klärte mich auf, dass ihr richtiger

Vorname nicht Genowefa, sondern Róża war.

Eugenia

Ich habe mit Tomasz ausgemacht, in einem Gespräch

mit der Familie zu klären, ob man Informationen an ihn

weiterleiten kann. Übrigens hat Tomasz mich im Gegenzug

mit zahlreichen Informationen aus Zeitungen versorgt.

Ich fing an, diesen Stoff zu sammeln, bis ich mir irgendwann

sicher war, diese stets größer werdende

Informationssammlung zu ordnen und für ein Buch zu

verwenden. All das geschah vor ca. sechs, vielleicht sieben

Jahren. Damals wusste niemand Bescheid, sogar die

einzige noch lebende Person, die sich sowohl an die Zeit

als auch an die Personen erinnern konnte, meine Tante,

wusste nicht alles, einiges hat sie erst über Tomasz und

mich erfahren. Wir sammelten gemeinsam Informationen

über die Schule meiner Urgroßmutter und fanden den Ort,

an dem die Schule und das Internat stand. Da es niemanden

interessierte, brachte sogar meine Tante einiges durcheinander.

In dieser so interessanten Zusammenarbeit passierte

einiges: Tomek (Tomasz Fetzki) verlor das Interesse

an der Habilitationsarbeit, promoviert hatte er sowieso

früher. Er versprach, ein Buch über meine Urgroßmutter

trotzdem zu schreiben. Menschen erzählen viel… Inzwischen

habe ich festgestellt, dass es so viel Stoff gibt, dass

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MAGAZYN POLONIA 2019 15/16

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