blickpunkt-2020-online
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
BLICKPUNKT.
gehen. Fleisch gab es nur zu hohen
Festtagen der heidnischen Götter.
Die Tiere wurden z.B. der Göttin Artemis
als Opfer dargebracht und geschlachtet.
Die Göttin, so die antike
Vorstellung, begnügte sich dann mit
Blut und Knochen, die zu ihrer Freude
verbrannt wurden und als Dampf emporstiegen.
Das gute Fleisch konnte
gerne verteilt werden. Und das wurde
es: Bei großen Gelagen, bei denen
sich auch Zünfte trafen und wo Kontakte
und Handelsvereinbarungen
geschlossen wurden. Das waren gesellschaftliche
Großereignisse.
Keine starren Regeln – immer mit
Rücksicht auf die Schwachen
Wie sollten sich die Christen nun
dazu verhalten? Antwort gibt Paulus
im ersten Korinther-Brief: Er meint,
diejenigen, die verstehen, dass die
Götter der Heiden gar nicht existieren,
können ruhig hingehen und vom
Fleisch essen. Sie sind schon stark
im Glauben. Diejenigen, die sich
noch nicht so sicher sind, sollten sich
enthalten. So bleibt es jedem selbst
überlassen, gemessen am Glauben
zu entscheiden. Und die Starken sollen
nicht vor den Schwachen hervorposaunen,
wo sie hingehen, sondern
aus Rücksicht ggf. auch auf die Teilnahme
am Mahl verzichten. Ich halte
das für weise, weil die Freiheit in der
Erkenntnis Christi – der Erkenntnis
Gottes – liegt. Keine starren Regeln,
sondern jeder je nachdem „wie weit“
er oder sie ist und immer in Rücksicht
auf die Schwachen der Gemeinschaft.
Vielleicht mögen die Katholiken Paulus
ja deswegen nicht ganz so gerne:
Wir haben gerne Klarheit und eine
verbindliche Richtschnur. Ich erkenne
im neuen Stil von Papst Franziskus
etwas von dem paulinischen Gedanken
wieder … Die Kardinäle, die
Anfragen zur Glaubenslehre hinsichtlich
der Kommunion von wiederverheirateten
Geschiedenen formuliert
haben, denken auch so linear wie einige
aus der Gemeinde von Korinth.
Der Pontifex nimmt sich in dieser
Frage vermutlich Paulus als Vorbild:
Nicht alles muss bis ins letzte Detail
reglementiert sein. Das macht Paulus
doch ganz sympathisch, oder?
Zudem wird Paulus katholischerseits
immer etwas schief angeguckt, da
Luthers Vorstellung des „sola gratia“
(allein durch Gottes Gnade sind wir
26