blickpunkt-2020-online
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
BLICKPUNKT.
„CHRISTEN SOLLEN
SICH POLITISCH
EINMISCHEN!“
Doppelinterview mit dem früheren Oberbürgermeister Christian
Ude und Dekan David Theil
Die Reibereien zwischen Don Camillo
und Pepone unterhalten uns bis
heute, aber wie ist es tatsächlich bestellt
um das Verhältnis von Kirche
und Politik? Wir haben die beiden
Nachbarn am Kaiserplatz zum Interview
gebeten.
Herr Ude, waren Sie als Oberbürgermeister
über Einmischungen der Kirchen
dankbar, oder haben die eher
genervt?
Ude: Auch wenn ich das als junger
Mann noch anders sah: in meiner
Amtszeit war ich völlig zufrieden mit
dem intensiven Dialog, den wir nicht
nur mit der katholischen und der
evangelischen Kirche und der Orthodoxie
führten, sondern auch mit Juden
und Muslimen. Ich erinnere nur
an die Diskussion um die Moschee
in Sendling, da waren wir uns mit
den Vertretern aller Religionen immer
einig. Und auch wenn ich weiter
zurückblicke: die Kirchen waren bei
den großen Fragen immer da, und
manchmal haben Stellungnahmen
der Kirchen sogar SPD-Parteitagen
gezeigt, wo es langgeht, etwa bei
der Anerkennung der Oder-Neiße-
Grenze.
Sie klingen ja wie ein Fan der Kirchen,
war das immer schon so?
Ude: Jetzt sprechen Sie mich doch
auf die dunkle Vergangenheit an. Ich
war auf dem Gymnasium, als Hochhuths
„Stellvertreter“ rauskam, und
die Frage, wie sich hier beide christliche
Kirchen zum Steigbügelhalter
der Nationalsozialisten machen
konnten, beschäftigte mich lange,
und ich überlegte immer wieder, aus
der evangelischen Kirche auszutreten.
Was mich an der katholischen
damals aufregte war, dass sich viele
ihrer Vertreter nicht zu blöd waren,
sich zum Reklameträger einer poli-
44