Nr. 33 - Mai / Juni 2011

Unterwegs in Frankreich Saint-Rémy
Der Charme von Saint-Rémy-de-
Provence lockt viele Besucher in
die provenzalische Kleinstadt
zwischen Arles und Avignon. Sie
finden hier eine lebendige
Altstadt, Spuren zweier großer
Männer und den Hauch der
Geschichte, der aus der Antike
ins Heute herüberweht.
Der Parkweg zum Kloster Saint-
Paul-de-Mausole ist schattig.
Vereinzelte Vogelrufe durchbrechen
die Stille, im Park spazieren
nur wenige Besucher. Ein Ort des Friedens
– heutzutage. Ein solcher war die
Nervenheilanstalt für ihren berühmtesten
Bewohner einstmals nicht.
Vincent van Gogh lebte hier von 1889
bis 1890 in einer spartanischen Zelle,
die nur durch ein vergittertes Fenster
den Blick auf den Klostergarten erlaubte.
Als ein « Verrückter », ein « Besessener
», galt der Maler, der hoffte, in
Saint-Paul-de-Mausole von seinem
Wahn genesen zu können.
Noch heute befindet sich im linken,
für Besucher nicht zugänglichen
Teil des Klosters eine Psychiatrie. Das
historische Klinikgebäude aber beherbergt
eine Ausstellung. Karg, klein und
kalt ist die Zelle van Goghs im ersten
Stock, die im Originalzustand erhalten
geblieben ist. Gleich nebenan liegt
der Behandlungsraum, wo die eisernen
Wannen stehen, in denen die Patienten
mit Kälteschockbädern geheilt
werden sollten. Die wirren Schreie der
Kranken sind beinahe noch zu hören,
so eindringlich geben die Räume und
Utensilien von den Zuständen von vor
120 Jahren Auskunft.
Für die Anstaltsinsassen und für
den im Nachhinein prominentesten
unter ihnen (van Gogh wurde erst
nach seinem Tod zum Malersuperstar,
zu Lebzeiten war er unbekannt und
arm), lag der friedvollste Ort des um
900 gegründeten Klosters im romani-
46 · Frankreich erleben · Mai / Juni 2011