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Man darf sich nicht ergeben

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Im Osten gewinnen<br />

Innerhalb eines halben Jahres haben <strong>sich</strong><br />

die Verhältnisse bei Teigwaren Riesa komplett<br />

verändert. Die Beschäftigten reden<br />

nun ein Wörtchen mit. Betriebsrat und<br />

Tarifvertrag haben die Arbeitsbedingungen<br />

deutlich verbessert. Dies wäre ohne<br />

den besonderen Zusammenhalt und die<br />

starke Einbindung der Belegschaft in den<br />

Arbeitskampf <strong>nicht</strong> möglich gewesen.<br />

Die Entschlossenheit der gesamten Belegschaft<br />

hat letztlich zum Einlenken der<br />

Eigentümer geführt. Daniel Zielke betont:<br />

„Den letzten Punch haben wir gesetzt.“<br />

Die Beschäftigten in Riesa sind mit<br />

ihrem Kampf Vorreiter in einer prekären<br />

Niedriglohnbranche wie der Lebensmittelindustrie.<br />

In anderen Branchen in Ostdeutschland<br />

ist es schon länger zu beobachten:<br />

Dort werden in den letzten Jahren<br />

verstärkt Betriebsräte neu gegründet und<br />

bestehende Gremien aktiver. „Wir erleben<br />

keine neue Revolution in Ostdeutschland.<br />

Aber es tut <strong>sich</strong> was“, formulierte es die<br />

Soziologin Ingrid Artus vor einiger Zeit. Die<br />

Nürnberger Professorin hat die Studie „Betriebsräte<br />

im Aufbruch? Vitalisierung betrieblicher<br />

Mitbestimmung in Ostdeutschland«<br />

verfasst. „Neue Akteure kommen in<br />

die Betriebsräte, es gibt Organisierungsprozesse<br />

in der Belegschaft mit Tarifanbindung<br />

als Ziel, Betriebsräte werden neu<br />

gegründet, auch in kleineren Betrieben.“<br />

Getragen wird dieser Aufbruch von<br />

einem neuen Selbstbewusstsein der Beschäftigten<br />

und einem neu gewachsenen<br />

Kollektivgefühl. Rückgang der Arbeitslosigkeit,<br />

demografischer Wandel und<br />

Fachkräfteengpässe fördern das Ende<br />

ostdeutscher Bescheidenheit.<br />

War für die Nachwendegeneration<br />

eine Konsensorientierung im Betrieb typisch<br />

– „Hauptsache Arbeit“ - verändern<br />

<strong>sich</strong> die Beziehungen im Betrieb nun stärker<br />

in Richtung Diskussion, Bereitschaft<br />

zum Konflikt und vor allem hin zu direkter<br />

Beteiligung. „Früher hatten wir <strong>nicht</strong><br />

den Mut“, fasst Daniel Zielke zusammen.<br />

„Jetzt haben wir gesehen: So ein Kampf<br />

ist <strong>nicht</strong>s Schlimmes. Die innere Hürde<br />

ist überwunden.“ Ihr Vorbild inspiriert andere<br />

Belegschaften. Es gibt Bewegung in<br />

vielen ostdeutschen Betrieben.<br />

Riesa hat gezeigt: <strong>Man</strong> muss <strong>sich</strong><br />

<strong>nicht</strong> <strong>ergeben</strong>.<br />

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