Kirmes & Park Revue 05/2020
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special
„Wer den Fuchsschwanz hat, hat
auf der Scooterplatte das Sagen“
Der „Selbstfahrer” von Richard Müller –
Eine Erfolgsstory
Die Familie
Text: Marcus Preis
Photos: Kevin Kerber, Marcus Preis
Pützchens Historischer
Jahrmarkt
Er galt als das Tinder des letzten Jahrhunderts; Kontaktbörse,
Treffpunkt, Flirtportal – ganz real, nicht
virtuell. Der Druck aufs Gaspedal ermöglichte den
direkten Kontakt zum anderen Geschlecht ohne stundenlanges
Rumgetippe auf dem Handy. Sehen und
gesehen werden! Doch besonderes Augenmerk galt
den Jungs mit dem Schlüssel und dem Fuchsschwanz.
Sie hatten die Macht und das Sagen am Scooter. Es
ist einer, der aus jener Zeit übrig geblieben scheint:
Richard Müller ist kein „gewöhnlicher“ Schausteller, er
ist der „Autoscooter-Mann“. Richard Müller betreibt
nicht einfach seine Fahrgeschäfte zum Broterwerb, er
lebt Autoscooter mit jeder Pore seines Seins; und nicht
nur das, mit seinem nostalgischen Pfostenscooter holt
er auf ausgewählten Veranstaltungen 70 Jahre Kirmes-
Geschichte des Klassikers in die Gegenwart zurück.
„Ich bin am Autoscooter aufgewachsen“. Wenn
Richard Müller von seiner Jugend erzählt, glänzen seine
Augen. „Ich habe meine Kindheit am Pfostenscooter
verbracht. Es war immer mein Traum, so was in der
heutigen Zeit den Kirmesbesuchern zu zeigen.“ Moralische
Unterstützung bekam er von seinem Vereinskollegen
und Freund Peter Buchholz, der zwei geschichtsträchtige
Raupenbahnen betreibt. Beide sind
Mitglieder der ersten Stunde der im Jahr 2003 gegründeten
„Historischen Gesellschaft deutscher Schausteller“.
„Damals habe ich zunächst nur meine Hanomags
auf nostalgischen Volksfesten gezeigt. Peter hat
mich motiviert; ‚Wenn jemand wieder einen Pfostenscooter
auf die Reise bringt, dann bist du das‘“. Im Jahr
2009 war es dann soweit: Im Internet wurde ein alte
Scooterhalle zum Kauf angeboten. „Gemeinsam mit
Peter bin ich zur Familie Hartwig aus dem Emsland
gefahren, um das Geschäft anzuschauen. Natürlich
war es nicht im besten Zustand, die Packwagen standen
in der Ecke und waren mit Bäumen zugewachsen.
Frau Hartwig war bereits verwitwet, die Halle war das
Heiligtum ihres verstorbenen Mannes. Zum Geschäft
gehörten auch ein Kassenwagen sowie 16 historische
Ihle-Chaisen. „Peter und ich konnten glaubhaft vermitteln,
dass ich nicht, wie manch einer, nur an den Chaisen
interessiert war. Mein Plan war es, ein Jahr später
den Pfostenscooter restauriert auf dem historischen
Jahrmarkt in Bochum zu präsentieren.“ Es gelang den
beiden Schaustellern, Frau Hartwig davon zu überzeugen,
dass sie das Vermächtnis ihres Mannes in gute
Hände geben würde. „Für Frau Hartwig war das emotional
sehr wichtig.“ Man wurde sich schnell einig, und
so ging der Pfostenscooter in die Hände des Schaustellerbetriebes
Müller über.
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