Melange No14
Melange No14 - Das Magazin im Süden Bayerns
Melange No14 - Das Magazin im Süden Bayerns
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Titel: Monika & Michaela Gessler<br />
Foto: Florian Warnecke<br />
d a s m a g a z i n<br />
FRATER VITALIS M. OSB<br />
Die Freiheit zum Gehorsam<br />
IM SÜDEN<br />
BAYERNS<br />
CHRISTEL THIER<br />
Zuhause bleiben<br />
ROMAN<br />
FABISCH<br />
Optikermeister &<br />
Naturbursche<br />
TINY HOUSES<br />
Gelebter Minimalismus
EDITORIAL<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser!<br />
W<br />
as passiert mit unserer Welt, wehrt sich die Erdkugel,<br />
sind 7,5 Milliarden Menschen zu viel auf ihr? Vor kurzem<br />
fragte mich mein Freund, willst du nicht über die<br />
Helden der Corona-Krise schreiben? Ich: Jaaaa…?? Für mich sind<br />
es aber keine Helden, sie machen einiges durch, schlaflose Nächte…<br />
Der Einzelhandel, die Gastro und viele Betriebe kämpfen um ihre<br />
Existenz und um die Arbeitsplätze ihrer verdienten Mitarbeiter.<br />
Rund um Murnau sind ca. 5000 Menschen in Kurzarbeit, sie müssen<br />
von heute auf morgen zum Teil mit 60% ihres Gehalts auskommen.<br />
Darunter leiden auch ihre Familien. Zudem sind sie verunsichert,<br />
können sie überhaupt zurück zu ihrem Arbeitsplatz, oder<br />
müssen sie sogar mit einer Kündigung rechnen. Bis die Betriebe<br />
wieder richtig anlaufen, werden Monate vergehen.<br />
ZAMMHOITN!<br />
Liebe Bürger/innen vom Oberland, nutzen Sie bitte Ihre Bestellund<br />
Einkaufsmöglichkeiten vor Ort, es geht um jeden einzelnen<br />
Betrieb und um jeden einzelnen dazugehörigen Arbeitsplatz, denken<br />
Sie bitte nachhaltig. Stärken Sie sich gegenseitig mit Worten und<br />
Taten und Sie werden sich am Abend gut dabei fühlen.<br />
Stark sein, wenn‘s zählt – jetzt zählt‘s!<br />
Viel Spaß beim Lesen wünscht<br />
Franz Windirsch und das Team <strong>Melange</strong><br />
Auf dem Titel der Ausgabe 14 sind die<br />
„Gessler-Zwillinge“ aus Bad Kohlgrub,<br />
die Monika und die Michaela, und seit<br />
über 10 Jahren wohnhaft in Murnau.<br />
„Besonders an unserer Heimat lieben<br />
wir, dass wir alles vor der Haustüre<br />
haben, die Berge, die Seen, am Markt<br />
Murnau lieben wir die Fußgängerzone,<br />
alles, was wir brauchen, bekommen<br />
wir hier vor Ort.“<br />
Wie auf dem Titel zu sehen ist:<br />
Zum Fotoshooting schenkte ihnen<br />
Damiano vom Obermarkt in Murnau<br />
zwei Kugeln köstliches Erdbeereis.<br />
Das <strong>Melange</strong>-Sommerfest, traditionell<br />
mit unseren Hausbands „Wuid Brei“<br />
und „Die Zeitzeugen“ im wunderschönen<br />
Cafe-Garten in der Schokoladen-<br />
Manufaktur von der Familie Krönner,<br />
fällt dieses Jahr leider aus. Ob zur Jahreswende,<br />
nach der „Kasspatzn-Affaire“<br />
2019 oder dem „Schinkennudeln<br />
Blues“ 2020, das geplante „Rohladen-<br />
Drama“ stattfindet, weiß nicht mal der<br />
liebe Gott, und der Frenchy, so wie er<br />
im Ammertal genannt wird, schon<br />
gleich zweimal nicht.<br />
Bleibt gesund und stark.<br />
3Foto: Florian Warnecke
INHALT<br />
6 IMPRESSIONEN BREATHE – Murnau holt Luft<br />
„Murnauer Moos“ von Florian Warnecke<br />
8 PORTRAIT Frater Vitalis M. OSB<br />
Die Freiheit zum Gehorsam – Leben hinter Klostermauern<br />
13 FINE ART PRINT-SONDEREDITION Sabina Bockemühl<br />
„Zusammenhalt“<br />
8<br />
Frater Vitalis M. OSB<br />
Die Freiheit zum Gehorsam<br />
14 TIERE RETTEN Martin Thoma<br />
Mit Bambi auf der Wiese<br />
20 STARKE FRAUEN Christel Thier<br />
Zuhause bleiben<br />
26 MOBILITÄT Clemens Deyerling & Robert Schotten<br />
kooperieren mit der Marktgemeinde Murnau:<br />
Der bedarfsorientierte, digital gesteuerte Ortsbus<br />
28 PORTRAIT Michael Stotter, Foto Stoess<br />
Ein traditionsbewusster Technikfan<br />
33 GEWINNER Die Linie<br />
Nominierung für den Oscar 2020 – „Sterne der Wäsche“-Award<br />
14<br />
Martin Thoma<br />
Mit Bambi auf der Wiese<br />
34 LIVE Zammhoitn!<br />
Murnaus einzigartigen Kern bewahren<br />
39 FITNESS pro-line Fitness- und Freizeitstudio<br />
Was macht das pro-line in der Corona-Krise?<br />
40 LIVE MS Seehausen<br />
Saisonstart an Bord sehnsüchtig erwartet<br />
44 BG UNFALLKLINIK MURNAU<br />
Medizinische Bildgebung an der<br />
BG Unfallklinik Murnau<br />
Radiologie, Neuroradiologie und Interventionelle Radiologie<br />
40<br />
MS Seehausen<br />
Saisonstart sehnsüchtig erwartet<br />
52 SCHÜLERINTERVIEW Anikó und Louis im Gespräch<br />
Schule ohne Schule – geht das?<br />
4
INHALT<br />
56 PORTRAIT Brillen Moog: Roman Fabisch<br />
Optikermeister und Naturbursche<br />
60 WOHNEN Tiny Houses<br />
Manuela Schädle und Bernd Klöpper:<br />
„Die Chance, bei sich selbst anzukommen“<br />
66 PORTRAIT Dennis Destek<br />
Fußball ist mein Leben<br />
70 GESUNDHEIT Zahnmedizin Oberland<br />
Konzeptpraxis für systemische Medizin<br />
77 IMMOBILIEN EXPERTENTIPPS von Britta Kirstein-Zietz<br />
Was bedeutet Corona für Vermieter und Mieter?<br />
Was passiert, wenn die Miete durch virusbedingte finanzielle<br />
Ausfälle nicht mehr bezahlt werden kann?<br />
33<br />
„Sterne der Wäsche“-Award für Die Linie<br />
(li. Peter Wiesendanger, re. Ulrike Thoma)<br />
78 WIRTSCHAFT + FINANZEN mit Dr. R. E. Schauer<br />
12 Fragen zum Arbeitsrecht in Zeiten von Corona (Covid-19)<br />
80 MARKTPLATZ<br />
Cafés, Restaurants, Shopping, Tourismus und Gesundheit,<br />
Kunst, Handwerk, Immobilien und Dienstleistungen<br />
auf einen Blick<br />
IMPRESSUM<br />
Herausgeber: Franz Windirsch, Agentur <strong>Melange</strong>, Postgasse 4, 82418 Murnau<br />
Redaktionsleitung & Marketing: Sandra Bangerter<br />
Autoren: nil, Heribert Riesenhuber, Beate Berger, Johannes Wessel,<br />
Sandra Bangerter, Birgit Schwarzenberger, Alexandra Sichart, Anikó Riesenhuber<br />
Art Direktion: Katrin Oppenrieder<br />
Fotografen: Florian Warnecke, Heribert Riesenhuber, Beate Berger, Stefan Schütz,<br />
Florian Werner, Stefanie Seyringer, Christian Podolski, Sandra Bangerter,<br />
Franz Windirsch<br />
Bildbearbeitung: Richard Maier<br />
Lektorat: Rolf Brunner<br />
Eventmanager: Sebastian Windirsch<br />
56<br />
Brillen Moog: Roman Fabisch<br />
Optikermeister und Naturbursche<br />
KUNDENBETREUUNG + ANZEIGEN<br />
Franz Windirsch, 0151.12050911<br />
Sandra Bangerter<br />
Sebastian Windirsch<br />
info@agentur-melange.de<br />
VERTEILUNG<br />
Ammergauer Alpen, Blaues Land,<br />
Garmisch-Partenkirchen, Loisachtal,<br />
Penzberg, Weilheim, Peiting, Schongau,<br />
Ehrwald/Tirol<br />
60<br />
Tiny Houses<br />
Manuela Schädle und Bernd Klöpper<br />
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Foto: Florian Warnecke – 17.4.2018 – 19:22 Uhr – 1Murnauer Moos<br />
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PORTRAIT<br />
DIE FREIHEIT<br />
ZUM<br />
GEHORSAM<br />
LEBEN HINTER<br />
KLOSTERMAUERN.<br />
EIN GESPRÄCH MIT<br />
FRATER VITALIS M. OSB<br />
Wenn eine Interviewanfrage im Kloster Ettal landet,<br />
dann ist es oft Frater Vitalis Maria OSB, der<br />
zum Gespräch bereitsteht. Ihm untersteht die Klosterdestillerie,<br />
in der der weltberühmte Klosterliqueur<br />
hergestellt wird. Im Augenblick allerdings<br />
hat man dort die Produktion auf hochkonzentrierten<br />
Alkohol umgestellt. In Kooperation mit dem<br />
Klinikum Garmisch-Partenkirchen werden hier Desinfektionsmittel<br />
zum Gebrauch im Krankenhaus<br />
hergestellt. Aber Frater Vitals OSB ist auch der Imker<br />
des Klosters und der Spezialist für Kräuterund<br />
Heilkunde. Beim Gespräch mit ihm stets dabei:<br />
eine Dose Schnupftabak und oft auch eine<br />
Kanne Tee. Spaß an diesen Interviewterminen<br />
habe er eher nicht, sagt er. Sie rauben ihm die<br />
Zeit. Als Mönch hat er Gehorsam gelobt und darum<br />
gebe er Interviews, wenn der Abt es „befehle“.<br />
Ob das auch in unserem Fall so war, wusste er<br />
allerdings nicht mit Sicherheit. Das Gespräch begann<br />
relativ nüchtern und endete mit einem von<br />
Herzen lachenden Gesprächspartner.<br />
8
Foto: Heribert Riesenhuber<br />
9
PORTRAIT<br />
Lieber Frater Vitalis, was ist eigentlich das Schöne am Klosterleben<br />
heute?<br />
FRATER VITALIS M. OSB: Das ist schwer zu sagen, weil jeder ja<br />
etwas anderes als schön empfindet. Für mich ist es schön, dass ich<br />
einen Ort habe, wo ich Gott suchen kann. Das mache ich auf sehr<br />
einfache Weise: Ich ziehe mich in meine Zelle zurück und bete dort.<br />
Die Offizien, in denen wir unsere Psalmen sprechen, das ist sozusagen<br />
der offizielle Teil. Und das Private ist dann der Versuch des<br />
Mönches, den Kontakt zwischen dem Transzendentalen und IHM<br />
zu finden. Im Kloster ist das möglich. Auch wenn man natürlich<br />
Gott überall suchen kann.<br />
Wie war das, als Sie sich für ein Leben im Kloster entschieden<br />
haben?<br />
FRATER VITALIS M. OSB: Gott hat mich gerufen und ich habe dann<br />
‚Ja‘ gesagt, mit allen Konsequenzen.<br />
1992 trat Frater Vitalis Sittenauer ins Kloster Ettal ein. Er stammt<br />
aus der Holledau, wo er auf dem elterlichen Bauernhof aufgewachsen<br />
ist und eine Ausbildung zum Landwirt gemacht hat.<br />
Früh kam er mit dem aromatische Hopfen in Kontakt und auch<br />
die Imkerei hat ihn bereits als Kind begeistert. „Mit 14 Jahren<br />
war mir definitiv klar, dass ich irgendwann einmal im Kloster sterben<br />
werde“, erinnert er sich. Die Eltern waren darüber nicht erfreut,<br />
obwohl Frater Vitalis eine ganze Reihe von Verwandten<br />
aufzählen kann, die ebenfalls im Kloster lebten. „Ich stamme aus<br />
einer ziemlich ‚schwarzen‘ Familie“, sagt er selbst.<br />
„Ich war Einzelkind. Da war es für meine Eltern natürlich das<br />
absolute ‚No go‘, dass ich ins Kloster gehe.“ Acht Jahre lang<br />
machte Frater Vitalis, der damals noch Ludwig Martin Sittenauer<br />
hieß, eine Ausbildung zum Heilpraktiker. „Mich hat das<br />
fasziniert und ich habe mir gedacht, wenn du dir selber helfen<br />
kannst, wäre es auch nicht schlecht. Also bin ich zu einem Heilpraktiker<br />
in Freising gegangen, der ein sehr guter Lehrer war.“<br />
Können Sie sich heute selber helfen?<br />
FRATER VITALIS M. OSB: Größtenteils ja.<br />
Als Heilpraktiker darf Frater Vitals trotz seines immensen Wissens<br />
nicht arbeiten, da er die Ausbildung nicht abgeschlossen<br />
hat. Trotzdem gibt es viele, die sich bei ihm Rat holen. Mit<br />
Kräutern kennt er sich aus wie kein Zweiter und auch mit der<br />
traditionellen Chinesischen Medizin hat er sich seit 1980 befasst<br />
Frater Vitalis M. OSB<br />
(„und ich lerne immer weiter“). Die Leitung der Destillerie im<br />
Kloster wollte er eigentlich nicht übernehmen. Hochprozentiges<br />
trinkt er überhaupt nicht. Und so hat er zum Beispiel einen<br />
Gin für das Kloster allein mit der Kenntnis von Kräutern und<br />
Aromen und seiner Vorstellungskraft komponiert, ohne ihn zu<br />
probieren. Bevor er ins Kloster ging, hat er in seiner Heimatgemeinde<br />
das Amt des Lektors, Kantors, Wortgottesdienstleiters,<br />
Kommunionhelfers, Akolyths übernommen und den Pfarrer<br />
(„wir hatten fünf Pfarreien, einen Pfarrer und mich“)<br />
unterstützt. Auch den Umgang mit Kranken und Sterbenden<br />
(Krankenkommunion und Sterbehilfe – passiv!) hat Frater Vitalis<br />
in dieser Zeit kennengelernt: „Ich habe in einem Altenheim<br />
auf der Pflegestation hospitiert für ein Jahr, dort hatte ich die<br />
meisten Sterbefälle.“<br />
Wie ist das eigentlich mit der Berufung zum Mönch. Merkt man<br />
das überhaupt?<br />
Foto: Heribert Riesenhuberr<br />
10
FRATER VITALIS M. OSB: Ja, das kommt und das lässt einen dann<br />
auch nicht aus. Wissen Sie, das kann man schwer beschreiben.<br />
Sie können ja auch nicht genau beschreiben, warum Sie ausgerechnet<br />
die Frau lieben, die sie wollen. Es ist genauso mit dem<br />
Mönch oder mit der Nonne: Man wird von Gott gerufen und kann<br />
immer noch sagen ‚Ich will nicht‘. Die Freiheit hat man.<br />
Wer diesen Ruf in sich nicht verspürt hat, der braucht sich also<br />
keine Gedanken mehr darüber zu machen?<br />
FRATER VITALIS M. OSB: Er könnte es probieren, ob er es dann vielleicht<br />
hört. Wissen Sie, Gott schreit nicht. Er ist still, er ist leise. Er<br />
ist nicht der lärmende Gott, sondern er ist einer, der anklopft und<br />
fragt: ‚Folgst du mir nach? Liebst du mich mehr als die anderen?‘<br />
Das würde ja bedeuten, dass es immer genügend Menschen gibt,<br />
die zu einem Leben im Kloster berufen sind. Die Realität sieht<br />
hier bei uns aber anders aus. Klöster werden zugemacht oder<br />
finden eine weltliche Nutzung, weil die Ordensgemeinschaften<br />
keinen Nachwuchs haben.<br />
Doch die Hopfenernte war einen Tag früher beendet und Frater<br />
Vitalis M. fuhr nach Ettal, wo Abt Edelbert ihn fragte, wann er<br />
denn komme. „Ich bin dann runter in die Basilika und habe mich<br />
auf die linke Seite gesetzt, ganz allein. Dann zogen die alle ein und<br />
die Muttergottes wurde reinthronisiert. Da waren richtig gestandene<br />
Männer dabei, die haben geheult wie die Schlosshunde. Und da<br />
hat es plötzlich Klick gemacht und ich wusste: Da ist dein Platz.<br />
Liebe auf den dritten Blick – aber ohne Umwege.“<br />
Haben Sie sich den Namen Frater Vitalis – der, ohne Ihnen nahetreten<br />
zu wollen, auch an einen Müsliriegel erinnert – eigentlich<br />
selbst ausgesucht?<br />
FRATER VITALIS M. OSB: Nein! Ich kam zu dem Namen wie die<br />
Jungfrau zum Kind. Man durfte sich ja drei Namen aussuchen. Ich<br />
hatte mir ausgesucht: Cosmas, Damian oder Pantaleon. Da hat Abt<br />
FRATER VITALIS M. OSB: Ich glaube, dass Gott die Menschen auch<br />
heute beruft. Aber die Leute überhören ihn. Die Regel Benedikts<br />
fängt mit den Worten an: ‚Neige dein Ohr, mein Sohn‘. Es ist ein<br />
sehr feines Gefühl, das man für Gott entwickeln muss. Er ist ja<br />
imaginär. Ich kann ihn nicht sehen, ich kann ihn nicht schmecken,<br />
ich kann ihn nicht riechen und trotzdem liebe ich ihn – aus ganzem<br />
Herzen, mit ganzer Seele. Ich kann ihn mit den eigenen Worten ansprechen.<br />
Gott spricht ja jede Sprache. Es muss nicht Latein sein,<br />
es muss nicht Griechisch sein. Er versteht auch Bairisch.<br />
Ob man sich das Kloster, in das man gehen möchte, selbst aussuchen<br />
könne, wollten wir wissen. Frater Vitalis hat sich verschiedene<br />
Benediktinerklöster angeschaut. Die Freundin der Mutter hatte<br />
ihm 1991 vorgeschlagen, sich doch einmal das Kloster Ettal anzuschauen.<br />
„Ich kam nach Ettal her, es war am 14. Mai, steige vom<br />
Zug aus und tappe in eine Eisfläche hinein. Da dachte ich mir: ‚Ist<br />
schon nichts.‘ Mir hat allerdings die Spiritualität im Hause gefallen.“<br />
Die Wiederauffindung der Ettaler Madonna war schließlich das<br />
entscheidende Erlebnis. Abt Edelbert schickte damals eine Einladung<br />
zur Reinthronisation der Madonna an den jungen Mann<br />
aus der Holledau und der brachte, eher widerwillig, einen Kranz<br />
aus Hopfen als Gruß. „Das war das erste Mal, dass meine Eltern<br />
sagten: Da musst du hingehen. Und ich sagte, ich will nicht. Und<br />
ich konnte auch gar nicht weg, weil gerade die Hopfenernte war.“<br />
11
PORTRAIT<br />
Foto: Heribert Riesenhuber<br />
Frater Vitalis M. OSB<br />
Edelbert nur gesagt: ‚Naja‘ und mich wieder weggeschickt. Es ging<br />
also hin und her und auf und nieder, und schließlich habe ich gesagt:<br />
‚Ich konnte mir meinen Namen das erste Mal bei der Taufe nicht<br />
aussuchen, also überlasse ich das Ihnen.‘ Dann kam der Tag der<br />
Einkleidung und der Abt stand vor mir und sagte: ‚Ab jetzt heißen<br />
Sie Frater Vitalis Maria.‘ Ich habe nicht mehr gewusst, was jetzt los<br />
ist. Später habe ich dann erfahren, dass der Abt immer einen Mönch<br />
haben wollte, der den Namen Vitalis trägt, weil am Vitalistag 1330<br />
das Kloster gegründet wurde. Das wusste ich damals natürlich nicht.“<br />
Wie lebt es sich eigentlich im Kloster? Wie ist das Verhältnis<br />
Kloster und Welt?<br />
FRATER VITALIS M. OSB: Ganz ehrlich, hier in Ettal kenne ich einige<br />
Menschen, aber nicht viele. Ich lebe im Kloster. Woanders komme<br />
ich nicht hin. Das ist alles.<br />
Was für eine Rolle spielt die Klostergemeinschaft?<br />
FRATER VITALIS M. OSB: Wir sind eine Glaubensgemeinschaft, eine<br />
Gebetsgemeinschaft und eine Mahlgemeinschaft, aber wir dürfen den<br />
ganzen Tag, mit Ausnahme von 19 bis 19.30 Uhr, in der Klausur<br />
nicht miteinander sprechen. Ich bin den ganzen Tag hier und abends<br />
bin ich dann froh, wenn ich hinter mir die Tür zumachen kann. Ich<br />
gehe auch zu keinem Mitbruder mit in die Zelle, außer er ruft mich.<br />
Wissen Sie, schon als Kind liebte ich die Einsamkeit, die Stille, die<br />
wir auf dem Hof hatten. Da ist mir die Stille der Natur, die persönliche<br />
Einsamkeit, die ich geliebt habe, zuerst schon ein bisschen abgegangen.<br />
Ich hatte auf einmal 52 Brüder und den Abt, ich war da schon ein<br />
bisschen überfordert. Für mich war immer wichtig, dass ich noch einen<br />
Rückzugsort gehabt habe, an dem ich mit Gott allein sein kann.<br />
Wie groß ist denn Ihre Zelle?<br />
FRATER VITALIS M. OSB lacht: 16 Quadratmeter. Bei mir gibt es ein<br />
Bett, einen Schreibtisch, einen Stuhl, einen Sessel und der Rest ist<br />
vollgestopft mit Bücherregalen.<br />
Auf die Frage, ob er denn jemals an der Entscheidung gezweifelt<br />
habe: „Nein, ich bereute noch keine Sekunde, außer dass ich Gott<br />
so lange warten ließ!“ Allerdings erwähnt Frater Vitalis auch das<br />
Jahr 2010, in dem das Kloster Ettal und der Ruf der dazugehörigen<br />
Internatsschule durch den großen Missbrauchsskandal erschüttert<br />
wurde. Er sei wirklich froh gewesen, dass seine Eltern<br />
damals schon nicht mehr lebten.<br />
Sorgen Sie sich um die Zukunft des Klosterlebens, weil es kaum<br />
Nachwuchs gibt?<br />
FRATER VITALIS M. OSB: Nein. Ich denke, das Pendel schlägt immer<br />
nach zwei Seiten aus. Es wird auch wieder anders werden. Der Mensch<br />
sucht Sinn. Er kann sich mit allem vollstopfen, was die Wissenschaft<br />
und die Medien bringen. Aber letztendlich findet er das, was er sucht,<br />
nicht. Er kann sich in der Suche verlieren, was ein großes Problem in<br />
der heutigen Zeit ist, weil es sehr viel Wissen gibt. Mehr als der Mensch<br />
begreifen kann. Aber jeder muss sein eigenes Leben leben und erfüllen,<br />
was uns Gott aufgetragen hat. Jeder von uns ist ein Stück Mitarbeiter<br />
Gottes in einem bestimmten Bereich. Wie Franz von Assisi gesagt hat:<br />
‚Gott hat keine anderen Hände als deine.‘<br />
Nach unserem Gespräch zeigte Frater Vitalis seinen Arbeitsplatz,<br />
an dem es aromatisch nach Räucherware duftet. Hier stellt er<br />
zum Beispiel Weihrauchmischungen her. Russische Ikonen und<br />
eine Öllampe hängen an den Wänden, aber auch fernöstliche<br />
Bilder. Auch über sein Interesse an diesen Kulturen könnte man<br />
lange mit ihm sprechen.<br />
Heribert Riesenhuber<br />
12
FINE ART PRINT –<br />
SONDER-EDITION<br />
„ZUSAMMENHALT“<br />
SABINABOCKEMÜHL<br />
In bewegten Zeiten sollte das „WIR“ im<br />
Vordergrund stehen.<br />
Neben vielen Herausforderungen bringt<br />
die Krise auch positive Veränderungen mit<br />
sich. Menschen rücken näher zusammen<br />
und die wirklich wichtigen Dinge erscheinen<br />
uns plötzlich so klar.<br />
Mit diesen Gedanken kam mir die Idee<br />
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Fine Art Print – Edition auf Hahnemühle<br />
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Sabina Bockemühl<br />
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13
Foto: Martin Thoma privat<br />
TIERE RETTEN
Mit Bambi<br />
auf der Wiese<br />
„Kitzvergrämung.“<br />
Klingt nicht besonders nett,<br />
ist aber nett gemeint ...<br />
15
Foto: Martin Thoma privat<br />
Martin Thoma rettet ein Rehkitz vor dem Mähwerk<br />
Martin Thoma hat Geräte entwickelt, deren fiese Geräusche junge<br />
Rehkitze von den saftigen Wiesen am Waldrand, die sie so lieben,<br />
vertreiben. Dabei mag er die Tiere. Sehr sogar. Dass so ein kleines<br />
Rehkitz auf der Wiese liegt, inmitten von frischen Kräutern, ist<br />
kein Wunder. Rehe sind recht „gschleckert“, erzählt Ingrid Geiersberger<br />
von BUND Naturschutz in Murnau. Sie kennt sich aus<br />
mit den Tieren bei uns in der Region. Ihr Spezialgebiet, über das<br />
sie promovierte, ist allerdings der Biber, um den es heute ausnahmsweise<br />
mal nicht geht. Wer jetzt im Frühjahr, so etwa ab<br />
Ende April, über die Wiesen läuft, dem kann es passieren, dass er<br />
in der Nähe vom Wald auch mal ein kleines braunes Fellknäul<br />
entdeckt. Meistens ist das eine ziemliche Überraschung, weil man<br />
nicht gleich erkennt, ob da ein Osterhase oder eine Wintermütze<br />
herumliegt. Die kleinen Kitze bewegen sich auch nicht, obwohl<br />
sie die Augen geöffnet haben. Warum läuft das nicht weg?, denkt<br />
man sich da, denn ein wildes Tier, das nicht wegläuft, ist schon<br />
ungewöhnlich. Wenn man nicht weiß, was man machen soll,<br />
kann man ja beim BUND Naturschutz anrufen. Oder beim Jäger,<br />
der für das Revier zuständig ist. Im Grunde aber, so Ingrid Geiersberger,<br />
braucht man gar nichts zu tun. Später wird die Mutter<br />
Ingrid Geiersberger vom Bund Naturschutz in Murnau<br />
das Kitz schon holen und dann geht es sowieso an einen anderen<br />
Platz. Passieren kann dem kleinen Bambi auch nicht viel. Es ist<br />
durch seine Zeichnung so gut getarnt, dass ein Raubvogel es nicht<br />
entdeckt, und der Fuchs, sein natürlicher Feind, kann es in diesem<br />
Alter von bis zu zwei Wochen noch gar nicht riechen. Es ist also<br />
in der Wiese eigentlich gut aufgehoben. Darum ist auch sein einziger<br />
Reflex bei Gefahr: liegenbleiben und nichts tun.<br />
Foto: Heribert Riesenhuber<br />
16
TIERE RETTEN<br />
Problematisch wird es erst, wenn der Mensch ins Spiel kommt.<br />
Insbesondere der Bauer, dem die Wiese gehört und der sie mähen<br />
will. „Dadurch, dass heute nicht mehr wie früher Heu gemacht<br />
wird, sondern das Futter als Silo schon viel früher gemäht wird,<br />
gibt es ein Problem für die kleinen Rehkitze“, sagte Ingrid Geiersberger.<br />
Man kann sich vorstellen, was passiert, wenn so eine Wiese<br />
mit seinem großen Mähwerk gemäht wird. Da hat ein Liegenbleiber<br />
keine Chance. Überhaupt ist so eine Wiese ja ein vielfältiger<br />
Lebensraum. Nicht nur für Kitze oder Feldmäuse, sondern auch<br />
für unzählige Insekten, Heupferde, Wiesenbrüter und andere. Ein<br />
Fortschritt ist es da, dass die Wiesen laut neuem Umweltschutzgesetz<br />
nicht mehr von außen nach innen, sondern umgekehrt<br />
von der Mitte aus gemäht werden, wie Ingrid Geiersberger<br />
weiß. Das bringt schon etwas. Aber für die kleinen Rehe nützt<br />
es trotzdem nichts, denn die bleiben einfach liegen.<br />
Martin Thoma hat sich schon seit frühester Jugend für die Natur<br />
interessiert. Schon als Schüler war er oft draußen unterwegs<br />
und hat Tiere beobachtet. Tierfotografie wurde zu einem seiner<br />
Hobbys. Er wurde Naturschutzwächter im Landkreis Weilheim<br />
Schongau und machte 2005 seinen Jagdschein. „Ich weiß, dass<br />
viele das nicht verstehen, aber für mich gehören die Jagd und der<br />
Naturschutz zusammen“, sagt er. Ein großer Teil seiner Tätigkeit<br />
als Jäger besteht darin, die Tiere zu schützen und zu hegen.<br />
Und wenn er Tiere schießt, dann weiß er, dass sie schnell und<br />
ohne zu leiden sterben. Ganz anders, wenn er von einem Bauern<br />
gerufen wird, der ein totes oder verletztes Kitz in seiner<br />
Wiese entdeckt. „Da kämpft man dann schon mit den Tränen,<br />
wenn man so ein armes Tier erlösen muss.“ Auch für den Bauern<br />
ist das natürlich keine angenehme Situation, nicht nur, weil es<br />
Probleme für die Futterproduktion mit sich bringen kann. Auch<br />
gesetzlich ist der Landwirt verantwortlich. Daher hat man in<br />
der Vergangenheit vieles unternommen, um die Kitze zu retten.<br />
Man hat Plastiksäcke in den Wiesen aufgestellt oder ist mit<br />
dem Hund durchgegangen. Sinnvoll war das vor allen Dingen,<br />
wenn man wusste, dass der Bauer mähen wollte. Denn die<br />
Rehe suchen sich immer wieder andere Plätze, an denen sie<br />
ihre Kitze „ablegen“. Aber wenn eine Störung, beispielswiese<br />
der Plastiksack, der im Wind flattert, sich längere Zeit an einem<br />
Ort befindet, gewöhnen sich die Tiere schnell daran.<br />
17
18
TIERE RETTEN<br />
Martin Thoma, der Feinwerktechnik in München studiert hatte<br />
und in einem Unternehmen in diesem Bereich arbeitete, suchte<br />
nach einer einfachen Lösung, um den großen Aufwand zu verringern,<br />
den er und seine Kollegen jedes Jahr zur „Kitzvergrämung“<br />
betrieben. Aus einem Stück Abflussrohr, ein paar LEDs,<br />
einem Summer und anderen Bauteilen bastelte er 2007 dann<br />
ein Gerät, das in unregelmäßigen Abständen Licht und Tonsignale<br />
abgibt. Der Kitzvergrämer. Und der zeigte tatsächlich Wirkung:<br />
In einer Wiese, in der das Gerät stand, waren kaum noch<br />
Kitze zu finden, weil sie sich von den Signalen gestört fühlten.<br />
Foto: Martin Thoma privat<br />
Der Erfolg sprach sich unter Jägern schnell herum. Erst baute<br />
Thoma nur ein paar Geräte für Kollegen und Freunde, die er zu<br />
Hause im Wohnzimmer zusammenlötete. Doch es wurden immer<br />
mehr und 2014 hat er sich mit seiner Idee selbstständig gemacht.<br />
20.000 Stück des „Rehkitz-Retters und Wildschrecks“ hat Martin<br />
Thoma mit seinem Unternehmen NaturTech Oberland bereits verkauft.<br />
Die Produktion hat er aus dem Wohnzimmer in eine Werkstatt<br />
verlegt, die Zulieferer für einige Teile hat er sich in der Umgebung<br />
gesucht. Die Elektronik zum Beispiel kommt von einem<br />
Platinenhersteller aus Benediktbeuern, die Röhren werden in den<br />
Oberland Werkstätten in Polling zusammengebaut. Auch große<br />
Baumärkte haben angefragt, ob sie die Kitzvergrämer aus Penzberg<br />
in ihr Sortiment aufnehmen können. Aber da hat Martin Thoma<br />
abgewunken. „Wenn ich jünger wäre, dann wäre ich sicher heiß darauf,<br />
so ein richtig erfolgreiches Startup daraus zu machen“, sagt er.<br />
Aber das Geschäft läuft jetzt gerade so, dass er es gut bewerkstelligen<br />
und davon leben kann. Warum sollte er das ändern?<br />
Martin Thoma beim Aufstellen eines „Rehkitz-Retters und Wildschrecks“<br />
Die Kitzvergrämer sind jedenfalls eine gute Sache. Das findet<br />
auch Ingrid Geiersberger. Das Tierheim in Garmisch hat einige<br />
Geräte, die man dort ausleihen kann. Also: Falls Sie so eine<br />
kleine Röhre in der Wiese entdecken – lassen Sie sie liegen.<br />
Und wenn Sie einmal ein kleines braunes Rehkitz in der Wiese<br />
finden: Freuen Sie sich und lassen Sie es ebenfalls dort, wo es<br />
ist. Es sei denn, der Bauer mit dem Mähwerk ist im Anzug.<br />
Heribert Riesenhuber<br />
www.naturtech-oberland.de<br />
https://garmisch-partenkirchen.bund-naturschutz.de<br />
19
MENSCHEN<br />
Zuhause<br />
bleiben<br />
Christel Thier ist eine nette Dame, deren freundliches, manchmal<br />
schüchternes Lächeln fast etwas Jugendliches ausstrahlt. Sie lebt<br />
in Murnau, nicht weit vom Park hinter dem Kultur- und Tagungszentrum,<br />
und der Montag ist bei ihr der Tag für gemeinsame<br />
Unternehmungen mit ihrem Sohn Marcus. Diesmal allerdings<br />
treffen wir uns zum Gespräch bei ihr. Geboren wurde<br />
Christel Thier in den Wirren des letzten Jahres des Zweiten Weltkriegs<br />
in der Nähe von Bielefeld. Als junge Frau zog es sie dann<br />
nach Bayern. Sie war Krankenschwester und später wurde sie<br />
Stationsschwester. Mitte der 1960er Jahre fand sie einen Arbeitsplatz<br />
in der Murnauer Unfallklinik und lernte hier ihren Mann<br />
kennen, der als Medizintechniker arbeitet. Da sie sich Zeit ihres<br />
Lebens für Kunst interessierte, war Murnau der richtige Ort für<br />
sie. Zwei Söhne machten die Familie komplett und nach mehreren<br />
Ortswechseln lebte sie seit 1986 wieder in Murnau.<br />
2013, da war das Ehepaar Thier bereits in Rente, erlitt ihr Mann<br />
einen Schlaganfall und fortan gab es für sie nur noch eine Aufgabe:<br />
die Sorge und Pflege. Erst als ihr Mann, der im Kopf völlig<br />
klar, aber halbseitig gelähmt war, 2017 wegen einer Erkrankung<br />
im Krankenhaus Tutzing behandelt werden musste, fiel auf,<br />
dass Christl Thier nicht mehr alles so leisten konnte. Sie war<br />
dem Krankentransport zwar mit ihrem kleinen Auto hinterhergefahren,<br />
konnte aber die bei der Aufnahme ins Krankenhaus<br />
notwendigen Angaben nicht machen. Sie litt unter Demenz. Für<br />
die Söhne, von denen einer in Berlin und der andere bei Seefeld,<br />
Kreis Starnberg, lebt, war das ein Schock. „Meine Mutter war<br />
hinter der Aufmerksamkeit, die mein Vater brauchte und forderte,<br />
fast verschwunden“, erzählt Marcus Thier im Gespräch.<br />
Familie Thier mit Joanna und Markus Horschig<br />
20
Foto: Heribert Riesenhuber
MENSCHEN<br />
Foto: Heribert Riesenhuber<br />
Ihr Spezialist für gesunden Schlaf.<br />
Joanna mit Christel und Marcus Thier<br />
Besuchen Sie uns in unserem<br />
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Heute wohnt Christel Thier noch immer in der eigenen Wohnung,<br />
umgeben von vielen Bildern, die sie zum Teil selbst gemalt<br />
hat. Und sie wirkt überaus fröhlich. Fragen zur Vergangenheit<br />
kann sie aber kaum beantworten und blickt entschuldigend. Ihre<br />
Malhefte zeigt sie gerne vor. Neben ihr sitzt Joanna Wróblewska, eine<br />
junge Frau aus Polen, die die tägliche Versorgung von Frau Thier übernommen<br />
hat und in der Familie nur Joanna genannt wird. Einmal in der<br />
Woche kommt Marcus Thier vorbei. Wenn das Wetter gut ist, unternehmen<br />
sie zu dritt Ausflüge, zu den Königsschlössern oder auf die Berge. Diese<br />
Art der häuslichen Pflege ist gar nicht so selten. Wobei der Ausdruck<br />
„Pflege“ gar nicht ganz richtig ist. Das erklärt Markus Horschig von der<br />
Sozialagentur Oberbayern, die Joanna Wróblewska vermittelt hat. Joanna<br />
ist keine Pflegekraft, denn dafür bräuchte sie eine spezielle Ausbildung.<br />
Sie betreut Frau Thier in ihrem Zuhause. Sie stammt aus dem kleinen<br />
Dorf Pszów in der Nähe von Kattowitz. Nach der Schule hat sie als Aupair<br />
in London gelebt, hat in ihrer Heimat bei Mac Donalds gearbeitet<br />
und war auch in der Schweiz als Au-pair tätig. Auf die Idee, sich bei einer<br />
polnischen Agentur als Betreuungskraft zu bewerben, brachte sie ihr Vater:<br />
„Du kannst gut mit Kindern umgehen“, sagte er, „und alte Menschen sind<br />
wie Kinder.“ Inzwischen weiß Joanna, dass das nicht so ganz stimmt. „Kinder<br />
und alte Menschen sind ganz verschieden“, meint sie. Trotzdem ist für<br />
sie die Stelle in Murnau der Traumberuf. Christel Thier ist eine Freundin<br />
für sie geworden. Sie singen und tanzen zusammen, drehen eine Runde<br />
im Park oder gehen zum Friseur, erzählt Joanna Wróblewska. Stolz zeigt<br />
sie auf ihrem Handy ein Musikvideo, in dem sie selbst singt. Aufgenommen<br />
hat sie es in Murnau. Das Internet gibt ihr die Möglichkeit, mit Zuhause in<br />
Kontakt zu bleiben. Denn Heimweh kennt sie natürlich auch. Jeweils zwei<br />
Monate verbringt sie in Murnau, daraufhin wird sie für zwei Monate ab-<br />
22
gelöst. Dann fährt sie mit „Sindbad“ heim. Das ist ein Busunternehmen<br />
aus Polen, das jede polnische Betreuungskraft kennt. In<br />
diesem Modell der „Betreuung in häuslicher Gemeinschaft“ arbeiten<br />
hierzulande zirka 400.000 Kräfte. Allerdings sind nur etwa<br />
40.000 davon ganz offiziell in Deutschland und arbeiten legal, wie<br />
Markus Horschig erklärt. Zum Teil wollen sich die Betroffenen<br />
Geld sparen. Das kann auch Marcus Thier verstehen, den, wie er<br />
selbst sagt, die Rundumbetreuung seiner Mutter an den Rand<br />
seiner finanziellen Möglichkeiten bringt. Aber die Beschäftigung<br />
einer Betreuungskraft ohne offiziellen Vertrag bringt Risiken mit<br />
sich. Nicht nur versicherungsrechtlich. „Wenn die irgendwo eine<br />
bessere Stelle angeboten bekommen, sind sie weg, weil es ja keinen<br />
Vertrag gibt“, erklärt Herr Thier. „Eine Betreuungskraft aus Polen<br />
verdient im Monat zwischen 1350 und 1550 Euro“, so Markus Horschig.<br />
Das ist für polnische Verhältnisse gar nicht schlecht. Bei uns<br />
könnte man damit keine großen Sprünge machen. Joanna Wróblewska<br />
möchte auch in Zukunft als Pflegekraft arbeiten. Allerdings<br />
will sie irgendwann einmal eine Familie gründen. Sie hat bei ihrer<br />
Agentur auch schon angefragt, ob sie nicht in Polen arbeiten könnte.<br />
Aber dafür ist sie mit 28 Jahren viel zu jung, sagte man ihr.<br />
Für Christel Thier sei es kein Problem gewesen, sich vor fast<br />
einem Jahr mit dem neuen Mitglied in der „Wohngemeinschaft“<br />
anzufreunden. Vom ersten Tag an hat es zwischen Joanna und<br />
ihr gut geklappt. Dass das nicht immer so ist, weiß auch Markus<br />
Horschig. „Jeder Fall von Demenz ist anders, und manchmal<br />
kann es auch zu aggressivem Verhalten kommen, wenn plötzlich<br />
eine fremde Person im Haus ist“, erklärt er. Die Sozialagentur<br />
Oberbayern hat der frühere Gebietsdirektor einer Versicherung<br />
zusammen mit seinem Freund Michael Perlick gegründet. Denn<br />
die Schwierigkeiten und Aufgaben mit der Pflege alter Menschen<br />
kannte er auch aus der eigenen Familie.<br />
Nach unserem Gespräch drückt mir Christel Thier lange und<br />
herzlich die Hand, und auch Marcus Thier und Joanna Wróblewska<br />
verabschieden sich lachend. Sie haben diesmal zwar<br />
keinen Ausflug in den nahenden Frühling unternommen, aber<br />
es scheint ein gelungener Nachmittag gewesen zu sein. Auch<br />
wenn Frau Thier vermutlich nicht allem ganz folgen konnte.<br />
Heribert Riesenhuber<br />
23
24
25
Wege entstehen dadurch, dass man sie neu denkt und geht.<br />
DER BEDARFSORIENTIERTE, DIGITALGESTEUERTE ORTSBUS<br />
Schaffen ganz neue Verbindungen (von links Clemens Deyerling, Robert Schotten, Philipp Zehnder, Josef Brückner)<br />
Foto: Birgit Schwarzenberger<br />
MOBILITÄT FÜR JEDERMANN<br />
Freiheit ist für viele, sich einfach in ihr eigenes Auto zu setzen<br />
und dorthin zu fahren, wonach ihnen gerade der Sinn steht. Andere<br />
wiederum erleben das genaue Gegenteil als Freiheit: Nämlich<br />
unabhängig von einem eigenen Auto zu sein und dennoch<br />
überall hinzukommen. Ab Juli lädt ein innovatives Konzept ein,<br />
doch einmal ernsthaft darüber nachzudenken, sich frei zu machen<br />
von der – oft nicht nur finanziellen – Last eines Autos oder<br />
zumindest der eines Zweitwagens. Denn mit ihrem bedarfsorientierten,<br />
digitalgesteuerten Ortsbus bieten Clemens Deyerling<br />
und Robert Schotten in Kooperation mit der Marktgemeinde<br />
Murnau einen höchst attraktiven Baustein im Mosaik<br />
alternativer Mobilitätslösungen an – neben den eigenen Füßen,<br />
dem Fahrrad und dem klassischen Ortsbus sowie Mitfahrgelegenheiten<br />
oder Carsharing.<br />
26
MOBILITÄT<br />
Im April 2019 sei das zukunftsorientierte Konzept im Zuge der<br />
Diskussionen um einen Ortsbus im Gemeinderat vorgestellt worden.<br />
„Wir mussten das bedarfsorientierte, flexible Konzept europaweit<br />
ausschreiben“, erklärt Umweltreferent Philipp Zehnder –<br />
den Zuschlag erhielt das Murnauer Start-Up „Omobi“. Im Gespräch<br />
mit den beiden Geschäftsführern und IQ-Mietern der ersten<br />
Stunde wurde schnell klar: Mobilität, Nachhaltigkeit und unsere<br />
Region liegen ihnen offensichtlich am Herzen und digitale<br />
Technologien kann man sich durchaus zunutze machen, um einen<br />
umweltfreundlichen und praktikablen Personentransport<br />
auch in ländlicher Region zu ermöglichen.<br />
ANGEKOMMEN IM 21. JAHRHUNDERT<br />
Was es heißt, auf dem Land groß zu werden und täglich aufs Neue<br />
darauf angewiesen zu sein, von A nach B zu kommen, weiß der in<br />
Egling aufgewachsene Robert Schotten nur zu gut: „So werden<br />
Ortsteile eingebunden, die sonst nicht wirtschaftlich erschlossen werden<br />
können.“ Vorbei also die Zeiten, in denen „14 Mütter ihre<br />
Kinder nach dem Fußball von der Poschinger Allee abholen müssen.“<br />
Zukünftig könnten die Kids über ihr Handy den Kleinbus – eine<br />
vollausgestattete Mercedes V-Klasse mit acht Sitzen (inkl. Fahrer)<br />
und genügend Raum für Gepäck – bestellen. Automatisch errechnet<br />
die App, wann er die individuelle Haltestelle erreicht und auch,<br />
wann der Fahrgast in etwa am Ziel sein wird. Wenn das vorgeschlagene<br />
Ergebnis Zustimmung findet, kann geordert werden –<br />
zwei Euro kostet die Fahrt dann pauschal pro Person.<br />
ALTERNATIVEN EINE ECHTE CHANCE GEBEN<br />
Geplant sei ein Bus ab 1. Juli, der zwischen 6 und 20 Uhr mit<br />
zwei Fahrern im Einsatz sein soll. Je nach Bedarf werde das<br />
Angebot angepasst. „Wir werden verschiedene Auswertungen fahren<br />
und können schnell nachsteuern – es ist nichts in Stein gemeißelt“,<br />
meint Schotten. Die Kooperationspartner wünschen sich<br />
für das Pilotprojekt eine faire Chance: „Wir sind hier nicht in<br />
Berlin-Mitte, und es ist eine Frage der Kapazitäten“, meint Deyerling.<br />
Öffentlicher Nahverkehr sei immer ein Zuschussgeschäft,<br />
genauso wie der Bau von Tiefgaragen oder Parkplätzen – Josef<br />
Brückner von der Marktkämmerei spricht dazu wohl vielen aus<br />
der Seele: „Es ist eine Investition in unsere Kinder. Ich möchte<br />
eine Welt hinterlassen, in der nicht alles zubetoniert ist.“<br />
Weitere Informationen zum Anbieter gibt es auf<br />
www.omobi.de.<br />
Birgit Schwarzenberger<br />
„Ich habe gemerkt, dass sich in Sachen Mobilität noch nicht viel<br />
getan hat“, stellte Clemens Deyerling fest, als er sich nach seiner<br />
Berlinzeit wieder in Oberbayern niedergelassen hat. Die digitalen<br />
Lösungen, die er aus Großstädten kennt, können seiner Meinung<br />
nach genauso gut auch hier eingesetzt werden – ein revolutionärer<br />
Gedanke, der ihn begeistert: „Wir müssen es schaffen, dass die<br />
Leute die Chancen begreifen, was heute schon alles möglich wäre!“<br />
Menschen, die mit Handy und Apps wenig am Hut haben, können<br />
den mobilen Ortsbus natürlich auch telefonisch bestellen. Im<br />
Gegensatz zum Sammeltaxi liegen hier allerdings zur Berechnung<br />
des optimierten Wegeverlaufs mit geringstmöglichen Warte- und<br />
Umwegezeiten eine digitale Software und intelligente Algorithmen<br />
zugrunde.<br />
27
Hört man in Murnau den Namen Stoess, bringt man ihn unweigerlich<br />
mit der Fotografie in Verbindung. Michael Stotter<br />
lässt über 100 Jahre Fototradition fortleben, indem er in seinem<br />
Fachgeschäft in der Bahnhofstraße den Namen „Foto Stoess“<br />
weiterführt.<br />
Wenn der 46-Jährige die Kundschaft bedient, hat man den<br />
Eindruck, er ist überall zur gleichen Zeit. Der Inhaber und<br />
seine vier Mitarbeiter erklären Kameras oder Smartphones,<br />
lösen technische Probleme und beraten im Tarifdschungel des<br />
Mobilfunks. Hier kann man mit den unterschiedlichsten Wünschen<br />
ankommen, denn der Laden ist modern und ruht auf<br />
vier Säulen: dem Fotostudio, einem Vodafone-Shop, einem<br />
Rahmenstudio und einem Fotofachgeschäft. „Der Fotoladen<br />
aber ist und bleibt mein Baby“, betont Stotter.<br />
Schon als Kind war er mit der Kamera unterwegs. Stets auf<br />
der Suche nach schönen Motiven. Sein Pate schenkte ihm deshalb<br />
zur Firmung seine erste eigene Kamera, eine Praktika Super<br />
TL1000. „Mit der habe ich Fotos geschossen, was das Zeug<br />
hält und mich besonders der Makro-Fotografie gewidmet“, erinnert<br />
er sich.<br />
Michael Stotter (rechts) und Sohn Fabian (links)
PORTRAIT<br />
Ein traditionsbewusster Technikfan<br />
MICHAEL STOTTER<br />
Gelernt beim alten Hasen<br />
Nachdem er die Wirtschaftsschule in Garmisch-Partenkirchen<br />
beendet hatte, ging er als 16-Jähriger bei Foto Stoess, damals<br />
unter der Führung von Herbert Stoess, im Murnauer Obermarkt<br />
in die Lehre. Damit schlug er zwei Fliegen mit einer Klappe.<br />
Zum einen wurde er zum Einzelhandelskaufmann ausgebildet,<br />
zum anderen lernte er das Handwerk des Fotografen von A-Z.<br />
Im Laufe der Zeit war Foto Stoess an drei Standorten in Murnau<br />
vertreten und zog vor 15 Jahren auch in die Bahnhofstraße.<br />
Als Stoess in Rente ging, erhielt Stotter einen Anruf von seinem<br />
ehemaligen Ausbilder Jochen Acker. Der wollte den Laden in<br />
der Bahnhofstraße übernehmen. Seine Bedingung: „Das mach<br />
ich nur mit dem Michi zusammen.“ Dieser fackelte nicht lang,<br />
folgte dem Ruf und konnte 2017 mit großer Freude den Betrieb<br />
inklusive aller langjährigen Mitarbeiter übernehmen. Unter<br />
anderen den jetzigen Geschäftsführer Manuel Meinig, der seit<br />
10 Jahren mit an Bord ist. „Er unterstützt mich professionell<br />
bei allen Themen.“ Seit fast zwei Jahren ist nun auch Markus<br />
Jung im Team. „Die beiden sind absolute Sales-Experten.“<br />
Foto: Florian Warnecke<br />
29
Fotos: Beate Berger<br />
Foto: Beate Berger<br />
Am Puls der Zeit<br />
Von sechs Fotogeschäften in Murnau haben im Lauf der Zeit<br />
nur zwei überlebt. Foto Stoess/Vodafone Shop ist eins davon.<br />
Zum einen ist dies auf Stotters Durchhaltevermögen zurückzuführen.<br />
Außerdem ist er stets bemüht, für seine Kunden eine familiäre<br />
Atmosphäre zu schaffen. Der entscheidende Faktor aber<br />
ist, dass Stotter mit der Zeit gegangen ist. „Ich war immer schon<br />
sehr technikbegeistert und einer der ersten, die mit Flachbildschirmen<br />
arbeiteten.“ Vom alten Mobilfunk-Knochen bis zum neuesten<br />
Smartphone war der Technikfan stets ganz vorn dabei.<br />
Als vor 10 Jahren die ersten Siemens-Handys mit Kamera herauskamen,<br />
verkündete er vor versammelter Mannschaft: „Leute,<br />
da müssen wir aufspringen.“ Mit dieser Idee stieß er bei Acker<br />
und seinen Mitarbeitern zunächst auf Skepsis, doch der damalige<br />
Inhaber vertraute ihm und ließ ihn machen. „Zunächst haben<br />
wir alle Mobilfunkanbieter im Programm gehabt, das war aber<br />
auf Dauer zu unübersichtlich und wir haben richtig Lehrgeld gezahlt.“<br />
So beschloss man, exklusiv mit nur einem Anbieter zu<br />
kooperieren. Der Mobilfunkbereich der Firma wurde zum zertifizierten<br />
Business-Partner von Vodafone. Und das ist er noch<br />
heute mit Erfolg. Mehrfach wurde das Geschäft unter den drei<br />
besten Vodafone-Shops in Bayern gelistet. Mit dieser Umstrukturierung<br />
hat Stotter die Grätsche hin zur nächsten Generation<br />
gemacht. „Die Älteren gehen immer noch zum Foto Stoess, für die<br />
Jüngeren hingegen sind wir der Vodafone-Shop.“<br />
Der Inhaber ist froh um seine Stammkunden aus dem Oberland,<br />
die trotzt Amazon und Co. noch Wert auf eine persönliche<br />
Beratung legen. Trotzdem geht er auch hier mit der Zeit und<br />
hat unlängst einen Online-shop eröffnet. „Jetzt können die Kunden<br />
bequem von zuhause aus einkaufen, sich die Ware schicken<br />
lassen oder auch direkt bei uns abholen.“<br />
Moderne Technik und gutes Handwerk sind nun durch eine<br />
Treppe über zwei Etagen miteinander verbunden. Kunden, die<br />
die zweite Verkaufsebene betreten, erreichen als erstes das<br />
große Rahmenstudio und staunen: „Wow, ist das schön hier.“<br />
Kein Wunder, denn der stilvoll gestaltete Raum ist ein echter<br />
Hingucker. „Vor zwei Jahren haben wir hier komplett umgebaut.<br />
Jetzt ist es unser ganzer Stolz“, verrät Stotter. Hier kümmert<br />
sich vor allem seine Frau Petra liebevoll um die individuellen<br />
Wünsche der Kunden. Für besondere Gemälde werden in<br />
30
PORTRAIT<br />
Handarbeit passgenaue Rahmen mit Passepartout und speziellem<br />
Museumsglas gefertigt. Voll im Trend liegen zurzeit<br />
Bilder auf Keilrahmen, Acrylglas oder Alu Dibond.<br />
Foto: Florian Warnecke<br />
Der Traum von der Fotografie<br />
Ein paar Schritte weiter werden im modern-rustikal gestalteten<br />
Fotostudio allerlei Bilder geschossen. Hier agieren Stotter und<br />
sein Sohn Fabian. Fotografien der beiden hängen im ganzen Laden<br />
und beweisen, dass sie das Auge für die richtige Perspektive<br />
haben. Auch Fabian ist gemäß der jüngsten Familientradition<br />
mit seiner Spiegelreflex immer auf der Suche nach besonderen<br />
Motiven. Seine Spezialitäten sind sowohl die Landschafts- und<br />
Portraitfotografie als auch Modelabel-Shootings. So steht er jetzt<br />
fast täglich im Studio und unterstützt seinen Vater, wo er kann.<br />
„Es ist mir sehr wichtig, dies hier zu erhalten“, betont er.<br />
Stotter ist nicht nur in Murnau, sondern in der ganzen Region<br />
ein bekanntes Gesicht. Das liegt nicht zuletzt an seiner zweiten<br />
Leidenschaft, der er nach seinem mehr als abwechslungsreichen<br />
Arbeitsalltag nachgeht.<br />
Zusammen mit zwei Freunden hat er vor rund 30 Jahren die<br />
Partyband „Lindachtaler“ gegründet. Er spielt dort Bass und<br />
Bariton. Mit fetzigen Hits hat das Trio schon so manches Bierzelt<br />
gefüllt, so manche Hochzeitsgesellschaft gut unterhalten.<br />
Immer wieder kommt es vor, dass der passionierte Fotograf<br />
beauftragt wird, die Fotos zur Erinnerung an den großen Tag<br />
gleich mitzuschießen. So vereint er auch hier die eine Leidenschaft<br />
mir der anderen.<br />
Das Foto Stoess-Team: Markus Jung (Salesexperte), Michael Stotter (Inhaber)<br />
Manuel Meinig (Verkaufsleiter), Fabian Stotter (Fotograf), nicht auf dem Foto:<br />
Kai Kratzer (Salesexperte)<br />
Beate Berger<br />
Foto-Stoess / Vodafone-Shop-Murnau<br />
Inhaber: Michael Stotter<br />
Bahnhofstrasse 6, 82418 Murnau<br />
Tel. Fotogeschäft: 08841.1295<br />
Tel. Vodafone-Shop: 08841.672202<br />
info@stoess-vodafone.de, www.stoess-vodafone.de<br />
31
32
GEWINNER<br />
Nominierung für den Oscar 2020 – „Sterne der Wäsche“-Award für „Die Linie“<br />
<strong>Melange</strong> gratuliert der Inhaberin Ulrike Thoma und ihrem<br />
Team zum Sieg des jährlichen Wäschefachhandels Award<br />
„STERNE der WÄSCHE“. Der Preis zeichnet das Engagement<br />
und die Professionalität des Fachhandels aus. Seit 2006 wird<br />
der begehrte Preis durch das Fachmagazin SOUS verliehen,<br />
und bereits 2009 und 2014 konnte Ulrike Thoma den Oscar<br />
der Dessous-Branche in Empfang nehmen. Doch dem nicht<br />
genug; „Die Linie“ sicherte sich auch 2019 und 2018 zum wiederholten<br />
Male einen Platz unter den Top Ten der besten Dessous-Fachgeschäfte<br />
in Deutschland. Das Wäschegeschäft im<br />
Herzen von Murnau zeichnet sich durch ein qualitativ sehr<br />
hochwertiges Sortiment, beste Markenauswahl, Top Service<br />
und Kundenzufriedenheit aus. Frau Thoma erzählt stolz, dass<br />
sie Urlauber-Stammkunden aus dem In- und Ausland habe,<br />
welche jedes Jahr in den Ferien ihr Geschäft aufsuchen, um<br />
sich mit der neuen Ware einzukleiden. Auch die Stammkunden<br />
aus dem Blauen Land schwören auf die Beratung und die Einzigartigkeit<br />
der ausgewählten Lingerie: „Hier stimmt einfach<br />
alles, von der Beratung bis zum Tragekomfort. Meine Unterwäsche<br />
kaufe ich nur noch bei der ‚Linie‘ “, berichtet strahlend eine<br />
Kundin, welche gerade den Laden verlässt. Doch nicht nur<br />
wunderschöne Dessous sind hier zu finden, nein, auch Bademode,<br />
Nachtwäsche sowie Homeware-Lieblingsstücke für Sie<br />
und Ihn. Die umfangreiche Produktpalette rundet eine riesige<br />
Auswahl an BHs mit den unterschiedlichsten und oft schwer<br />
zugänglichen Cup-Größen von A bis H ab.<br />
„Die Linie“ gehört seit 46 Jahren zum festen Ortsbild im Murnauer<br />
Markt und ist somit auch eine führende Kraft und ein<br />
Vorbild des Einzelhandels in Murnau geworden. Der Ort zeichnet<br />
sich durch die vielen kleinen Einzelhändler aus, welche eine<br />
Mitarbeiterzahl von bis zu 10 Angestellten beschäftigen. Dies<br />
bereichert und erfrischt Murnau auf wunderbare Weise. Frau<br />
Thoma sagte bereits letztes Jahr im November: „Wir müssen<br />
zammhoiten“, und da war Corona noch ein Fremdwort. Sie war<br />
ihrer Zeit voraus und erachtete es damals schon als absolut<br />
wichtig, dass die Einzelhandelsgeschäfte sich nicht als Konkurrenten<br />
sehen, sondern sich gegenseitig unterstützen und bereichern.<br />
So versammelte Ulrike Thoma kurzerhand die Inhaberin<br />
vom „Betten Federl“ Stefanie Fischer und die Besitzerin des<br />
Kleidergeschäfts „Fairgissmeinnicht“, Ariane Köninger, um sich.<br />
Die drei Power-Frauen nutzten vergangenes Jahr die großen<br />
leerstehenden Räume des ehemaligen Haushaltswarengeschäftes<br />
Paul in der Bahnhofstraße in Murnau und organisierten einen<br />
der größten Zusammenschluss-Räumungsverkäufe in Murnau.<br />
Doch dies war bei weitem nicht das einzige Projekt der charismatischen<br />
Geschäftsfrau. Frau Ulrike Thoma ist außerdem ein<br />
aktives Mitglied im Zonta Club Murnau-Staffelsee und engagiert<br />
sich mit Herzblut für soziale Projekte und Events in der Region.<br />
Sandra Bangerter<br />
Die Linie, Obemarkt 5, 82418 Murnau<br />
Tel. 08841.9507, www.die-linie-murnau.de<br />
33
Foto: Birgit Schwarzenberger<br />
ZAMMH
LIVE<br />
OITN!<br />
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LIVE<br />
MURNAUS EINZIGARTIGEN KERN BEWAHREN<br />
Gerade in Krisenzeiten zeigt sich, was eine funktionierende Gemeinschaft wirklich<br />
miteinander stemmen kann. Dabei waren Kreativität und Solidarität selten<br />
so gefragt wie heute. Dies gilt aktuell für viele Branchen und Bereiche, in besonderem<br />
Maße aber auch für Einzelhandel und Gastronomie.<br />
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, liebe Leserin und lieber<br />
Leser, wenn Sie durch den seit Wochen verwaisten<br />
Markt gehen. Man möchte sich den Anblick<br />
der geschlossenen Geschäfte mit nur<br />
noch vereinzelt anzutreffenden Fußgängern<br />
wirklich nicht auf Dauer vorstellen.<br />
Wie sehr fehlen doch das bunte<br />
Treiben, die Begegnungen mit so vielen<br />
lieben Menschen und die gewohnte<br />
Lebendigkeit. In meinen Gesprächen<br />
mit den Geschäftsleuten wird<br />
schnell klar, dass es momentan einen starken<br />
Zusammenhalt braucht,<br />
um die Individualität unseres<br />
Marktes mit seinen ganz besonderen<br />
Läden, die von Einheimischen<br />
wie Gästen sehr<br />
geschätzt werden, weiterhin<br />
aufrechtzuerhalten.<br />
Alex Laskowski-Köninger und Ariane Köninger:<br />
„Wir hoffen inständig, dass die Leute<br />
auch nach der Krise freudig zum<br />
Bummeln und Verweilen in den lokalen<br />
Einzelhandel kommen.“<br />
ZUSAMMENHALT MEHR DENN JE GEFRAGT<br />
Denn die Durststrecke im Zuge der Corona-Krise lässt sich für viele ohne die<br />
treue Unterstützung ihrer Kunden kaum überstehen. Mit jedem Tag, an dem<br />
Geschäfte geschlossen bleiben müssen und Gastronomien nur auf Sparflamme<br />
laufen, sieht manch einer den existenziellen Supergau näher rücken: „Die erste<br />
Schockstarre ist vorbei“, meint zum Beispiel Ariane Köninger bei meinem Besuch<br />
im menschenleeren „Kleiderschrank“ im Obermarkt. Auch wenn sie ihr fröhliches<br />
Lächeln zum Glück nicht verloren hat, stellt sich die Situation für die<br />
Mutter zweier schulpflichtiger Kinder alles andere als einfach dar.<br />
Gemeinsam mit ihrem Mann betreibt die 41-Jährige mit den beiden Filialen<br />
„Fairgissmeinnicht“ im Untermarkt und in Garmisch-Partenkirchen drei Bekleidungsgeschäfte<br />
mit insgesamt 10 Mitarbeitern. Für die sonst umsatzstärksten<br />
Monate März bis Mai haben die Inhaber bereits für einen sechsstelligen Betrag<br />
Frühjahrs- und Sommerware eingekauft, auf deren Bergen sie nun sitzen. Die<br />
36
staatliche Soforthilfe greife in ihrem<br />
Fall nicht. „Der gesunde Mittelstand<br />
wird im Stich gelassen“,<br />
erklärt Alexander Laskowski-Köninger,<br />
– Enttäuschung und Verärgerung<br />
schwingen mit. Denn aus einer<br />
zuvor wirtschaftlich gesunden<br />
Position heraus sehen sich die beiden Geschäftsleute<br />
nun gezwungen, einen überlebensnotwendigen<br />
Kredit zur Finanzierung<br />
der unverschuldeten Situation aufzunehmen.<br />
„KAUFT GUTSCHEINE!“ –<br />
SOLIDARITÄT LEICHT GEMACHT<br />
Marco Pollini:<br />
„Als Unternehmer ist man<br />
immer ein Kämpfer.<br />
Am meisten tut es mir für<br />
meine Mitarbeiter leid.“<br />
Fotos: Birgit Schwarzenberger<br />
So und ähnlich geht es auch anderen Kleinunternehmern. In der Hoffnung, die Krise<br />
wirtschaftlich zu überleben, stellten deshalb viele in Windeseile auf Lieferservice um<br />
und bieten Gutscheinaktionen an. „Kauft Gutscheine!“, lautet die herzliche wie dringende<br />
Bitte von Staffelsee-Wirt Marco Pollini an die Menschen, die es können. Gutscheine<br />
wirken sich direkt auf die so wichtige Liquidität aus – als Anreiz gibt der sympathische<br />
Italiener jeweils noch 10% auf den Betrag dazu. Auch wenn er sich seine optimistische<br />
Grundhaltung nicht hat nehmen lassen, belasten Gehälter, Mieten und Betriebskosten<br />
ganz schön, denn der Umsatz des „al lago"-Restaurants in Seehausen falle zu<br />
100% und der des „da noi" in Murnau zu 70 bis 80% aus.<br />
Barbara Krönner:<br />
„Der Markt Murnau<br />
kann nur durch<br />
die Loyalität unserer<br />
Kunden überleben.“<br />
In der glücklichen Lage, den Laden für ihre Kunden<br />
zwischen 9 und 18 Uhr geöffnet haben zu dürfen,<br />
sieht sich Barbara Krönner. „Der Hauptumsatzträger<br />
ist aber die Gastronomie“, erklärt die Geschäftsfrau.<br />
Der fünfstellige Kredit, der eigentlich<br />
als Investition für die neue Backstube<br />
gedacht war, fließt nun direkt in die Finanzierung<br />
der vier bisherigen Standorte mit insgesamt<br />
56 Mitarbeitern ein. „Momentan ist jeder<br />
froh um jeden Euro“, – auch sie appelliert an die<br />
Murnauer Bürger, den hiesigen Einzelhandel zu stärken<br />
und regional zu kaufen.<br />
Die meisten Geschäfte und Gastronomien in Murnau<br />
bieten mittlerweile Gutscheine und Lieferservice an<br />
und sind sowohl telefonisch als auch online zu erreichen<br />
– Kontaktdaten findet man auch auf www.murnau.de<br />
oder auf www.gemeinsam-im-oberland.de.<br />
Birgit Schwarzenberger<br />
37
38
PRO-LINE, FITNESS- UND FREIZEIT-STUDIO<br />
Was macht das pro-line in der Corona-Krise?<br />
Positive Energie umgibt mich, als ich das 2700 m 2 große pro-line<br />
betrete und der harte Kern des Teams mich bereits erwartet, –<br />
mit 2 m Abstand zwischen jedem Einzelnen, wie es sich zu Corona-Zeiten<br />
gehört. Ich hatte traurige Gesichter und enttäuschte<br />
Worte erwartet, wie man sie gerade vielerorts zu hören bekommt.<br />
Doch als Willy Frankl, Inhaber des Fitnessstudios, mir mit leuchtenden<br />
Augen und dem üblichen Schalk im Gesicht die Türe öffnet,<br />
wird mir sofort klar, hier hat die Krise zwar die Türen verschlossen,<br />
nicht aber das Personal paralysiert, das sich sonst<br />
tagaus tagein mit viel Herzblut um seine Mitglieder bemüht. Willy<br />
beginnt zu erzählen: „Wir nutzen die Ruhephase, um unseren Mitgliedern<br />
nach der Schließung ein frisches, renoviertes und generalüberholtes<br />
Fitnessstudio zu bieten. Unsere Kunden stehen für uns<br />
immer an erster Stelle, auch in schwierigen Zeiten wie diesen. Wir<br />
haben uns aufgeteilt und jeder übernimmt einen Bereich, um den<br />
er sich intensiv kümmert. Ich bin z.B. für die Außenanlagen und<br />
den Garten zuständig, mein Sohn Manuel für die Instandhaltung<br />
der elektronischen Geräte. Die Christiane übernimmt den online-<br />
Bereich und die Verwaltung, Amber, meine Nichte, hilft im Büro<br />
und Alexander kümmert sich um die Renovierung der Wellnessanlage:<br />
Da haben wir z.B. das Holz im Innenbereich der finnischen<br />
Sauna komplett abgeschliffen und die Feuersteine ausgetauscht.<br />
Im Dampfbad wurden sämtliche Fugen erneuert und die Fliesen<br />
blitzblank geputzt. Weiter wurden im Team innovative Ideen entwickelt,<br />
wie das ‚Fit at Home - Online Training‘, bei welchem die Mitglieder<br />
drei Monate kostenfrei von zuhause trainieren können.“<br />
Manuel Frankl ergänzt mit erfrischendem Optimismus: „Wir<br />
packen es positiv an und wollen uns verbessern und haben sogar<br />
in sieben neue Fitnessgeräte investiert. Gerade jetzt ist es wichtig,<br />
einen Schritt nach vorne und nicht zurück zu gehen.“ Auch Christiane<br />
Alberti betont, wie unverzichtbar es gerade jetzt sei, das<br />
Augenmerk auf die Gesundheit zu richten und sich mit Ernährung<br />
und Bewegung zu beschäftigen; nur so könne man gestärkt<br />
in eine Krise gehen und sie durchstehen und also auch Corona<br />
die Stirn bieten. Mit einem gestärkten Immunsystem lebe es<br />
sich psychisch wie physisch viel besser. Und anschließend, nach<br />
der Krise, fügt Manuel hinzu, sei es entscheidend, nicht daheim<br />
zu bleiben: „Denn Angst schwächt das Immunsystem zusätzlich.<br />
Weiter trainieren, den Körper stärken und Muskeln aufbauen, damit<br />
der Organismus Reserven bildet! Und nicht zu vergessen,<br />
durch den Sport werden Glückshormone ausgeschüttet, welche<br />
wir gerade jetzt dringend brauchen können.“<br />
Ja, gute Laune verbreitet das pro-line-Team allemal, und der<br />
Funke der Begeisterung springt auf mich über und ich spüre,<br />
wie die Krise hier in positive Energie umgewandelt wird. Mit<br />
Tatendrang und Optimismus rückt das Team Hand in Hand zusammen,<br />
lässt das pro-line während der Schließung für seine<br />
Mitglieder in neuem Glanz erstrahlen und freut sich schon heute,<br />
seine Kunden wieder herzlichst begrüßen zu können.<br />
Sandra Bangerter<br />
Fotos: Sandra Bangerter<br />
Inhaber Willy Frankl<br />
ist fleißig im pro-line-<br />
Garten.<br />
Manuel Frankl ist zuständig<br />
für die Instandhaltung<br />
der Fitnessgeräte<br />
Christiane Alberti betreut die<br />
Verwaltung und die Kunden.<br />
Schreinermeister Alexander<br />
Adelberger kümmert sich um<br />
den Wellnessbereich.<br />
Amber Steeger<br />
unterstützt die<br />
Verwaltung.<br />
Am Schlageis 5-7, 82418 Murnau, Tel. 08841.4368, www.proline-murnau.de<br />
39
LIVE<br />
MS Seehausen:<br />
Saisonstart an Bord<br />
sehnsüchtig erwartet<br />
Fotos: Florian Werner<br />
41
LIVE<br />
Auf los geht’s los<br />
Die Türe des Bootshauses ist noch geschlossen, als ich zum Interview mit Gerry<br />
Meyer auf der Halbinsel Burg eintreffe. Ich gehe ein paar Schritte runter ans<br />
Wasser und genieße die friedliche Stille des Sees. Normalerweise dreht die „Seehausen“<br />
ab 1. April nach der Winterpause bereits munter ihre Runden. Aber was<br />
ist in Zeiten von Corona schon normal? Da macht selbst das Schiff das, was alle<br />
machen: nämlich „Abstand halten.“ So steht es zumindest auf dem Bug, der aus<br />
dem Bootsschuppen ragt, – wie treffend, denke ich. Selbst die Enten am Ufer, die<br />
sich durch meine Annäherung wohl aus dem Schlaf gerissen fühlen, watscheln<br />
in angemessenem Abstand voneinander ins kühle Nass.<br />
IGNAZ SONNER<br />
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Ich betrete durch die mittlerweile offene Türe das Bootshaus und freue mich,<br />
denn hier war ich noch nie. „Wir stehen in den Startlöchern“, begrüßt mich der Inhaber<br />
der Staffelsee-Motorschifffahrt. So richtig ist das 2-mal 200 PS starke Schiff,<br />
das 270 Personen Platz bietet, allerdings noch nicht aus seinem Winterschlaf erwacht:<br />
Die Stühle auf dem frischgereinigten Teppich im Salon sind aufgestapelt,<br />
die Bänke auf Deck abgebaut und zusammengestellt. „Hier wird noch alles gestrichen“,<br />
meint der Kapitän, der trotz Ausgangsbeschränkung und angeordneter<br />
Betriebsschließung recht entspannt wirkt. Schließlich gibt es die Staffelseeschifffahrt<br />
seit 1927, – da haben die drei Generationen der Seehauser Betreiber wahrlich<br />
schon einiges miterlebt.<br />
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„Bei dem schönen Wetter<br />
will jeder raus“<br />
Dennoch beschäftigen Meyer, der seine Vormittage als Berufsfischer auf dem<br />
Staffelsee verbringt, viele Fragen: „Wann geht’s los? Tragen dann alle Mundschutz?<br />
Trauen sich die Leute dann überhaupt hier hin? Haben sie überhaupt noch Geld<br />
danach?“ Bei einem Saisonbetrieb von April bis Oktober fallen jetzt schon mit<br />
der Schließung bis 19.4. 10% des Umsatzes weg – rund 56.000 Gäste beförderte<br />
das Schiff im letzten Jahr. Rücklagen für solche Ereignisse gäbe es keine, Betriebskosten<br />
sowie das Gehalt für den zweiten Schiffsführer laufen weiter. Auch<br />
die Inbetriebnahme des Elektro-Fahrgastschiffes, der „Staffelseerin“, hänge ab<br />
vom Betrieb auf der Buchau, – vorher solle es noch auf Außenborder umgerüstet<br />
werden, sofern die Monteure wieder kommen dürfen.<br />
Saisonkarten sind jedenfalls schon vorbereitet – für 75,- € kann man eine solche<br />
erwerben. „Die Dauergäste zappeln schon den ganzen Winter“, meint Meyer. „Bei<br />
dem schönen Wetter will jeder raus“, – hier bleibt uns beiden nur ein etwas wehmütiger<br />
Blick aufs Wasser, denn das Wetter ist wirklich seit Tagen traumhaft.<br />
42
Willkommen an Bord<br />
Wenn alles hoffentlich bald wieder nach Plan läuft, kann man<br />
sich dann bis September bei täglich sechs Rundfahrten – im Oktober<br />
sind es noch drei – genüsslich zurücklehnen und sich in<br />
den zirka 80 Minuten ein „Staffelseer“-Bier oder ein Eis gönnen;<br />
eine kleine Speisenauswahl gibt es ebenso. Aber auch einfach so<br />
lässt es sich entspannt den Worten der Kapitäne Gerry Meyer<br />
und Thomas Eckelt zu den sieben Inseln des 7,7 km² großen<br />
Staffelsees lauschen oder sogar einen Blick auf Kormorane und<br />
Seidenreiher an der Achmündung im Obersee erhaschen.<br />
Wer mehr Zeit mitbringt, kann an einer der drei Anlegestellen einen<br />
Zwischenstopp einlegen. Wie zum Beispiel in Uffing, wo sich<br />
die herrliche Aussicht mit einer Wanderung auf der 5,4 km langen<br />
„Kleinen Staffelsee-Schleife“ und einer Erfrischung im direkt am<br />
Wasser gelegenen Biergarten des Seerestaurants „Alpenblick“ abrunden<br />
lässt. Jetzt schon einmal vormerken lassen sich die Termine<br />
für die beliebten Mondscheinfahrten in den Sommermonaten,<br />
– sie sind auf der Homepage www.staffelsee.org zu finden.<br />
Und übrigens: Das „Staffelseer“ – Weißbier oder Hell – kann man<br />
sich zu jeder Zeit direkt über den Webshop auf www.staffelseer.de<br />
nach Hause holen – zum Wohl!<br />
Birgit Schwarzenberger<br />
Fotos: Florian Werner<br />
43
MEDIZINISCHE BILDGEBUNG<br />
AN DER BG UNFALLKLINIK MURNAU:<br />
RADIOLOGIE, NEURORADIOLOGIE<br />
UND INTERVENTIONELLE RADIOLOGIE<br />
Eine schnelle, sichere und exakte Diagnose ist für jede Erkrankung, gleich welcher<br />
Schwere und Komplexität, Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie. Die<br />
Radiologie nimmt dabei in der BG Unfallklinik Murnau eine zentrale Stellung ein<br />
und fungiert als Bindeglied zwischen Zentraler Notaufnahme, Operationssälen,<br />
Stationen und Rehabilitation. Die Murnauer Radiologen stehen den Unfallchirurgen<br />
in vorderster Front bei der Versorgung von verletzten Patienten zur Seite, um<br />
die Zeit von der Diagnostik bis zur Therapie so kurz wie möglich zu halten. Durch<br />
den Einsatz von hochmoderner, bildgebender Technik deckt die Radiologie die<br />
Anzahl und Schwere verschiedener Verletzungen eines Patienten binnen Minuten<br />
auf und trägt zudem mit Hilfe von bildgesteuerten Eingriffen zur schnellen Genesung<br />
unserer Patienten bei.<br />
In der Radiologie der BG Unfallklinik Murnau, die seit dem<br />
1. Juni 2019 unter der chefärztlichen Leitung von Prof. Dr.<br />
Marcus Treitl geführt wird, versorgt ein Team von 13 sehr<br />
erfahrenen und hochqualifizierten Ärzten und Fachärzten<br />
zusammen mit mehr als 25 medizinisch-technischen<br />
Röntgenassistentinnen und -assistenten die Patienten der<br />
Klinik. Eine apparative Ausstattung auf höchstem Niveau<br />
und auf dem neuesten Stand der Technik gewährleistet<br />
die medizinische Bildgebung rund um die Uhr, für alle stationären<br />
und ambulanten Patienten.<br />
Die Ergebnisse der radiologischen Untersuchungen werden<br />
mit den zuständigen ärztlichen Kollegen aus den entsprechenden<br />
Fachbereichen besprochen und diskutiert.<br />
Auf diese Weise begleitet die Radiologie die Patienten<br />
permanent, ist stets auf dem aktuellen Stand und kann<br />
beratend zur Seite stehen, sobald weitere bildgebende<br />
Methoden oder katheterbasierte Eingriffe erforderlich werden.<br />
Diese intensive Zusammenarbeit zwischen Radiologie<br />
und klinischer Medizin ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor<br />
und in dieser Intensität einzigartig.<br />
Die Abteilung für Radiologie, Neuroradiologie und Interventionelle<br />
Radiologie bietet das gesamte Spektrum der<br />
bildgebenden Diagnostik an, mit besonderer Expertise in<br />
der Bildgebung nach Verletzungen, der Muskeln und des<br />
Skelettsystems sowie der Wirbelsäule und des zentralen<br />
Nervensystems mit Gehirn und Rückenmark. Natürlich<br />
beherrschen die Kolleginnen und Kollegen der Abteilung<br />
auch alle anderen radiologischen Unterbereiche, da sie<br />
die internistische Zweigstelle des Klinikums Garmisch-<br />
Partenkirchen an der BG Unfallklinik Murnau ebenfalls<br />
mitversorgen. Auch die Bildgebung des Gefäßsystems<br />
kommt nicht zu kurz, was insbesondere bei Patienten mit<br />
Gefäßverletzungen nach Unfällen oder chronischen Wundheilungsstörungen<br />
eine große Rolle spielt.<br />
Im letzten Jahrzehnt hat sich die Radiologie mehr und<br />
mehr zu einer klinisch tätigen Fachdisziplin entwickelt.<br />
Das bedeutet, dass die Fachärzte für Radiologie und /<br />
oder Neuroradiologie mit Hilfe von minimalinvasiven<br />
Kathetereingriffen zahlreiche therapeutische Eingriffe auf<br />
höchstem Niveau durchführen.<br />
44<br />
BG Unfallklinik Murnau
© BG Unfallklinik Murnau<br />
BEITRAG<br />
von<br />
PROF. DR.<br />
MARCUS TREITL<br />
Chefarzt der Abteilung für<br />
Radiologie, Neuroradiologie<br />
und Interventionelle Radiologie<br />
45
© BG Unfallklinik Murnau<br />
© Adobe Stock<br />
„Der gute Radiologe sucht<br />
den Kontakt zu seinen Patienten“<br />
Interview mit Prof. Dr. Marcus Treitl, Chefarzt<br />
der Radiologie an der BG Unfallklinik Murnau<br />
Herr Professor Treitl, Sie haben sich vor über 30 Jahren der Medizin<br />
verschrieben, als Sie Ihr Studium der Humanmedizin in München aufnahmen.<br />
Welche Motivation hat Sie diesen Weg einschlagen lassen?<br />
MTR: Im Grunde hat sich dieser Berufswunsch schon viel früher,<br />
nämlich zu Schulzeiten, verfestigt. Schon da war klar, dass ich<br />
gerne mit Menschen arbeite, idealerweise, um ihnen zu helfen. Damals<br />
war ich allerdings noch der festen Überzeugung, Chirurg zu<br />
werden. Als ich dann jedoch ins Praktische Jahr gestartet bin, hat<br />
mich die Begeisterung für die Radiologie gepackt und nicht mehr<br />
losgelassen. Und seither verfolge ich diesen Weg.<br />
Die BG Unfallklinik Murnau gehört zur Unternehmensgruppe der BG<br />
Kliniken. Dennoch sind der regionale Bezug und unsere Expertise vor<br />
Ort nach wie vor maßgeblich erfolgsentscheidend. Wie können wir<br />
unsere Stärken gerade in der Radiologie noch weiter ausbauen?<br />
MTR: Die Unfallchirurgie der BG Unfallklinik Murnau ist weit über<br />
die bayrischen Grenzen hinweg bekannt und in seiner Ausprägung<br />
einzigartig. Diesen Standortvorteil müssen wir nutzen, wenn es um<br />
die Suche nach qualifizierten Kollegen in der Ärzteschaft und<br />
Pflege geht. Wir bieten minimalinvasive Eingriffe, erweitern unser<br />
medizinisch-pflegerisches Spektrum fortlaufend und profitieren von<br />
ausgewählten Kooperationen. Im letzten Jahr wurden sieben medizinische<br />
Einrichtungen der BG Kliniken als beste Kliniken<br />
Deutschlands ausgezeichnet – die BG Unfallklinik Murnau allen<br />
voran auf Platz 1. Davon profitieren wir auch in der Radiologie!<br />
Viele Patienten beschäftigt die Frage, ob man sich beim Röntgen<br />
oder einer Computertomographie Sorgen um Auswirkungen der<br />
Strahlenbelastung machen muss?<br />
MTR: Diese Sorge kann ich sehr gut verstehen, unsere Patienten<br />
aber gleichzeitig beruhigen, dass aus genau diesem Grund der<br />
Facharzt für Radiologie eingeführt wurde. Er setzt sich mit dieser<br />
Frage tagtäglich auseinander und muss bei jeder angeforderten<br />
Untersuchung die medizinische Sinnhaftigkeit in Relation zur erwarteten<br />
Strahlenbelastung setzen. Das nehmen wir sehr ernst!<br />
Bei sachgerechter und reflektierter Anwendung ist kein Schaden<br />
für die Patienten zu befürchten. Im Vergleich betrachtet: Die Strahlenbelastung<br />
einer Röntgenuntersuchung der Lunge ist in etwa so<br />
hoch wie bei einem Flug von München nach New York.<br />
Wie sieht es bei MR-Untersuchungen aus? Ist eine Magnet-<br />
Resonanz-Tomographie (MRT) oder Ultraschalluntersuchung<br />
„strahlenfrei“?<br />
MTR: Die beiden genannten Verfahren verwenden keine Röntgenstrahlung,<br />
das ist richtig. Die eingesetzten elektromagnetischen<br />
Wellen oder Schallwellen führen aber ebenso zu einer Energieeinstrahlung<br />
in das Körpergewebe und dieses kann sich bei diesen<br />
Verfahren minimal erwärmen, was aber von den Geräten überwacht<br />
wird. Deshalb sind bei diesen Verfahren die Risiken für den<br />
Patienten verschwindend gering und die Anwendung in den meisten<br />
Fällen bedenkenlos möglich.<br />
Was kann man gegen Platzangst im MRT unternehmen?<br />
MTR: Glücklicherweise eine ganze Menge. Zunächst sollte das<br />
Team der Radiologie möglichst einfühlsam auf den Patienten eingehen.<br />
Denn Platzangst ist sehr viel verbreiteter als man denkt und<br />
für uns ein alltägliches Problem. Vor allem muss sich dafür niemand<br />
schämen. Oft hilft ein „Probeliegen“ mit allen Mitgliedern des<br />
46
Teams im Raum schon sehr viel. Manchmal muss man zudem ein<br />
leichtes Beruhigungsmittel einnehmen. Damit klappt die Untersuchung<br />
bei ca. 95% der Patienten. Man muss natürlich bedenken,<br />
dass das Bedienen von technischen Geräten oder das Autofahren<br />
danach nicht möglich ist. Wenn man von Platzangst betroffen ist und<br />
eine MRT benötigt, sollte man sich von einer Begleitperson in die Klinik<br />
bringen lassen oder mit dem Taxi kommen.<br />
Warum ist es im MRT so laut?<br />
MTR: Im MRT erfolgt die Bildgebung durch ein statisches Magnetfeld<br />
und schnell wechselnde Hochfrequenzfelder, welche durch klassische<br />
Spulen in der Tunnelwand erzeugt werden. Dabei fließen in kurzen<br />
Zeitintervallen von wenigen Millisekunden Ströme von bis zu einigen<br />
hundert Ampere durch die Spulen. Diese bringen sie zum Vibrieren,<br />
was man dann auch sehr laut hört. Sie erreichen mindestens die<br />
Lautstärke einer Bohrmaschine, manchmal sogar die Lautstärke<br />
eines Rockkonzerts. Deshalb muss der Patient im Gerät zwingend<br />
einen Gehörschutz tragen.<br />
Gibt es Vorurteile, mit denen Radiologen häufig konfrontiert werden,<br />
die sie gern aus dem Weg räumen möchten?<br />
MTR: Uns wird gern nachgesagt, dass wir nur hinter unseren Bildschirmen<br />
sitzen und wenig bis gar keinen Kontakt oder gar Bezug<br />
zu unseren Patienten haben. Das ist mitnichten so. Ganz im Gegenteil.<br />
Der gute Radiologe sucht den Kontakt zu seinem Patienten,<br />
denn nur die Information, die der Patient uns zu seiner<br />
Untersuchung liefert, versetzt uns überhaupt in die Lage, einen<br />
guten Befund zu erstellen.<br />
© Adobe Stock<br />
© Adobe Stock<br />
RADIOLOGIE WÄHREND DER<br />
CORONA-PANDEMIE<br />
Aktuell gilt es, die Krise rund um das Coronavirus gut und sicher zu<br />
meistern. Auch hier nimmt die Radiologie eine wichtige unterstützende<br />
Rolle in der Diagnostik ein, da sie mittels Niedrigdosis-Computertomographie<br />
eine Lungenentzündung, die durch das SARS-CoV-2 Virus ausgelöst<br />
werden kann und welche die Patienten schwer krank macht, sicher<br />
und schnell diagnostizieren kann. Dies ist insbesondere dann<br />
wichtig, wenn das Virus im Rachenbereich nicht mehr nachgewiesen<br />
werden kann, weil es bereits die Lunge befallen hat. Die Radiologie an<br />
der BG Unfallklinik Murnau ist auf diese neue Situation bestens vorbereitet<br />
und steht den klinischen Kollegen auch in diesen schweren Zeiten<br />
mit Rat und Tat zur Seite.<br />
INTERVENTIONELLE RADIOLOGIE AN DER<br />
BG UNFALLKLINIK MURNAU<br />
Ein Schwerpunkt der radiologischen Abteilung in Murnau ist der Bereich<br />
der interventionellen Radiologie. In diesem Fachbereich werden<br />
mit Hilfe von minimal-invasiven Kathetereingriffen therapeutische Maßnahmen<br />
durchgeführt, wie zum Beispiel die Wiedereröffnung von<br />
akut verschlossenen Blutgefäßen bei einem Schlaganfall. Auch gefäßverschließende<br />
Eingriffe werden bei Blutungen nach einem Unfall<br />
oder beim Einriss eines Aneurysmas vorgenommen. Interventionelle<br />
Maßnahmen, die immer unter Bildgebung stattfinden, sind oftmals<br />
deutlich schonender für den Patienten als große Operationen, da die<br />
Eingriffszeit in der Regel kürzer und die Operationswunde deutlich<br />
kleiner ist. Je nach Art der Erkrankung kommen heute zahlreiche unterschiedliche<br />
Untersuchungstechniken in Frage, die ein erhebliches<br />
Maß an Erfahrung und Spezialwissen voraussetzen. Gerade bei sehr<br />
komplexen Fällen kann das Team um Prof. Dr. Marcus Treitl und<br />
Dr. Andreas Grillhösl, dem Leiter der Neuroradiologie, ihre zusammen<br />
fast 50-jährige Expertise komplett ausspielen und helfen, wenn es oft<br />
wenig aussichtsreich aussieht.
Radiologie leicht erklärt!<br />
Die Radiologie ist ein Fachbereich der Medizin, in dem bildgebende<br />
Diagnoseverfahren durchgeführt und interpretiert werden. Sie fungiert<br />
damit als Schnittstelle zu allen Fachbereichen der Medizin, wie etwa<br />
allen Teilbereichen der Unfallchirurgie oder der Neurochirurgie.<br />
Ursprung<br />
Radiologie bedeutet wörtlich übersetzt „Strahlenlehre“ und leitet sich<br />
vom latinischen Verb „radiare“ ab, was nichts anderes als „strahlen“<br />
bedeutet.<br />
Ziele und Wirkung<br />
Das Ziel eines bildgebenden diagnostischen Verfahrens ist es,<br />
einen bestimmten Bereich des Körpers darzustellen, um seinen<br />
gesundheitlichen Zustand zu untersuchen, aber auch um seine<br />
Funktionsweise besser zu verstehen. Für jede Struktur im Körper<br />
und jedes Krankheitsbild gibt es ein passendes bildgebendes Verfahren.<br />
In den letzten Jahren ist die Leistungsfähigkeit der Bildgebung<br />
immer größer geworden, was dazu führt, dass sich auch<br />
der Facharzt für Radiologie immer mehr spezialisiert. So gibt es<br />
heutzutage Experten in der Diagnostik von Verletzungen und Erkrankungen<br />
an Knochen, Muskeln und Gelenken oder Neuroradiologen<br />
für die Darstellung und Behandlung von Erkrankungen des<br />
zentralen Nervensystems.<br />
In der Radiologie arbeitet man mit ionisierender Strahlung (Röntgenstrahlen),<br />
welche den Körper überwiegend durchdringt, dabei<br />
aber geschwächt wird und entweder ein digitales Schwächungsbild<br />
(Röntgenbild) oder eine Punktematrix (Computertomographie)<br />
füllt. Auch wenn beim Ultraschall oder der Magnetresonanztomographie<br />
keine ionisierenden Strahlen zum Einsatz kommen, zählen<br />
sie dennoch zur Radiologie, da es sich hierbei gleichermaßen um<br />
bildgebende Methoden handelt. Zu den Schnittbildverfahren der<br />
Radiologie gehören Sonografie, CT, MRT und Röntgen. Als Schnittbildverfahren<br />
bezeichnet man Diagnoseverfahren, die den Körper<br />
Schicht für Schicht (ohne Überlagerungen) darstellen. Jede Einzelschicht<br />
kann im Anschluss wieder so zusammmengesetzt werden,<br />
dass das untersuchte Organ in jeder beliebigen Sichtrichtung als<br />
3D-Bild dargestellt werden kann.<br />
Seit dem 1. April 2020 gibt es im Medizinischen Versorgungszentrum<br />
(MVZ) einen Kassensitz für Radiologie, welcher die<br />
ambulante Untersuchung von Patienten, unabhängig ihres<br />
Versicherungsstatus erlaubt.<br />
Leistungen in der<br />
BG Unfallklinik Murnau<br />
Röntgendiagnostik<br />
Die konventionelle Röntgendiagnostik oder Projektionsradiographie<br />
stellt auch heute noch die Basis der medizinischen<br />
Bildgebung dar, da sie einen orientierenden Überblick über den<br />
erkrankten Körperbereich ermöglicht und eine einfache und<br />
schonende Methode für Verlaufsuntersuchungen, zum Beispiel<br />
während der Heilung von Knochenbrüchen, darstellt.<br />
Computertomographie (CT)<br />
Nach der klassischen Röntgendiagnostik stellt die Computertomographie<br />
das zweitwichtigste bildgebende Verfahren in der<br />
Radiologie dar. Es handelt sich um ein hochauflösendes<br />
Schnittbildverfahren, das den Körper in einzelnen Schichten<br />
darstellt. Bei der Versorgung von Schwerstverletzten ermöglicht<br />
sie in Sekundenschnelle die Darstellung des gesamten Körpers<br />
in Form von 3 D-Bildern, sodass in kürzester Zeit Art und<br />
Umfang von Verletzungen im Körper festgestellt werden können.<br />
Dies ist essentiell zur Festlegung des idealen Behandlungskonzepts,<br />
denn die bedrohlichste Verletzung muss<br />
immer zuerst behandelt werden.<br />
Magnetresonanztomographie (MRT)<br />
Die Magnetresonanztomographie (MRT) oder Kernspintomographie<br />
ist die aufwendigste, aber in vielen Fällen auch genaueste<br />
bildgebende Methode in der Radiologie. Anders als bei<br />
den anderen Verfahren in der Radiologie kommt hier keine<br />
Röntgenstrahlung, sondern ein starkes Magnetfeld zur Anwendung.<br />
Ihre größten Vorteile spielt sie bei der Darstellung von<br />
krankhaften Veränderungen von Muskeln, Bändern und Gelenken<br />
sowie des zentralen Nervensystems aus.<br />
Interventionelle Radiologie / Angiographie<br />
Die interventionelle Radiologie ist der therapeutische Bereich<br />
der Radiologie. Sie umfasst ein breites Spektrum an minimalinvasiven,<br />
bildgesteuerten Eingriffen, bei denen in besonders<br />
schonender Schlüssellochtechnik krankhafte Prozesse im<br />
Körper behandelt werden können. Dazu gehört z.B. die Behandlung<br />
der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit, akuter<br />
embolischer Gefäßverschlüsse, des Schlaganfalls oder von<br />
Aussackungen des Gefäßsystems (Aneurysmen).<br />
Knochendichtemessung<br />
Die Osteodensitometrie oder Knochendichtemessung erlaubt<br />
die strahlungsarme und standardisierte Messung des Mineralsalzgehalts<br />
an der Lendenwirbelsäule und am Hüftgelenk.<br />
Dies sind Bereiche, die bei Stürzen älterer Menschen besonders<br />
häufig zu Verletzungen führen.
Radiologe aus Leidenschaft<br />
Professor Treitl (48) trat zum 1. Juni 2019 als neuer Chefarzt<br />
der Abteilung für Radiologie, Neuroradiologie und Interventionelle<br />
Radiologie an der BG Unfallklinik Murnau seinen Dienst an.<br />
Er war zuvor mehr als 19 Jahre lang am Institut für Klinische Radiologie<br />
der Universitätsklinik München tätig und bringt umfangreiche<br />
Erfahrungen im gesamten Gebiet der Radiologie mit. Zuletzt leitete<br />
er dort den Bereich der Interventionellen Radiologie – in dem er fachlich<br />
einen breiten Schwerpunkt gesetzt hat – und erweitert damit<br />
das Therapiespektrum an der BG Unfallklinik Murnau um zahlreiche<br />
minimalinvasive, kathetergestützte Behandlungsverfahren.<br />
Prof. Dr. Marcus Treitl wurde 1971 in München geboren und legte am<br />
Albert-Einstein-Gymnasium seine Abiturprüfung ab. Nach einem 12-<br />
monatigen Wehrdienst im Sanitätsdienst der Luftwaffe begann er<br />
zum Wintersemester 1991 das Studium der Humanmedizin an der<br />
Ludwig-Maximilians-Universität. Durch seine Doktorarbeit in vaskulärer<br />
Biologie drang er noch tiefer in das Fachgebiet der Gefäßmedizin<br />
ein, in dem er heute als absoluter Spezialist gilt. Nach einem<br />
kurzen Ausflug in andere Fachrichtungen trat er im Jahr 2000 seinen<br />
Dienst am Institut für Klinische Radiologie der Universitätsklinik der<br />
LMU München an, wo er 2009 auch seinen Facharzt absolvierte.<br />
Noch im selben Jahr wurde er mit der Leitung der Interventionellen<br />
Radiologie am Standort Innenstadt-Klinik betraut und übernahm ab<br />
2017 schließlich die Gesamtleitung der Interventionellen Radiologie<br />
an den Standorten Innenstadt und Großhadern. Als einer der ersten<br />
Radiologen wurde Prof. Dr. Treitl 2011 europäischer Facharzt für Radiologie<br />
und legte zwei Jahre später auch das europäische Examen<br />
der Interventionellen Radiologie ab. Mit dem Thema „Evolution der<br />
perkutanen Katheterintervention“ habilitierte er 2012 zum Privatdozent<br />
im Fach Radiologie. Sein umfangreiches Wissen im Gesundheitswesen<br />
vertiefte der Radiologe durch einen Master of Business<br />
Administration (MBA) Abschluss in Healthcare Management 2014.<br />
Zwei Jahre später, im Jahr 2016, wurde er zum außerplanmäßigen<br />
Professor für Radiologie der LMU München ernannt. Seit 2019 lehrt<br />
Prof. Treitl als Dozent an der Staatlichen Berufsfachschule für medizinisch-technische<br />
Röntgenassistenten an der LMU München. Er ist<br />
Mitglied der Expertenkommission der Bundesärztekammer für die<br />
Leitlinien Röntgen und Computertomographie sowie Mitglied der<br />
Bayerischen Röntgengesellschaft, der deutschen Röntgengesellschaft,<br />
der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und<br />
der europäischen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie (CIRSE).<br />
Ein Blick ins Privatleben<br />
Welchen Berufswunsch hatten Sie als Kind?<br />
Lokomotivführer, als großer Fan von Jim Knopf<br />
Womit kann man Sie auf die Palme bringen?<br />
Egoismus und Ignoranz<br />
Was bringt Sie zum Lachen?<br />
Glücklicherweise so vieles, dass es nicht aufzählbar ist<br />
Ihre größte Leistung….?<br />
Glücklich verheiratet mit einer wundervollen Frau und<br />
Vater einer süßen Tochter zu sein<br />
Ihre größte Versuchung?<br />
Leider alles Essbare<br />
Welche verborgenen Talente stecken in Ihnen?<br />
Kochen<br />
Ihr Leben als Film – welche Kinofigur würden Sie darstellen?<br />
Jean-Luc Picard<br />
Ihr Lieblingsbuch?<br />
Alle Krimis von Jörg Maurer<br />
Wo finden Sie ihre persönliche Ruheoase?<br />
Dahoam<br />
Welches ist ihr Lieblingszitat?<br />
Dinge sind nur so lange unmöglich, bis sie es<br />
nicht mehr sind.<br />
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Interview und Redaktion: Carola Krumbacher<br />
Fotos: BG Unfallklinik Murnau, Adobe Stock<br />
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51
Foto: Heribert Riesenhuber<br />
Anikó Riesenhuber, Louis und seine Brüder<br />
Schule<br />
ohne<br />
Schule –<br />
geht das?<br />
Eigentlich sollte ich jetzt gerade voller Panik jede<br />
Menge Stoff in meinen Kopf kriegen. In zwei Wochen<br />
hätte mein Abitur begonnen. Betonung liegt auf hätte,<br />
denn dank des Coronavirus wurden unsere Prüfungen um<br />
mindestens drei Wochen verschoben. Aber wir sind ja<br />
nicht die einzigen, bei denen jetzt gerade alles etwas<br />
chaotisch ist. Auch bei den Neueinsteigern auf<br />
dem Gymnasium sorgt der virusbedingte Ausfall natürlich<br />
für unerwartete Veränderungen. Mit einem dieser<br />
Fünftklässler, Louis, habe ich mich mal zusammengesetzt,<br />
natürlich nicht in echt, sondern telefonisch,<br />
und dann haben wir uns ein bisschen über die Situation<br />
unterhalten.<br />
52
SCHÜLERINTERVIEW<br />
Anikó: Hallo Louis, was waren eigentlich deine ersten<br />
Gedanken, als schulfrei bis zu den Osterferien<br />
verkündet wurde?<br />
LouiS: "Jippieh!" Aber dann ist mir langsam klargeworden,<br />
dass das gar nicht so toll sein könnte,<br />
weil ich dann immer zuhause zwischen meinen vier<br />
Geschwistern die Hausaufgaben machen muss. Aber<br />
ich habe mich in mein Zimmer verzogen, dann ging’s.<br />
A: Vermisst du die Schule?<br />
L: Schon ein bisschen. Vor allem das frühe Aufstehen<br />
und die Kaugummis unter den Tischen. Nein, ich vermisse<br />
es meine Freunde zu treffen.<br />
A: Wie lange schläfst du denn jetzt am Morgen?<br />
L: Ganz unterschiedlich. Zurzeit so bis halb neun.<br />
Normalerweise stehe ich ja so um 7 auf und gehe<br />
dann um halb acht zur Schule.<br />
A: Und wie machst du jetzt deine Schularbeit?<br />
L: Mit dieser Schul-Cloud im Internet. Da schaue<br />
ich mir an, was ich aufhabe und dann mache ich das<br />
einfach. Und dann lerne ich halt noch das, was die<br />
Lehrer da reingestellt haben. Manchmal schaue ich<br />
auf Mathe-Gym im Internet. Da ist auch alles, was<br />
wir gerade machen, und da gibt es Lernstoff und<br />
Aufgaben, die ich mir anschauen kann, wenn ich‘s<br />
grad nicht kapiere. Unsere Lehrer schreiben uns<br />
eigentlich nur Briefe mit Stoff und Aufträgen.<br />
A: Und wo kannst du besser lernen?<br />
L: In der Schule. Da kann ich bei meinen Freunden<br />
abschreiben. Meine Mama sagt mir nie die Lösung.<br />
A: Wie lange brauchst du jetzt für dein Schulzeug?<br />
L: Kommt drauf an, wie viel auf ist. Meistens so<br />
zwei bis drei Stunden. Ich mache halt alles. Mit<br />
Sport.<br />
A: Wie geht das denn?<br />
L: Ich geh‘ raus und mach’ was.<br />
A: Macht’s dir Spaß, so zu lernen?<br />
L: Es geht. Es macht schon ein bisschen Spaß, dass<br />
man nicht alles vorgeschrieben bekommt von den Lehrern,<br />
sondern selbst entscheiden kann, was man wann<br />
macht. Aber wenn deine Eltern nicht zufällig Lehrer<br />
sind, haben sie nicht mehr alles im Kopf, was in<br />
der 5. so los war.<br />
A: Machst du auch ganz regulär Pausen?<br />
L: Ja, ich mache schon Pausen. Da esse ich ´nen<br />
Keks und dann geht‘s weiter.<br />
A: Hältst du dich an den Stundenplan?<br />
L: Meistens schon.<br />
A: Und freust du dich darüber, dass jetzt Ferien<br />
sind, oder hast du das gar nicht bemerkt?<br />
L: Ja, sogar sehr! Ich werde aber trotzdem noch ein<br />
bisschen weiterlernen.<br />
A: Fürchtest du dich eigentlich davor krank zu werden?<br />
L: Nicht so. Also, wenn ich krank werde, dann ist<br />
das halt so. Kann man nichts machen.<br />
A: Was machen deine Geschwister so?<br />
L: Die machen Quatsch! Nein. Die machen auch Hausaufgaben.<br />
Die machen eigentlich fast genau dasselbe<br />
wie ich, nur ´ne Altersstufe kleiner. Oder fünf Altersstufen<br />
kleiner.<br />
A: Gibt es jetzt mehr oder weniger Streit?<br />
L: Eigentlich relativ gleich. Außer bei den Hausaufgaben,<br />
wenn dann einer meiner kleinen Brüder,<br />
wenn ich gerade mitten in einer Aufgabe bin, sowas<br />
fragt wie "Was ist drei plus drei?" Das ist dann<br />
doof.<br />
A: Was machst du sonst den ganzen Tag außer Schulzeug?<br />
L: Ich gehe raus. Manchmal fahre ich dann Skateboard.<br />
Und sonst sitze ich drinnen, aber da zeichne<br />
ich meistens. Und ich spiele ein bisschen mehr Videospiele<br />
als vorher.<br />
A: Okay, dann danke für das Gespräch.<br />
Das unfreiwillige Schulfrei hat also nicht nur<br />
Nachteile. Und die Lehrer haben sich ja auch Mühe<br />
gegeben, dass es trotzdem alles halbwegs funktioniert.<br />
Manche sogar sehr kreativ, wie zum Beispiel<br />
Sebastian Rapp, der die Unterrichtsstunden auf Video<br />
aufgenommen und vor dem "Unterricht" ein bisschen<br />
Sport gemacht hat. Er hat zum Beispiel in unserem<br />
Klassenzimmer mit Rollschuhen Hockey<br />
gespielt. Oder auch Johannes Riedelsheimer, der<br />
auf Youtube kurze Unterrichtsvideos hochgeladen hat<br />
und auf dessen Kanal es jeden Tag Kulturtipps gab,<br />
damit man sich in der Corona-Zeit nicht so langweilt.<br />
Die Schule geht also weiter, auch wenn niemand<br />
in der Schule ist.<br />
Anikó Riesenhuber<br />
53
54
55
PORTRAIT<br />
Brillen Moog:<br />
Roman Fabisch –<br />
Optikermeister<br />
und Naturbursche<br />
„Den Durchblick behalten“ – dieser Spruch mag im Zusammenhang mit einem Optiker naheliegend<br />
sein, jedoch trifft er im Fall von Roman Fabisch auf mehreren Ebenen zu, denn der sympathische<br />
Optikermeister ist beruflich und privat sehr vielseitig unterwegs.<br />
Roman Fabisch ist bereits seit langer Zeit mit seinem Brillengeschäft verbunden. „1983 begann ich hier<br />
meine Lehre, die ich als Innungssieger abschließen konnte“, berichtet er. „Nach zwei Jahren bei der Bundeswehr<br />
und weiteren zwei Jahren auswärts bin ich zurück zu Brillen Moog nach Murnau gekommen. Berufsbegleitend<br />
absolvierte ich die Meisterschule als Prüfungsbester. Der Laden, der sich mittlerweile im 41.<br />
Jahr befindet, wurde von Herrn Moog geleitet. Ihm war es stets wichtig, ein Ausbildungsbetrieb zu sein.<br />
Diese Tradition führen wir bis heute fort.“<br />
1994 eröffneten Moog und Fabisch „Die Optiker im Pavillon“ in Peißenberg, dort arbeitete Fabisch<br />
neun Jahre und kehrte dann nach Murnau zurück. „Zum 25. Jubiläum beschloss Herr Moog in Rente zu<br />
gehen, also übernahm ich das Geschäft ab dem 26. Jahr selbst. Das war 2004, seitdem bieten wir auch die<br />
Schmuckkollektion von Thomas Sabo an. Kaum zu glauben, wie die Zeit vergeht, das ist auch schon<br />
wieder 17 Jahre her!“, schmunzelt Fabisch.<br />
Der 125 m² große Laden, in dem drei Mitarbeiter und ein Auszubildender beschäftigt sind, beeindruckt<br />
mit seiner hellen und weitläufigen Ausstellungsfläche: „Den Ladenumbau und die Dekoration haben wir<br />
zusammen mit lokalen Handwerkern selbst vorgenommen. Mir war es wichtig, dass wir das mit regionalen<br />
Unternehmen umsetzen.“<br />
Nicht nur bei der Ausstattung seines Geschäfts achtet der Optiker auf Regionalität. „Soweit wie möglich<br />
ist mir der persönliche Bezug zu meinen Lieferanten sehr wichtig. Ich möchte wissen, wo meine Ware herkommt.<br />
Unkomplizierte Wege und feste Ansprechpartner sind unabdingbar, um schnell auf Kundenwünsche<br />
reagieren und höchste Qualität bieten zu können.“ So arbeitet Roman Fabisch z.B. mit dem Brillenhersteller<br />
„MunicEyeWear“ zusammen, dessen Inhaber Marcus Riess er seit ihrer gemeinsamen Ausbildung kennt.<br />
„Alle Brillengläser werden für uns in Deutschland bei der Rodenstock-Tochterfirma ‚optoVision‘ produziert<br />
und stammen nicht wie üblich aus einem Werk in der weiten Welt, das gerade freie Kapazitäten hat.“<br />
Foto: Florian Warnecke
Foto: Roman Fabisch privat<br />
PORTRAIT<br />
Fabisch hat sehr hohe Ansprüche an sich und sein Unternehmen.<br />
„Wir haben bereits viele Hochs und Tiefs gemeistert – im<br />
Vordergrund stehen bei uns stets außergewöhnliche Brillen, ein<br />
individueller Service und kleine Stückzahlen, die nicht Mainstream<br />
sind. Deswegen bieten wir modische Brillen von independent<br />
Labels an, welche im Zeitgeist sind. Ein aktueller Trend ist<br />
beispielsweise die Brillenmarke ‚SEA2SEE‘, welche Gestelle aus<br />
dem Plastikabfall im Meer herstellt. Weiterhin gehen wir auf jeden<br />
Kunden mit genügend Zeit ein, denn Vertrauen ist für uns ein<br />
wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit. Wenn ich hochwertige<br />
Ware verkaufe, muss ich davon ausgehen können, dass sie passt<br />
– ansonsten muss so lange daran gearbeitet werden, bis es passt.“<br />
Ein Spezialgebiet, auf welchem sich nicht viele Optiker auskennen,<br />
ist die Kontaktlinsenanpassung bei seltenen Hornhautveränderungen.<br />
Hier hat sich Roman Fabisch im Laufe<br />
der Jahre viel Wissen und Erfahrung angeeignet. „Es ist ein<br />
heikles Thema, weil es nur ca. 3% der Menschen betrifft. Diese<br />
Kunden sind besonders dankbar, wenn ich ihnen helfen kann.<br />
Das macht mir sehr viel Spaß.“<br />
Neben seinem Beruf als Optikermeister ist<br />
Roman Fabisch ein passionierter Reiter.<br />
„Ich habe schon als Kind Tiere geliebt. Mit 27 war ich in Kanada<br />
unterwegs. Hier entdeckte ich meine Leidenschaft zur Natur, den<br />
Bergen und der Fischerei und war das erste Mal bewusst mit Pferden<br />
in Kontakt. 2003 begann ich mit der Reiterei in Deutschland.<br />
2004 habe ich mir das Quarter Horse ‚Frekles Lucky Luke‘ (Frek)<br />
gekauft – damals nur zum Ausreiten. Meine Trainerin meinte, ich<br />
sollte doch auch einmal an einem Turnier teilnehmen – und dann<br />
wurde ich bei meinem ersten Turnier 2005 Bayerischer Vereinsmeister<br />
in der Einsteigerklasse.“ Fabischs Erfolgsserie setzte sich<br />
fort, und während er von seinem Hobby und dem Umgang mit<br />
den Pferden erzählt, leuchten seine Augen. Zu seinen beachtlichen<br />
Erfolgen zählt u.a. die Silbermedaille bei der Europameisterschaft<br />
2008 in Kreuth in der Disziplin „Working Cowhorse<br />
Amateur“. „Für die Aufgaben am Rind muss das Pferd einen klaren<br />
Kopf und ein mutiges Herz haben, Frek hat beides, mittlerweile<br />
genießt er jedoch seinen Ruhestand. Mein zweites Pferd ‚Shining<br />
Dark‘ kam dreijährig zu mir, ihn habe ich selbst ausgebildet. Er<br />
58
hat unglaublich viel Power und ist eine Mischung aus Paint und<br />
Quarter Horse. Ich nenne es immer ‚doppelte Staatsbürgerschaft‘,<br />
weil ich mit ihm an Turnieren für beide Rassen teilnehmen darf.“<br />
Wichtig ist Fabisch stets der sanfte Umgang mit den Pferden.<br />
„Ein Pferd muss die Chance haben, sich über Jahre zu entwickeln<br />
und nicht in Monaten trainiert zu werden. Ich trainiere drei Mal<br />
pro Woche. Wenn der Kopf von Pferd und Reiter frei ist und der<br />
Körper entspannt, dann sind die Manöver ein Klacks. Mein Motto<br />
ist: Tu‘ so viel wie nötig und so wenig wie möglich.“<br />
2019 erreitet der Optikermeister 48 Schleifen in 11 Turnieren,<br />
hauptsächlich in der Westerndisziplin „Reining“ – eine Zahl, die<br />
nicht nur für Reiter beeindruckend ist. „Ich bin drei Mal Vierter bei<br />
Europameisterschaften geworden, es ist natürlich ärgerlich, wenn<br />
man so knapp das Treppchen verpasst – also werde ich es weiter probieren.<br />
Wir sind nichts Außergewöhnliches, aber gut“, lacht er.<br />
Und wer nun denkt, Fabisch sei mit seinem Geschäft und der<br />
Reiterei bereits ausgelastet – der irrt sich. Neben den Pferden hat<br />
der Naturliebhaber einen Hund und eine Katze – und damit noch<br />
nicht genug: „Ich gehe gerne fischen und liebe es zu kochen und zu<br />
grillen. Das Lebensgefühl der Freiheit ist für mich unglaublich relevant.<br />
In meinem Garten züchte ich zehn verschiedene Sorten Tomaten.<br />
Außerdem spiele ich seit 1997 Eishockey im Team ‚De Ranzigen‘<br />
– hier ist der Name manchmal Programm“, grinst Fabisch.<br />
Für die Zukunft wünscht er sich „ein langes und gesundes Leben,<br />
dass Mensch und Tier weiterhin zufrieden sind und einen positiven<br />
Neid untereinander haben, der als Ansporn dient.“<br />
Zur aktuellen Situation von Corona hat Fabisch noch einen<br />
Appell: „Ich möchte mich gerne bei all meinen Kunden bedanken,<br />
denn sie sind es, die uns zu dem machen, was wir sind. Ich<br />
hoffe, dass wir alle gut durch diese schwierige Zeit kommen.<br />
Schön wäre es, wenn Sie uns weiterhin die Treue halten, denn<br />
wir sind nun mehr denn je auf Sie alle angewiesen. Gehen Sie<br />
bitte zu den Geschäften und Partnern Ihrer Wahl und unterstützen<br />
Sie unseren schönen Ort! Ich spreche hier auch für meine Kollegen<br />
und Mitbewerber aus Murnau.“<br />
Vielen Dank für dieses kurzweilige Interview und weiterhin<br />
viel Erfolg, lieber Roman – die Zeit ist wie im Flug vergangen<br />
und ich hätte noch stundenlang zuhören können!<br />
Übrigens sucht Brillen Moog zum nächstmöglichen Zeitpunkt<br />
dringend Verstärkung für das Team in Teil-/ oder Vollzeit<br />
(w/m/d). Bewerbungen z.Hd. Herrn Fabisch. Diese werden diskret<br />
behandelt.<br />
Alexandra Sichart<br />
Brillen Moog e.K.<br />
Obermarkt 19, 82418 Murnau<br />
Tel. 08841.1819, info@brillen-moog.de<br />
Ihre Steuerkanzlei<br />
in Murnau und<br />
Garmisch-Partenkirchen<br />
Murnau am Staffelsee<br />
Petersgasse 15<br />
Tel. 08841 627 11 20<br />
Garmisch-Partenkirchen<br />
Ludwigstraße 60<br />
Tel. 08821 1098<br />
Email: info@hilleprandt.de<br />
www.hilleprandt.de<br />
v.l.: Johannes Zolk, Stephanie Deutinger,<br />
Florian Gilg, Martin Hilleprandt,<br />
Annemarie Kastl und Florian Hilleprandt<br />
59
Foto: Stefan Schütz<br />
TINY HOUSES<br />
„Die Chance, bei sich<br />
selbst anzukommen“<br />
MANUELA SCHÄDLE UND BERND KLÖPPER<br />
Etwas Gutes hat die Corona-Krise dann doch: die<br />
Erkenntnis, dass man eigentlich gar nicht so viel zum<br />
Leben braucht. Plötzlich ist außerdem wieder klar,<br />
wie viel Gemeinschaft der Mensch braucht – ganz<br />
ohne Kontakt mit Freunden, Nachbarn oder Gleichgesinnten<br />
kann der Tag ganz schön lang werden...<br />
60
WOHNEN
WOHNEN<br />
Tiny House-Prototyp in Unterammergau<br />
Tiny Houses – nicht nur ein architektonischer Trend,<br />
sondern eine gesellschaftliche Bewegung:<br />
weniger Konsum, sogenanntes Gesundschrumpfen,<br />
nachhaltiges, ökologisches Wohnen, eine autarke<br />
Lebensweise und neue gemeinschaftliche Wohnprojekte.<br />
KLITZEKLEIN<br />
Dazu passt, dass Tiny Houses immer beliebter werden. Tiny,<br />
das bedeutet winzig oder auch klitzeklein. Winzige Häuschen<br />
sind also damit gemeint. Sie sind zwischen 15 und 45 Quadratmeter<br />
groß, durchschnittlich um die 25, und bieten meist<br />
all das, was ein „echtes“ Haus auch hat: Küche, Schlafzimmer,<br />
Kinderzimmer, Wohnzimmer und nicht zu vergessen ein Bad.<br />
Also voll funktionsfähige Häuser, nur eben in mini. Minimalistischer<br />
Luxus ohne viel Überflüssiges.<br />
GELEBTER MINIMALISMUS<br />
Wie manch einer, der eine Nacht in solchen oder ähnlichen<br />
Unterkünften verbringt, hatte auch Manuela Schädle eines Tages<br />
das Wohn-Aha-Erlebnis: Als sie und ihr Lebenspartner<br />
Bernd Klöpper in einem Holz-Iglu im Engadin übernachteten,<br />
auf dem Grund eines Biobauernhofes mit grandiosem Panoramablick<br />
in die Berge, waren sie begeistert. „Die Atmosphäre<br />
war toll“, schwärmen sie noch heute, „zu spüren, wie wenig<br />
man braucht!“ Und das, obwohl die Unterammergauerin als<br />
Camperin schon viel Erfahrung mit Minimalismus hatte. Zeit<br />
ihres Lebens war sie mit Zelt oder ausgebautem Auto auf Reisen<br />
unterwegs, oft zu Fuß oder mit dem Radl.<br />
Aber halt: mit Camping hat das Ganze gar nichts zu tun, nicht<br />
nur, weil viele Häuser gar nicht mobil sind. Tischlermeister<br />
Bernd Klöpper verwendet für seine Tiny-Häuser ausschließlich<br />
ökologisch nachhaltige Materialien wie Holz oder natürliche<br />
Dämmstoffe, an Stelle von Sperrholz und Plastik wie in Wohnwägen.<br />
Die Winzlinge stehen für kluge innenarchitektonische<br />
Konzepte mit viel Spielraum für Phantasie.<br />
MEHR ALS NUR WOHNEN<br />
Tiny Houses kommen ursprünglich aus den USA. Sie sind aber<br />
nicht nur ein architektonischer Trend, sondern eine gesellschaftliche<br />
Bewegung: weniger Konsum, sogenanntes Gesundschrumpfen,<br />
nachhaltiges, ökologisches Wohnen, eine autarke<br />
Lebensweise und neue gemeinschaftliche Wohnprojekte. Das<br />
ist es, was auch Manuela Schädle daran begeistert. So war es<br />
nur folgerichtig, dass sie anfing, gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten<br />
die kleinen Häuser zu konzipieren und zu bauen.<br />
In seiner Tischlerwerkstatt zwischen Bremen und Hamburg<br />
kann Bernd Klöpper alle Konzepte gleich in die Tat umsetzen.<br />
Die EINE Idee war geboren: Der Tiny-Wohn-T-Raum.<br />
Mittlerweile haben die beiden ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht:<br />
Bisher haben sie zwei Prototypen entwickelt. Einer ist in<br />
Unterammergau bei Manuela Schädle zu besichtigen, der andere<br />
steht im hohen Norden bei Bernd Klöpper in Nartum-Gyhum.<br />
Unten ein Bett mit Nische, oben schlafen die Kinder. Eine komplette<br />
Küchenzeile ist genauso vorhanden wie ein Bad mit WC,<br />
Dusche und Waschmaschine. Als Wärmequelle dient ein gemütlicher<br />
Ofen. Dazu kommt die Photovoltaikanlage auf dem Dach<br />
und natürlich eine einladende Terrasse. Das Tiny House kann sowohl<br />
autark betrieben als auch an die öffentliche Versorgung angeschlossen<br />
werden. Es ist ausgestattet entweder auf der Basis<br />
von Strom oder Gas. „Wir wollen alternative Wohnprojekte initiieren,<br />
am besten mit Selbstversorgung durch biointensiven Gemüseanbau<br />
auf dem Grundstück“, erzählt Schädle. Auf ihrem Grundstück hat<br />
62
sie bereits einen sozialen Treffpunkt für Jung und Alt als offenen<br />
Austausch für Einheimische und Touristen eingerichtet. An ihrem<br />
Tiny House mit Brotbackofen, Feuerstelle und biointensivem Gemüseanbau<br />
finden regelmäßig Zusammenkünfte mit outdoor-Küche<br />
statt. Aber auch andere Möglichkeiten stehen offen: als Kiosk<br />
an Wanderstrecken in der Natur zum Beispiel. Naturnah und autark<br />
– ohne dabei baulich in die Landschaft eingreifen zu müssen.<br />
GEMEINSCHAFTLICH<br />
Ideen haben die beide viele: Ein Tiny House mit zu bis 75 Kubikmeter<br />
umbautem Raum darf ohne Baugenehmigung in den Garten<br />
des eigenen Hauses gestellt werden. Zum Beispiel als Ferienwohnung,<br />
Büro oder für die Kinder. Aber auch ein kleines Dorf<br />
ins Leben zu rufen, ein Tiny Village, könnten sie sich vorstellen.<br />
Grundstückeigentümer könnten Parzellen für ein Tiny-Dorf langfristig<br />
verpachten, um Rendite zu erzielen, ohne das Grundstück<br />
selbst bebauen zu müssen. In Zeiten von explodierenden Immobilienpreisen<br />
und Wohnungsnot eine echte Alternative. 66.000<br />
Euro kostet ein hochwertiges, voll ausgestattetes Single-Häuschen.<br />
Paare oder Familien können in Modul-Bauweise kombinieren.<br />
Der Bedarf ist da, sind sie sich sicher, das müssten die<br />
Gemeinden auch begreifen. Am Tag der offenen Tür im vergangenen<br />
Herbst kamen in Nartum-Gyhum sage und schreibe 700<br />
Interessierte vorbei, um sich die gemütlichen Häuser in natura<br />
anzusehen. Auf einem gemeindlichen Grund mit vielen Tiny<br />
Houses in biointensiver Landwirtschaft gemeinschaftlich zu produzieren,<br />
zusammenzuleben und sich gegenseitig zu unterstützen,<br />
das habe einen ursprünglich- dörflichen Charakter. Gemeinschaft<br />
– das ist ein wichtiger Begriff in der Tiny House-Bewegung.<br />
Und gerade auf dem Land, da seien die Flächen für Tiny-Dörfer<br />
noch vorhanden. Genug Platz für gemeinschaftliche Freiräume<br />
wie Lagerfeuerplätze, Permakulturgärten oder Erholungsflächen.<br />
Modellprojekte für solche Lebens- oder Wohngemeinschaften<br />
gibt es schon, zum Beispiel im Fichtelgebirge.<br />
LEBENSWERTES MODELL<br />
Fotos: Stefan Schütz<br />
„Der Konsum ist an der Spitze angekommen“, – so erleben es<br />
die beiden Tiny House-Bauer. Sie stehen damit in der Tradition<br />
der US-Bewegung, die sogenanntes Downsizing betreibt, das<br />
Führen eines bewussteren Lebens. „Es ist ein Glücksgefühl,<br />
wenn man das nicht nur im Urlaub im Ausland, sondern im Alltag<br />
genießen kann. Es ist ein lebenswertes Modell.“<br />
www.tiny-wohn-t-raum.de<br />
63
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64
Foto: Florian Warnecke
PORTRAIT<br />
Fußball ist mein Leben<br />
Diesen Spruch könnte Dennis Destek aus Uffing<br />
ohne zu zögern als sein Motto bestätigen. Und doch ist es nicht<br />
ganz so.<br />
An einem nebligen Tag treffen wir uns in Bad Kohlgrub. Eine<br />
Schar Kinder, um die 12 Jahre, wird gerade von den Eltern abgeholt.<br />
Dennis kommt, im Gespräch mit einer Mutter, aus dem<br />
Nebel und zieht einen kleinen Wagen mit Bällen hinter sich<br />
her. Es war Fußballcamp in den Herbstferien und man sieht<br />
Dennis an, dass er gerade etwas geschafft ist. Aber es geht<br />
ohne Pause weiter.<br />
Seit zwei Jahren betreibt Dennis Destek eine eigene Fußballschule.<br />
Er veranstaltet Fußballcamps, gibt Einzeltraining. Man<br />
kann sogar einen Fußballgeburtstag bei ihm buchen. Wenn einer<br />
so fußballverrückt ist, wie Dennis es als Kind war, muss so<br />
ein Geburtstag das Größte sein. Schon mit 4 Jahren wurde<br />
Dennis Mitglied im SV Uffing. Er erinnert sich sogar noch daran,<br />
wie seine Mutter zum ersten Mal mit ihm zum Training in<br />
der Schulsporthalle gefahren ist. Vielleicht war sie damals auch<br />
der Meinung, dass er zum Trainieren besser im Verein als im<br />
heimischen Garten aufgehoben war. „Meine Mutter ist eine begeisterte<br />
Gartlerin“, erzählt Dennis. „Sie war sicher nicht immer<br />
einverstanden damit, dass so mancher Ball in ihrem Gemüsebeet<br />
landete und mancher Obstbaum nicht so geerntet wurde, wie sie<br />
es sich vorgestellt hat.“<br />
Selbst für Dennis bestand das Leben aber nicht nur aus Fußball.<br />
Er ging zunächst in Uffing und dann in Murnau zur Schule.<br />
„Aber ich gehöre nicht zu den Leuten, für die die Schulzeit die<br />
schönste Zeit in ihrem Leben war“, bekennt er. Dennoch hat er<br />
das Abitur gemacht. „Sie sind sicher froh, dass Sie es geschafft<br />
haben“, sagte der Schulleiter, als er Dennis das Abiturzeugnis<br />
überreichte. Und damit hatte er recht. Durch die Schulzeit, in<br />
der Dennis so manche Deutschstunde nutzte, um gedanklich<br />
Spiele oder Trainings vorzubereiten, hat er sich durchgebissen,<br />
wie man so schön sagt. Dennis ist da konsequent: Was er anfängt,<br />
das will er auch zu Ende bringen. Und während es in<br />
der Schule eher so mäßig lief, war er im Fußball richtig erfolgreich:<br />
Er kam zum Sondertraining nach Weilheim und wurde<br />
Jugendtrainer in Uffing. Später machte er eine Ausbildung<br />
zum Einzelhandelskaufmann bei einem Murnauer Sportgeschäft.<br />
Und diesmal fiel ihm die (Berufs-)Schule sogar leicht.<br />
„Das hat mir gezeigt, dass durchaus mehr Potenzial für die Schule<br />
da gewesen wäre, wenn ich mich mehr darauf konzentriert hätte“,<br />
sagt er lachend. 2014 wechselt er als Torhüter zum Kreisligisten<br />
nach Ohlstadt, wo seine damalige Freundin lebte. Leider hielt<br />
die Beziehung nicht lange und auch beim neuen Verein blieb<br />
Dennis nur ein Jahr. Eines Tages bekam er Schwindelzustände,<br />
die er sich nicht erklären konnte. Es begann eine Zeit, die Dennis<br />
heute als die „schlimmsten anderthalb Jahre meines Lebens“<br />
bezeichnet.<br />
„Dir fehlt doch nichts.“<br />
Die Schwindelanfälle wurden mehr, hinzu kamen körperliche<br />
Schwäche und scheinbar ohne Ursache Fieberschübe. Sechs<br />
Ärzte hat Dennis in dieser Zeit aufgesucht und keiner konnte<br />
ihm sagen, was ihm fehlte. Man sprach von Burnout und von<br />
Depressionen. Sein Leben fiel in dieser Zeit buchstäblich in<br />
sich zusammen. Oft musste Dennis sich zur Arbeit schleppen,<br />
weil er sich so schwach fühlte, und die Leistungen im Fußball<br />
67
PORTRAIT<br />
gingen auf und ab. Als er in einem Spiel gleich mehrere gegnerische<br />
Bälle ins Tor ließ, gab es höhnische Kommentare in der<br />
Presse und die Mitspieler wurden unzufrieden. „Ich kann sie ja<br />
verstehen“, sagt Dennis, der sich selbst damals nicht verstand.<br />
Laut den Ärzten hatte er ja nichts, und so kamen zu den körperlichen<br />
Problemen auch seelische hinzu. Dennis fing an, an<br />
seinem Lebensentwurf und an sich selbst zu zweifeln. Mitten<br />
in der Saison stieg er für drei Wochen aus dem Fußball aus,<br />
weil er nicht mehr in der Lage war zu spielen. Und nur weil<br />
der Ersatztorwart seines Vereins einen Unfall hatte, stand Dennis<br />
am Ende der Saison wieder im Tor. „Das waren für mich<br />
die drei anstrengendsten Spiele meines Lebens“, bekennt Dennis,<br />
„auch wenn es nur die Kreisliga war.“ Aber auch diesmal wollte<br />
er durchhalten – was ihm auch gelang. Am Ende der letztlich<br />
doch erfolgreichen Saison verließ er den SV Ohlstadt. Und darüber<br />
waren einige im Verein sauer. „Zu dem Druck, den ich<br />
mir selbst gemacht habe, kam auch der Druck von außen“, sagt<br />
Dennis, „weil ja keiner wusste, was ich habe.“ Er kann verstehen,<br />
dass Menschen in so einer Situation depressiv werden und<br />
manche sogar Selbstmordgedanken bekommen. Geholfen haben<br />
ihm damals seine Eltern und ein paar Freunde vom Fußball.<br />
Er habe angefangen, lange Spaziergänge zu machen, um<br />
über sich selbst und über sein Leben nachzudenken. Vielleicht<br />
hat es immer zu viel Fußball darin gegeben? Irgendwann hat<br />
er sich außerdem eingestanden, dass der Beruf im Sportgeschäft<br />
nicht das war, was er sein Leben lang tun wollte. Der<br />
Verkauf und vor allem auch die Organisation von Fußballcamps<br />
haben ihm viel Spaß gemacht. Aber es gehörte einfach viel anderes<br />
dazu, was ihm nicht lag. Dennoch war es gut, dass er<br />
sich auch an Tagen, an denen es ihm schlecht ging, in den Laden<br />
gestellt hat. Eines Tages hat ihn ein Kunde angesprochen,<br />
ob es ihm schlecht gehe. Und dieser Kunde war ein Arzt aus<br />
Saulgrub, der kurze Zeit später bei Dennis das so genannte<br />
„Pfeiffersche“ diagnostizierte.<br />
Endlich eine Diagnose<br />
Dieses Drüsenfieber ist eine Viruskrankheit, die fast jeder in sich<br />
trägt und die nicht unbedingt zum Ausbruch kommen muss.<br />
Auch der Verlauf kann immer wieder anders sein. Oft wird ein<br />
Ausbruch der Krankheit gar nicht bemerkt oder mit einer anderen<br />
Krankheit verwechselt. Meist dauert es dann ein paar Wochen<br />
und die Krankheit verschwindet wieder. Was man dabei aber unbedingt<br />
vermeiden sollte, ist körperliche Anstrengung – also Sport.<br />
Als Dennis die Diagnose des Arztes hatte, ging es für ihn berg-<br />
Anzeigenbuchung: info@agentur-melange.de<br />
68
auf. Vor allem, weil der psychische Druck auf einmal weg war.<br />
Er las Bücher über die Krankheit und tat alles, was irgendwie<br />
helfen sollte. „Ich habe Roibuschtee getrunken, Baumrinde gegessen<br />
und Fußbäder gemacht“, erzählt er. Wichtig sei es gewesen,<br />
überhaupt etwas zu machen – ganz egal, ob es hilft oder<br />
nicht. Und vor allem hat Dennis sein Leben neu auf die Beine<br />
gestellt. Er hat die Arbeitsstelle in Murnau gekündigt, obwohl<br />
er ein gutes Verhältnis zu seinem Arbeitgeber hatte und der<br />
ihn auch in der Zeit der Krankheit immer unterstützt hat.<br />
Dann hat er sein neues Projekt gestartet, seine Fußballschule.<br />
„So etwas gibt es in vielen anderen Landkreisen“, sagt Dennis.<br />
„Aber hier bei uns gab es das noch nicht.“ Als er seinen Eltern<br />
von der Idee erzählte, waren die zunächst skeptisch. Aber dann<br />
haben sie ihn rasch unterstützt, was Dennis toll fand. Sein älterer<br />
Bruder Philipp, der als Unternehmensberater arbeitet,<br />
konnte ihm Tipps geben, denn natürlich musste Dennis noch<br />
einige Hürden bis zur Unternehmensgründung überwinden.<br />
Das Logo für „DD Events“ gestaltete ihm eine Freundin und<br />
die Website baute er selbst. Und DD funktionierte, denn auf<br />
dem Fußballplatz ist Dennis in seinem Element. „Bei mir kann<br />
jeder spielen, der Lust dazu hat“, erklärt er. Wichtig ist nur, dass<br />
der Teamgeist stimmt und natürlich, dass jeder sein Bestes<br />
gibt. Denn Dennis ist ein Kämpfer, der selbst immer das Beste<br />
geben will. Aber er weiß auch, wie man mit Enttäuschungen<br />
umgeht, und er hört auf seelische Nöte anderer.<br />
Wenn man Dennis heute fragt, ob er nicht sauer darüber ist,<br />
dass verschiedene Ärzte ihm in der Zeit seiner Krankheit nicht<br />
helfen konnten, bekommt man nichts dergleichen zu hören.<br />
Es war sein Weg, durch diese Phase zu gehen, und es hat ihn<br />
dahin geführt, wo er heute ist. Wie sich sein Unternehmen entwickelt,<br />
werden die nächsten Jahre zeigen. Für seine Vereine,<br />
die jetzt TSV Murnau und der ASV Eglfing sind, arbeitet er als<br />
Trainer und es läuft gut. Für 2020 wird er zum ersten Mal ein<br />
großes Fußballcamp mit 80 bis 100 Teilnehmern in Murnau<br />
organisieren. Fußball bleibt also sein Leben. Aber er weiß, dass<br />
es auch anders sein kann.<br />
Heribert Riesenhuber<br />
DDevents<br />
Dennis Destek<br />
Rigistraße 9, 82449 Uffing<br />
Tel. 08846.9215440, Mobil: 0151.11150417<br />
www.dd-events.net<br />
69
Foto: Florian Warnecke<br />
Die Konzeptpraxis ZahnMedizin Oberland verfolgt einen Ansatz, der in der Zahnheilkunde äußerst<br />
selten anzutreffen ist: Die Zahnärztin Irene Eichmeier-Hetzel und ihre Kollegen arbeiten systemisch.<br />
<strong>Melange</strong> hat sich erklären lassen, was man darunter versteht.<br />
Betritt man die Räumlichkeiten der Praxis in der Johann-Baur-Straße in Weilheim, empfängt den Besucher<br />
wohltuende Ruhe. Im Eingangsbereich bleibt der Blick an einer wunderschönen Holzskulptur am<br />
Empfang hängen. Von nüchterner Praxisatmosphäre und Wartezimmer-Hektik keine Spur. Eine freundliche<br />
Assistentin führt mich in einen schlicht, aber stilvoll eingerichteten Besprechungsraum und bietet<br />
Getränke an. Schon die ersten Augenblicke in der Konzeptpraxis ZahnMedizin Oberland lassen mich<br />
entspannen.<br />
Das Team legt größten Wert darauf, sich Zeit für ihre Patienten, ihre Anliegen und Sorgen zu nehmen.<br />
Deswegen beginnt jede erste Behandlung mit einem eingehenden Gespräch, bei dem sich Arzt und<br />
Patient entspannt gegenübersitzen. „Jeder Patient verdient diesen menschlichen Umgang in der Medizin“,<br />
erklärt die Zahnärztin Irene Eichmeier-Hetzel. „Um eine umfassende und zeitgemäße Patientenversorgung<br />
sicherzustellen, muss man das sehr komplexe Zusammenspiel zwischen dem Mund-Kiefer-Bereich und dem<br />
‚System Mensch ‘ betrachten“, so Eichmeier-Hetzel. Aus diesem Grund gehört zum Team der ZahnMedizin<br />
Oberland der Arzt für Allgemeinmedizin Arnulf Bultmann, dessen Behandlungsschwerpunkte ebenfalls<br />
systemischer Natur sind.<br />
Man weiß längst, dass für die allgemeine Gesundheit die Wechselwirkung zwischen Körper, Geist und<br />
Seele entscheidend ist. „Das gilt insbesondere auch für die Zahngesundheit.“ Dieser ganzheitlichen und<br />
achtsamen Philosophie hat sich das Team der ZahnMedizin Oberland verschrieben. Sie blicken weit<br />
über den Tellerrand der reinen Zahnheilkunde hinaus. „Das erhöht den Behandlungserfolg“, so Irene Eichmeier-Hetzel.<br />
70
GESUNDHEIT<br />
71
GESUNDHEIT<br />
Foto: Florian Warnecke<br />
Erkrankung. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass viele allgemeinmedizinische<br />
Erkrankungen wie chronische Erkrankungen<br />
der Atemwege, Diabetes, Osteoporose, Schlaganfälle, Herz-<br />
Kreislauferkrankungen und sogar erhöhte Schwangerschaftsrisiken<br />
im Zusammenhang mit einer Zahnfleischentzündung<br />
auftreten. „Eine optimale Mundhygiene und die gängige minimalinvasive<br />
Therapie ist als alleinige Therapie nicht immer ausreichend“,<br />
so die Zahnärztin. Sie und ihr Kollege gehen hier<br />
weiter. Neben einer ausführlichen Diagnostik gehören auch<br />
Bakterienmanagement mit individuellen Pflegeanleitungen und<br />
Kontrollen, sinnvolle individuelle Labormedizin (Mineralstoffprofile,<br />
Stressprofile, Vitamin-D-Status, Keimtest, Entzündungsgenetik,<br />
mitochondriale Funktion, Aromatogramm) sowie<br />
Ernährungsberatung und -planung sowie gegebenenfalls<br />
eine Darmsanierung zum Therapieplan. So lässt sich die Erkrankung<br />
langfristig besser in den Griff bekommen und einer<br />
Neu- bzw. Wiedererkrankung vorbeugen.<br />
Die ZahnMedizin Oberland bietet alle kassenüblichen Behandlungsmethoden<br />
an. Darüber hinaus bietet sie ihren Patienten<br />
empirisch fundierte Therapieformen, Untersuchungen und Verfahren<br />
aus der Zahnheilkunde und Medizin, die dem aktuellen<br />
Wissensstand entsprechen. In Zusammenarbeit mit dem Arzt<br />
für Allgemeinmedizin werden individuelle Konzepte erarbeitet<br />
und erstellt, die nicht nur eine schnellere Heilung und eine Erhöhung<br />
des Behandlungserfolges erzielen können, sondern<br />
auch einer Wiedererkrankung vorbeugen und der Gesunderhaltung<br />
des ganzen Menschen dienen.<br />
Chronischen Erkrankungen vorbeugen<br />
Ein Beispiel dafür, welche Auswirkungen die Zahngesundheit<br />
auf die Gesundheit hat und wie wichtig dabei eine ganzheitliche<br />
Betrachtung ist, ist die Behandlung der Zahnfleischentzündung<br />
(Parodontitis). Etwa 60% der über 35-Jährigen und 90% aller<br />
über 60-jährigen Deutschen leiden unter dieser chronischen<br />
Schlüsselgelenk des Körpers<br />
Ein ungewöhnlicher Schwerpunkt ist die zahnärztliche Behandlung<br />
von Schmerzen im Bewegungsapparat. „Wir haben<br />
immer wieder Patienten mit Kreuz-, Nacken- oder Schulterschmerzen,<br />
die wir zahnärztlich behandeln und die nach der Behandlung<br />
häufig schmerzfrei sind. Die Ursache dieser Beschwerden<br />
liegt nicht selten im Kiefergelenk. Es wird oft übersehen,<br />
dass es ein Schlüsselgelenk unseres Körpers ist“, so Irene Eichmeier-Hetzel.<br />
Es sei keine Seltenheit, dass Probleme in anderen<br />
Gelenken, Kopfschmerzen oder auch Muskelschmerzen durch<br />
ein fehlbelastetes Kiefergelenk und einen falschen Biss entstehen<br />
können. Eine kraniofaziale orthopädische Behandlung,<br />
die alle Körperregionen einbezieht, kann hier für Abhilfe sorgen.<br />
Nach einer umfassenden Diagnose wird eine entsprechende<br />
Behandlung eingeleitet, beispielsweise durch eine<br />
Schiene, die zu einer Entlastung des Kiefergelenkes führt. „Wir<br />
hatten schon Patienten, deren Knieprobleme nach einer Bissveränderung<br />
komplett verschwunden sind“, berichtet sie. Einer<br />
konnte sich danach seinen Lebenstraum erfüllen, die Besteigung<br />
eines 6.000er. Man spürt, wie sehr sich Irene Eichmeier-<br />
Hetzel über derartige Erfolge ihrer Patienten freut.<br />
Schwerpunkt ist daher auch die Sportzahnmedizin, die ein Teil-<br />
72
ereich der Sportmedizin sei. „Jeder Skirennläufer fährt heutzutage<br />
mit individuellen Performance-Schienen“, so die Zahnärztin, selbst<br />
begeisterte Sportlerin. „Es ist wissenschaftlich belegt, dass Reaktionsfähigkeit,<br />
Kraft und Ausdauer in vielen Fällen durch zahnärztliche<br />
Funktionsanalyse, individuelle Vermessung und spezielle<br />
individuelle Aufbiss-Schienen gesteigert werden können“, erklärt<br />
sie weiter. Das erkennen auch immer mehr Hobbysportler aus<br />
der Region und lassen sich in der ZahnMedizin Oberland eine<br />
entsprechende individuelle Schiene anpassen.<br />
Implantat-Spezial-Beratung<br />
Implantate, diese künstlichen Zahnwurzeln, sind nichts Neues<br />
in der Zahnmedizin. Besonderen Wert legt Irene Eichmeier-<br />
Hetzel darauf, dass der Patient vorab nicht nur ausführlich<br />
beraten wird. Wie auch bei allen anderen Behandlungen in<br />
der Weilheimer Konzeptpraxis richtet sich das Augenmerk auf<br />
den ganzen Menschen. Es wird genau analysiert, ob der Patient<br />
Implantate verträgt und wie Verträglichkeit, Einheilphase und<br />
langer Erhalt verbessert werden können.<br />
Die Umwelt im Blick<br />
Bevor dentale Werkstoffe eingesetzt werden, wird die Verträglichkeit<br />
der Materialien getestet. „Viele Menschen leiden unter<br />
chronischen Entzündungsprozessen“, verrät Irene Eichmeier-<br />
Hetzel. Die Auslöser sind sehr vielfältig. Neben natürlichen<br />
Auslösern wie Bakterien, Pollen oder tierischen Eiweißen können<br />
dies auch Konservierungsstoffe und Umweltgifte sein. Im<br />
Rahmen der Umweltzahnmedizin wird mit Bluttests und Analysen<br />
eines Speziallabors sichergestellt, dass die verwendeten<br />
(oder sich bereits im Mund befindlichen) Dentalmaterialien<br />
gut verträglich sind und keine Störfaktoren darstellen.<br />
Spezialisiert auf angstfreie Zahnbehandlung<br />
„Zu unserer Vision einer ganzheitlichen, systemischen Heilkunde<br />
gehört auch die Allgemeinmedizin“, erklärt Irene Eichmeier-<br />
Hetzel. Daher ist auch eine Allgemeinarztpraxis in die Zahn-<br />
Medizin Oberland integriert. Arnulf Bultmann ist Facharzt<br />
für Allgemeinmedizin mit Fortbildungen in klinischer Hypnosetherapie,<br />
Präventionsmedizin und Stoßwellentherapie. Als<br />
Vertreter einer humanistischen Medizin ist das individuelle<br />
73
NATURHEILPRAXIS HANSEN<br />
GANZHEITLICHE<br />
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74
GESUNDHEIT<br />
Foto: Florian Warnecke<br />
Sein des Patienten, seine Lebensumstände, Bedürfnisse und<br />
Möglichkeiten Richtschnur seiner Behandlung und der Auswahl<br />
der Therapiemethoden. Er unterstützt die Patienten auch<br />
beim Thema „Zahnarzt-Angst“. Diese Erkrankung betrifft immerhin<br />
zwei von drei Erwachsenen. „Zu uns kommen zahlreiche<br />
Patienten mit einer Zahnarzt-Angst bzw. -Panik. Diese Angst verhindert<br />
eine frühzeitige Behandlung der Zahnerkrankungen und<br />
führt nicht selten zu einem vorzeitigen Zahnverlust und einer sozialen<br />
Stigmatisierung aufgrund der sichtbaren bzw. riechbaren<br />
Veränderungen an den Zähnen und im Mund“, erklärt er mir.<br />
„Letztlich erleidet der Patient einen Kontrollverlust, da er sich<br />
nicht in der Lage fühlt, seine – auch in seiner eigenen Wahrnehmung<br />
– unvernünftige und schädliche Angst in den Griff zu bekommen.<br />
So landet er schließlich in einer Abwärtsspirale, an deren<br />
Ende chronische Erkrankungen sowie ein vollständiger<br />
Zahnverlust stehen. Wir haben uns deshalb auch auf die „angstfreie“<br />
Zahnbehandlung spezialisiert und bieten unseren Patienten<br />
mit Zahnarztangst, gemäß ihren Bedürfnissen, sowohl eine symptomatische<br />
als auch eine ursächliche Therapie der Angst an“, erklärt<br />
Arnulf Bultmann, „wobei die ursächliche Behandlung das<br />
optimale Ziel darstellt. Auch eine zahnärztliche Behandlung unter<br />
Vollnarkose ist problemlos bei uns möglich.“ Im Rahmen der<br />
Praxis ist er auch für allgemeinmedizinische und präventive<br />
Themen zuständig. Hier steht über allem der ganzheitliche Ansatz,<br />
wobei sein Hauptaugenmerk auf der Prävention, also der<br />
Erhaltung der Gesundheit liegt. „Es heißt auch hier: Wehret den<br />
Anfängen!“, so der Allgemeinarzt. „Das größte Übel der modernen<br />
Gesellschaft ist der Stress, dem wir auch nicht ausweichen können.<br />
Es ist bekannt, dass die Stressbelastung des modernen Menschen<br />
einen der Hauptfaktoren der chronischen Zivilisationskrankheiten<br />
darstellt. Chronischer, d.h. langanhaltender Stress<br />
führt zur Störung der Energiegewinnung in den Zellen, zur mitochondrialen<br />
Funktionsstörung. Ohne ausreichende Energie ist die<br />
Zelle nicht in der Lage optimal zu funktionieren. Die Folge dieser<br />
Störung auf Zellebene führt letztendlich zu einer verminderten<br />
Funktion der Organe und damit in die Erkrankung. Die Folge der<br />
anhaltenden Stressbelastung ist auch eine Schwächung des Immunsystems<br />
und – um den Bogen zur Zahnmedizin zu schlagen –<br />
erhöht die Wahrscheinlichkeit, an einer Erkrankung der Zähne<br />
oder des Zahnhalteapparates zu erkranken.“<br />
Deshalb bietet die ZahnMedizin Oberland neben den „technischen“<br />
Therapieformen auch ein Stressbewältigungstraining an,<br />
entsprechend dem Leitsatz: „In der Ruhe liegt die Kraft!“. Zudem<br />
werden in der Praxis auch erfolgreiche Raucherentwöhnungen<br />
unter Hypnose durchgeführt, denn: „Rauchen ist ein wesentlicher<br />
Faktor, der die Mundgesundheit beeinträchtigt und bis zum Zahnverlust<br />
und bösartigen Erkrankungen der Mundhöhle führen<br />
kann“, so die Zahnärztin Irene Eichmeier-Hetzel.<br />
Umfassender Ansatz, der begeistert<br />
Das ausführliche Beratungsgespräch mit Irene Eichmeier-Hetzel<br />
neigt sich dem Ende entgegen. Ich bin sehr angetan von der Vision,<br />
die die Praxis ZahnMedizin Oberland verfolgt. Man merkt,<br />
dass Irene Eichmeier-Hetzel und ihre Kollegen ihren Beruf mit<br />
Leidenschaft ausüben. „Es kann nicht Sinn moderner Zahnmedizin<br />
sein, dass sich alles nur um den Mund dreht“, erklärt sie lächelnd.<br />
„In der Technik kann man das Menschliche aus den Augen<br />
verlieren und das wollen wir nicht.“ Zahnmedizin sei so viel mehr<br />
als die technische Versorgung und Behandlung. Und genau mit<br />
diesem Gefühl, als Mensch wahrgenommen zu werden und hier<br />
in kompetenten Händen zu sein, verlasse ich die Praxis.<br />
Mehr Informationen gibt es unter<br />
www.zahnmedizin-oberland.de.<br />
Johannes Wessel<br />
ZahnMedizin Oberland<br />
Johann-Baur-Str. 5<br />
82362 Weilheim in Obb.<br />
Tel.0881.40585<br />
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76
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Was bedeutet Corona für Vermieter und Mieter?<br />
Was passiert, wenn die Miete durch<br />
virusbedingte finanzielle Ausfälle<br />
nicht mehr bezahlt werden kann?<br />
Die Corona-Krise verschont kaum einen Bereich des gesellschaftlichen wie privaten Lebens.<br />
Schon stehen erste Mieterinnen und Mieter vor dem Problem, ihre Miete nicht mehr zahlen zu<br />
können. Nach geltendem Recht könnten Vermieter nach zwei ausbleibenden Monatsmieten<br />
den Vertrag kündigen.<br />
Britta<br />
KIRSTEIN-ZIETZ<br />
Politik wie auch Verbände<br />
arbeiten an Lösungen<br />
Politik und Branchenverbände sind alarmiert und suchen intensiv<br />
nach Lösungen. Der Bundestag hat inzwischen beschlossen, dass<br />
Vermieter ihren Mietern vorerst nicht kündigen dürfen, wenn sie<br />
ihre Miete wegen der Corona-Krise nicht oder nicht vollständig zahlen<br />
können. So sollen Mietrückstände aus dem Zeitraum April bis<br />
Juni 2020, die auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruhen,<br />
nicht zur Begründung einer ordentlichen oder fristlosen Kündigung<br />
herangezogen werden können.<br />
Allerdings gilt zwingend: Mieter müssen glaubhaft nachweisen, dass<br />
sie wegen der Corona-Krise in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind.<br />
Sie bleiben auch zur Zahlung der Miete unabhängig vom Ausschluss<br />
des Kündigungsrechts verpflichtet. Bis zum 30. Juni 2022 haben sie<br />
Zeit, Corona-bedingte Mietrückstände auszugleichen.<br />
Das heißt: Vermieter müssen zwar einen Zahlungsaufschub, aber keinen<br />
Einnahmeausfall hinnehmen. Wohnungseigentümer fürchten<br />
dennoch, dass die Corona-Folgen einseitig auf sie abgewälzt werden.<br />
Bedacht werden müssen immer alle Seiten. So wie zum Beispiel Freiberufler,<br />
Selbstständige oder Künstler bei der Wohnungsmiete bald<br />
in Zahlungsschwierigkeiten geraten könnten, sind auch viele Vermieterinnen<br />
und Vermieter auf regelmäßige Einkünfte angewiesen.<br />
Jetzt wichtiger denn je: miteinander<br />
reden, sich entgegenkommen<br />
Jetzt kommt es darauf an, unbürokratisch schnell wirksame Schrit-<br />
te in die Wege zu leiten. Ganz wichtig ist darüber hinaus, dass Vermietende<br />
und Mietende kooperieren. Jetzt gilt es, rechtzeitig miteinander<br />
zu reden.<br />
Der Deutsche Mieterbund (DMB) und der Bundesverband deutscher<br />
Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) fordern,<br />
dass Mieterinnen und Mieter, die aufgrund der Corona-Krise ihre<br />
Miete ganz oder teilweise nicht zahlen können, sich online an<br />
einen neu zu gründenden „Sicher-Wohnen-Fonds“ wenden können,<br />
um die Übernahme ihrer Mietzahlung zu beantragen. Der<br />
Fonds soll die Zahlung der Miete an den Vermieter übernehmen.<br />
Wenn Vermieter in finanzielle<br />
Bedrängnis geraten<br />
Ein Großteil der Mietwohnungen und -häuser sind im Besitz von<br />
Privatvermietern. Unter ihnen sind nicht wenige, die nur über geringe<br />
Einkommen verfügen. So brechen beispielsweise vielen Freiberuflern<br />
jetzt ohnehin die Einkommen weg. Entfallen auch noch<br />
die Mieteinkünfte, geraten sie schnell in eine finanzielle Schieflage.<br />
In ihrem Hilfspaket hat die Bundesregierung<br />
den Fall bedacht, dass<br />
Vermieter laufende Darlehen aufgrund<br />
ausbleibender Mietzahlungen<br />
nicht bedienen können. Für sie soll<br />
das Recht gelten, solche Kredite zu<br />
stunden.<br />
Von Britta Kirstein-Zietz,<br />
ZIETZ Immobilien in Murnau<br />
77
WIRTSCHAFT & FINANZEN<br />
DR.RALF<br />
ERICH<br />
SCHAUER<br />
12 Fragen zum Arbeitsrecht<br />
in Zeiten von Corona (Covid-19)<br />
1. Muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber über eine<br />
Covid-19-Erkrankung informieren?<br />
Obwohl ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber prinzipiell nicht mitteilen<br />
muss, woran er erkrankt ist, verhält es sich derzeit etwas anders.<br />
Im Hinblick auf § 241 Abs. 2 BGB, §§ 15 Abs. 1, 16 Abs. 1 ArbSchG<br />
hat der Arbeitnehmer im Falle einer Corona-Erkrankung eine erhöhte<br />
Schutzpflicht sowie auch eine Rücksichtnahmepflicht gegenüber anderen<br />
Menschen. Nur wenn der Arbeitgeber von der Covid-19-Erkrankung<br />
des Arbeitnehmers weiß, kann er den Schutz der anderen Mitarbeiter<br />
gewährleisten.<br />
Sobald ein Arbeitnehmer in den letzten 14 Tagen vor Erkrankung<br />
persönlichen Kontakt zu anderen Kollegen hat, muss die Erkrankung<br />
dem Arbeitgeber angezeigt werden.<br />
Im Gegenzug hat auch der Arbeitgeber das Recht, zu erfahren, ob<br />
seine Arbeitnehmer sich in einem Risikogebiet aufgehalten haben<br />
oder Kontakt zu einer erkrankten Person hatten. Ebenso ist es dem<br />
Arbeitgeber erlaubt, ein ärztliches Attest oder eine betriebsärztliche<br />
Untersuchung zu verlangen, sofern ein begründeter Verdacht besteht.<br />
2. Darf der Arbeitgeber in der aktuellen Situation<br />
Mehrarbeit anordnen?<br />
Wenn beispielsweise nicht abwendbare Schäden drohen, kann der<br />
Arbeitgeber durchaus Mehrarbeit durch Überstunden anordnen.<br />
Auch hier greift wieder § 241 Abs. 2 BGB, der die Pflichten aus dem<br />
Schuldverhältnis festlegt. In diesem Fall bedeutet dies, dass der Arbeitnehmer<br />
sodann die Pflicht hat, die Überstunden zu erbringen. Die in<br />
§§ 14, 15 ArbZG festgelegten Höchstarbeitszeiten können auf Grund<br />
der Corona-Pandemie dann ausnahmsweise überschritten werden.<br />
3. Darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer anweisen,<br />
Urlaub zu nehmen?<br />
Im Zuge der Corona-Pandemie tritt in einigen Betrieben auch der umgekehrte<br />
Fall ein, nämlich dass für die Arbeitnehmer wesentlich weniger<br />
zu tun ist als sonst.<br />
Foto: Archiv, Dr. Schauer<br />
Ein Arbeitnehmer kann in diesem Fall nicht gezwungen werden, Urlaub<br />
zu nehmen. Am besten finden Arbeitgeber und Arbeitnehmer hier eine<br />
für beide Seiten passende Vereinbarung, beispielsweise können bestehende<br />
Überstunden abgebaut werden. Ggf. kann auch Kurzarbeit beantragt<br />
und eingeführt werden.<br />
Bitte beachten Sie zur Beantragung der Kurzarbeit unsere weiteren zahlreichen<br />
Newsletter sowie die von uns angebotenen Webinare.<br />
4. Kann der Arbeitnehmer von der Arbeit aufgrund<br />
Angst vor einer Infektion fernbleiben?<br />
Grundsätzlich NEIN! – Bei einem nicht erkrankten Arbeitnehmer besteht<br />
die Pflicht, die vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen. Allerdings kann<br />
auf Wunsch des in Deutschland tätigen Arbeitnehmers der Arbeitgeber<br />
diesen ohne Bezahlung freistellen. Die Entscheidung trifft der Arbeitgeber.<br />
Im Einzelfall kann der Arbeitgeber aber bei einer konkreten Gefährdung<br />
aufgrund seiner Fürsorgepflicht verpflichtet sein, den Arbeitnehmer von<br />
der Arbeit freizustellen oder Arbeit im Home-Office zu erlauben, wenn<br />
diese Möglichkeit besteht.<br />
Ein Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz besteht<br />
nicht, wenn man sich freiwillig einer solchen Maßnahme unterwirft<br />
(z.B. selbst verordnete Quarantäne).<br />
5. Dürfen Arbeitgeber nichterkrankte Mitarbeiter<br />
vorsorglich nach Hause schicken?<br />
Grundsätzlich dürfen Arbeitgeber Mitarbeiter anweisen, zu Hause zu<br />
bleiben.<br />
Aber: Wenn ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter aus Vorsichtsgründen<br />
nicht im Betrieb haben will, dann muss er ihn bezahlt freistellen. Ein<br />
Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz besteht<br />
nicht, wenn sich der Arbeitnehmer freiwillig einer solchen Maßnahme<br />
unterwirft (z. B. selbst verordnete Quarantäne).<br />
Auch Home-Office dürfen Arbeitgeber nicht einseitig anordnen, wenn<br />
es an einer entsprechenden Vereinbarung im Arbeitsvertrag fehlt.<br />
6. Dürfen Arbeitgeber bei einem Verdacht auf eine<br />
Corona-Infektion eine ärztliche Untersuchung des<br />
Mitarbeiters verlangen?<br />
Das Direktionsrecht hat seine Grenzen: Der Arbeitgeber darf nicht in<br />
das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht oder in das Recht<br />
auf körperliche Unversehrtheit des Arbeitnehmers eingreifen. Einer<br />
Anordnung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, muss der Arbeitnehmer<br />
nicht nachkommen.<br />
7. Darf bzw. muss der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen<br />
im Betrieb anordnen?<br />
Ja! – Anweisungen zu Schutzmaßnahmen (wie zum Beispiel das Tragen<br />
von Mundschutz, Handhygiene etc.) darf der Arbeitgeber erteilen. Diese<br />
Maßnahmen beschränken sich aber stets auf den dienstlichen Bereich.<br />
Im Übrigen ist es dringend zu empfehlen bzw. für einige Arbeitgeber –<br />
insbesondere Arbeitgeber im Gesundheitswesen (Zahnarztpraxen, Arztpraxen<br />
etc.) – sogar verpflichtend, dass Hygienemaßnahmen im Betrieb<br />
ergriffen und alle Mitarbeiter angewiesen werden, entsprechende Hygienemaßnahmen<br />
zu beachten. Der Arbeitgeber sollte hierfür eine Betriebsanweisung<br />
oder z.B. eine Rundmail formulieren und daran erinnern,<br />
dass man sich an die Empfehlung des Robert-Koch-Instituts halten muss.<br />
Weiterführende Infos zu den Maßnahmen finden sich hier:
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Kon<br />
taktreduzierung.html<br />
8. Was gilt, wenn Kitas und Schulen geschlossen<br />
werden und Kinder zu betreuen sind?<br />
Hier kollidiert die Kinderbetreuungspflicht mit der Arbeitspflicht.<br />
Laut § 616 BGB bekommt, wer ohne eigenes Verschulden und aus einem<br />
persönlichen Grund verhindert ist und nicht zur Arbeit kommen<br />
kann, unter folgenden Voraussetzungen weiter Gehalt:<br />
• wenn eine Beaufsichtigung oder Betreuung geboten ist und<br />
• andere geeignete Aufsichtspersonen nicht zur Verfügung stehen.<br />
Der Arbeitnehmer muss vorher aber alles unternommen haben, um<br />
eine Betreuung des Kindes sicherzustellen. Erst wenn es keine andere<br />
Möglichkeit gibt, hat der Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht<br />
und wird von der Pflicht zur Arbeitsleistung frei.<br />
Bei einem solchen Leistungsverweigerungsrecht aus persönlichen Verhinderungsgründen<br />
besteht jedoch nur unter engen Voraussetzungen ein Anspruch<br />
auf Fortzahlung der Vergütung. Ein solcher kann sich aus § 616<br />
BGB für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit ergeben. Der § 616 BGB<br />
ist allerdings dispositiv und kann arbeitsvertraglich ausgeschlossen sein.<br />
Hier sollte der Arbeitsvertrag oder ggf. der geltende Tarifvertrag überprüft<br />
werden, ob eine Fortzahlung der Vergütung gem. § 616 BGB<br />
ausgeschlossen ist.<br />
Sofern ein Kind nicht krank ist, muss der Arbeitnehmer dann entweder<br />
Urlaub nehmen, Überstunden abbauen oder aber sich unbezahlt frei<br />
nehmen. Hier empfiehlt es sich in jedem Fall das Gespräch zwischen Arbeitgeber<br />
und Arbeitnehmer zu suchen, um eine Lösung zu erreichen.<br />
9. Was ist, wenn ein Arbeitnehmer am Corona-Virus<br />
erkrankt ist?<br />
Ein erkrankter Arbeitnehmer hat Anspruch auf Lohnfortzahlung nach<br />
§ 3 EFZG (für max. 6 Wochen). Der Arbeitgeber erhält u.U. einen Teil<br />
über die Krankenkasse (Umlageverfahren) erstattet. Gleiches gilt für<br />
Auszubildende (gem. § 19 Abs. 1 Nr. 2 BBiG).<br />
Der Ablauf ist ein anderer, wenn gegen den am Corona-Virus erkrankten<br />
Arbeitnehmer zugleich nach § 31 Infektionsschutzgesetz (IfSG)<br />
ein berufliches Tätigkeitsverbot oder Quarantäne angeordnet worden<br />
ist. Dann besteht ein Entschädigungsanspruch (siehe dazu Ziffer 9).<br />
10. Muss der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen bzgl.<br />
der übrigen (nicht erkrankten) Mitarbeiter im Betrieb<br />
treffen?<br />
Sobald ein Arbeitnehmer an dem Virus erkrankt ist, muss der Arbeitgeber<br />
seiner Fürsorgepflicht gegenüber den übrigen Beschäftigten nachkommen.<br />
In diesem Fall stellt die Offenlegung der Viruserkrankung im Unternehmen<br />
eine rechtmäßige Verarbeitung von personenbezogenen Daten<br />
dar. Hintergrund ist, dass das dem berechtigten Interesse zum Schutz<br />
von Gesundheit und Leben der übrigen Arbeitnehmer dient.<br />
Zum Schutz der übrigen Arbeitnehmer ist zudem zu überlegen, ob ein<br />
Weiterarbeiten noch möglich ist. Im schlimmsten Fall sind diese Unternehmen<br />
zu schließen, bis die Gefahr vorüber ist. Arbeitnehmer sind bis<br />
dahin bezahlt freizustellen. Dadurch, dass die Arbeitnehmer arbeitsfähig<br />
und arbeitsbereit sind, besteht weiterhin eine Lohnfortzahlungspflicht.<br />
Denn es handelt sich hierbei um eine betriebliche Sphäre. Infolgedessen<br />
sind die Arbeitszeiten nicht nachzuarbeiten.<br />
In dem Fall sind, aufgrund der hohen Belastung für den Arbeitgeber,<br />
Alternativen zu überlegen. Hier sind das Verständnis und das Wohlwollen<br />
der Arbeitnehmer Voraussetzungen. Arbeitgeber könnten z. B. erfragen,<br />
ob ihre Beschäftigten in der Zeit dazu bereit sind,<br />
• einzelne Urlaubstage<br />
• oder Überstunden bzw. Zeitguthaben (Anordnung möglich) in der Zeit<br />
zu nehmen bzw. abzubauen.<br />
Sofern im Betrieb/Arbeitsvertrag eine Regelung zum Home-Office besteht<br />
und die Tätigkeiten es zulassen, kann der Arbeitgeber im Rahmen der<br />
bestehenden Regelungen seine Beschäftigten auch ins Home-Office schicken,<br />
damit sie von dort arbeiten.<br />
11. Was ist, wenn Angehörige des Arbeitnehmers am<br />
Corona-Virus erkrankt sind?<br />
Hier ist im Einzelfall zu unterscheiden. Ist das Kind erkrankt und betreuungsbedürftig<br />
(und der Arbeitnehmer selbst nicht erkrankt), dann<br />
besteht bei gesetzlich versicherten Arbeitnehmern ein Entgeltfortzahlungsanspruch,<br />
sofern § 616 BGB im Arbeitsvertrag nicht abbedungen<br />
ist. In diesem Fall erhalten diese Arbeitnehmer aber Krankengeld.<br />
Ist aufgrund der Erkrankung eines Angehörigen eine Maßnahme des<br />
Gesundheitsamtes gegen den Arbeitnehmer selbst angeordnet worden<br />
(Quarantäne bzw. Tätigkeitsverbot), besteht bei Vorliegen der Voraussetzungen<br />
ein Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers. Es gelten<br />
die Ausführungen unter Ziffer 9.<br />
12. Bekommen Selbstständige, die wegen des Corona-Virus<br />
unter Quarantäne stehen oder ein Tätigkeitsverbot<br />
erhalten, Entschädigungszahlungen?<br />
Auch Selbstständige bekommen eine Entschädigungszahlung, sofern<br />
und soweit ein Verdienstausfall gegeben ist. Dieser kann ausgeschlossen<br />
sein, wenn der Selbstständige eine Verdienstausfallversicherung<br />
unterhält und diese den einschlägigen Fall abdeckt. Die Entschädigungszahlung<br />
beträgt ein Zwölftel des Arbeitseinkommens des letzten<br />
Jahres vor der Quarantäne.<br />
Selbstständige, deren Betrieb oder Praxis während der Dauer einer<br />
Maßnahme (Quarantäne oder Tätigkeitsverbot) ruht, erhalten neben<br />
der Entschädigung als Härtefallausgleich auf Antrag von der zuständigen<br />
Behörde Ersatz, der in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten<br />
Betriebsausgaben in angemessenem Umfang.<br />
Die zuständige Behörde hat auf Antrag dem Selbstständigen einen Vorschuss<br />
in der voraussichtlichen Höhe der Entschädigung zu gewähren.<br />
Die Entschädigungsansprüche nach § 56 IfSG sollten bei behördlich<br />
angeordneter Quarantäne oder Tätigkeitsverboten aber in jedem Fall<br />
(vorsorglich) geltend gemacht werden.<br />
Der Antrag auf Entschädigung ist innerhalb einer Frist von 3 Monaten<br />
nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit oder am Ende der Quarantäne<br />
zu stellen! Verspätete Anträge können abgelehnt werden.<br />
Das Formular und die für Ihren Regierungsbezirk zuständige Behörde<br />
finden Sie unter:<br />
http://www.freistaat.bayern/dokumente/leistung/668069451898<br />
Wenden Sie sich jederzeit gerne an uns, falls Sie weitergehende<br />
rechtliche Fragen zu diesem Thema haben. Sie erreichen unsere<br />
Kanzlei unter der Tel.-Nr. 08841 – 676970 oder unter<br />
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