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Work Life Magazin 05_2020

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Ein fehlgeschlagener Ansatz<br />

In den 1870er Jahren bildete sich in Amerika “The Women´s<br />

Crusade” (“Der Kreuzzug der Frauen”). Deren<br />

Ziel, das Alkoholverbot, hatte einen tragischen Hintergrund:<br />

Dass viele Arbeiter ihren Zahltag regelmäßig in<br />

die Kneipe trugen und ihre Familien in den Ruin trieben.<br />

Dann, im Jahr 1920 war das Ziel erreicht – Amerika<br />

führte die Prohibition ein. Doch schon 13 Jahre später<br />

wurde das Urteil wieder aufgehoben. Zum einen, weil<br />

Schwarzhandel und Kriminalität aufblühten. Zum anderen,<br />

weil der Alkohol nicht das Problem und das Verbot<br />

nicht die Lösung war. Gelöst werden musste nicht der<br />

oberflächliche Umstand, DASS so viele Männer so viel<br />

tranken. Sondern die tieferliegende Ursache: warumsie<br />

es taten.<br />

Verdienste durch Raubbau am eigenen Körper<br />

Solange die Arbeiter jung waren, hielten sie sich für<br />

unbesiegbar. Sie konnten die harten Bedingungen der<br />

60- und 70-stündigen Fabrikarbeit noch gut verkraften<br />

und kamen mit ihrem Geld über die Runden. An die Zukunft<br />

dachten nur wenige: Dass die Arbeit mit steigendem<br />

Alter schwerer, die Familie (und damit die monatlichen<br />

Kosten) wachsen und die Trübsal immer größer<br />

werden würde. Ein Weg, der viele von ihnen in eine<br />

Sackgasse führte, aus der es kein Entrinnen gab.<br />

Mittlerweile gelten für eine Anstellung im Hauptberuf<br />

vielerlei Arbeitsschutzgesetze. Doch mit einem schlecht<br />

bezahlten Zweitjob manövriert sich so mancher in eine<br />

ähnliche Situation des 19. Jahrhunderts: Trotz langer<br />

und harter Arbeit reicht das Einkommen gerade, um<br />

die monatlichen Rechnungen zu begleichen. Lebensfreude<br />

und Erholung bleiben auf der Strecke, also brechen<br />

Kompensationsverhalten durch. Doch heutzutage<br />

ist es nicht nur der Alkohol. Unterschätzt wird oft die<br />

Wirkung vieler Ersatzdrogen: Süßigkeiten, Fast Food,<br />

Kabelfernsehen, Koffeinlimonaden, Streaming-Dienste,<br />

Computerspiele, Internet, soziale Medien, etc.<br />

Müsste man diese Dinge also verbieten? Das wäre ähnlich<br />

wirksam wie das misslungene Experiment der Prohibition.<br />

Denn heute, 150 Jahre später, besteht das<br />

Problem ebenfalls nicht darin, dass manche Menschen<br />

zu einem Sucht- oder Kompensationsverhalten neigen.<br />

Sondern WARUM sie es tun. Und oft liegt es an unserer<br />

Art der Arbeit. Nicht an der Stundenzahl.<br />

Sind die hohen Zusatzstunden eintöniger<br />

Nebenjobs schuld?<br />

Das kann, muss aber nicht sein. Denn es gibt zwei Bedingungen,<br />

die lange, harte und eintönige Arbeiten erträglich<br />

machen: Erstens, ein erreichbar scheinendes<br />

Ziel. Zweitens, ein absehbares Ende der hohen Belastung.<br />

Das beste Beispiel sind junge Menschen, die sich<br />

mithilfe eines Ferienjobs einen Wunsch erfüllen wollen.<br />

Manche von ihnen gehen sechs Wochen lang nicht nur<br />

einer, sondern sogar zwei unbefriedigenden Vollzeittätigkeiten<br />

nach. Doch weil das Ziel in Reichweite und<br />

der Zeitraum überschaubar bleibt, lässt sich eine Be-<br />

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