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Wendelstein + Schwanstetten - Juni 2020

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AUS DER REGION<br />

Von wegen „Schlafgemeinde“ -<br />

in <strong>Wendelstein</strong> wurde 1960 ganzjährig gern gefeiert<br />

Vereinsjubiläen, neue Sparkasse und ein<br />

„Besuch“ in Bonn<br />

<strong>Wendelstein</strong> - Der 2.Weltkrieg war gerade 15 Jahre vorbei und <strong>Wendelstein</strong><br />

für Außenstehende damals immer noch eine übersichtliche Marktgemeinde<br />

im Landkreis Schwabach. Das Jahr 1960 war aber keineswegs<br />

langweilig, wie der Rückblick auf Basis von Zeitungsmeldungen aus<br />

dem „Schwabacher Tagblatt“ aus diesem Jahr belegt: Es gab einiges<br />

zu feiern, Veränderung und Modernisierung kündigten sich an und<br />

auch Probleme galt es zu lösen - die teilweise dann zu ungewöhnlichen<br />

Entscheidungen führten.<br />

15 Jahre nach Kriegsende hatte sich <strong>Wendelstein</strong> für einen Außenstehenden<br />

scheinbar nur wenig „weiterentwickelt“: Dank des „Wirtschaftswunders“<br />

hatten sich Handel und Gewerbe in der Marktgemeinde insgesamt gut erholt<br />

und wie vor dem 2.Weltkrieg waren beim Handwerk vor allem die örtlichen<br />

Metalldrückereien wieder erfolgreich im Geschäft. Im Gegensatz dazu fand<br />

zeitgleich im ebenfalls traditionellen Holzdrechslergewerbe ein langsames<br />

Betriebssterben statt, eine Entwicklung die den Metalldrückereien gut zehn<br />

Jahre später ebenfalls bevorstand. Dafür hatten sich in dem Marktort auch<br />

mehrere neue Betriebe gegründet.<br />

Auch davor gab es bereits „Vorzeichen“ für den zunehmenden Umbruch der 60er<br />

Jahre: 1957 hatte die Bundesbahn den Personentransport auf der Lokalbahnlinie<br />

nach Feucht eingestellt und lediglich den Gütertransport mit mehreren Fahrten am<br />

Tag „auf Zeit“ bis 1959 aufgrund des Protests aus dem Schwarzachtal und vom<br />

Landratsamt Schwabach beibehalten. Die örtliche Polizeistation war 1959 aufgelöst<br />

worden und die Feuerwehr erhielt 1959 mit einem „Opel Blitz“ LF 8 ein erstes<br />

modernes Löschfahrzeug als Ersatz für ihren teilweise noch aus der Vorkriegszeit<br />

stammenden Fahrzeugbestand. Es galt insofern „nach vorne zu schauen“.<br />

Den Bahnbetrieb durch Audienz bei Bundeskanzler Adenauer gerettet<br />

Gleich zu Jahresbeginn gab es für die Gemeinde eine schlechte Nachricht, denn<br />

nach Ablauf der Garantie der Bundesbahn gab diese bekannt zum 1.Februar<br />

1960 endgültig den Betrieb der Bahnlinie aufgeben zu wollen. Schriftliche<br />

Proteste wie noch 1958 halfen nicht, deshalb fuhr eine Delegation der Bürgermeister<br />

aus <strong>Wendelstein</strong> und umliegender Gemeinden mit dem damaligen<br />

Schwabacher Landrat Eugen Tanhauser nach Bonn, um direkt im zuständigen<br />

Ministerium eine Betriebsverlängerung zu erreichen. Verkehrsminister Seebohm<br />

war jedoch gerade an diesem Tag nicht in Bonn und in seinem Ministerium.<br />

Die fränkische Delegation gab nicht auf und beantragte - in Bonn war sie ja<br />

schon - spontan einen Gesprächstermin am gleichen Tag bei Bundeskanzler<br />

Konrad Adenauer, der auch klappte. Den Bundeskanzler an seine zwei Bahnaufenthalte<br />

1957 in <strong>Wendelstein</strong> erinnernd und die Probleme für die Gemeinden im<br />

Schwarzachtal nennend, versprach Adenauer die Sache zu lösen - und hielt Wort:<br />

Der Gütertransport auf der Lokalbahnlinie wurde noch einmal für zwei Jahre<br />

bis zum Beginn des Sommerfahrplans 1961 verlängert und <strong>Wendelstein</strong> konnte<br />

als Aufschub nochmals seine „Schienenverbindung zur großen Welt“ behalten.<br />

JUNI <strong>2020</strong><br />

Ein Nutzungswechsel fand 1960 auch an der „Schwabacher<br />

Straße“ statt. Das von 1945 bis Ende 1959 als<br />

TBC-Erholungsheim genutzte und bei den <strong>Wendelstein</strong>ern<br />

als „Hustenburg“ bezeichnete Anwesen (heute<br />

das „Neue Rathaus“) wurde nach Renovierung mit<br />

Umbau zum „Kindererholungsheim“ des Landesversicherungsanstalt<br />

Mittelfranken-Oberfranken (LVA).<br />

1960 ist die CSU erstmals im Gemeinderat vertreten<br />

Neuerungen und eine Überraschung gab es an der Gemeinderatswahl im März:<br />

Johann Trinker (SPD) wurde als Bürgermeister mit mehr als 90 % wiedergewählt.<br />

Die örtliche Parteienlandschaft präsentierte sich dafür neu: Die SPD war mit<br />

fünf Gemeinderäten und die Freien Wähler mit drei Markträten im Gremium<br />

vertreten, die erst vor wenigen Jahren gegründete örtliche CSU erstmals mit zwei<br />

Vertretern im <strong>Wendelstein</strong>er Gemeinderat. Noch in der konstituierenden Sitzung<br />

des neuen Marktgemeinderats gab dann aber eines der drei Ratsmitglieder<br />

der Freien Wähler aus persönlichen Gründen seinen Wechsel zur SPD bekannt.<br />

Eine andere Veränderung war das Ende der „Hustenburg“: Das 1945 als „Erholungsheim<br />

für auskurierte TBC-Erkrankte“ der Landesversicherungsanstalt genutzte<br />

ehemalige „Kurhotel“ (heute „Neues Rathaus“) wurde im April 1960 geschlossen,<br />

saniert und modernisiert. Im November 1960 war Wiedereröffnung als „Kindererholungsheim“.<br />

Die ersten Kinder, die hier für jeweils drei Wochen auf LVA-Kosten<br />

„Auszeit“ von zuhause nehmen durften, waren 29 Kinder aus Bayreuth, Markt<br />

Schorgast und Pegnitz. Knapp zehn Jahre blieb das Gebäude so genutzt, bevor die<br />

Gemeinde das Anwesen kaufte und zum „Neuen Rathaus“ umbaute.<br />

Sudetendeutsche Landsmannschaft und Liederkranz hatten Jubiläum<br />

1960 war zudem ein Jahr mit guten Gründen zum Feiern und Anlass dazu<br />

gab es mit Jubiläen bei zwei Vereinen. Im <strong>Juni</strong> hatte der „Liederkranz“ als<br />

ältester Verein der Marktgemeinde seinen 100.Geburtstag und feierte dies mit<br />

mehreren Großveranstaltungen über ein Wochenende verteilt: Der Auftakt war<br />

ein „Festkommers“ im „Böcklein-Saal“ mit über 600 Sangesfreunden aus 20<br />

Chören. Am Sonntag folgte der Festgottesdienst mit anschließendem „Freundschaftssingen“<br />

im „Böckleins-Garten“ mit vielen Fest- und Ehrengästen und<br />

als Jubiläumsabschluss ein rauschender Festball am Sonntagabend.<br />

Einen Grund zum Feiern hatte auch die noch junge Ortsgruppe der „Sudetendeutschen<br />

Landsmannschaft“, die 1960 ihr „10jähriges“ hatte. Die Sudetendeutschen<br />

brachten nach 1945 auch nach <strong>Wendelstein</strong> neue und verlorene<br />

Traditionen: Sie belebten die - heute von der Feuerwehr <strong>Wendelstein</strong> weitergepflegte<br />

- „Sonnwendfeier“ wieder und hielten im Mai 1960 ein gut besuchtes<br />

„Maibaumfest“ auf dem Gelände des TSV <strong>Wendelstein</strong> ab mit gemeinsamen<br />

Maitanz mit dem TSV in der Turnhalle. Im September 1960 hatten die „Sudetendeutschen“<br />

im Katholischen Vereinshaus ihren offiziellen Festabend mit<br />

Ehrungen zum zehnjährigen Bestehen.<br />

Einweihungsfeiern für Sparkasse,<br />

Kindergarten und „Volksbücherei“<br />

Und 1960 gab es weitere Feieranlässe:<br />

Am 20. <strong>Juni</strong> konnte die Sparkasse<br />

<strong>Wendelstein</strong> ihr erstes eigenes<br />

„Domizil“ einweihen. Ab den 1930er<br />

Jahren zunächst „Untermieter“ in<br />

einem Büro des „Alten Rathaus“, hatte<br />

die Schwabacher Sparkasse für ihre<br />

<strong>Wendelstein</strong>er Außenstelle Ende der<br />

1950er Jahre am Abzweig zur Oberen<br />

Kirchenstraße eine Scheune gekauft und<br />

abgerissen. Als Ersatz dafür baute sie<br />

hier im fränkischen Stil ihre neue Filiale.<br />

Sparkasse blieb das Haus jedoch nur<br />

knapp 15 Jahre, denn 1974/75 bezog

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