Reflektierte Praxis - Bbaktuell
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Autorenbeleg<br />
4.2. Die Problematik der Implementation<br />
Gianni Ghisla / Luca Bausch / Elena Boldrini<br />
Mit der Reform eines Curriculums wird der Anspruch verbunden, Veränderungen in<br />
der Lehr- und Lernpraxis hervorrufen zu wollen. Abgesehen vom Umstand, dass der<br />
Innovationsdruck in den letzten Jahrzehnten enorm zugenommen und die Lehrkräfte<br />
ans Äusserste der Belastbarkeit gedrängt hat, gilt es zu bedenken, dass wirklich<br />
neue Ideen an sich für Verunsicherung sorgen und dass deshalb Veränderungen<br />
nur dann erfolgversprechend sein können, wenn sie an bereits durchschimmernde<br />
Wandlungsprozesse anknüpfen können. Innovationen, die wirksam werden wollen,<br />
sollten mit anderen Worten Tendenzen legitimieren und verstärken.<br />
Die Entwicklung eines Curriculums kann deshalb nicht von seiner Implementation<br />
getrennt werden. Die Prozesse der Curriculumkonstruktion und der konkreten<br />
Umsetzung können zwar durchaus getrennt verlaufen bzw. aufeinander folgen, aber<br />
Kontinuität muss im doppelten Sinne gesichert werden: in begrifflich-konzeptueller<br />
Hinsicht und bezüglich der Legitimation. Diese Problematik ist bereits mit dem Thema<br />
der Validierung angesprochen worden, wo die <strong>Praxis</strong>tauglichkeit eines Modells als<br />
zentrales Kriterium diskutiert wurde.<br />
Hat man das Mögliche getan, um diese <strong>Praxis</strong>tauglichkeit zu sichern, dann setzen<br />
eine Reihe von Problemen bei der Umsetzung ein, die hier nicht umfassend<br />
besprochen werden können. Es sei deshalb nur auf eine doppelte, nicht einfach zu<br />
überwindende Problematik hingewiesen, die sich konkret mit der Umsetzung des<br />
CoRe-Modells stellt. Es geht zuerst um eine sprachlich-terminologische Schranke:<br />
Lehrkräfte sind in den letzten Jahrzehnten darauf „getrimmt“ worden, eine so genannte<br />
„lernzielorientierte Didaktik“ umzusetzen. Will man nun substantielle Veränderungen<br />
auch sprachlich untermauern und operiert man stärker mit dem Situations- als mit<br />
dem Lernzielbegriff, so ruft man häufig Unverständnis hervor. Dies hört sich wie folgt<br />
an: „Ihr habt uns jahrzehntelang Lernziel-orientierung beibringen wollen und jetzt soll<br />
man plötzlich davon abkommen...“<br />
Diese Schwierigkeit wird im Berufsbildungsbereich dadurch verschärft, dass<br />
Lehrkräfte, v. a. der allgemein bildenden Fächer, häufig in verschiedenen Berufen<br />
unterrichten und so gezwungen sind, gleichzeitig nach zwei (oder mehreren) didaktischen<br />
Modellen zu unterrichten, was das Risiko einer Übersättigung und des<br />
passiven Widerstandes hat.<br />
5. CoRe im Überblick<br />
Ziel der Berufsbildung ist es, generell Individuen mit den nötigen Kompetenzen<br />
auszustatten, damit sie berufliche Situationen angemessen und erfolgreich bewältigen<br />
können. Geht es um berufliche Grundbildung, so müssen junge Leute in<br />
die Lage versetzt werden, nicht nur berufliche sondern auch Situationen aus dem<br />
übrigen Alltag kompetent zu meistern. Der Auftrag bezieht sich demnach auf das<br />
Gesamt menschlicher Tätigkeit und zielt auf eine ganzheitliche Ausstattung der<br />
jungen Menschen hin.<br />
Im Zentrum der Berufsbildung nach CoRe steht deshalb für die Lernenden die<br />
Aneignung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Haltungen, die eine kompetente Bewältigung<br />
von verschiedenartigen, komplexen, weil immer variierenden Situationen<br />
ermöglichen sollen. Solche Kenntnisse, Fähigkeiten und Haltungen werden als<br />
Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 104. Band, Heft 3 (2008) – © Franz Steiner Verlag, Stuttgart