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2020/26 - BASKETBALL

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12 RATIOPHARM ULM − DAS FINALTURNIER<br />

Wehmütig, aber dankbar<br />

Basketball Die Spieler trauern der verpassten Chance hinterher, mit Ratiopharm Ulm im Finale um die deutsche<br />

Meisterschaft zu spielen. Trotzdem fällt Per Günthers Turnierfazit positiv aus. Von Sebastian Schmid<br />

An dem Tag, an dem Per<br />

Günther sein Karriereende<br />

verkündet, wird die gesamte<br />

Basketball-Bundesliga<br />

trauern. Zum einen,<br />

weil ein großartiger Spieler<br />

die Bühne verlässt. Zum anderen, weil<br />

er ein Sympathieträger ist, seit Jahren das<br />

Gesicht der Liga und mit einer Lockerheit<br />

zu allen Themen Stellung bezieht.<br />

Sollte der 32-Jährige mit Ratiopharm Ulm<br />

tatsächlich noch einen Titel gewinnen,<br />

gibt es in Basketball-Deutschland wohl<br />

niemanden, der ihm diesen Erfolg nicht<br />

gönnen würde.<br />

Die Chance auf die Krönung seiner<br />

Karriere wird Per Günther allerdings<br />

wohl nicht mehr häufig bekommen. Das<br />

wusste der Ulmer Teamkapitän, als er<br />

nach der 85:94-Niederlage im Halbfinal-Rückspiel<br />

gegen Ludwigsburg zum<br />

Interview erschien. Wieder einmal musste<br />

er mit dem Ratiopharm-Team einem<br />

anderen Klub den Vortritt lassen. Doch<br />

in den vielen bitteren Niederlagen, die<br />

Günther in seiner Zeit in Ulm erlebt hat,<br />

zeigte er stets seine Größe als Sportsmann.<br />

So auch am Dienstagabend, als er<br />

nach dem Zerplatzen des nächsten Titeltraums<br />

aufgeräumt und reflektiert über<br />

das zuvor Geschehene sprach.<br />

Günther hadert mit dem Hinspiel<br />

Natürlich überwog die Enttäuschung.<br />

„Das ist ein bisschen eine verlorene<br />

Chance“, sagte der Aufbauspieler wehmütig.<br />

Schon nach dem 71:71 im Hinspiel<br />

habe ihn ein schlechtes Gefühl beschlichen,<br />

da es Ulm nicht geschafft hatte, aus<br />

einem schlechten Spiel der Riesen mehr<br />

Kapital in Form eines Punkte-Polsters<br />

fürs Rückspiel herauszuschlagen. Das<br />

rächte sich im zweiten Duell, als das Ratiopharm-Team<br />

nicht mehr so frisch wie<br />

im bisherigen Turnier wirkte und auch<br />

nicht mehr die Emotionen an den Tag<br />

legte, die es in der grandiosen Gruppenphase<br />

mit vier Siegen und im Viertelfinale<br />

gezeigt hatte. Den Riesen gelang es<br />

besser, sich im leeren Audi-Dome mit gelungenen<br />

Aktionen gegenseitig zu pushen.<br />

Die Ratiopharm-Akteure hingegen<br />

wirkten teilweise nicht nur körperlich<br />

müde, sondern auch emotional erschöpft.<br />

Es war nicht schlecht, was Ulm ablieferte.<br />

Aber es reichte nicht an die zuvor<br />

gezeigten Leistungen heran und war letzten<br />

Endes zu wenig, um aufopferungsvoll<br />

kämpfenden Riesen den Schneid abzukaufen.<br />

„Im letzten Viertel haben wir versucht,<br />

ihr Spiel zu spielen und hatten viele<br />

Einzelaktionen“, analysierte Trainer<br />

Es war eine großartige<br />

Erfahrung und hat<br />

richtig Spaß gemacht.<br />

Thomas Klepeisz<br />

über seine Zeit beim Turnier<br />

Jaka Lakovic. Während sein Team vom<br />

gewohnten Stil abwich, setzte Ludwigsburg<br />

unbeirrt auf die individuelle Klasse<br />

– und war damit erfolgreich.<br />

Obwohl die Enttäuschung groß war,<br />

gelang es Günther, ein erstes Resümee<br />

zu fassen: „Bei mir überwiegt die Dankbarkeit,<br />

so eine coole Erfahrung mitgemacht<br />

zu haben. Manchmal klickt es einfach,<br />

und es hat über weite Strecken Spaß<br />

gemacht, mit dieser Mannschaft Basketball<br />

zu spielen.“ Diese Freude war allen<br />

Akteuren in den meisten Partien anzusehen.<br />

Ähnlich wie bei Alba Berlin, wo man<br />

anhand der Spielweise erkennt, dass die<br />

Spieler gerne zusammen auf dem Feld<br />

stehen und sich gegenseitig vertrauen,<br />

bot auch Ulm in diesen zweieinhalb Wochen<br />

tollen Team-Basketball. Belohnt<br />

wurde das nicht nur mit sechs Siegen in<br />

acht Spielen, sondern auch mit einem Gefühl,<br />

das Günther zuletzt vermisst hatte<br />

– und von dem er nicht weiß, wie oft er<br />

es noch verspüren darf: „Tatsächlich gab<br />

es eine Zeit lang die Hoffnung, einen Titel<br />

zu gewinnen. Diese Hoffnung ist etwas<br />

sehr wertvolles. Im Mittelstrahl meiner<br />

Karriere gab es sie häufiger, in den<br />

letzten Jahren gab es sie nicht mehr.“<br />

Zweimal im Halbfinale gescheitert<br />

Das klingt ein wenig danach, dass der<br />

zweifache Familienvater zuletzt nicht<br />

mehr groß gehofft hatte, mit Ratiopharm<br />

Ulm um eine Meisterschaft oder einen<br />

Pokalerfolg mitspielen zu können. Doch<br />

beides war in dieser kuriosen und einmaligen<br />

Saison der Fall. In beiden Wettbewerben<br />

hat sich Ulm bis ins Halbfinale<br />

vorgekämpft, beides Mal war dort<br />

aber trotz guter Voraussetzungen<br />

Endstation.<br />

Die Saison, die so<br />

durchwachsen begonnen<br />

hat und deren Ausgang<br />

zum Zeitpunkt des<br />

Corona-bedingten<br />

Abbruchs<br />

nicht unbedingt<br />

vielversprechend<br />

war,<br />

ist für Jaka<br />

Lakovic und sein Team ein Erfolg. Für<br />

die kommende Spielzeit, wann immer die<br />

auch starten wird, sieht es schon einmal<br />

gut aus. Andreas Obst und Patrick Heckmann<br />

besitzen ebenso einen gültigen<br />

Vertrag wie Derek Willis und Dylan<br />

Osetkowski. Der Center ist mit seiner<br />

doppelten Staatsbürgerschaft (amerikanisch<br />

und deutsch) doppelt wertvoll.<br />

Christoph Philipps und Gavin Schilling<br />

haben nicht erst beim Titelturnier einen<br />

großen Schritt nach vorne gemacht und<br />

sich für einen neuen Vertrag empfohlen<br />

– falls das finanziell realisierbar ist.<br />

Dank des Startrechts für den Eurocup<br />

stehen die Chancen von Sportdirektor<br />

Thorsten Leibenath nicht<br />

schlecht, gute internationale<br />

Spieler für Ulm zu begeistern.<br />

Ob Thomas Klepeisz, dessen<br />

Vertrag in Braunschweig<br />

ausgelaufen ist, dazugehört,<br />

kann momentan noch keiner<br />

sagen. Auch der Österreicher<br />

selbst nicht. Immerhin<br />

gab er zu, dass die<br />

vergangenen Wochen im<br />

Ratiopharm-Trikot „eine<br />

großartige Erfahrung waren<br />

und es wirklich richtig<br />

Spaß gemacht hat“. Wie es<br />

mit Tyler Harvey und Archie<br />

Goodwin weitergeht, ist ebenfalls<br />

offen.<br />

Bleibt noch Per Günther, der<br />

seit zwölf Jahren das Ratiopharm-Trikot<br />

trägt. Der Vertrag<br />

des 32-Jährigen läuft aus, die<br />

Zeiten als „Speedy<br />

Günzales“ sind vorbei.<br />

Doch als Führungs-<br />

und<br />

Identifikationsfigur ist er für den Klub<br />

eigentlich nicht zu ersetzen. Günther<br />

wird selbst darüber entscheiden können,<br />

wie und ob es für ihn im Ulmer Trikot<br />

weitergeht. Wenn er noch eine Saison<br />

dranhängen will und die Rahmenbedingungen<br />

stimmen, wird der Klub ihm einen<br />

Vertrag geben. Dann dauert es mindestens<br />

noch eine Saison, bis Per Günther<br />

seine Karriere beendet. Doch irgendwann<br />

wird der Tag kommen – und<br />

die Basketball-Bundesliga wird trauern.<br />

Treffsicher und<br />

sympathisch:<br />

Die Verpflichtung<br />

von Thomas Klepeisz<br />

für das<br />

Titelturnier erwies<br />

sich für Ulm als<br />

Glücksgriff. Foto:<br />

Kevin Voigt/Eibner<br />

Kommentar<br />

Sebastian Schmid<br />

zum Abschneiden der<br />

Ulmer Basketballer<br />

Trotz Niederlage<br />

ein Gewinner<br />

Schade!!! Schade, dass die Ulmer<br />

Basketballer das Finale verpasst<br />

haben. Sie hätten den Endspiel-Einzug<br />

verdient gehabt.<br />

Schade, dass die vergangenen zweieinhalb<br />

Wochen ohne Fans über die Bühne<br />

gehen mussten. Sie hätten ein paar Basketball-Festtage<br />

in der Ratiopharm-Arena<br />

erlebt. Schade, dass das<br />

Finalturnier am Sonntag endet. Die<br />

Veranstaltung, die vor Beginn durchaus<br />

skeptisch gesehen wurde, war in<br />

schwierigen Zeiten ein voller Erfolg<br />

und hat Lust auf die neue Saison gemacht<br />

– am besten mit Fans.<br />

Doch nicht nur für die Liga war das<br />

Geister-Titelturnier eine tolle Geschichte.<br />

Das veränderte Ulmer Team<br />

zeigte schönen Basketball, trat als Einheit<br />

auf und begeisterte mit seiner<br />

Spielweise und den Typen im Kader<br />

nicht nur die eigenen Fans, sondern<br />

sammelte (mal wieder) deutschlandweit<br />

Sympathiepunkte. Trainer Jaka Lakovic<br />

hat mit seinen Schützlingen das<br />

Beste aus der Corona-Pause und einer<br />

schwierigen Saison herausgeholt. Es<br />

hat Spaß gemacht, Ratiopharm Ulm<br />

beim Spielen zuzuschauen. Auch wenn<br />

das Finale und der Titel verpasst wurden,<br />

ist Ratiopharm Ulm einer der Gewinner<br />

dieses Meisterschaftsturniers.<br />

Die Ulmer Ergebnisse<br />

Gruppenspiele FC Bayern München 85<br />

Ratiopharm Ulm 95<br />

EWE Baskets Oldenburg 66<br />

Ratiopharm Ulm 85<br />

Ratiopharm Ulm 92<br />

Hakro Merlins Crailsheim 80<br />

Ratiopharm Ulm 89<br />

BG Göttingen 66<br />

Playoff-Viertelfinale, Frankfurt Skyliners 61<br />

Hinspiel Ratiopharm Ulm 101<br />

Playoff-Viertelfinale, Ratiopharm Ulm 96<br />

Rückspiel Frankfurt Skyliners 69<br />

Playoff-Halbfinale, MHP Riesen Ludwigsburg 71<br />

Hinspiel Ratiopharm Ulm 71<br />

Playoff-Halbfinale, Ratiopharm Ulm 85<br />

Rückspiel MHP Riesen Ludwigsburg 94

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