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Leseprobe_Die Operneinakter von Agostino Steffani

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<strong>Die</strong> <strong>Operneinakter</strong> <strong>von</strong> <strong>Agostino</strong> <strong>Steffani</strong> – Teil I<br />

tionen, wie die Identität Ventura Terzagos als <strong>Steffani</strong>s Bruder und der Hinweis auf die <strong>Steffani</strong>-Akten<br />

im Propaganda Archiv zu Rom, die Forschung bereicherten. 23 Charles Burneys<br />

kurzer <strong>Steffani</strong>-Bericht schließlich (1789) geht maßgeblich auf die Vorarbeiten Hawkins’ und<br />

Walthers zurück. Emphatisch würdigte er die Kammerduette:<br />

There are perhaps no compositions more correct, or fugues in which the subjects<br />

are more pleasing, or answers and imitations more artful, than are to be found in<br />

the duets of <strong>Steffani</strong>, which […] amount to near one hundred. The greatest singers<br />

of Italy during the last age used to exercise themselves in these duets, as Solfeggi. 24<br />

1.3 <strong>Steffani</strong>-Rezeption im 19. Jahrhundert<br />

<strong>Die</strong> Beurteilung der Kammerduette als <strong>Steffani</strong>s bedeutendste Schöpfungen blieb auch im<br />

19. Jahrhundert bestehen. In seiner Händel-Biographie (1858-67) widmete Friedrich Chrysander<br />

ein ganzes Kapitel dessen Vorgänger im Amte des Hannoveraner Kapellmeisters und nennt<br />

diesen „den größten lebenden Meistern“ 25 zugehörig. Trotzdem sah Chrysander <strong>Steffani</strong>s Größe<br />

doch auf dessen eigene Zeit beschränkt. Als Wegbereiter wurde er bald <strong>von</strong> Händel überholt.<br />

Chrysanders Angaben zu <strong>Steffani</strong>s Lebenslauf orientieren sich an Hawkins, neu ist die Kenntnis<br />

sämtlicher <strong>von</strong> <strong>Steffani</strong> in Hannover komponierten Opern. 26 Für sein Urteil über <strong>Steffani</strong> lagen<br />

Chrysander nur zwei der Opern des Italieners vor, nämlich La Lotta d’Hercole con Acheloo (1689)<br />

und Le Rivali concordi (1692). Außerdem sah er in Berlin noch eine Partitur des Tassilone ein, die er<br />

aber, obwohl er darin <strong>Steffani</strong>s Stil erkannte, diesem nicht zweifelsfrei zuordnete. Ein Fund <strong>von</strong><br />

über 100 Kammerduetten in London stand ihm zusätzlich zur Verfügung. Chrysander fand <strong>Steffani</strong>s<br />

meisterhafte Beherrschung des kontrapunktischen Stils exemplarisch verwirklicht in der<br />

Komposition vollkommen ausgereifter Kammerduette. <strong>Die</strong> Duette sind auch der Hauptvorzug<br />

innerhalb der Opern, denen Chrysander aufgrund ihrer fehlenden Dramatik ansonsten kritisch<br />

gegenüberstand: „<strong>Steffani</strong>’s prachtvolle Gesangstücke verlieren wenig oder nichts, wenn man<br />

sie aus dem Ganzen des Singspiels herauslöst. Bei einem Componisten <strong>von</strong> originaler Begabung<br />

für das musikalische Drama ist es anders“. 27 Daneben bedauerte Chrysander den geringfügigen<br />

Ernst, mit dem die Oper in Hannover betrieben wurde. Zu dieser Tendenz trug <strong>Steffani</strong> mit<br />

seinen auf das Wohlgefallen des Fürsten hin ausgerichteten Bühnenkompositionen bei, was für<br />

das musikhistorische Vorankommen dieser Gattung <strong>von</strong> Nachteil war. Einige Jahrzehnte später<br />

wird Hugo Riemann im Zuge seiner eigenen Beschäftigung mit dem musiktheatralen Schaffen<br />

<strong>Steffani</strong>s auf Chrysanders Charakterisierung der steffanischen Bühnenwerke als „possierliche<br />

[…] Opern-Ungeheuer“ 28 zurückkommen und diesen merkwürdigen Ausdruck zurechtrücken:<br />

Das klingt freilich so, als sei <strong>Steffani</strong> in seinen Opern nicht mit vollem künstlerischen<br />

Ernste an die Arbeit gegangen, sondern habe sich dem verirrten Tagesgeschmacke<br />

angepaßt und eine Musik geschrieben, die nicht das war, was er hätte<br />

geben können, sondern das, was man haben wollte. Der Weg <strong>von</strong> einer solchen<br />

23 Riccati: Notizie, 1779, S. 3-26. Josef Loschelder veröffentlichte „Römische Quellen“ zu <strong>Agostino</strong> <strong>Steffani</strong> dann<br />

erstmals 1951: <strong>Agostino</strong> <strong>Steffani</strong> und das Musikleben seiner Zeit, 1951, S. 33-48 und: Aus Düsseldorfs italienischer<br />

Zeit, 1952, S. 17-53.<br />

24 Burney: A General History of Music, 1789 [1958], S. 425.<br />

25 Chrysander: Händel, Bd. 1, 1858 [1919], S. 312.<br />

26 Il zelo di Leonato, die revidierte Wiederaufnahme der Oper La Superbia d’Alessandro <strong>von</strong> 1691 führt er dabei als eigenständiges<br />

Werk an. Außerdem geht er irrtümlicherweise da<strong>von</strong> aus, dass Der siegende Alcides 1694 in Hannover<br />

in der Komposition <strong>Steffani</strong>s und einer textlichen Bearbeitung des originalen Quinault-Librettos durch Mauro<br />

aufgeführt worden sei. Für Briseide schließt er folgerichtig die Mitwirkung <strong>Steffani</strong>s schon aufgrund <strong>von</strong> dessen<br />

politischen Verpflichtungen und seiner dadurch bedingten Abwesenheit vom Hofe aus. Ebd. S. 320 f.<br />

27 Ebd., S. 326.<br />

28 Ebd., S. 318.<br />

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