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BIBER 07_20

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Österreichische Post AG; PZ 18Z041372 P; Biber Verlagsgesellschaft mbH, Museumsplatz 1, E 1.4, 1070 Wien

www.dasbiber.at

MIT SCHARF

SOMMER

2020

+

SCHWARZES WIEN

+

FAVORITEN: WER

IST SCHULD?

+

NGOSSO IN

ZAHLEN

+

MANNSBILDER

WARUM AUCH MÄNNER

BODY POSITIVITY BRAUCHEN


Ovako će

ljeto biti

sigurno.

3

minuten

mit

Michele

Tria

Am beliebtesten Sandstrand

der Österreicher hisst er die

rote Fahne: Michele Tria ist

Rettungsschwimmer am italienischen

Strand von Grado und

erzählt, wie Corona seine Arbeit

verändert.

Von Livia Klingl

Molimo držite

odstojanje od

1 metra.

Molimo nosite zaštitnu

masku za usta i nos,

ukoliko nije moguće

držati odstojanje.

Nova ublažavanja zaštitnih mjera će donijeti mnoge

olakšice u ljetnom periodu. Jedno je sigurno: ukoliko

se i dalje budemo pridržavali zaštitnih mjera, moći

ćemo istinski uživati u ljetu. I to svi zaslužujemo!

#schauaufdich

Redovno perite

ruke.

© Livia Klingl

BIBER: Was hat sich durch Corona an

deiner Arbeit geändert?

MICHELE TRIA: Wir mussten einen

Corona-Kurs absolvieren und nur wer

am Ende das Zertifikat erhielt, durfte

arbeiten. Wir bekamen eine neue

Ausrüstung mit Handschuhen, Schutzkleidung,

Maske und Plexiglasschild.

Wir haben neue Guidelines, aber das

ist Theorie. Wenn ich einem Kind oder

einem alten Menschen helfen müsste,

dann würde ich nicht erst an Corona

denken und jemanden sterben lassen,

sondern an Lebensrettung.

Wie oft kommt so etwas vor?

Auf 1,6 Kilometer Strand haben wir

pro Saison im Schnitt einen Toten und

zehn, die wir retten. Davon sind vier bis

fünf kritische Fälle.

Was wäre jetzt in der Corona-Zeit, wenn

Mund-zu-Mund-Beatmung nötig wäre?

Das machen wir schon ein paar Jahre

nicht mehr. Alle Rettungsschwimmer

haben eine Maske mit Blasbalg in

ihrem Equipment. Und alle 300 Meter

gibt es einen Defibrilator. Wir haben

alle Walkie-Talkies und im Rettungsfall

gehen zwei ins Wasser, um den Verunglückten

herauszuholen und ein Dritter

kommt mit dem Defi. Für alle Notfälle

haben wir eine Checkliste, mit und

ohne Corona.

Was ist am Strand anders?

Die Sonnenschirme haben jetzt seitlich

einen Mindestabstand von 4,60 Meter

und nach vorne Richtung Meer fünf

Meter. Die Liegen werden jeden Morgen

desinfiziert - auch wenn das vielleicht

unnötig sein mag, weil das Virus auf

diesen Flächen nicht mehr als ein paar

Stunden überlebt. Aber das sind jetzt

eben die neuen Regeln.

Nicht alle sind nachvollziehbar?

Im Indoor-Schwimmbad dürfen nur

noch 30 Personen sein, obwohl Chlor ja

angeblich das Virus tötet.

Müsst ihr euch regelmäßig testen?

Alle von der Schwimmrettung mussten

auf Anordnung des Verkehrsministeriums

einen Test machen.

Lebst du anders als vor Corona?

Wir alle hier sind ja wegen der Zustände

in Bergamo Corona-Experten geworden.

Wir haben die Maske immer mit

und halten Abstand. Und ich wasche

mir öfter die Hände. Für Menschen in

meinem Alter ist das leichter als für die

Jungen, die in die Disco wollen oder

zum Fußball. Für die muss die Politik

mitdenken. Politiker haben einen Beruf

gewählt, in dem sie vorausschauend

und verantwortlich sein müssen oder

müssten.

Um wie viel weniger Touristen habt ihr

jetzt?

Wir haben durch die Abstandsregeln

ein Drittel weniger Sonnenschirme. Und

von denen eine Auslastung von 40 bis

50 Prozent. Aber langsam, langsam

kommen Urlauber aus Österreich und

Deutschland. Ich denke, wir müssen mit

diesem Virus leben lernen und wissen,

dass es auch wieder zurückkommen

kann. Ein bisschen ist es wie mit dem

Meer. Vor dem muss man auch Respekt

haben.

Alter: 52

Beruf: Rettungsschwimmer

Fitness-Programm: Rudern und Boxen

Besonderes: Hat viele Jahre im Nachtleben

gearbeitet. Weil das zu stressig

wurde, ist er an den Strand von Grado

zurückgekehrt und rettet dort Leben.

/ 3 MINUTEN / 3

CORONA_Sommer_Inserat_Biber_207x270abf.indd 1 09.06.20 10:10



3 3 MINUTEN MIT RETTUNGS­

SCHWIMMER MICHELE

Ein Rettungsschwimmer am Sandstrand von

Grado im Schnellinterview.

8 IVANAS WELT

Wiener und Jugos sind sich in vielerlei Hinsicht

ähnlich. Außer beim Teilen von Rechnungen.

REISE

46 TRIP&TRAVEL

Andrea Grman trägt auf Reisen ihr

„Zuhause“ immer mit sich.

POLITIKA

10 EUER SCHUTZ IST

UNSERE ANGST

Drei Schwarze Wiener sprechen über ihre

Erfahrungen mit Übergriffen durch die Polizei.

16 „FRAU NGOSSO, WIE OFT

WOLLTEN SIE IN IHREM

LEBEN WEISS SEIN?“

Biber fragt in Worten, stellvertretende

Bezirksabgeordnete Mireille Ngosso

antwortet in Zahlen.

18 GEWALT IN FAVORITEN

Viele Menschen auf engem Raum, kein eigener

Laptop – über die Herausforderungen des

Home-Learnings in sozial schwachen Familien.

20 TATEN STATT WORTE!

Vanessa Spanbauer über strukturellen

Rassismus. Was kann man tun?

RAMBAZAMBA

22 BLACK VIENNA

Vom Gottesdienst zum Afro-Shop. Lisa-Marie

Idowu stellt das Schwarze Wien vor.

30 KEIN KIND? DIE SPINNT!

Über Selbstbestimmung, statt Bevormundung,

von Frauen ohne Kinderwunsch.

16

„WIE OFT WOLLEN FREMDE TÄGLICH IHRE

HAARE ANFASSEN?“

Ärztin und Politikerin Mireille Ngosso im

Interview in Zahlen.

10

EUER SCHUTZ IST

UNSERE ANGST

Rassistische

Polizeigewalt in Wien?

Betroffene erzählen

von ihren Erfahrungen.

22

BLACK VIENNA

Vom Gottesdienst

zum Afro-Shop. Das

ist das Schwarze

Wien.

IN HALT SOMMER

2020

KARRIERE

48 KARRIERE&KOHLE

Karrierefrau Anna Jandrisevits hat ein

Trostpflaster für alle, die das Ende des

Schuljahres nicht richtig feiern können.

50 „ICH HABE DURCH CORONA

HUNDERTTAUSEND EURO

VERLOREN!“

Gastroszene-Insider Mehmet Kocak über

Corona-Ausfälle.

52 „ICH BIN GASTGEBER UND

GAS-GEBER!“

Selbermacher Ali Vogel ist Barista aus

Leidenschaft und zaubert tolle Latte-Art.

TECHNIK

54 BLACK LIVES MATTER

IM GAMING

Adam Bezeczky darüber, wie #BLM in

Videospielen für Veränderung sorgt.

SOMMER SPECIAL

56 RADLN IN WIEN

Unser ultimativer Sommerguide fürs

Radfahren in und um die Stadt.

KULTUR

64 KULTURA NEWS

Nada El-Azar interviewte den Künstler Kurt von

Bley zum Thema LGBT in Polen.

66 RASSISMUS IST EINE

GEISTIGE BLOCKADE

Jad Turjman über Schubladendenken

und Alltagsrassismus.

68 HEIMATURLAUB ZWISCHEN

FLÜCHTLINGSLAGERN

Während die einen „Balkanurlaub“ machen,

sitzen dort Tausende Geflüchtete fest.

70 TODOR

Viele wollen Helden sein. Aber was ist denn ein

„Held“ heutzutage eigentlich?

LIFESTYLE

35 LIFE&STYLE

Aleksandra Tulej beneidet die Jugend von

heute um die Serien, mit denen sie aufwächst.

36 MANNSBILDER

Body-Positivity ist etwas für Frauen?

Finden wir nicht!

36

MANNSBILDER

Zu klein, zu groß, zu dick, zu dünn?

Body-Positivity geht auch bei Männern!

Zoe Opratko, Julie Brass, Cover: Julie Brass



„Delna, würdest du sagen, dass

du weiß bist?“ fragte mich eine

türkischstämmige biber-Stipendiatin.

Die junge Frau klopfte

extra an meine Tür, es beschäftigte

sie: Als Migrantin kann

sie nicht weiß sein, oder? Die

Journalistin Vanessa Spanbauer

beschreibt in ihrem Kommentar

auf Seite 20 sehr eindringlich,

wie sich Diskriminierungserfahrungen

weißer Migranten von

Anti-Schwarzem-Rassismus

unterscheiden - und warum der

gutgemeinte Satz „Ich sehe keine

Farben“ auch nicht hilft.

Delna Antia-Tatić, “

Chefredakteurin

biber ist nicht wie die anderen. Uns fehlt es beispielsweise an etwas, das andere

Redaktionen nur zur Genüge besitzen: Männer. Zählen wir großzügig, haben

wir von ihnen drei, schauen wir uns in der Redaktionssitzung um, dann sitzt da

wöchentlich einer. Ein Mann, und der ist noch dazu weder weiß noch über 50.

Wie gesagt, wir sind anders. Dass aber „Frauenteam“ nicht „Frauenmagazin“

bedeutet, beweisen wir einmal mehr mit dieser Ausgabe.

Die positivste Männer-Story des Sommers ziert unser Cover – jenseits

toxischer Männlichkeit und „weißer, männlicher Vorherrschaft“: Denn echte

Mannsbilder wie Cedric, Sahil, Ernan, Denis, Alex und Damir präsentieren die

Badehosen-Trends des Jahres 2020. Mit haarigem Rücken, löchrigem Bart

und gemütlichem Bäuchlein. Unsere sechs Cover-Models sind „body positive“.

Warum der Trend des guten Körpergefühls nur für Frauen gelten soll, sehen sie

nicht ein – und jener biber-Redakteursmann auch nicht. Ab Seite 36

Fast hätte es aber eine andere Geschichte aufs Cover geschafft: „Black

Vienna“ (ab Seite 22) ist ein Streifzug durch das Schwarze Wien. Obwohl die

gewaltige „Black Lives Matter“-Bewegung endlich auch Österreichs Schwarzen

Mitbürgern eine Stimme und Gehör beschert hat, findet der Alltag ihrer

Community unter dem Radar statt. Schade. Oder wer von euch war schon

einmal bei einem afrikanischen Gottesdienst dabei oder weiß, wo man die

besten Bücher von Schwarzen Autoren kauft und das beste Ziegenfleisch

bekommt? Präsentiert werden diese unbekannten Szene-Ecken der Stadt

natürlich von einer Insiderin: Die Reporterin Lisa-Marie Idowu ist selbst

Schwarze. Womit wir wieder beim Anfang wären: biber ist nicht wie andere

Medien.

Die Berichterstattung österreichischer Medien benötigt dringend

mehr „Diversity“. Derzeit können sich die meisten Journalisten nicht in das

hineinversetzen, was de facto Alltag vieler Österreicher ist: Diskriminierung

und Rassismus. „50 mal“ hat sich Wiener Politikerin Mireille Ngosso schon

in ihrem Leben gewünscht, Weiße zu sein. Und 10 mal wurde die SPÖ-

Mandatsanwärterin grundlos von der Polizei angehalten, erzählt sie im

Interview in Zahlen auf Seite 16. Eine Überleitung zu unserer großen Politik-

Reportage „Euer Schutz ist unsere Angst“ ab Seite 10: Hier erzählen drei

junge, österreichische Männer, wie sie Opfer rassistischer Übergriffe durch die

österreichische Polizei wurden und wie die Angst davor, stets der Sündenbock

zu sein, ihr Leben im Alltag verändert. Klar ist, auch die Polizei braucht mehr

Vielfalt.

Wer in dieser Schwarz-Weißen Welt den Wunsch nach blauem Himmel und

grüner Wiese verspürt, dem empfehlen wir unseren „Radl-Guide“ ab Seite 58.

Denn ein Sommer daheim muss mitnichten eintönig sein. Unsere Redakteurin

ist für euch die idyllischsten Touren rund um Wien abgefahren und empfiehlt:

Rauf auf den Sattel und ab ins Grüne. Dahoam is schee!

Habt’s einen sonnigen Sommer und treibt es bunt!

Bussis,

eure biber-Redaktion

Liebe LeserInnen,

© Zoe Opratko

Christian Fürthner

IMPRESSUM

MEDIENINHABER:

Biber Verlagsgesellschaft mbH, Quartier 21, Musuemsplatz 1, E-1.4,

1070 Wien

HERAUSGEBER

Simon Kravagna

CHEFREDAKTEURIN:

Delna Antia-Tatić

STV. CHEFREDAKTEUR:

Amar Rajković

CHEFiN VOM DIENST:

Aleksandra Tulej

LEITUNG NEWCOMER:

Amar Rajković & Aleksandra Tulej

FOTOCHEFIN:

Zoe Opratko

KOLUMNIST/IN:

Ivana Cucujkić-Panic, Todor Ovtcharov, Jad Turjman

REDAKTION & FOTOGRAFIE:

Adam Bezeczky, Nada El-Azar, Andrea Grman, Sophie

Kirchner,Jelena Pantić- Panić, Anna Jandrisevits, Hannah

Jutz, Jara Majerus

CONTENT CREATION, CAMPAIGN

MANAGEMENT & SOCIAL MEDIA

Aida Durić

BUSINESS DEVELOPMENT:

Andreas Wiesmüller

GESCHÄFTSFÜHRUNG:

Wilfried Wiesinger

Sommer, Sonne, Strand & Donau.

Wer in der lebenswertesten und grünsten

Stadt der Welt wohnt, muss nicht verreisen.

Der CopaBeach bei der Reichsbrücke

ist der perfekte Ort, um in Wien Urlaub

zu machen. Das Areal wurde einem

Rundum-Lifting unterzogen und erstrahlt

rechtzeitig zu Beginn des Sommers in

neuem Glanz. Sandstrände mit direktem

Wasserzugang, Liegewiesen und Bäume,

Nebelduschen und ein bunter Mix aus Gastronomie

zaubern pures Urlaubsfeeling in die

City – und das zum Nulltarif. Ein besonderes

Highlight ist der neue CopaBeach-Plaza-

Skatepark, geplant von Skaterinnen und

Skatern im Auftrag der Stadt.

Ob mit Rad, zu Fuß, den Öffis oder dem

Auto – der CopaBeach ist top angebunden.

Schaut vorbei!

REDAKTIONSHUND:

Casper

KONTAKT: biber Verlagsgesellschaft mbH Quartier 21, Museumsplatz 1,

E-1.4, 1070 Wien

Tel: +43/1/ 9577528 redaktion@dasbiber.at marketing@

dasbiber.at abo@dasbiber.at

WEBSITE: www.dasbiber.at

ART DIRECTOR: Dieter Auracher

LEKTORAT: Birgit Hohlbrugger

ÖAK GEPRÜFT laut Bericht über die Zweitprüfung im 2. HJ 2018:

Druckauflage 85.000 Stück

verbreitete Auflage 80.700 Stück

DRUCK: Mediaprint

BEZAHLTE ANZEIGE

DER COPABEACH SORGT FÜR

URLAUBSFEELING IN WIEN

Adresse: CopaBeach Reichsbrücke,

U1 Station „Donauinsel“

SPÖ-Klubvorsitzender und

Gemeinderat Josef Taucher:

„Als Abgeordneter setze

ich mich dafür ein, dass die

Menschen in dieser Stadt ein

gutes und gesundes Leben

führen. Der öffentliche Raum

gehört uns allen!“

6 / MIT SCHARF /



In Ivanas WELT berichtet die biber-Redakteurin

Ivana Cucujkić über ihr daily life.

IVANAS WELT

Ivan Minić

ZAHLST DU MIR, ZAHL’ ICH DIR

Zusammen oder getrennt? Eine Frage, die man von einem Kellner am

Balkan aber ganz bestimmt nicht hören wird.

Der Wiener und der Jugo haben vieles gemeinsam.

Schimpfen zum Beispiel. Frei nach Schnauze und in

genussvoller Manier. Im Wirtshaus mit dem Hawara

abhängen können beide auch wie die Weltmeister.

Zwei, vier, zehn Bier. Wer zählt da schon... Trinken

verbindet. Zumindest bis die Rechnung kommt. Spätestens

dann, wenn der Herr Ober nach „zusammen

oder getrennt?“ fragt und der Wiener sechs Euro

fünfundsechzig für seine zwei Seiterl aus dem Börserl

kramt, weiß der Jugo, dass er sich auf kulturell fremdem

Bezahl-Territorium befindet.

DEI’ BIER IS’ MEI’ BIER

Ein Kellner am Balkan fragt höchstens „Cash oder

Karte“, knallt die Rechnung auf den Tisch und wartet,

dass sich einer schon als Gastgeber angesprochen

fühlt oder die Gesellschaft die Zeche brüderlich unter

sich ausmacht. Da gibt es keinen Rechnungs-Separatismus.

Mei’ Bier is ned deppat. Die g’schissene

Rechnerei auf zwei Kommastellen aber schon. Wieso

also einen geselligen Abend mit einer arithmetischen

Fleißaufgabe enden lassen?

Wenn ich das getoastete Roastbeef-Sandwich mit pochiertem

Bio-Ei hatte, meine Freundin bloß mit einem

Saft zufrieden war, ja na natürlich kommen die 2,40,-

für ihren Obi gespritzt auf meine Quittung. Ist doch

Ehrensache. Und nicht weiter der Rede wert. Also in

meiner (Jugo)Welt.

ICH ZAHL! NEIN, ICH! WILLST DU MICH

BELEIDIGEN?!

Haben wir ähnlich viel konsumiert und sind beide vom

cucujkic@dasbiber.at

gleichen Bezahl-Schlag, folgt einem theatralischen Gerangel

um die Rechnung –„Wag es jaaa nicht, Kellner,

zu mir her, ich zahl’ das!“ - ein ebenso symbolischer

Akt des Aufgebens des Gegenübers. Wenn die Codes

klar sind, wissen im Grunde eh beide Trink-Parteien,

wer zahlen wird und wer die Bringschuld in jedem Fall

ehrenvollerweise das nächste Mal im Gasthaus zu erfüllen

hat. Die Sache ist ganz easy… But you have to

understand the game...

ZAHLST DU GETRENNT, KOMMEN WIR NICHT

ZUSAMMEN

Bei Dates, vor allem beim ersten bitteschön, sind die

Spielregeln für mich ganz klar. Der Gentleman übernimmt

die Rechnung und murmelt bitte kein schwitziges

„Mh, ähh, ah, wie machen wir das, darf ich dich

vielleicht einladen?“. Was heißt denn, darfst du? You

had one job! Mir fällt da schon kein Zacke aus der

Emanzipationskrone, wenn ich meinem Begleiter das

letzte Stückchen geschützten Raum männlicher Behauptung

überlasse. Wer sagt denn, dass ich als Gegenleistung

für die Pizza Cardinale mit ihm ins Bett

steigen muss? Das nennt man dann ja wohl anders,

aber sicher nicht Date. Wenn sich der vermeintliche

Traumprinz am Ende als Erbsenzähler erweist und lieber

nur sein eigenes Schnitzel bezahlt, schlägt die Liebe

eher auf den Magen. Wird die Rechnung getrennt,

kommen wir sicher nicht zusammen. Ich bin da vielleicht

zu old school oder zu Balkan. Den Blumenstrauß

lass’ ich mir ja auch schenken, sagt mein Mann. Wieso

nicht auch das Dinner. Also in meiner Welt ist das romantisch.

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EUER

SCHUTZ

IST

Hose runter, Hände hoch: Immer wieder

werden Schwarze Menschen Opfer von racial

profiling durch die österreichische Polizei. Der

Wille nach Veränderung wird stärker, doch

die Politik nimmt die Verantwortung nicht in

die Hand.

Text: Anna Jandrisevits, Fotos: Zoe Opratko

UNSERE

ANGST

Black Lives

Matter ist ein

Lifestyle.

Chuka

10 / POLITIKA /

/ POLITIKA / 11



Zieh die Hose runter!“, hört

Mac den Polizisten mehrmals

brüllen. Er steht mitten im

Zug, alle Augen sind auf ihn

gerichtet. Er fängt zu weinen an und

schüttelt immer wieder den Kopf, es

ist eine demütigende Situation. Aber

der Polizist hört nicht auf zu schreien

und schließlich tut Mac es. Er zieht die

Hose und Boxershorts aus und lässt sich

auf Drogen abtasten, während andere

Reisende darauf warten, durchgehen

zu können und ihn anstarren. Mac war

auf dem Weg zu einem Festival, als die

Polizei ihn und seinen Freund im Zug

kontrolliert. Sie stellen das Zugabteil auf

den Kopf, leeren sein Gepäck aus und

versuchen sogar, seinen Radiorekorder

zu zerlegen. Sie finden nichts, aber

belassen es nicht dabei. Mitten im Zug

muss sich Mac ausziehen und wird am

Körper nach Drogen durchsucht. Er wird

schikaniert. Erst danach lassen sie ihn

gehen. Mac war damals 19 Jahre alt,

mittlerweile sind 14 Jahre vergangen.

Aber er erinnert sich, als wäre es gestern

gewesen.

Als George Floyd von einem Polizisten

ermordet wurde, zeigte man hierzulande

mit dem Finger auf die USA.

Racial Profiling und Polizeigewalt wurden

weitgehend als amerikanisches Problem

abgestempelt. Dabei ist die Polizei auch

in Österreich Teil eines von Rassismus

geprägten Systems, in dem wir alle

leben. Im Jahr 2019 gab es laut Bundeskriminalamt

317 Misshandlungsvorwürfe

gegen PolizistInnen, bei denen Anzeige

erstattet wurde. Die Anzahl der Vorfälle,

die nicht gemeldet wurden, ist unklar.

Während die Polizei propagiert, für die

Sicherheit der Gesellschaft einzustehen,

fühlen sich Schwarze Menschen vor

niemandem so unsicher wie vor PolizistInnen.

Und obwohl 50.000 Menschen

auf den Straßen Wiens demonstrierten,

bleibt es in der Politik weiterhin still. Das

Problem lässt sich jedoch nicht mehr

ignorieren, Black Lives Matter hat auch

in Österreich viel zu sagen. Drei Männer

erzählen ihre Geschichten und sprechen

darüber, was sich endlich ändern muss.

LEERE TASCHEN

Vor zwei Jahren wurde Chuka in der Längenfeldgasse

festgehalten. Der 24-Jährige

war auf dem Weg zum Bus, als

ein Polizeiwagen vorbeifuhr und abrupt

stehenblieb. Chuka sah kurz hin und ging

weiter, als er bereits von einem Polizisten

am Arm gepackt wurde. „Ich dachte

mir, ich hätte nicht hinschauen sollen“,

erinnert er sich. Die Polizei verlangte

seinen Ausweis und durchwühlte seine

Taschen. „Es hat sich angefühlt, als ob

sie etwas bei mir finden wollten. Es war

demütigend.“ Als Chuka fragte, wieso

er kontrolliert wird, meinte der Polizist,

sie hätten eine Personenbeschreibung

erhalten. Sie fahnden nach einem Nigerianer.

Solche von Racial Profiling geprägten

Kontrollen sind Alltag für Schwarze

Menschen in Österreich. „Wenn ich der

Polizei nicht sofort antworte, fragen sie

gleich, ob ich Deutsch spreche“, erzählt

Ich bleibe an Orten

wie dem Praterstern

nicht stehen.

“Mac

Lionel. Der 23-Jährige wird immer wieder

kontrolliert, vor allem am Gürtel. Bei

der U-Bahn-Station Josefstädterstraße

hat ihn die Polizei mehrfach aufgehalten,

er musste seinen Ausweis zeigen und die

Taschen leeren. Wenn er sich beschwert,

kommt es nur zu weiteren Problemen:

„Ich will, dass sie mich in Ruhe lassen.

Also mache ich, was sie von mir wollen.“

Auch Mac wird wöchentlich durchsucht,

weshalb er an manchen Orten bewusst

nicht stehen bleibt. Als müsse er als

Schwarzer damit rechnen, an Plätzen wie

dem Praterstern kontrolliert zu werden.

„Man könnte mich mit einer versteckten

Kamera am Praterstern hinstellen,

ich würde garantiert innerhalb von 20

Minuten kontrolliert werden. Und die

Leute sehen zu und denken, ich bin ein

Drogendealer.“ Es frustriert Mac, aber

er kooperiert. Ihm bleibe nichts anderes

übrig. Wenn man sich wehren würde,

wird es nur schlimmer.

WEISSE BLINDHEIT

Rassistisch motivierte Übergriffe der

Polizei begleiten Schwarze Menschen

in Österreich seit Generationen. In einer

Studie der Fundamental Rights Agency

aus dem Jahr 2018 wurden knapp 6.000

Schwarze Menschen aus 12 Ländern der

Europäischen Union zu ihren Erfahrungen

mit rassistisch motivierter Polizeigewalt

befragt. Österreich schnitt deutlich

schlechter als die meisten Länder ab:

63% der Befragten waren hierzulande

im Zeitraum eines Jahres Opfer von

Racial Profiling, 11% erlebten einen

körperlichen Übergriff durch die Polizei.

Die Zahlen sprechen für sich, trotzdem

verschließt ein Großteil der Gesellschaft

die Augen davor. Darüber zu reden hilft,

aber nicht mit jedem, sagt Lionel: „Die

Leute machen sich ihr eigenes Bild. Auch

wenn du Dinge erzählst, die dir passieren,

Die Leute

werten meine

Erfahrung ab.

Lionel

meinen viele, das kann gar nicht sein.

Sie werten meine Erfahrung ab.“ Die

Geschichten sind nicht Beweis genug.

Wer von strukturellem Rassismus nicht

betroffen ist, will oft nicht wahrhaben,

dass er existiert. Für viele bleibt Österreich

eine friedliche Traumwelt, in der es

keinen Rassismus gibt, schon gar nicht

bei der Polizei. Mac kann es nachvollziehen:

„Für Weiße wirkt es so, als wären

wir alle freie Menschen in einem freien

Land. Sie sehen die Blicke nicht, wenn

man in ein Geschäft reingeht. Sie sehen

das Kopfschütteln von älteren Menschen

nicht. Das Abchecken von oben bis

unten.“ Als Chuka ein Kind war, hat seine

Mutter ihm gesagt, dass er nicht so viel

Zeit mit den Jungs im Hof verbringen

soll. Er sollte in keine Probleme involviert

werden, in keine Schwierigkeiten geraten.

„Denn, wenn etwas passiert, bin ich der

Schwarze. Ich bin der Sündenbock.“ Bis

zu diesem Zeitpunkt hatte Chuka nicht

darüber nachgedacht, er war ein Kind.

Seine Mutter warnte ihn, um ihn zu schützen.

„Wenn ich heute daran zurückdenke,

wird mir bewusst, dass ich schon damals

gespürt habe, dass ich anders bin. Und

das spüre ich immer noch. Die Leute lassen

dich spüren, dass du anders bist.“

12 / POLITIKA /

/ POLITIKA / 13



GEZOGENE WAFFE

Lionel war 20 Jahre alt, als er zum ersten

Mal merkte, dass die Polizei ihn anders

behandelt. Er war mit einem Freund im

Auto unterwegs, als der Reifen platzte

und die beiden in einen Verkehrsunfall

verwickelt wurden. Niemand wurde

verletzt und es passierte unmittelbar vor

einer Polizeistation. „Wir dachten noch,

wie praktisch das eigentlich ist.“ Die

Männer saßen noch im Auto, als PolizistInnen

aus der Station rannten und auf

das Auto zustürmten. Sie zielten mit der

Waffe auf Lionels Gesicht. „Sie haben

geschrien, dass ich meine Hände sichtbar

machen soll. Ich saß gefühlt ewig in

diesem Auto, mit der Waffe vor meinem

Gesicht. Ich stand unter Schock.“ Die

beiden mussten aussteigen, wurden

gegen die Wand gedrückt und schließlich

in Handschellen zur Polizeistation

gebracht. „Ich dachte, ich bin im falschen

Film. Erst in der Station ist mir bewusst

geworden: Wir wurden gerade verhaftet,

weil wir einen Autounfall hatten.“ Die

BeamtInnen redeten nicht mit Lionel und

fragten ihn erst nach einer Stunde, ob

sie die Rettung rufen sollten. „Ich habe

immer wieder gefragt, warum sie uns

festgenommen haben, aber niemand hat

mir geantwortet.“ Irgendwann ließen sie

Lionel und seinen Freund gehen. Als er

nach den Dienstnummern fragte, wiesen

die PolizistInnen ihn ab und rissen Witze.

Als Grund für die Festnahme nannte

die Polizei Verdacht auf Fahrerflucht.

„Es war ein Autounfall. Würden sie auf

jeden Autounfall mit gezogener Waffe

und Handschellen reagieren? Hätten sie

so reagiert, wenn zwei Weiße im Auto

gesessen wären? Ich glaube nicht.“

WENIGE BESCHWERDEN

Lionel wollte eine Beschwerde einreichen,

tat es aber nicht: „Ich dachte, das

bringt mich nur in weitere Probleme.

Es führt wahrscheinlich zu nichts.“ So

denkt die Mehrheit: Dem Verein ZARA

(Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit)

wurden 2019 75 rassistische Übergriffe

durch die Polizei gemeldet, aber in nur

fünf Fällen konnten formale Beschwerden

eingebracht werden. Der erhebliche

Kostenaufwand, die mangelnde Sicht

auf Erfolg und die Angst überwiegen bei

den meisten Betroffenen. „Viele denken:

Wenn ich jetzt zur Beschwerdestelle

gehe, habe ich mich beschwert und

vielleicht bekommt es jemand mit. Aber

morgen werde ich wahrscheinlich wieder

aufgehalten“, meint Chuka. Ab 2021

soll eine unabhängige Beschwerdestelle

Vorwürfe von Polizeigewalt prüfen. Das

Vorhaben ist im türkis-grünen Regierungsprogramm

enthalten. Unter dem

Titel „Gute Rahmenbedingungen für eine

moderne Polizei“ sieht die Regierung

eine „konsequente und unabhängige

Ermittlung bei Misshandlungsvorwürfen“

vor. Auch intern dürften manche PolizistInnen

auf einen Wandel pochen. So teilte

der Wiener Landespolizeivizepräsident

Michael Lepuschitz seinen KollegInnen

in einem Brief mit, dass die Polizeispitze

Misshandlungen nicht decken wird: „In

solchen Fällen enden Verständnis und

Schutz durch Vorgesetzte und Behörde.“

Chuka ist unschlüssig, ob sich etwas verändern

wird: „Es ist ein kleiner Schritt in

die richtige Richtung. Aber wir brauchen

viel mehr. Rassismus und Polizeigewalt

existieren seit Ewigkeiten, das kann

man nicht so einfach aus dem System

löschen.“ Für Veränderung bräuchte es

die Politik. Doch die lässt Schwarze Menschen

in Österreich im Stich.

POLITISCHE

VERÄNDERUNG

Ein Großteil der Black Community kann

sich weder mit einer Partei noch mit

ihren Forderungen identifizieren. Keiner

der Männer fühlt sich von der österreichischen

Politik repräsentiert. „Ich gehe

wählen, aber nicht um eine bestimmte

Partei zu unterstützen, sondern um

andere zu verhindern“, meint Lionel. Es

liegt vor allem an Black Lives Matter,

dass sich nun viele mit dem strukturellen,

systematischen Rassismus in

unserer Gesellschaft und der Polizei

auseinandersetzen. Der Aufruf zum

Widerstand kommt von keiner Partei,

sondern der Bewegung: Man protestiert,

informiert, spendet und unterschreibt,

wo immer es geht. „Black Lives Matter

ist nicht einfach eine Redewendung,

es ist ein Lifestyle“, so Chuka. Doch es

fehle an der politischen Unterstützung:

„Es gibt genug Menschen, denen das

Problem bewusst ist und die bereit sind,

etwas zu ändern. Aber wir brauchen eine

Partei, die diese Verantwortung in die

Hand nimmt.“ Die stv. Bezirksvorstherin

des Ersten Bezirks, Mireille Ngosso,

schlägt den selben Ton an: „Anti-Rassismus-Strategien

müssen endlich politisch

aufgegriffen werden.“ Es braucht eine

Partei, die nicht nur Veränderung umsetzen

kann, sondern auch will. Eine, die

die Geschichten jener repräsentiert, die

nicht gehört werden und für die Rechte

von Schwarzen Menschen in Österreich

eintritt. Nur so ließe sich Rassismus

bekämpfen. Und Chuka glaubt daran,

dass es möglich ist: „Wir haben nicht nur

die Hoffnung, dass sich etwas ändern

kann. Wir haben den Willen.“ ●

WAS SAGT DAS

MINISTERIUM?

Antworten von Christoph

Pölzl, Ressortsprecher des

Innenministeriums (BMI)

IntegrationsWochen

CORE

für die Auszeichnung in der Kategorie

PROJEKT DES JAHRES 2020

MELISA ERKURT

für die Auszeichnung in der Kategorie

MEDIEN 2020

MIGRANTS CARE

für die Auszeichnung in der Kategorie

WIRTSCHAFT UND ARBEIT 2020

BIBER: Wie viele Schwarze Menschen

wurden 2019 von der Polizei festgenommen?

CHRISTOPH PÖLZL: Vom Bundesministerium

Inneres werden keine Aufzeichnungen

zu Festnahmen von Menschen

einzelner Ethnien geführt. Eine derartige

Unterscheidung ist gesetzlich nicht

vorgesehen und würde überdies eine

Diskriminierung darstellen. Die Achtung

der Menschenwürde (§5) legt fest, dass

Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes

bei der Erfüllung ihrer Aufgaben

alles zu unterlassen haben, das geeignet

ist, den Eindruck von Voreingenommenheit

zu erwecken oder als Diskriminierung

auf Grund des Geschlechtes, der

Rasse oder Hautfarbe, der nationalen

oder ethnischen Herkunft, des religiösen

Bekenntnisses, der politischen

Auffassung oder der sexuellen Orientierung

empfunden zu werden. Entsprechend

gibt es auch disziplinarrechtliche

Konsequenzen nach dem Beamten-

Dienstrechtsgesetz, sollte ein Fehlverhalten

einer Beamtin bzw. eines Beamten

nachgewiesen werden.

Werden Vorfälle speziell ausgewertet,

wenn diese mutmaßlich rassistisch sind?

Vorfälle werden nur anhand von Sachverhalten

ausgewertet. Wenn Tatzusammenhänge

ein rassistisches Tatbild

erkennen lassen, dann werden die

zuständigen Organisationseinheiten

mit den Erhebungen und Ermittlungen

beauftragt und die Ergebnisse

der Staatsanwaltschaft berichtet. Das

Sicherheitspolizeigesetz (§89) sieht ein

besonderes Rechtsschutzverfahren zur

Überprüfung der Einhaltung von Richtlinien

vor der Dienstaufsichtsbehörde und

in weiterer Folge vor dem Landesverwaltungsgericht

vor.

Inwiefern arbeiten das BMI und die Polizei

mit NGOs zusammen, um rassistischen

Vorfällen vorzubeugen?

Die österreichischen Migrantinnen und Migranten gratulieren:

2020

MigAward

Im Programm des BMI „Polizei.Macht.

Menschen.Rechte“ wurde der Dialog

mit Vertretern der Zivilgesellschaft im

Hinblick auf menschenrechtlich relevante

Themen mit Berührungspunkten

zu Polizei, initiiert und institutionalisiert.

Zusätzlich gibt es hier das Bemühen um

eine weitere Intensivierung des Dialogs

insbesondere mit der Black Community.

Auf zentraler (BMI) und dezentraler

(Landespolizeidirektionen) Ebene wurden

Dialoggremien eingerichtet, in denen zu

menschenrechtlich relevanten Themen

mit Berührungspunkten zur Polizei

Empfehlungspapiere in einem partizipativen

Prozess erarbeitet werden. Auf

der Startseite des Intranets, das für alle

Angehörigen des Ressorts zugänglich ist,

findet sich das Handbuch der Agentur

der Europäischen Union für Grundrechte

mit dem Titel „Ethnic Profiling erkennen

und vermeiden“. Auch in der berufsbegleitenden

Fortbildung der Polizei

gewährleistet die Einbindung von externen

Menschenrechtsexperten und NGOs

einen hohen Standard der Bildungsmaßnahmen.

HEMAYAT

für die Auszeichnung in der Kategorie

BILDUNG UND SOZIALES 2020

ARMAN T. RIAHI

für die Auszeichnung in der Kategorie

PERSÖNLICHKEIT DES JAHRES 2020

WIENER LEBENSGESCHICHTEN

für die Auszeichnung in der Kategorie

GESELLSCHAFTLICHE TEILHABE 2020

14 / POLITIKA /



Frau Ngosso, wie

oft wollten Sie

in Ihrem Leben

weiß sein?

Wie oft in

Ihrem Leben

haben Sie

in Ihrer

Anwesenheit

das N-Wort

gehört?

Wie oft in

Ihrem Leben

wurden Sie

von der Polizei

grundlos

angehalten?

Wie oft in Ihrem

Leben wollten

Sie nach Afrika

zurückziehen?

Wie viele

afrikanische

Länder können

Sie aufzählen?

In welchem

Jahr wird es

spätestens

eine Schwarze

Ministerin in

Österreich

geben?

Wie oft werden

Sie wöchentlich

auf Englisch

angesprochen?

Wie oft

wollen fremde

Menschen Ihre

Haare täglich

anfassen?

Wie oft in

Ihrem Leben

haben Sie sich

gewünscht,

weiß zu sein?

Interview in Zahlen:

In der Politik wird schon genug

geredet. Biber fragt in Worten,

stv. Bezirksvorsteherin der

Inneren Stadt Mireille Ngosso

antwortet mit einer Zahl.

100

10

0

42

(von 55)

2035

6

3

50

Von Amar Rajković

Fotos: Zoe Opratko

3 Mal täglich wollen wildfremde Menschen Ngossos

Haare anfassen.

10 Mal in Ihrem Leben wurde die Allgemeinchirurgin grundlos

von der Polizei angehalten.

Von 4 GenossInnen aus der Partei ist Mireille Ngosso

schwer enttäuscht.

„Do you speak German?“ – 6 Menschen sprechen die Austro-

Kongolesin wöchentlich in englischer Sprache an.

Wie oft haben

Sie einen

Kaffee mit

Parteichefin

Pamela

Rendi-Wagner

getrunken?

Von wie

vielen SPÖ-

PolitikerInnen

sind Sie

persönlich

enttäuscht?

Wie viel

Prozent wird

die SPÖ bei den

Wien-Wahlen

im Oktober

erzielen?

Auf einer Skala

von 1-100: Wie

viele Meter

links von der

Mitte stehen

Sie?

Auf einer Skala

von 1-100: Wie

viele Meter links

von der Mitte

steht SPÖ-Chefin

Pamela Rendi-

Wagner?

Auf einer Skala

von 1-100: Wie

viele Meter rechts

von der Mitte steht

Frauen- und Integrationsministerin

Susanne Raab?

Wie hoch ist die

Wahrscheinlichkeit

in Prozent, dass Sie

im Oktober als erste

afrikanischstämmige

Politikerin in

den Wiener Landtag

einziehen werden?

Wie viele

Stunden in

der Woche

arbeiten Sie

als Allgemeinchirurgin?

Wie viele

Nachtdienste

verrichten Sie

in der Woche?

Wie viel

Prozent der

Haushaltsarbeit

verrichtet Ihr

Mann?

0

4

40

100

80

50

80

40

2

30

16 / POLITIKA /

/ POLITIKA / 17



WER IST FÜR DIE

GEWALT IN FAVORITEN

VERANTWORTLICH?

Nach den Ausschreitungen zwischen linken, vorwiegend kurdischen

Gruppierungen und rechtsextremen Grauen Wölfen im Wiener

Gemeinde bezirk Favoriten rätselt die Öffentlichkeit – wer ist schuld am

plötzlichen Ausbruch der Gewalt? Zwei unterschiedliche Antworten.

Mehrere Tage lang

herrschte Chaos im 10.

Wiener Gemeindebezirk.

Die Medien berichteten

über „faschistische türkische Gruppen”,

die „kurdische Demonstrant_innen”

angriffen. Es handelte sich hierbei

mehrheitlich um 15-19-jährige Teenager,

Jugendliche mit starkem Organisations-

sowie Aggressionspotenzial.

Innerhalb kürzester Zeit formierten sie

sich zu einem wütenden Mob und ließen

sich durch Provokationen manipulieren.

Ein Grund zur Sorge.

Auf der anderen Seite fanden

Demonstrationen statt, die spätestens

am zweiten Tag von der PKK (die in der

EU verbotene Arbeiterpartei Kurdistans)

Anhänger_innen für propagandistische

Zwecke unterminiert wurden. Dass

PKK Anhänger_innen als Kurd_innen

bezeichnet werden, zeigt, wie verzerrt die Darstellung in der

österreichischen Wahrnehmung ist. Denn viele Kurd_innen

sind selbst Opfer der PKK und fühlen sich nicht durch die

militante Linie dieser Organisation vertreten.

ZU LASCHER UMGANG MIT DER PKK?

Die Wiener Bevölkerung, die sich zu Recht keine Ausschreitungen

mitten in Wien wünscht, ist empört. Die Profiteur_

innen dieser Empörung sind vor allem rechtspopulistische

Parteien. Denn sie fühlen sich in ihrem Alarmismus gegenüber

„Ausländer_innen” bestätigt. Dies führt in weiterer

Folge zu einer nachhaltigen Störung des gesellschaftlichen

Klimas. Kurz vor den Wahlen könnten sie sich kein besseres

Ereignis herbei wünschen. Also zurück zur ursprünglichen

Frage: Wer ist schuld an der Eskalation?

Hakan Gördu, 36, ist Obmann der

Wiener Partei SÖZ und war beim

Geschehen vorort.

„Wenn Jugendliche nicht zu

uns kommen, dann müssen

wir zu ihnen gehen, ob in Shisha

Bars oder in Spielhallen.“

Sind es die Behörden, die der PKK

seit Jahrzehnten Demonstrationen

erlaubt haben?

Sind es die Jugendlichen, die in

vierter Generation noch nationalistischer

wurden, als es ihre Eltern jemals waren?

Sind es Menschen, die ihren Kampf aus

der Türkei auf dem Rücken einer hier

lebenden Minderheit austragen? Sind es

die rechten Politiker, die den Rassismus

schüren und somit Jugendlichen das

Gefühl der gesellschaftlichen Zugehörigkeit

nehmen? Sind es die Eltern, die

die Kontrolle über ihre Kinder verloren

haben? Sind es Vereine, die Jugendliche

nicht mehr erreichen? Sind es die

sozialen Zustände, die fehlende Bildung,

die Diskriminierung in Schulen und

in der Arbeitswelt? Oder die gänzlich

fehlende kultursensible Sozialarbeit für

türkische sowie kurdische Jugendliche?

Ich denke, es ist die Summe all dieser Faktoren. Vor

allem ist es unsere eigene Schuld, die Schuld der Erwachsenen,

die ihren Jugendlichen schon lange nicht mehr zuhören.

Wir brauchen wieder eine Verbindung zu den jungen

Menschen und dürfen uns nicht davor scheuen, neue Wege

zu beschreiten. Wenn Jugendliche nicht zu uns kommen,

dann müssen wir zu ihnen gehen, ob in Shisha Bars oder in

Spielhallen. Wir müssen ihnen das Vertrauen an die Gesellschaft

zurückgeben. Dies erfordert gezielte Jugendarbeit

und mehr staatliche Mittel für die Umsetzung tiefgreifender

Projekte.

Wenn wir es schaffen, diesen jungen Menschen eine

Perspektive für ihre Zukunft in Österreich zu geben, werden

sie verstehen, dass sie viel mehr sind als die vermeintlichen

Beschützer ihrer eigenen Nationalität!

© SÖZ, Ben Owen-Browne

Am 24. Juni wurde im

Wiener Favoriten die

Frauenkundgebung

des links-politischen

Migrant*innenvereins ATIGF attackiert.

Die Frauen wollten auf den Anstieg der

Morde an Frauen aufmerksam machen

und verbanden die Entwicklungen auf

globaler Ebene (Angriff des türk. Militärs

auf drei kurdische Aktivistinnen in Nordsyrien).

Diese Frauenkundgebung wurde

am Viktor Adler Markt von aggressiven,

wutgeladenen, gewaltbereiten Männern

gestört und attackiert. Die Frauen

mussten sich dann in ihre Vereinsräumlichkeiten

im Ernst Kirchweger Haus

(EKH) zurückziehen und stundenlang

auf Hilfe warten. Währenddessen

sammelten sich binnen kürzester Zeit

hunderte junge Männer, Anhänger der

Grauen Wölfe.

Am 25. Juni eskalierte die Lage. Der

Demonstration, die als Protest gegen

die männliche Aggression gegen die Frauenkundgebung am

Tag zuvor organisiert wurde, wurde mit einer Racheaktion am

Abend begegnet. Die jungen Männer versammelten sich zu

hunderten rund um das EKH. Sie gingen ins Gebäude hinein,

drohten den Bewohner*innen und Vereinsmitgliedern mit

dem Tod, zeigten Messer und andere Waffen, wogegen sich

die Menschen im EKH nur mit Sesseln und Fahnenstöcken zu

wehren versuchten. Mit „Allah-u Akbar!“ und „Recep Tayyip

Erdogan!“ Slogans drohten sie, das Gebäude anzuzünden.

Es handelt sich um die gleiche Gruppe aus Favoriten, die

heuer die 1. Maikundgebung am Keplerplatz provoziert und

attackiert hatte.

KOORDINIERTE PROVOKATION

Die Männer kommen aus Kreisen der türkischen Ultranationalisten

und diversen islamischen und islamistischen

Strömungen. Sie sind in den Vereinen dieser organisiert

und scheinen auch von dort aus mobilisiert zu werden. Das

Vorgehen war geplant: Zuerst werden Teenager und Minderjährige

vorgeschickt, um die Lage in der Demonstration

Zeynem Aslan, 34, ist Autorin,

Sozialwissenschaftlerin und

Expertin im Bereich Gender- und

Diversitätsmanagement. Auch sie

war vorort.

„Bei den gewaltsamen Ausschreitungen

handelt es

sich nicht um ein Integrationsproblem.

Wir haben ein

Faschismus-, Rassismus- und

Sexismusproblem!“

abzuchecken – im Anschluss kommen

ältere Männer, um Einzelpersonen zu

provozieren. Sie kommunizieren ständig

über ihr Handy Anweisungen. Kaum

erteilt die Polizei einen Platzverweis,

kommen die nächsten und umzingeln

die Veranstaltung.

Diese Männer, die die letzten Tage

Menschen mit dem Tod und Anzündung

des EKHs bedroht haben, sind

definitiv keine Opfer. Sie nehmen mit

ihren Handykameras Videos und Bilder

von Personen auf, die sich bei den

Antifaschismusdemonstrationen und

-kundgebungen beteiligt haben, und

schicken die Infos in ihren eigenen Reihen

durch. Sie verfolgen die Menschen

und schüchtern die ein, die zum Teil im

Bezirk selbst wohnhaft sind.

Tatsächlich ist die Haltung der

Polizei besonders fragwürdig gewesen.

Zum einen scheint sie sich über die

Dimension der Situation nicht im Klaren

zu sein und/oder degradiert bewusst rassistisch das Thema

pauschal zu einem „Kurden-Türken-Konflikt im Ghetto Favoriten“.

Es fehlen die interkulturellen und sprachlichen Kompetenzen.

Die jungen Männer erzählen, drohen und sagen auf

Türkisch ganz andere Inhalte und auf Deutsch versuchen sie,

die Polizei auf die eigene Seite zu ziehen. Sie machen den

Wolfsgruß und provozieren die Teilnehmer*innen von angemeldeten

Demonstrationen mit faschistischen Slogans. Die

Polizei argumentiert, dass sie stets de-eskalierend handelt.

Viele Menschen haben tatsächlich den Eindruck, dass die

Polizei wohl darauf gewartet hat, dass sich die sogenannten

Ausländer*innen allesamt gegenseitig die Köpfe einschlagen.

Das Profil dieser jungen Männer ist ein aggressives,

autoritäres, gewaltbereites marginalisiertes Männerprofil. Bei

den gewaltsamen Ausschreitungen handelt es sich nicht um

ein Integrationsproblem, die gewaltbereiten, faschistischen

Männer sprechen allesamt gutes Deutsch. Es handelt sich

auch nicht um ein Ausländerproblem – Kurden gegen Türken.

Die Ausschreitungen zeigen vor allem eines auf: Wir haben

ein Faschismus-, Rassismus- und Sexismusproblem!

18 / MIT SCHARF /

/ MIT SCHARF / 19



TATEN STATT WORTE!

Struktureller Rassismus, Polizeigewalt und weiße Vorherrschaft – diese Schlagworte

sind seit George Floyds Tod omnipräsent. Es wird an der Zeit, Lehren für

die Zukunft zu ziehen. Dazu gehören: Schulbücher umschreiben, Einbindung von

Schwarzen Vereinen und mehr Repräsentation in Politik und Medien.

Von Vanessa Spanbauer

Ein Hashtag hat es die letzten Wochen

geschafft, ein Thema an die Oberfläche zu

wirbeln, welches sehr lange ignoriert wurde:

#BlackLivesMatter. Das Schwarzsein steht

eigentlich nie im Zentrum öffentlicher Debatten,

die in den Medien ausgetragen werden. Besonders

nicht in Österreich. Doch wie in Österreich

die Ermordungen von Marcus Omofuma

(1999) oder Seibane Wague (2003) zeigen,

haben wir mit dem selben Problem

zu kämpfen wie die Amerikaner.

Verurteilungen und Konsequenzen

gibt es bei Polizist*innen, die

Gewalt ausüben, in Österreich

ebenso wie in den USA selten

bis gar nicht. Schwarze

Menschen fordern auch

in unserem Land seit

Jahrzehnten einen anderen

Umgang der Polizei mit den

Themen Racial Profiling, Polizeigewalt

oder Fehlerkultur und Konsequenzen.

Es bleibt zu hoffen, dass die

zahlreichen Forderungen von Schwarzen

Menschen in der derzeitigen Situation

nicht weiter so ignoriert werden, wie sie es

leider seit Ende der 90er Jahren geschieht.

WEISSE MIGRANTEN >

SCHWARZE MENSCHEN

Die eigenen Privilegien erkennen, ist eine

weitere Forderung, die mittlerweile immer

mehr gestellt wird. Denn die weiße Mehrheitsgesellschaft

in diesem Land ist sich

meist nicht bewusst, welche Vorteile und

KOMMENTAR

Privilegien sie genießt. Weißsein wird nicht als Kategorie

wahrgenommen, denn besonders Manfred, Manuela,

Herbert, Lisa, Daniel und Anna bestehen darauf, als Individuum

wahrgenommen zu werden. Genau diese Menschen

schaffen es allerdings immer wieder, Menschen als

„die Anderen“, die Afrikaner*innen, die Migrant*innen

und vieles weitere zu definieren und in Gruppen

einzuteilen. Diese Gruppen werden oft mit

negativen Eigenschaften und Vorurteilen

behaftet, während weiße Menschen nur

als Einzelpersonen gesehen werden

wollen. Besonders Schwarze

Menschen werden meist in einen

Topf geworfen, da sie sich

äußerlich klar von einer weißen

Person unterscheiden.

Weiß zu sein und weiße Privilegien

zu haben, heißt nicht

gleich Österreicher*in sein.

Denn auch weiße Menschen, die

Migrant*innen sind, haben klare

Privilegien gegenüber Schwarzen

Menschen. Obwohl Diskriminierung

aufgrund der Herkunft, des

Namens und der Sprache ebenso

große Probleme sind, unterscheidet

sich diese Art der Benachteiligung

und Herabwürdigung ganz klar von

Anti-Schwarzem-Rassismus. Wenn man

Schwarz ist, ist es egal, ob eine Person

deinen Namen, deine Herkunft oder deine

Sprachkenntnisse kennt. Sobald du auf

die Straße gehst und gesehen wirst, wirst

du in eine Schublade gesteckt.

Das Privileg des Weißseins gipfelt

© Helena Wimmer, Vernes Lahloh, Keith Tyler

noch in einem weiteren Thema, das endlich angesprochen

werden muss, nämlich die White Supremacy, auf

Deutsch „weiße Vorherrschaft“. Eine weiße Grundordnung,

von der weiße Menschen profitieren. Seit Jahrhunderten.

Es gibt weiße Menschen, die klar dafür kämpfen,

dass diese Ordnung bestehen bleibt. Jedoch sind die

meisten weißen Menschen nicht so klar rassistisch, sondern

achten einfach nicht drauf, dass die gesamte Welt

sie als herrschende Gruppe sieht und alles nach ihren

Bedürfnissen und Wünschen auslegt. Deswegen ist es

auch so wichtig, nicht in den „ich sehe keine Farben, für

mich sind alle gleich“ Ansatz zu verfallen, den viele weiße

Menschen, die sich als nicht rassistisch sehen wollen,

für sich gewählt haben. Es ist zwar im Gedanken schön,

wenn eine Person keinen Unterschied sieht und absolute

Gleichberechtigung will, aber mit diesem Ansatz leugnet

diese Person in der Realität gleichzeitig die Unterschiede,

die fehlenden Privilegien und die Diskriminierung, die

viele nicht-weißen Menschen täglich erleben. Geleugnet

wird dabei auch die Struktur, die es weißen Menschen

erlaubt, in allen Machtpositionen zu sein und ohne Zutun

als Norm, also als „Normalität“ gesehen zu werden.

Diese Machtposition spiegelt sich klar in Bereichen wie

dem Bildungssystem, den Medien und der Politik wider,

wo diskriminierende und rassistische Bilder von Schwarzen

Menschen immer noch dazugehören. In all diesen

Bereichen gibt es zahlreiche Forderungen zu Veränderung

und Projekte von Schwarzen Menschen, die hier etwas

verändern wollen.

SCHWARZE MENSCHEN

IN SCHULBÜCHERN

Durch #BlackLivesMatter stehen

all diese Schlagworte plötzlich auf

Schildern und Bannern, die teilweise

auch selbstkritische, reflektierte weiße

Menschen in die Luft halten. Genau

dahin sollen wir als Gesellschaft kommen,

denn egal welche Forderungen

Schwarze Menschen auch stellen,

solange die weiße Mehrheitsgesellschaft

nicht mitmacht, kann keine

notwendige Veränderung geschehen.

Die bereits seit Jahren im Raum

stehenden Forderungen beziehen sich

zum Beispiel auf mehr Repräsentation

in der Politik und Medienwelt mit einer

klaren Reduktion der kriminalisierenden

und erotisierenden Darstellungen

von Schwarzen Menschen in diesen

Bereichen. Sie beziehen sich ebenso

auf ein adäquates Afrikabild und

eine angemessene Darstellung von

Schwarzen Menschen in Schulbüchern

und dem gesamten Bildungsbereich

Vanessa Spanbauer wurde 1991 in Wien

geboren und ist Journalistin und Historikerin.

Seit 2016 ist sie Chefredakteurin

des Magazins fresh – Black Austrian Lifestyle

und seit 2019 im Redaktionsteam

des feministischen Magazins an.schläge.

Weltweit zeigen sich junge Menschen bei

#BlackLivesMatter Protesten solidarisch.

und einer Untersuchung und Entfernung von diskriminierenden

Inhalten in diesen Sektoren. Außerdem wird seit

Jahren auf die immer noch stark ausgeprägte Diskriminierung

gegen Schwarze Menschen bei der Wohnungs- und

Jobsuche aufmerksam gemacht, die

mit Hilfe von klaren Maßnahmen und

Schulungen adressiert werden muss.

Für die Polizei wurden, wie oben

bereits erwähnt, seit Jahren zahlreiche

Forderungen gestellt, die derzeit

neu veröffentlicht werden und sich

hier für eine klare Einbeziehung von

Schwarzen Vereinen in die Ausbildung

und Fehlerkultur der Exekutive

aussprechen.

Möglicherweise kommen in dem

Text Begriffe vor, die nicht jeder

Person bekannt sind. Suchmaschinen,

Podcasts und Bücher schaffen hier

Abhilfe, diese Begriffe und Konzepte

zu verstehen. Obwohl diese Begriffe

für viele Menschen neu erscheinen,

gibt es seit Jahrzehnten Schwarze

Menschen, die diese Themen – sehr

oft gratis - immer wieder erklären.

Deshalb ist es so wichtig, endlich

zuzuhören und aufzuhören, die Augen

und Ohren zu verschließen. Denn die

Forderungen sind da, nehmt sie endlich

auch wahr. ●

20 / POLITIKA /

/ POLITIKA / 21



DAS SCHWARZE WIEN

Abseits der „Black Lives Matter“-

Proteste bestreitet Wiens Schwarze

Community größtenteils unbemerkt

ihren Alltag. Damit ist jetzt Schluss!

Die Journalistin Lisa-Marie Idowu

zeigt biber ihr Schwarzes Wien.

Fotos: Zoe Opratko

AFRIKANISCHER

GOTTESDIENST

Religion und die Schwarze Kultur sind stark miteinander

verwoben. Der starke Glaube eint und

beflügelt. Messen lassen kein langweiliges Stöhnen

in der Community ertönen, sondern sind

das spirituelle und gesellschaftliche Highlight

der Woche. Denn hier werden nicht monotone

Sprechchöre gehalten, sondern gesungen,

getanzt und gefeiert. Aber auch der Zusammenhalt

ist sehr stark – man versucht einander

zu unterstützen und die Community zu stärken.

Reverend Nganga John Njenga ist Priester der

englischsprachigen, afrikanischen und katholischen

Gemeinde und hält für die Community

Messen ab. Er ist nicht nur ein gläubiger,

sondern auch geduldiger Mensch: „Das Motto

unserer Messen ist ‚We don’t have the watches,

we have the time.‘ Wir lassen den Priestern für

ihre Predigten Zeit. Wir schauen nicht auf die

Uhr und warten darauf, dass der Gottesdienst

bald vorbei ist. Denn wir wissen, dass jede*r

einen anderen Punkt aus der Predigt mitnimmt.

Auch aus diesem Grund verlässt niemand nach

der Messe schnell die Kirche – ganz im Gegenteil.

Die Leute verbringen noch gemeinsam Zeit

in der Kirche, musizieren, tanzen und feiern.“

Obwohl der größte Teil der Kirchengänger aus

Westafrika kommt, lädt der Reverent Gläubige

aller Länder zu sich in die Messe ein: „Bei uns

sind alle Menschen willkommen, wir kennen

keine Grenzen. Die einzige Voraussetzung, die

wir haben, ist, eine englischsprachige Messe zu

verstehen.“

Im Gottesdienst geht es musikalisch zu.

Die englischsprachige, afrikanische und

katholische Gemeinschaft, der der Reverend

Nganga John Njenga vorsteht, hält ihre Messen

sonntags um 11:15 in der Pfarrkirche

Auferstehung Christi in der Siebenbrunnenfeldgasse

22–24, 1050.

22 / RAMBAZAMBA /

/ RAMBAZAMBA / 23



AFRIEUROTEXT

Bücher von Schwarzen Autor*innen oder mit

starkem Afrika-Bezug sind in Österreich leider noch

immer Mangelware. Wer Texte und Bücher von

Maya Angelou, Richard Wright oder Audre Lorde in

Wien kaufen will, sucht lange. Und meist vergebens.

Die Initiative AFRIEUROTEXT mit der gleichnamigen

von Daniel Romuald Bitouh geleiteten Buchhandlung

will das ändern und lädt fast täglich zum Diskurs

ein. Ziel ist, die Hauptanlaufstelle für Personen zu

sein, die mehr über die afrikanische Kultur erfahren

möchten und sich engagieren wollen: „Studierende

kommen zum Recherchieren oder mit dem Wunsch,

eine Feldforschung in Afrika durchzuführen. Binationale

Familien kommen meist gemeinsam

her, um Kraft zu tanken oder Kindern mehr über

die Wurzeln ihrer Familie zu zeigen. Dies können

Bücher, Vorträge aber auch das Heranführen an

afrikanische Sprachen sein wie Bambara, Susu oder

Wolof“, nennt Bitouh die vielfältigen Gründe, in sein

Bücherreich im zweiten Bezirk einzutauchen.

Wer wirkliches Interesse an einem bestimmten

afrikanischen Land und der Kultur hat, Lust auf ein

anregendes Gespräch verspürt oder ein entspanntes

Verweilen in angenehmer Atmosphäre sucht, ist

absolut richtig in der AFRIEUROTEXT Buchhandlung.

Jeder Besuch ist ein einzigartiges Erlebnis, ein Eintauchen

in die lang ersehnte Heimat, ein Erforschen

der eigenen Wurzeln.

Farbenfroheit und Mut zum Mustermix sind bei Barbara Alli Trend.

HAND MADE

STORY

by Barbara Alli

Fashion ist ein fester Bestandteil der

Schwarzen DNA. Was nie aus der Mode

kommt, sind afrikanische Stoffe und

Muster. Sie pimpen jedes Outfit mit einer

besonderen Portion „Roots“ auf und ziehen

die Aufmerksamkeit auf sich. Traditionelle

afrikanische Kleidung zu bekommen

ist jedoch kein leichtes Unterfangen –

auch nicht in einer Großstadt wie Wien.

Geschäftsfrau, Model und Sängerin Barbara

Alli versucht mit ihrem Shop „Hand

Made Story by Barbara Alli“ diese Lücke

zu schließen. „Die Idee für den Shop kam,

nachdem ich nach Wien gezogen bin. Ich

hatte schreckliches Heimweh und fragte

mich, wie ich meine Heimat zu mir bringen

könnte“, erinnert sich Alli. Ihre Kunden

wollen entweder ein Stückchen Heimat

mitnehmen oder neugierig in eine neue

Kultur eintauchen.

Headwraps, Dresses, Accessoires

oder Hemden – wer ein Stückchen Afrika

bei sich tragen will, ist bei Barbara Alli

in den richtigen Händen. Mit den coolen

Afrobeats, der wunderbaren Stimmung

und der stylishen Mode will man den Shop

auch gar nicht mehr verlassen.

WO?

Lassallestraße 20, 1020.

https://www.afrieurotext.at/

Afrikanische Literatur wurde in Wien lang vernachlässigt.

WO?

Wiedner Landstrasse 25, 1040.

handmadestory.at

24 / RAMBAZAMBA /

/ RAMBAZAMBA / 25



MAYA’S

AFRO STYLE

Haare und Hairstyles sind für die Schwarze Kultur

unfassbar wichtig – und mit Schwarzem Haar

umzugehen ist eine Kunst. Umso schwieriger ist

es, Frisör*innen zu finden, die sich damit auskennen.

Mayamisse Soura ist eine davon. Egal ob

Braids, Weave oder ein Schnitt – Maya kann das

alles mit links. Die gebürtige Burkinerin übt seit

über 16 Jahren ihr Handwerk aus und besitzt seit

vier Jahren ihren eigenen Afro Shop. „Ich denke,

dass es mehr Salons wie meinen geben sollte, die

sich auf die Haare Schwarzer Menschen spezialisieren.

In der heutigen Gesellschaft werden

Afro-Haare noch immer als ‚nicht schön‘ oder

‚befremdlich‘ angesehen“, so Soura. Aufgrund der

freundlichen Atmosphäre kommen mittlerweile

Kunden von afrikanischen wie auch lateinamerikanischen

Ländern, sowie Schwarze und weiße

ÖsterreicherInnen zu ihr in den Salon.

Lust auf eine neue Frisur oder eine Haarberatung

bekommen? Egal ob Afrohair, lockiges oder

glattes Haar – bei Maya bist du an der richtigen

Adresse.

LUKOIL

immer in Bewegung.

ImPulsTanz Dance Contest 2016, Yankalle Filtser © Karolina Miernik

WO?

Gumpendorferstraße 69, 1060.

www.mayasafrostyle.com

26 / RAMBAZAMBA /

Kund*innen mit verschiedensten Haartypen kommen in Mayas

Salon, um sich die Haare flechten zu lassen.

Gemeinsam mit dem ImPulsTanz Festival bewegt LUKOIL im Sommer ganz Wien.

So tanzen wir draußen und gratis – Public Moves im Juli und August!

www.impulstanz.com

Lukoil Anz ImPulsTanz Festival biber MP3-3.indd 1 19.05.20 10:00



AFRICAN

MEAT JOINT

am Brunnenmarkt

Zur Autorin:

Lisa-Marie Idowu ist in Graz

geboren, lebt seit sechs Jahren

in Wien und hat ihre Wurzeln

in Nigeria und Österreich. Sie

hat ihren Bachelor in Publizistik-

und Kommunikationswissenschaften

absolviert

und schließt momentan ihren

Master in Media- und Kommunikationsberatung

ab. Als freie

Journalistin setzt sie ihren

Schwerpunkt auf feministische

Themen, Diversität und Rassismus.

Ihr Text ist daher auch

gendergerecht mit * verfasst.

Ihr Blog ist unter lissiix.wordpress.com

zu finden. Auf Social

Media ist sie unter lissi_ix zu

finden.

Afrikanisches Essen ist Geschmack, Schärfe und

Liebe. Es wird in großen Mengen serviert, damit die

ganze Familie auch richtig satt wird. Im Mittelpunkt

der Speisen steht meist eine Zutat: Fleisch. Der ultimative

Hotspot, um das buchstäbliche Herz deiner

„Pepper Soup“ oder deines „Stews“ zu bekommen,

ist der African Meat Joint am Wiener Brunnenmarkt.

„Die meisten meiner Kund*innen kommen aus Nigeria,

Ghana und anderen afrikanischen Ländern“, verrät

mir der Besitzer Yusif Sunday. Der Unterschied

beim Einkaufen ist schnell erklärt: „Afrikaner*innen

kaufen viel und große Mengen – egal ob es Ziege,

Rind, Lamm oder Innereien sind. Ganz wichtig ist für

sie, dass das Fleisch von uns nochmals zerkleinert

wird, damit sie es gleich für Stew oder eine Suppe

verwenden können. Nicht-Afrikaner*innen kaufen

nur ein bestimmtes Stück Fleisch.“

Ob Rindfleisch für Meat Pies, Huhn zum Jollof

Rice (Reisgericht aus Westafrika) oder Ziegenfleisch

für Egousi Soup (nigerianische Suppe aus gemahlenen

Melonenkernen) – am African Meat Joint findest

du genau das und viel mehr. Kleiner Tipp am Rande:

Genau hinter dem Stand kannst du im Laden noch

Okra, Plaintain oder Yam kaufen, um deine Gerichte

zu vollenden.

WO?

Brunnenmarkt, Nähe Thaliastr., 1160 Wien

Im African Meat Joint bekommt man Ziegenfleisch und andere

Spezialitäten.

Polizei. Mehr als ein Beruf.

Wichtige Aufgabe. Beste Ausbildung. Spannende Herausforderung. Vielfältige Chancen.

Starker Teamgeist. Kein Tag wie jeder andere. Mehr Freiheit. Mehr Sicherheit für Österreich.

Wir sind dabei. Du auch? Bewirb dich. Jetzt.

Entgeltliche Einschaltung des Innenministeriums

28 / RAMBAZAMBA /

Mehr über deine Karriere bei der Polizei auf

polizeikarriere.gv.at

/ MIT SCHARF / 29



KEIN KIND?

Sie haben nichts gegen sie, sie wollen nur keine haben: Kinder. Doch Frauen ohne

Kinderwunsch werden nicht akzeptiert und als „unnatürlich“ abgestempelt. Über

den Wunsch nach Sterilisation, den Vorwurf des Egoismus und die Absprache der

Mündigkeit: Vier Frauen erzählen von ihren Beweggründen und darüber wie es

ist, stetig im Kreuzverhör zu stehen.

Text: Hannah Lea Jutz, Illustrationen: Linda Steiner

DIE SPINNT!

Barfuß gehe ich durch eine

Blumenwiese. Es duftet

nach Frühling und eine

leichte Brise wirbelt mir die

Haare ins Gesicht. Ich blicke nach unten

und erschrecke. Statt meiner Füße sehe

ich plötzlich einen runden, gewölbten

Bauch. Schweißgebadet wache ich auf.

Ich sitze kerzengerade in meinem Bett,

atme schwer und greife mir panisch an

den Bauch. Nur ein Traum. Gottseidank.

Was für viele ein Lebensziel ist, ist für

mich der absolute Albtraum. Ich will keine

Kinder. Sie überfordern mich. Sie sind

laut, haben zu viel Energie und brauchen

immer Aufmerksamkeit. „Du bist noch

jung, das kommt schon noch“, „Das

kannst du doch nicht sagen!“, oder „Warum

denn nicht?“ sind Sätze, die ich mir

anhören muss, wenn ich erzähle, dass

ich keine Kinder will. Eigentlich sollte es

egal sein, warum ich und andere Frauen

sich gegen Kinder entscheiden. Ob wir

das aus finanzieller Instabilität, einem

fehlenden Partner oder der Fokussierung

auf Ausbildung und Beruf bestimmen.

Ich sollte nicht rechtfertigen müssen,

dass ich zu jenen Frauen gehöre, die

mitunter dem Klima zuliebe keinen Nachwuchs

in die Welt setzen möchten. Denn

mit meinen 21 Jahren bin ich Teil der

Generation, die am stärksten vom Klimawandel

betroffen sein wird. Wie soll es

da erst meinen Nachkommen ergehen?

Laut einer schwedischen Studie spart der

Verzicht auf ein Kind mehr als zehnmal

so viel CO2 wie der auf ein Auto. Motive

für ein kinderfreies Leben gibt es viele.

Letztlich habe ich einfach kein Bedürfnis,

eines zu bekommen. Und damit bin ich

nicht allein.

SYSTEMFEHLER

Rojda * ist heuer dreißig geworden,

verheiratet und kinderlos. Sie kommt

aus einer kurdischen Gastarbeiterfamilie

und ist Migrantin in zweiter Generation.

„Für mich war es, wie für viele andere

Frauen in der Community, eine Selbstverständlichkeit,

dass ich irgendwann

Kinder habe.” In ihrer konservativen

Familie gehören Kinder zum Leben dazu.

„Meine Eltern haben immer gesagt ‘Erst

wenn du selbst Kinder hast, wirst du

mich verstehen.’ Dieser Satz hat mich

geprägt. Und er macht mir Angst. Er

war wie eine Entschuldigung für Fehler,

die sie in der Erziehung gemacht haben.

Deswegen fürchte ich mich davor, ein

eigenes Kind zu erziehen. Man kann so

viel falsch machen.”

In den letzten Jahren standen

bei Rojda Studium und ihre Arbeit im

Kunst- und Kulturbereich im Vordergrund.

„Kinder waren für mich einfach

nicht präsent. Wenn man einen Partner

und einen sicheren Job hat, fragen die

Leute aber irgendwann: ‚Und, wie sieht’s

aus?‘”. Solche Aussagen stören sie. “Nur

Frauen bekommen diese Frage gestellt.

Es ist aber eine Entscheidung, die man

gemeinsam mit dem Partner treffen

muss.” Rojdas Mann will keine Kinder.

Zumindest nicht in dem System, in dem

die beiden leben. Ihr geht es ähnlich.

„Ich habe keine Lust, das Kind in den

Kindergarten zu bringen, arbeiten zu

gehen, es wieder abzuholen und dann

für jedes Wochenende dankbar zu sein.”

30 / RAMBAZAMBA /

/ RAMBAZAMBA / 31



Rojda fühlt sich von den Strukturen in

Österreich benachteiligt. Für sie würde

sich durch faire Karrieremöglichkeiten

und ein gerechteres Karenz- und Teilzeitarbeitssystem

viel ändern. „Ich will nichts

aufgeben müssen. Selbst wenn man

den perfekten Partner hat, trägt man als

Frau viel mehr Verantwortung. Es muss

normal sein, Männer mit Kindern am

Spielplatz zu sehen. Auch außerhalb von

Neubau und Mariahilf.”

DIE LÜCKE IM GESUND-

HEITSSYSTEM

Für Ina war immer schon klar, dass sie

keine Kinder will. „Ich habe nichts gegen

Kinder. Ich will nur keine eigenen.“

Im Februar hat sich die Psychologin

sterilisieren lassen. Mit 29 Jahren. Nach

jahrelanger Verhütung mit und ohne

Hormonen, jeweils mit starken Nebenwirkungen,

war es die einzige Methode,

die für sie noch in Frage kam. „Dass ich

mich irgendwann sterilisieren lassen

will, wusste ich schon vor zehn Jahren.

Ich habe mir immer gedacht, dass das

langfristig sinnvoll ist und meinen Körper

nicht unnötig mit Hormonen belastet.“

Da eine Sterilisation laut österreichischem

Gesetz erst ab 25 erlaubt ist, war

es für Ina länger kein Thema. „Entweder

man erklärt eine Person mit 18 für

mündig oder nicht. Ich verstehe nicht,

dass das Gesetz bei der reproduktiven

Selbstbestimmung einen Unterschied

macht.“ Mit 24 wurde die Sterilisation

wieder aktuell: „Zuerst habe ich lange im

Internet recherchiert und praktisch nichts

gefunden. Viele Ärzte haben mir gesagt,

dass sie es nicht bei Frauen unter 35 und

mit weniger als zwei Kinder vornehmen

würden.“ Ihr eigener Gynäkologe konnte

den Eingriff nicht durchführen, da er in

Krankenhäusern mit christlichem Träger

operiert.

SELBSTBESTIMMUNG

STATT BEVORMUNDUNG

Elke Graf leitet das Ambulatorium

„pro:woman“, eine der wenigen Anlaufstellen

für Frauen mit Sterilisationswunsch

in Wien. „Uns ist wichtig, dass

Frauen autonom und selbstbestimmt

entscheiden und ihnen das auch zugemutet

wird. Wir verstehen uns als Feministinnen

und Feministen.” Sie sieht das

Gesetz ebenfalls kritisch. „Das Alterslimit

ist nicht legitim und es gibt keine rechtliche

Grundlage. Den Gesetzgeber geht es

nichts an, ob man Kinder will oder nicht,

das ist eine unzulässige Bevormundung.”

Neben dem Gesetzgeber würden auch

viele Ärzte die Selbstbestimmung von

Frauen untergraben. „Da man keinen

Arzt verpflichten kann, den Eingriff zu

machen, ist es eine Haltungsfrage. Viele

Ärzte sind noch von der alten Schule

und denken, sie wissen es besser als

die Frauen selbst.“, so Graf. Sterilisation

und Vasektomie rentieren sich langfristig

und sind „die sichersten Verhütungsmethoden,

die es gibt.“ Die Sterilisation

rückgängig zu machen, ist schwierig

und selten erfolgreich. “Zu uns kommen

kaum Frauen, die diesen Wunsch haben.

In den letzten fünf Jahren war es vielleicht

eine.”

WENN DER KÖRPER DAS

MACHT, WAS FRAU WILL

Vor einem Jahr trennt sich Ina von ihrem

sterilisierten Freund und kontaktiert nach

längerer Suche eine Praxis in Wien. Hier

wird ihr anfangs gesagt, wie jung sie ist

und ob sie es nicht mit einer anderen

Methode versuchen möchte. „Ich erkläre

meine Situation und Gründe gerne,

aber ich will mich nicht rechtfertigen

müssen. Am Ende des Tages ist es die

Entscheidung der betroffenen Person.“

Sie entscheidet sich für die komplette

Entfernung der Eileiter. „Ich wollte etwas

Endgültiges.“ Nach einem Beratungsund

einem Aufklärungsgespräch kam

nach der Anästhesie der OP-Tag. „Man

wünscht sich diesen Eingriff so lange, da

war kein Hauch von Unsicherheit, sondern

nur Erleichterung. Es war stimmig

und ich habe mich gefreut.“ Nach der OP

ruft Ina ihre Mama und engsten Freunde

an. „Von meiner Familie und Freunden

bin ich immer unterstützt worden, auch

weil ich sehr offen mit dem Thema

umgegangen bin.“ Nervige Kommentare

gab es trotzdem: „’Jede Frau will mal ein

Kind’ und ‘das ändert sich noch’ habe ich

am häufigsten gehört.” Seltener wurde

ihr Egoismus vorgeworfen. “Wobei ich

nicht glaube, dass die Leute heutzutage

noch Kinder kriegen, um ihre soziale und

wirtschaftliche Versorgung im Alter zu

gewährleisten. Sie wollen Kinder, so wie

ich eben keine will.“ In solchen Situationen

wünscht sich Ina mehr Offenheit für

Lebensmodelle, die nicht den eigenen

Vorstellungen entsprechen. In Inas Vorstellung

gehörte die Sterilisation zu ihrem

Leben dazu. „Das Größte ist für mich die

Selbstbestimmung über meinen Körper,

meine Fruchtbarkeit oder in dem Fall

meine bewusst gewählte Unfruchtbarkeit

und mein Leben. Mein Körper macht jetzt

das, was ich mir wünsche.“

EINE ENTSCHEIDUNG

FÜRS LEBEN

„Mit vierzehn habe ich zum ersten Mal

gesagt, dass ich keine Kinder will“,

erzählt Lisa. Die Autorin ist 55 und hat

bewusst ein kinderfreies Leben gewählt.

„Ich mochte schon als Kind keine Kinder.

Wenn ich in den Hof zum Spielen

gegangen bin, hab ich gewartet bis sich

alle schleichen“, lacht Lisa, die in der

Steiermark aufgewachsen ist. Später

erfährt sie, dass sie hochsensibel ist

und sehr empfindlich auf Lärm reagiert.

„Ich brauche viel Freiraum und Ruhe.

Ich muss immer die Möglichkeit haben,

wegzukommen.“ Viele aus Lisas Umfeld

sagten, es müsse erst der Richtige

kommen, dann würde sie schon Kinder

wollen. „Wenn es der Richtige ist, wird

er mich nicht damit belasten, habe ich

dann entgegnet.“ Seit zehn Jahren ist

Lisa mit ihrer Partnerin Moni zusammen,

inzwischen sind die beiden verheiratet.

Zuvor hatte sie immer Beziehungen mit

Männern, bei denen sie früh abgeklärt

hatte, dass Kinder kein Thema sind:

“Mittlerweile bin ich in einem Alter, in

dem man mich in Ruhe lässt. Es würde

auch körperlich nicht mehr gehen.”

SELBSTVERWIRKLI-

CHUNG ABSEITS VOM

KINDER KRIEGEN (ODER

LISA ZUERST)

Rojda kann sich aktuell nicht vorstellen,

ein Kind zu haben. „Ich glaube auch

nicht, dass sich das in den nächsten

Jahren ändert. Ich will mir aber die Möglichkeit

offen lassen und mich nicht auf

eine Meinung festlegen.“ Gelegentlich

gibt es Kommentare von ihrer Mutter,

wie schön es doch wäre, Enkelkinder

zu haben. Direkte Fragen aber keine.

„Es ist nicht mehr so, wie es früher war.

Das Familienkonzept, wie sie es kennen,

verändert sich. Sie werden mit meiner

Entscheidung zu kämpfen haben, aber

sie werden sich damit abfinden müssen.“

Für viele Menschen bedeuten Kinder

Selbstverwirklichung. Nicht aber für

Rojda und ihren Partner: „Wir wollen aus

dem kapitalistischen Stadtleben aussteigen

und in einer Selbstversorgerkommune

neu anfangen. Das bedeutet auch, die

Familienplanung erstmal hinter uns zu

lassen.“

Die Familie, die sich Lisa aufgebaut

hat, ist nicht blutsverwandt mit ihr. „Auf

meine Wahlfamilie kann ich mich aber

genauso verlassen.“ In der Coronakrise

half sie ihren kinderlosen Nachbarn,

fehlende Pflege von den eigenen Kindern

war für sie nie Thema. „Das würde ich

gar nicht wollen. Die Leute sagen immer,

es ist egoistisch, wenn man keine Kinder

will. Ich finde es egoistisch, Kinder aufzuziehen

und dann von ihnen zu erwarten,

dass sie sich um einen kümmern.“

Vor acht Jahren hielt sie zum ersten Mal

ein winziges Baby in der Hand: “Ich hatte

so Angst, dass es runterfällt. Es war auch

entzückend und lieb, aber für mich kann

ich mir das einfach nicht vorstellen.” Mit

Kindern von Freunden kommt sie gut

aus, ist aber auch froh, wenn sie wieder

heimkommt. An ihrem Leben würde Lisa

nichts ändern. „Mit Kind hätte ich mein

Leben komplett anders leben müssen.

Meine Persönlichkeit wäre anders. Ich

will von niemandem abhängig sein.“

FREIHEIT VOR BABY

Auch ich wollte schon als Kind möglichst

unabhängig sein. Laut meiner Mama

habe ich meine Baby-Born Puppe regelmäßig

liegen lassen und mich allgemein

nicht sonderlich gut um sie gekümmert.

Wahrscheinlich werden das also meine

einzigen Erfahrungen als Mutter bleiben.

Und das ist in Ordnung. Familienplanung

ist schließlich ein Menschenrecht. Jede

soll für sich selbst entscheiden, wie

diese Familie aussehen soll. Ein fehlender

Kinderwunsch mag für viele unverständlich

und für einige unnatürlich sein.

Doch glücklich sein geht auch - und für

manche Frauen nur - kinderlos. ●

* Name von der Redaktion geändert.

STERILISATION

BEI DER FRAU

Bei der Sterilisation werden die

Eileiter entweder mit Clips abgeklemmt,

durchtrennt oder komplett

entfernt. Die Clips-Methode

ist das einfachste Verfahren, aber

auch das, bei dem es - trotz sehr

geringer Wahrscheinlichkeit - am

ehesten zu einer Schwangerschaft

kommen könnte. Vor der

Sterilisation gibt es kostenlose

Beratungstermine, diese sind

jedoch nicht verpflichtend. Seit

30 Jahren bietet pro:woman die

Sterilisation mit Clips an, der Eingriff

kostet 1400 Euro. Auch die

beiden anderen Methoden liegen

preislich zwischen 1400 und 2000

Euro, müssen aber im Krankenhaus

durchgeführt werden. Die

Kosten zahlt frau selbst. “Leider

übernimmt das keine Kasse und

auch keine private Versicherung.

So wie überall im Verhütungsbereich”,

erklärt pro:woman Leiterin

Elke Graf. Den Eingriff rückgängig

zu machen ist sehr aufwendig und

funktioniert nur mikroskopisch.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die

Eileiter erfolgreich verbunden

werden, ist gering. Die Sterilisation

ist ebenso wie der Schwangerschaftsabbruch

kein Teil der

gynäkologischen Facharztausbildung.

32 / RAMBAZAMBA /

/ RAMBAZAMBA / 33



Keine Frage!

100% Milch

aus Österreich.

Österreichische Milch schmeckt nicht nur sehr gut, sie ist auch besonders

wertvoll – und zwar für unsere Landwirtschaft und jene,

die dafür arbeiten. Deshalb bezieht McDonald’s für Kaffee, Eis und

Shakes ausschließlich Milch, die zu 100% aus Österreich kommt.

Das schmeckt nicht nur unseren Gästen, sondern auch den vielen

Landwirten, die diese Milch für McDonald’s liefern.

100% Milch aus Österreich – wir machen’s und nennen das die

McDonald’s Machhaltigkeit. www.machhaltigkeit.at

© Marko Mestrovic, GLOV, it cosmetics, Ana Bilic

MEINUNG

Gut gealtert?

Darf man noch Friends schauen?

Oder How I Met Your Mother und

Two And A Half Men? Shows, die

vor zehn Jahren noch jeder gefeiert

hat, werden heute mit einem Naserümpfen

kritisch beäugt. Die Witze,

die damals als raffinierte Comedy

angesehen wurden, findet heute

halt keiner mehr lustig. Oder, um es

zeitgerecht auszudrücken: Problematisch.

Sexismus und Rassismus

sind in vielen beliebten TV-Shows

der Nullerjahre so stark vertreten,

als stünden sie als fixe Bestandteile

im Drehbuch. Nur dass es damals

halt keinem aufgefallen ist. Mir

auch nicht. Heute denke ich mir bei

gewissen Szenen einfach nur: Cringe

Alert. Der Zwiespalt zwischen Nostalgie

und dem unbequemen Gefühl

ist da. Das unbequeme Gefühl siegt.

Weil: Die Nostalgie wird bald durch

neue Shows ersetzt - die mit einer

anderen Art von Humor und Witz

siegen. Ich beneide die Jugend

von heute, die mit „Elite“ und „Sex

Education“ aufwächst. Bei Sendungen

dieser Art wird man nämlich mal

sagen können: Gut gealtert.

tulej@dasbiber.at

LIFE & STYLE

Mache mir die Welt,

wie sie mir gefällt

Von Aleksandra Tulej

BYE BYE,

STÖRENFRIEDE

Ich als jemand, der mit genetischen

Augenringen des Todes

gesegnet ist, und somit als selbsternannte

Concealer-Koryphäe

habe immer dasselbe Problem:

Wenn ein Concealer gut deckt,

verwischt er nach zwei Stunden.

Wenn er nicht verwischt, deckt er

genau gar nicht.

„Bye Bye under Eye“ von IT Cosmetics

deckt wirklich verdammt

gut. Er setzt sich allerdings nach

ein paar Stunden in den Falten

ab - das tut bei mir aber jeder

Concealer. Dennoch: Mich hat

die ganze Woche schon keiner

gefragt, ob ich krank oder müde

bin, was normalerweise im

Schnitt dreimal am Tag passiert.

Bye Bye anstrengende Kommentare.

Und die nerven mehr als

Augenringe. It Cosmetics, 26 €.

Dein neuer Roman „Mein

Name ist Monika“ erzählt

auf eine heitere Art und

Weise eine eigentlich

ernstere Geschichte – es

geht um die Hürden und

Herausforderungen, mit

denen eine junge Frau

mit Migrationshintergrund

konfrontiert wird. Woher

hattest du die Idee, diese

Thematik zu behandeln?

Ich bin selbst eine Frau

mit Migrationshintergrund

und kenne viele Aspekte,

die ein solcher „Status“

mit sich bringt. Ich lebe

seit 25 Jahren in Österreich,

mein Herkunftsland

ist Kroatien.

Ist es nur die Geschichte

einer einzelnen Person, oder steht Monika

Abgeschminkt

Abschminken nur mit Wasser? Fast:

Den GLOV-Handschuh mit warmem

Wasser nass machen, dadurch wird

die elektrostatische Wirkung der

Mikrofasern aktiviert. Das Make-up

bleibt im Handschuh, den man danach

wieder auswäscht. Mein Fazit: Ziemlich

flashig das Ganze. Das Make-up verschwindet

wirklich wie von selbst und

der Handschuh fühlt sich angenehm

auf der Haut an. Ein Nachteil ist aber

das mühsame Auswaschen, das man

sich bei herkömmlichen Abschminkprodukten

spart. Ich gehe

mich jetzt bei meinem

abgeschminkten Spiegelbild

für dieses

Gejammere

auf Höchstniveau

beschweren.

GLOV-

13,90 €.

für dich stellvertretend für

andere junge Frauen, die

3

eine ähnliche Geschichte

FRAGEN AN: haben?

In Monikas Geschichte

Ana Bilić

Autorin

können sich vermutlich

viele junge Frauen

„Mein Name ist Monika“

wiedererkennen: Sie ist

Single, auf der Suche nach

einer ganz „normalen“

Beziehung, was ihr aber

nicht gelingt. Das hat mit

ihrer Stärke als Person zu

tun – sie ist alles andere

als ein bescheidenes stilles

„Weibchen“.

An wen richtet sich das

Buch?

An alle LeserInnen, die

gute, lustige und zugleich

kritische und satirische

Literatur schätzen!

In allen teilnehmenden Restaurants und McCafés in Österreich, solange der Vorrat reicht.

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WIR SIND

BODY-POSITIVE.

Sie haben behaarte Rücken, dünne Oberschenkel, einen löchrigen

Bart und sind 160 cm groß. Body-Positivity ist in aller Munde – aber

gilt sie auch für Männer? Die biber-Models Cedric, Sahil, Ernan,

Denis, Alex und Damir finden: „Jeder Mann ist anders und das soll

auch gezeigt werden.“ Hier kommen die Badehosen-Trends 2020

abseits von Sixpacks und glattrasierten Brustmuskeln.

FOTOS: Julie Brass

TEXT: Emiliy Zens und Magdalena Zimmermann

PRODUKTION: Ivana Cucujkić-Panić

CASTING: Emiliy Zens und Magdalena Zimmermann

STYLING: Mirza Sprecaković

MODELS: Alex, Denis, Ernan, Damir, Sahil, Cedric

LOCATION: Eventhotel Pyramide, www.eventhotel-pyramide.com

36 / RAMBAZAMBA /

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Endlich passt die Welt – und der Werbeslogan. In der

neuesten Kampagne des Dessous-Herstellers Palmers

präsentieren Frauen mit rundem Popo, vollen Hüften,

kleineren und größeren Brüsten die neue Bikini-Mode. Body

Positivity at its best. Auch ein „Person Of Colour“-Model ist

vertreten. Gut gemacht, möchte man loben. Und doch, eine

leise Stimme empört sich. Sie gehört einem Mann. „Warum

dürfen Frauen in der Modewerbung nun ,echt‘ aussehen, den

Männern wird allerdings weiterhin der Waschbrettbauch abverlangt

– sogar als Mid-Ager mit grauen Haaren?“.

Stimmt. Denn der einzige Herr zwischen den Palmers-Nixen

sieht aus, wie alle männlichen Bademoden-Models aussehen,

ob alt oder jung: Breite Schultern, braune Haut und dazu ein

makel- und haarloses Waschbrett als Bauch. Diese Schieflage

kann man auch auf der H&M-Website

abrufen: Während die Bikini-Mode ganz

im Trend von Body Positivity präsentiert

wird, ist Körper-Diversität in der Badehosenwelt

nicht vorhanden. Da reiht sich

ein muskulöser Jüngling an den anderen.

Ist Body Positivity bei Männern also kein

Thema?

MÄNNERKÖRPER ALS

MANGELWARE

Der eigene Körper soll so akzeptiert werden,

wie er ist. Dabei muss er nicht dem

von der Gesellschaft und der Modewelt

diktierten Schönheitsideal entsprechen.

Das ist die Grundidee der Body Positivity

Bewegung. Durch Hashtags wie

#allbodiesarebeautiful und #embraceyourcurves

hat die Bewegung in den letzten Jahren auch auf

Instagram hohe Wellen geschlagen. Dabei zeigt jedoch nur

einer kleiner Teil der fast fünf Millionen Posts unter dem Hashtag

#bodypositivity Männerkörper.

Das ist bereits auf die Ursprünge der Bewegung zurückzuführen.

Das, was wir heute „Body Positivity“ nennen, entstand

in der ersten Feminismus-Welle zwischen den Jahren 1850

und 1890. Damals legten die Frauen ihre Korsette ab, um

gegen die ihnen aufgezwungenen Körperideale zu demonstrieren.

Auch 100 Jahre später sind es noch Frauen, die den Ton

innerhalb der Debatte angeben. Im Fokus steht die Normalisierung

von dicken Körpern, alltäglichen Körperfunktionen wie der

Menstruation sowie Körperbehaarung. Große Modehäuser wie

Zara und H&M greifen genau das auf und verzichten auf das

Retuschieren ihrer Models. Sucht man nun dort nach einem

neuen Bikini, sieht man auch Frauen mit Dehnungsstreifen oder

Hängebrüsten. Das ist richtig und wichtig. Aber warum endet

die Diversität in Badehosenkampagnen bei Sixpacks in unterschiedlichen

Hauttönen?

TOXISCHE KÖRPERIDEALE

Immerhin betrifft Body Positivity auch Männer. In der Gay-Community

gibt es bereits verstärkt Ansätze, ein anderes Männerbild

als das von Adonis zu bewerben. Laut des Body Image

Reports von 2019, durchgeführt von der britischen Mental

DER MANN

IST DRAN.

Warum Body Positivity

bei Männern längst

mehr Thema sein sollte.

Von Emily Zens und

Magdalena Zimmermann

Health Foundation, hat ein Drittel der befragten queeren Personen

Selbstmordgedanken aufgrund ihres Erscheinungsbildes.

Demzufolge leiden Männer sexueller Minderheiten vermehrt

unter toxischen Körperidealen. Body Positivity soll dem entgegenwirken

und zeigen, dass die sexuelle Identität nicht von

einem athletischen Körper definiert wird.

Den Druck, den perfekten Körper zu erreichen, erleben

auch heterosexuelle Männer. Muskulöse Arme, die einen

beschützen. Einen weichen, aber trotzdem durchtrainierten

Bauch, an den man sich kuscheln kann. Körperbehaarung bitte

nur an den richtigen Stellen – Gott bewahre vor dem Rücken.

Und vor allem, größer als die Frau solle der Traummann bitteschön

sein. Die Plattformen der sozialen Medien sind voll

mit Influencern, durch deren Adern nicht nur Blut, sondern

auch haufenweise Eiweißshakes fließen.

Der erfolgreichste Fitness-Influencer

Österreichs – Johannes Bartl – zählt 1,9

Millionen AbonnentInnen auf Instagram.

Dort teilt er mit seinen FollowerInnen

Trainingsroutinen sowie Ernährungstipps

für einen perfekt gestählten Körper, ganz

ohne Aufputschmittel. Im Zuge unserer

Recherche sprechen wir Männer auf ihr

„Körpergefühl“ bei einer Straßenumfrage

in Wien an. Darunter ist der 19-jährige

Dario, der sich aus Selbstschutz von Instagram

abmeldete: „Ich wollte genauso

aussehen wie die Sportler. Das hat mich

extrem gestresst.“ Wer dem Druck nicht

entkommt, legt sich unters Messer. Im

Vergleich zum Vorjahr haben sich 2019

die Zahlen der operativen Eingriffe bei

Männern verdoppelt. Auf den ersten Plätzen liegt hier die

Fettabsaugung, wie der Verein der Deutschen Ästhetisch-Plastischen

Chirurgie angibt.

ABNEHMGEDANKEN UND DIÄTPLÄNE

SIND NICHT FEMINISTISCH

Bei Frauenkörpern ist Body Positivity mittlerweile so verbreitet,

dass „frau“ unnormal ist, wenn sie etwas an sich selbst

kritisiert, anstatt es hinzunehmen. Die 20 Kilo, die während

der Schwangerschaft dazugekommen sind, hat man zu lieben.

Abnehmgedanken und Diätpläne sind nicht feministisch. Die

Männermodels des biber-Shootings hingegen geben ehrlich

zu, was sie gerne an sich ändern würden. „Eine Haartransplantation“

kann sich Ernan vorstellen, „10kg weniger“ wünscht

sich Damir. Das zu sagen fällt ihnen leicht. Sie stehen zu sich

und sind selbstbewusst, wenn es um ihre vermeintlichen Makel

geht. „Schlimmer ist es, wenn man etwas haben will, aber

nicht bekommen kann“, so Cedic.

Die Körper der biber-Adonisse sind klein, haarig, dünn oder

dick. Die Fotos, die wir von ihnen gemacht haben, könnte man

genauso gut in der Zara-Werbung zeigen wie das hundertste

Sixpack. Body Positivity sollte endlich auch in der Männerwelt

Einzug finden. Damir, Sahil, Cedric, Ernan, Alex und Denis sind

die body-positive Vielfalt, die wir uns wünschen. ●

Denis, 24

Was magst du an dir?

Meine Augen. Für die bekomme

ich auch die meisten

Komplimente.

„Vor fünf Jahren habe ich

beschlossen, abzunehmen.

Ich habe mich selbst nie so

übergewichtig gesehen, wie

ich es war. Sechs Monate

später hatte ich schon 40kg

weniger. 2018 habe ich

dann eine Bauchstraffung

durchführen lassen. Ich

musste die Kosten dafür

selbst übernehmen. Jetzt

trainiere ich regelmäßig und

halte mein Gewicht konstant.

Es ist ein tolles Gefühl,

etwas für sich selbst zu

tun.“

Denis trägt:

Short von Just Cavalli custom made

Socken von COS: 7,00 Euro

Sneaker von Nike: 104,95 Euro

38 / RAMBAZAMBA /

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Damir, 32

Was magst du an dir?

Ich mag mein Gesicht und ich

bekomme viele Komplimente

für meine schlanken Beine.

„Dass jeder Mann wie ein

Model aussieht und ein Sixpack

hat, ist nicht die Wahrheit.

Jeder sieht anders aus

– am besten so, wie er sich

wohlfühlt. Früher habe ich

in der Bundesliga Basketball

gespielt, da war ich sehr

schlank. Seitdem sind ein

paar Kilos dazugekommen.“

Cedric, 33

Was magst du an dir?

Ich mag meine Augen irrsinnig

und mein Gesicht.

„Ich war früher Model und

merke jetzt, nachdem ich

ein paar Kilo zugenommen

habe, wie mich die Menschen

anders wahrnehmen.

Jetzt wirke ich eher

vertrauensstiftender und

sanfter als früher. Zu einem

bestimmten Körper gehört

auch immer ein bestimmter

Lebensstil, daraus entsteht

auch ein anderes Wesen.“

Damir trägt:

Badeshort von Colmar: 76,46 €

Cedric trägt:

Sonnenbrille von Smith: 199 €

Hemd von H&M: 9,90 €

Leinen-Short von H&M: 14,90 €

40 / RAMBAZAMBA /

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Ernan, 23

Was magst du an dir?

Eindeutig meine Waden. Die

sind austrainiert und schön.

Die f

leischlo

s e Kolumne von Zina Sayed

„Ich habe eine große Nase

und buschige Augenbrauen.

Ändern würde ich nichts

daran, weil man dadurch

sieht, dass ich vom Balkan

komme. Ich würde bloß

gerne etwas abnehmen,

um mich einfach wohler zu

fühlen.“

Schöner als Döner

Salome Dorner

KEINE

ERBSENZÄHLEREI

Sahil, 20

Was magst du an dir?

Meine Brust und meinen

Bauch. Vor allem, dass sich

nichts daran ändert, egal wie

viel ich esse oder trinke.

Nach den letzten Quarantänemonaten graut es wahrscheinlich

sogar Langzeitstudenten vor Pasta. Insbesondere, wenn

doch „low carb“ seit einiger Zeit schon unter den beliebtesten

Ernährungstrends steht. Deswegen habe ich für alle,

die Nudeln lieben, und trotzdem im Schnelldurchlauf zum

Sommerbody kommen wollen einen ganz besonders heißen

Tipp: Die Erbsenpasta von „More Than Pasta“ – erhältlich bei

Spar Gourmet. Damit schlägt man nämlich gleich zwei Fliegen

mit einer Klappe: Den Hunger auf Nudeln stillen, bei erhöhter

Eiweißaufnahme. Durch die Erbsen haben die Nudeln einen

etwas süßlicheren Geschmack. Kombiniert mit den herben

Geschmäckern von frischem Rucola, Rotkraut oder Radieschen

entfalten sie ihr volles Potential. Dazu empfehle ich ein

köstliches Dressing aus Sauerrahm, Feta, Olivenöl, Chili und

einem Schuss Zitrone – und die sommerliche Verführung ist

komplett. Der Salat eignet sich hervorragend als Mittagsproviant

für’s Büro – oder als leckeres Mitbringsel zum Picknick im

Park. So wird aus low carb keine Erbsenzählerei mehr.

Mahlzeit!

„Aufgrund meiner Größe

von 1,60 m hatte ich noch

nie einen Nachteil. Außer

bei den Klamotten, da nervt

es manchmal. Andererseits

zahle ich weniger, weil ich

Sachen aus der Kinderabteilung

tragen kann.“

Präsentiert von

Ernan trägt:

Badeshort von Colmar: 76,46 €

Sahil trägt:

Short von H&M: 9,90 €

42 / RAMBAZAMBA /



„Perfektion ist nur ein Marketing-Gag.“

Das sagen die ExpertInnen zu Body Positivity bei Männern.

Alex, 26

Was magst du an dir?

Meine Waden.

„Wir haben uns alle schon so

daran gewöhnt, dass wir nur

Männer mit Sixpacks in der

Werbung sehen. Ich hatte

eine Phase, in der ich mehr

Muskeln haben wollte, aber

es hat über Monate hinweg

nichts funktioniert. Jetzt bin

ich zufrieden mit meinem

Körper.“

Alex trägt:

Short von H&M: 39,90 €

Socken von COS: 7,00 €

44 / RAMBAZAMBA /

„Männer sind verletzlich“

Interview mit Romeo Bissuti, Psychologe

und Leiter des Männergesundheitszentrums

MEN

Ist Body Positivity bei Männern ein Thema?

Männer sind genauso verletzlich, wenn ihnen

gesagt wird, ihr Körper sei nicht gut genug.

Es ist aber kein Zufall, dass die Auseinandersetzung

von Body Positivity bei Männern so

weit hinterherhängt. Das Sprechen über sich

selbst ist riskant, man macht sich angreifbar.

Männer reden über körperliche Themen auch

nicht so häufig wie Frauen.

Warum gibt es zwischen den Geschlechtern

einen solch gravierenden Unterschied?

Männer haben das Privileg, dass sie nicht von

der Gesellschaft gezwungen werden, sich mit

ihrem Körper auseinandersetzen zu müssen.

Am Körper der Frau werden hingegen ganze

gesellschaftliche Diskurse ausgetragen, angefangen

bei Diäten, über das Kopftuch bis hin

zu Mutterschaft. Der männliche Körper reicht

hingegen, wenn er männlich ist.

Wie gehen Sie im Männergesundheitszentrum

damit um?

In Workshops für Burschen ab 13 Jahren

zeigen wir, wie sich das Idealbild männlicher

Körper verändert hat, angefangen bei der

Frisur bis hin zum Körperbau. Wir schaffen

für die teilnehmenden Jugendlichen erstmals

einen Raum, über ihren Körper zu sprechen.

Das machen wir in Schulen und Jugendeinrichtungen.

Welche Reaktionen kommen?

Die Jungs merken, wie absurd manche Idealbilder

sind, egal ob breitschultrig oder muskulös,

weil die meisten Männer dem gar nicht

entsprechen können. Daran würde auch eine

OP nichts ändern. Schon 14-Jährige gehen

mehrmals wöchentlich ins Fitnessstudio. Ein

absurdes Phänomen, wenn man bedenkt,

dass man in diesem Alter noch gar nicht

sämtliche Muskelgruppen aufbauen kann,

die die Burschen bei Älteren sehen. Diese

Hypersexualisierung wird ausgelöst durch den

Druck sozialer Medien oder Zeitschriften.

© Kristian Bissuti

© Vrinda Jelinek, Martin Darling, Shereen Deen, Xenia Trampusch

Roberta Manganelli,

Managing Director Stella

Models

„Die Werbung

soll

ein Spiegel

der breiten

Gesellschaft

sein. Body Positivity bei Männern

ist sozial gesehen längst

notwendig. Bereits 2004 fanden

unterschiedlichste Frauen

in der „dove“ Kampagne

ihren Platz in der Werbebranche.

Bei den Männern geht

diese Entwicklung schleppender

voran, wohl auch

weil sie weniger über Körper

sprechen. In der Modewelt

werden andere ästhetische

Ansprüche gestellt und nicht

erwartet, dass sich jeder darin

wiederfindet.“

bmlrt.gv.at

Julian Wiehl, Chefredakteur

von Vangardist Magazine

„Bereits

2016 hatten

wir die Ausgaben

„ugly“

und „fat“, in

denen wir

Menschen zeigten, die man

sonst nicht in Modestrecken

sieht. Es ist schwer, solche

Menschen zu finden, die sich

vor die Kamera trauen. Es ist

also ein Teufelskreis: Es gibt

gesellschaftliche Normen,

wie man auszusehen hat und

Menschen lassen sich nur

ablichten, wenn sie diesen

Normen entsprechen. Interessant

ist aber, dass Themen

wie Body Positivity oder Fat

Shaming bei uns am besten

geklickt werden.“

Umsatzsteuer senkung in

der Gastronomie auf 5 %

Marko Mestrović, Werbeund

Fashion-Fotograf

„Bei Werbefotos

entsprechen

Männer

immer Stereotypen.

Agenturen können sich gar

nicht vorstellen, dass auch

ein festerer Typ Werbung

fürs Radfahren machen kann.

Dickere spielen dann entweder

den Bauarbeiter oder

essen gerne. Es sind immer

ähnliche Typen im gleichen

System, so erkennen sich

Männer nicht selbst in der

Werbung wieder.“

Christl Clear,

Lifestyle Bloggerin

„Wenn es

nach mir ginge,

würden

wir dieses

Bodypositivity-Movement

abhaken und gleich mit der

Body-Neutrality weitermachen.

Das würde bedeuten,

dass wir unsere Körper so

hinnehmen, wie sie sind.

Unser aller Leben wäre so

viel leichter. Egal welchen

Geschlechts, egal welcher

Sexualität. Denn es gibt

immer etwas am eigenen

Äußeren, das nicht „perfekt“

scheint. Dabei ist Perfektion

nur ein Marketing-Gag, der

uns oftmals den Spaß an der

Sache nimmt.“

BIlD: © BMlRT/pIxaBay

Um Gastronomie- und Tourismusbetriebe schnell und spürbar zu entlasten,

senkt die Bundesregierung die Umsatzsteuer bei allen Speisen sowie alkoholfreien

und alkoholischen Getränken auf 5 %. Erfasst sind alle gastgewerblichen

Betriebe sowie Schutzhütten und Buschenschänke. Der ermäßigte Steuersatz

wird für den Zeitraum von 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 gelten.

Weitere Informationen unter: www.sichere-gastfreundschaft.at

/ MIT SCHARF / 45

EnTGElTlIchE EInSchalTUnG DES BMlRT

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TRIP & TRAVEL

Einmal um die ganze Welt

Andrea Grman

Gewinnspiel

DAS WICHTIGSTE

WORT AUF REISEN

Wie sich Zuhause

wirklich anfühlt

„Reisen ist, zu Orten zurückzukehren, wo

du früher gelebt hast. In einem anderen

Leben“, sagt mir meine Freundin. „Sobald

du ankommst, weißt du, dass du zuhause

bist.“ Wir sehen uns gemeinsam den Sonnenuntergang

an. Die Wolken am Horizont

färben sich orange.

Papageien fliegen

über unseren Köpfen

vorbei. Alles hier

wirkt wie im Film –

du weißt schon, wie

einer dieser kitschigen

Hollywood-

Filme mit Happy

End und so. Sie hat

mich zum Nachdenken

gebracht. So

ist das also. Dann

muss ich wohl schon

viele Leben geführt

haben.

Ich habe einige Länder

besucht, die sich

wie zuhause angefühlt

haben. Dort bin

ich geblieben – bis

mich die Wanderlust

wieder eingeholt hat

und ich weiterzog.

Dann packte ich meine sieben Sachen

und reiste weiter. Doch mein Zuhause

ist kein Ort. Mein Zuhause trage ich

immer mit mir mit. Es ist ein Gefühl,

eine Tätigkeit, eine Vorfreude. Es ist klein

und passt in eine grüne Stofftasche. Mein

Zuhause riecht nach Leder und Schweiß,

aber ich habe mich so an diesen Geruch

gewöhnt, dass es genauso riecht wie ein

Zuhause eben riechen soll. Mein Zuhause

sind ein Paar Tanzschuhe, schon ziemlich

abgetragen und alt, aber voller Stories.

Meine Schuhe erzählen Geschichten von

meiner letzten Weltmeisterschaft in China,

von langen Tanzabenden auf den Stränden

Barcelonas, von Tanzstunden in Rwanda,

von einer der größten Karnevalfeiern der

Welt in Trinidad. Sie erzählen von bunten

Kostümen und zerbrochenen Glasflaschen,

von unzerbrechlichen Beziehungen und

atemberaubenden Sonnenaufgängen über

den Dächern dieser

Welt.

Keine Ahnung,

wo ich jetzt ohne

meine ständigen

Wegbegleiter wäre

und was ich wohl

gerade tun würde.

Bestimmt nicht

in der Karibik am

Strand liegen. Es ist

mehr als Tanzen. Es

ist dieses Vertrauen,

dass es mir

gutgehen wird und

dass ich Gleichgesinnte

finde – egal,

wohin es mich verschlägt.

Mit einem

Paar Tanzschuhe im

Handgepäck kann

man einfach nichts

falsch machen.

Ich reise nicht, ich tanze um die Welt. grman@dasbiber.at

Vorgeschmack für die

nächste Reise

„Wer unlösbare Probleme hat, der

wird spirituell, der muss nach Indien.

Wer keine hat, der findet sie.“ Andreas

Brendt fand im Land der Gegensätze

und Gurus nicht nur Probleme,

sondern viele kuriose Gestalten, die

seine Reise ereignisreich und sein

Buch lesenswert machen. Kein Detail

wird in der Schilderung ausgelassen,

und sei es noch so unangenehm.

Indien war bereits vor der Lektüre von

„Ganesha macht die Türe zu“ weit

oben auf meiner Next-to-Reiseliste,

ist jetzt allerdings definitiv auf Platz 1

gerückt. Wenn du für den Sommerurlaub

– sei es diesmal auch nur auf

Balkonien – frisches Lesematerial und

Reiseinspiration suchst, schick mir

ein Mail an grman@dasbiber.at. Mit

etwas Glück gehört das Buch dir!

DESTINATION:

WOHNZIMMER-COUCH

So wie es aussieht, werden wir

ausgefallene Reisepläne noch etwas

weiter in die Zukunft verschieben

müssen. Das ist allerdings kein

Grund, die Schönheiten dieser Welt

zu verpassen. Zahlreiche Museen,

Naturparks und Destinationen weltweit

liefern Virtual-Reality-Erlebnisse

und Videos, die es uns ermöglichen,

direkt von der Couch aus zu reisen.

Das ist nicht nur hygienischer, sondern

auch eindeutig günstiger als ein

Flug um die halbe Welt.

© Christoph Liebentritt, Adrian Almasan, Conbook Verlag

Foto: Getty Images

Jetzt Wohnung

digital suchen

Mehr als 60 Prozent der Wienerinnen und Wiener leben heute in einer Gemeindewohnung oder einer geförderten

Wohnung. Die Eintrittskarte zum städtischen Wohnungsmarkt ist das Wiener Wohn-Ticket, mit dem man sowohl

Gemeindewohnungen als auch geförderte Wohnungen finden kann. Die Suche nach einer Gemeindewohnung ist

nun auch online möglich – ebenso wie schon bisher die nach einer städtisch geförderten Wohnung.

• Eine Plattform für alle Wohnungen: wohnberatung-wien.at

• Maßgeschneiderte Wohnungen entsprechend dem persönlichen Wiener Wohn-Ticket

• Eigenes Profil mit den persönlichen Suchkriterien – Wunschbezirk(e), Stufen bis zur Wohnung etc.

• Wohnungsdetails wie Grundriss, Fotos und Betriebskosten online einsehbar

Telefonische Terminvereinbarung und Informationen unter: 01/24 111, Mo–Fr 7–20 Uhr

Alle Infos zum Wiener Wohn-Ticket sowie Finanzierung und Förderungen: wohnberatung-wien.at

46 / REISE /

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MEINUNG

Dear Class of 2020

Die diesjährigen AbsolventInnen von Schulen

und Universitäten dürfen ihren Abschluss

aufgrund der Pandemie leider nicht groß

feiern. Es gibt allerdings ein kleines Trostpflaster:

In einer virtuellen Abschlussfeier auf

YouTube hielten Michelle und Barack Obama

mit vielen Stars emotionale Reden für die

„Class of 2020“. Und so hielt auch Beyoncé

eine Rede, die ich allen empfehlen werde,

die sich je unsicher, verloren oder unmotiviert

fühlen. Die Künstlerin fasste in knapp

zehn Minuten zusammen, worauf es bei

Erfolg ankommt. Etwa darauf, sich selbst zu

respektieren, Misserfolge als Motivation zu

sehen und nie aufzuhören, an sich selbst zu

arbeiten – gerade in Zeiten wie diesen. „Es

hatten nicht genug schwarze Frauen Platz

am Tisch, also musste ich Holz fällen und

meinen eigenen Tisch bauen. Dann lud ich

die Besten ein, um Platz zu nehmen“, meinte

Beyoncé und beweist einmal mehr, dass es

schwer, aber möglich ist, eine rassistische

und sexistische Branche zu verändern. Man

kann nicht nur Möglichkeiten für sich selbst,

sondern auch für andere schaffen. So sollen

alle, die keine Chance auf der großen Bühne

bekommen, ihre eigene Bühne schaffen. Und

wer bereits auf der Bühne steht, nutzt seine

Stimme für jene, die keine Stimme haben.

Veränderung beginnt mit uns. Und wie es

Beyoncé perfekt zusammenfasst: „Ihr seid

alles, was die Welt jetzt braucht.“

jandrisevits@dasbiber.at

KARRIERE & KOHLE

Para gut, alles gut

Von Anna Jandrisevits

48 / KARRIERE /

FOMO

(„FEAR OF MISSING OUT“)

WAR GESTERN!

Sommer, Sonne, kein Plan was tun? Keine

Panik Habibi! Die VHS sorgt dafür, dass du

trotz Corona „mit Abstand die beste Bildung“

und einen coolen Sommer erlebst. Du fragst

wie? Egal ob Yoga, Hip-Hop oder Malerei,

beim Angebot der VHS hast du eine Auswahl

an 3000 Präsenzkursen sowie rund 100

Outdoor-Kursen! Ziemlich nice finden wir.

Außerdem gibt’s ab Juli auch das kostenlose

Angebot „Deutsch im Park“ welches in fünf

Bezirken in mehreren Wiener Parks stattfindet.

Du siehst mit dem flexiblen Kursformat

der VHS kannst du deine Lieblingskurse

online oder offline machen, ganz ohne FOMO.

Alle Infos gibt’s auf www.vhs.at/specials.

Serientipp

SELF MADE

Die Netflix-Serie „Self Made“ behandelt das

Leben der afroamerikanischen Unternehmerin

Madam C.J. Walker. Walker, gespielt von Octavia

Spencer, wuchs Mitte des 19. Jahrhunderts

in ärmlichen Verhältnissen in den USA auf und

arbeitete als Wäscherin, bis sie ein neuartiges

Haarpflege-Produkt entwickelte. Die Geschäftsfrau

ließ sich auf dem Weg zum Erfolg nicht von

den rassistischen Diskriminierungen unterkriegen

und erschuf mit ihrer Beauty- und Haarproduktlinie

für schwarze Frauen ein Imperium.

Sie zählt zu einer der ersten weiblichen Selfmade-Millionärinnen

in den USA, ist eine der

erfolgreichsten afroamerikanischen Geschäftsführerinnen

aller Zeiten und bis heute ein Vorbild

für schwarze Frauen auf der ganzen Welt.

Hashtag

des Monats

#PULLUPOR-

SHUTUP!

Um Bewusstsein für die

mangelnde Inklusion

in der Arbeitswelt zu

schaffen, haben viele

Unternehmen unter dem

Hashtag #PullUpOrShutUp

die Zahlen ihrer

schwarzen MitarbeiterInnen

auf Social Media

veröffentlicht. Sharon

Chuter, die Gründerin

der Kosmetiklinie Uoma

Beauty, erstellte den

Hashtag im Rahmen

ihrer Kampagne „Pull Up

For Change“, um auf die

fehlende Transparenz

in Unternehmen hinsichtlich

ihrer Diversität

aufmerksam zu machen.

Denn Solidarität mit der

„Black Lives Matter“-

Bewegung zu zeigen

reicht nicht aus und

scheint bei vielen Firmen

nur aus PR-Zwecken zu

erfolgen. An der Repräsentation

von Schwarzen

mangelt es weiterhin in

den meisten Industrien.

Spätestens jetzt müssen

auf Worte Taten folgen.

Inklusion muss auch im

Inneren von Unternehmen

stattfinden. Das gilt

nicht nur für die USA,

sondern auch für Europa

und Österreich.

© Marko Mestrovic, Amanda Matlovich/Netflix, Instagram/pullupforchange

„Ich zeig, was ich kann.

Als Lehrling bei SPAR!“

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„Ich habe

durch Corona

hunderttausend

Euro verloren!“

Mehmet Kocak ist seit

den 90er Jahren fester

Bestandteil der migrantischen

Gastro-Szene in

Wien. Trotz Corona blickt

er mit seinem Event-Center

am Stadtrand optimistisch

in die Zukunft. Um

zu überleben, dürfe man

sich nicht auf die staatlichen

Unterstützungen

verlassen, erzählt er im

biber-Interview.

Von Amar Rajković, Fotos: Zoe Opratko

BIBER: Mehmet, wie viel Geld hast du

vom Staat seit Ausbruch von Corona

erhalten?

MEHMET KOCAK: Ich habe vom AMS

rund 1900€ für die Kurzarbeit bekommen.

Dazu noch 1000€ von der

Wirtschaftkammer im Rahmen des

Härtefallfonds.

Der Landtmann-Besitzer Berndt Querfeld

beklagte in einem Standard-Interview die

schleppenden Staatshilfen. Er erwarte

ein Sterben der österreichischen Kaffeeund

Gasthäuser. Wie sieht es mit der

Restaurant-Szene im migrantischen

Milieu aus?

Alle jammern, aber ich kenne kein einziges

Restaurant in Favoriten, das zusperren

musste. Die drei Monate waren

natürlich nicht gut, aber jetzt läuft doch

alles wieder.

Die Regierung stand in der Kritik, weil die

Hilfen zu langsam ausbezahlt wurden,

die Abwicklung zu kompliziert war.

Müssen wir über Politik reden? Auf andere

schimpfen entspricht nicht meinem

Charakter. Ich mag das nicht.

Wie geht es mit deinem Event-Center

weiter?

Die meisten geplanten Hochzeiten im

Zeitraum von März bis August wurden

abgesagt. Dadurch habe ich ca. 30.000€

Umsatz im Monat verloren. Blöderweise

fiel der Fastenmonat Ramadan heuer

mitten in die Corona-Zeit. Auch da musste

ich auf den Umsatz von ca. 100.000€

verzichten. Seit Juni haben wir wieder

geöffnet und es geht langsam bergauf.

Aber Mehmet, als richtiger Wiener

müsstest du doch jammern und dein

Leid beklagen.

Ich habe in meinem Leben schon

zwei Lokale verloren und jammere

nicht. Ich habe das damalige „Etap“

meinem Sohn übergeben. Er hat es

leider nicht geschafft, es erfolgreich

zu betreiben und musste zusperren.

Auch das Restaurant in der Operngasse

im 1. Bezirk mussten wir

schließen.

Liegt das an deiner Mentalität?

Viele Migranten kamen aus Ländern,

in denen sie keinen Cent vom

Staat gesehen haben und trotzdem

irgendwie überleben mussten.

Ich bin in den 90er Jahren aus

Yozgat nach Wien gekommen. Ich

habe im damaligen Etap als Kellner

angefangen, bevor ich es selbst

übernommen habe. Das Einzige, was

ich aus dieser Zeit bereue, ist, dass

ich keinen ordentlichen Deutschkurs

belegt habe.

Warum hast du dein Herzensprojekt,

das „Etap“ im 16. Bezirk aufgegeben?

Die Restaurants haben mich nach

über 20 Jahren todmüde gemacht.

Ich wollte was anderes machen

und habe deswegen 2009 viel Geld

in die Hand genommen und in das

Event-Center, das ich heute führe,

investiert. Es ist eine leichtere

und vorhersehbarere Arbeit als im

Gastrogeschäft. Ich kann leichter

vorausplanen, weil ich ganz genau

weiß, dass 100 Leute zur Hochzeit

kommen. Im Restaurant weißt du

nie, wie der nächste Tag sein wird.

Darauf hatte ich keine Lust mehr.

Woher kommen die zahlenden

Kunden?

60-70% kommen aus der türkischen

Community. Dazu haben wir Gäste

aus Albanien, Bosnien und autochthone

Österreicher. Ich habe als

Unternehmer niemals Politik thematisiert,

aus diesem Grund kommen

die Leute von überall. Wir hatten

auch eine armenische Hochzeit hier,

diese Woche gibt es eine persische.

Seit dem Lockdown haben schon

wieder Hochzeiten stattgefunden.

Benehmen sich die Menschen

anders?

Die Menschen sind viel vorsichtiger.

Es kommt vor, dass 100 Gäste auf

der Liste stehen, aber nur 70 oder

80 auftauchen, weil sie Respekt vor

großen Menschenmengen aufgrund

von Corona haben. Eine Ausnahme

war letztens eine tschetschenische

Hochzeit, bei der 120 Gäste erschienen

sind. Wegen der strengen

Corona-Bestimmungen habe ich im

Nebenraum kurzerhand Tische und

Sessel aufgestellt. Somit war das

Problem gelöst!

Gibt es für den Sommer bereits viele

Reservierungen?

Viele Menschen rufen an und hoffen,

dass wir jetzt günstiger sind.

Der Trend geht weg von großen hin

zu kleineren Hochzeiten. Im August

sind ein paar Termine frei, September

und Oktober ebenfalls. Aber das

wird schon, da mache ich mir keine

Sorgen.

Woher sollen die Leute vom Etap-

Event-Center erfahren? Machst du

Werbung?

Nein, Werbung brauche ich nicht.

Die Leute wissen, dass ich gute

Arbeit mache, sie kennen meinen

Namen.

Bist du ein Chef, der alles kontrollieren

muss?

Kocak schaut zu seiner Mitarbeiterin

und beginnt zu grinsen.

Ich muss überall eingreifen, ich

muss überall helfen. Ich packe auch

selbst an. Ich kann nicht anders.

(lacht)

Der Betrieb im Etap-Event-Center

kommt nur langsam auf Touren.

Aleks Jobicić

Job?

Fix!

DIE BERUFSLEBENS KOLUMNE DES

AMS WIEN

Mein Lebenslauf in meiner Bewerbungsmappe:

Das bin ich. Also sozusagen. Es ist die

Kurzfassung all dessen, was ich bisher so

gelernt und geleistet habe. Eine Beschreibung

meiner Stärken und Fähigkeiten, und

natürlich meiner Erfahrungen.

Das klingt jetzt ein bissl zu feierlich? Naja,

aber eigentlich merkt man, wenn man zum

ersten Mal das eigene Berufsleben so in

Worte fasst, dass man schon was drauf hat.

Dass das nicht nichts ist, was man bisher

gemacht hat, weswegen ja auch die Personalverantwortlichen

als erstes ihre Nase da

hineinstecken. Und: Der Lebenslauf wächst

mit dir mit, wird dichter und interessanter,

wie das ganze Leben.

Und darauf will ich diesmal hinaus: Halte deinen

Lebenslauf aktuell! Ruh dich nicht darauf

aus, dass du eh vor einem Jahr deinen

Werdegang hübsch gestaltet hast, wenn sich

in der Zwischenzeit allerhand verändert hat!

Gerade, was du zuletzt getan und gelernt

hast, ist wichtig und darf nicht fehlen.

Und schließlich geht’s ja um nichts anderes,

als dass sich die Betriebe darum streiten, dir

einen Job oder eine Lehrstelle anbieten zu

dürfen. Glaubst du nicht? Ist so!

Tipp: Wenn der Lebenslauf, den das AMS

von dir hat, älter ist als ein Jahr, dann

schick unbedingt einen neuen. Die Leute

beim AMS wollen dich so gut wie möglich

unterstützen und können dann einfach

besser das Optimale für dich herausholen.

Mehr Infos gibt’s auch hier: ams.at/wien

50 / KARRIERE /

/ KARRIERE / 51



Selbermacher

„Ich bin

Gastgeber.

Und Gas-

Geber!“

52 / KARRIERE /

Die Liebe zu Kaffee, ein Micro-Roaster

und „leiwande“

Kunden: Das ist Ali Vogels

Erfolgsgeheimnis. Wir sprachen

mit dem Barista, der sich

zuerst als Latte-Artist in Europa

einen Namen machte, bevor

er sein eigenes Lokal eröffnet

hat: Das COWOME Vienna.

Text: Aleksandra Tulej, Fotos: Susanne Einzenberger

In der Mitte des Cafés steht ein Baum.

Ein echter. Rundherum ist die Deko

eher schlicht: Die Barhocker und

Tische sind aus Beton und Metall. Willkommen

im COWOME Vienna. Das Café im Nordbahnviertel

wurde nach den drei Materialien, mit

denen es eingerichtet ist, benannt: Concrete,

Wood und Metal – CoWoMe also.

Besitzer Ali Vogel hatte schon lange vor

der Eröffnung eine klare Vorstellung davon,

wie sein Lokal aussehen soll. „Eine eigene

Location, in der ich meine Ideen durchsetzen,

mit dem Design, den Produkten und dem

Menü experimentieren kann.“ Im Dezember

2019 war es dann soweit: Der 36-Jährige Ali

erfüllte sich seinen langersehnten Traum und

eröffnete das COWOME Vienna.

Ali, der eigentlich Vasily heißt, wurde im

Norden Transsilvaniens geboren. Seit zwölf

Jahren ist der gebürtige Rumäne Gastronom,

oder wie er selbst lachend behauptet: „Gastgeber.

Und Gas-Geber!“. Und Ali gibt tatsächlich

Gas: Er arbeitete zuerst als Barkeeper,

dann als Freelance-Barista und gewann

etliche Latte-Art-Wettbewerbe in ganz Europa,

bis er sich schließlich in Wien mit seinem

eigenen Lokal niederließ. „Der Hauptgrund

ist mein dreijähriger Sohn. Ich hatte zu wenig

Zeit für meine Familie, ich wollte einfach mal

länger an einem Ort sein.“

„DO IT“- ABER BLEIBE REALISTISCH.

Alis Tipp für junge Gründer? „Du musst ehrlich

zu dir selbst sein. Mein Motto ist „Do It“- aber

bleibe realistisch. Du musst dir darüber im

Klaren sein, dass du wirklich Bock darauf

haben musst. Du wirst härter arbeiten und

anfangs sicherlich auch weniger verdienen.

Feiertage, fixes Gehalt – all das ist in einem

eigenen Unternehmen nicht selbstverständlich.“

Man muss sich einfach entscheiden, ob

einem der Komfort einer Fixanstellung oder

© philipp nemenz/Shutterstock

© Randy Faris/Corbis

die Freiheit wichtiger ist. „Du musst dir selbst

ausrechnen, ob dir diese Freiheit das wert

ist.“, so der Barista. Bei Ali ist das der Fall:

Der Wunsch nach umsetzbarer Kreativität,

Ideen und Selbstorganisation war größer, als

in einem sicheren Angestelltenverhältnis zu

leben. „Hier handhabe ich alles so, wie ich das

will.“

LOKALE PRODUKTE

„Wir haben fast nur lokale Produkte von

kleinen Produzenten. Der Kaffee stammt von

Mikro-Roastern in Wien und Niederösterreich.

Die Eier und die Milch bekommen wir von

einem kleinen Bauernhof. Und genau dieses

Konzept, also die hohe Qualität, hat mir, denke

ich, auch in der Corona-Krise die Kundschaft

gerettet“, zuckt Ali mit den Schultern. Die

Kundschaft, das sind vor allem „coole, junge

Familien“, wie Ali selbst sagt. „Und neben

meinem Café ist ja gleich der Bank-Austria-

Campus. In guten Zeiten kamen von dort

auch viele Kunden.“ In guten Zeiten – das

heißt: Pre-Corona. Die Krise hat sein Café

aber überlebt, obwohl es anfangs nicht

danach aussah. Die ersten zwei Wochen,

nachdem das Lokal schließen musste, waren

besonders hart für den Besitzer. „Ich hatte

Alis Latte-Art könnt ihr auf Instagram

bewundern: alivogel.barista

viele Sorgen. Es war ein psychischer Kampf.

Niemand wusste, wie lange es dauern und

was noch kommen wird. Wenn ich das Lokal

hätte schließen müssen, hätte ich auch im

Supermarkt gearbeitet. Ich muss ja meine

Familie ernähren“, so Ali. Soweit kam es aber

nicht. Der Besitzer blickt positiv in die Zukunft:

„ Jetzt geht es wieder bergauf. Ich habe

immer noch Schulden. Aber die Produzenten,

mit denen ich zusammenarbeite, haben

Verständnis. Und ich kann zumindest die

Rechnungen zahlen, das ist wichtig.“

COWOME Vienna

Bruno-Marek-Allee 19, 1200 Wien

» Basis-Informationen und Tools zur Gründung

finden Sie auf unserer Webseite.

WKO-WIEN HILFT

Im Gründerservice der

WKO-Wien kann man bei

einem Beratungsgespräch

alle Fragen stellen, die die

Gründung eines Unternehmens

betreffen. Im Vorhinein

kann man sich auch

schon eigenständig online

informieren. Ob generelle

Tipps zur Selbstständigkeit,

rechtliche Voraussetzungen,

Amtswege oder

Finanzierungs- und Förderungsmöglichkeiten:

Auf

der Website kommt man

mit wenigen Klicks zu allen

wichtigen Informationen.

wko.at/wien

www.gruenderservice.at

Die Selbermacher-Serie ist

eine redaktionelle Kooperation

von das biber mit der

Wirtschaftskammer Wien.

VON DER IDEE

BIS ZUR GRÜNDUNG

» GRÜNDUNG UND ÜBERGABE

W www.gruenderservice.at/wien

Jetzt online informieren.



TECHNIK & MOBIL

Alt+F4 und der Tag gehört dir.

Von Adam Bezeczky

Neue Skyline für Simmering:

30 Meter hoch sind die sechs riesigen

Faulbehälter der Wiener Kläranlage.

BEZAHLTE ANZEIGE

MEINUNG

PlayStation 5

Die neue Playstation wurde endlich

der Weltöffentlichkeit gezeigt. Die

Spielkonsole der nächsten Generation

sieht aus wie eine Mischung aus BMW

i5 und den Androiden aus „Detroit:

Become Human“. Zeitgleich wurden

Infos zum Start-Lineup präsentiert:

„Spider-Man: Miles Morales“, „Gran

Turismo 7“ und viele weitere Highlights

warten auf die Gamer. Vorgestellt

wurde auch Zubehör wie ein kabelloses

3D-Audio Headset, PlayStation-Kamera

mit 1080i Auflösung und eine Ladestation

für die Controller. Lediglich zum

Preis für die zwei Konsolen (einmal mit

4k-Bluray Laufwerk und einmal eine

Dowload-Only-Variante ohne Laufwerk)

schweigt sich Sony bisher aus.

Die Corona-Krise und die

wirtschaftlichen Schwierigkeiten

sind hier

sicher ein Faktor -

als Orientierung

dient womöglich

die PS4, die

beim Launch

399,99 Euro

gekostet hat.

bezeczky@dasbiber.at

Black Lives

Matter –

auch beim

Gaming

Rassimus ist auch in der

Online-Gamingwelt weit

verbreitet. Nazi-Logos und

rechtsradikale Usernames

sind bisher nur halbherzig

verfolgt worden. Das wird sich

ändern. Wir alle können und

sollten in Zukunft konsequent

jene Spieler melden, die sich

rassistisch aufführen. Es ist

Zeit, unser Hobby vor der

Vereinnahmung durch extreme

politische Ansichten zu

schützen!

AUS MIT DER

GESICHTSERKENNUNG

FÜR DIE POLIZEI

IBM und Amazon stoppen Programme

zur Gesichtserkennung. Obwohl

die Technologie vielversprechend ist,

wurden immer größere Bedenken

gegen den zielgerichteten Einsatz

gegen Minderheiten laut. Nun soll

der US-Kongress Gesetze beschließen,

wie dies verhindert werden

kann. Bis dahin wird die Software

der Polizei nicht mehr zur Verfügung

stehen.

SPACEX FLIEGT NUN

AUCH MENSCHEN

Das Weltraum-Startup „SpaceX“ hat

erstmals zwei Menschen aus den

USA mit einem privaten Raumschiff

zur internationalen Weltraumstation

ISS geflogen. Damit sind nach 10

Jahren die USA erstmals wieder in

der Lage, ohne russische Unterstützung

das Weltall zu erreichen.

© Marko Mestrovic, Activision, Sony Interactive Entertainment, SpaceX

© Christian Houdek

DANK GRÜNEM STROM

Schon gewusst? Jede Sekunde

gelangen ganze 6.000 Liter

Abwasser in die Kläranlage der

Stadt Wien. Damit diese gigantischen

Wassermassen gereinigt werden

können, benötigt die von der ebswien

betriebene Kläranlage mehr als ein

Prozent des von Wiens größtem Energieversorger

produzierten Stroms.

KLIMASCHUTZ MIT

KLÄRGAS

Mit dem Projekt E_OS – Energie_Optimierung

Schlammbehandlung wird

Wiens Kläranlage jetzt auch zum

Öko-Kraftwerk! Neben sauberem

Abwasser, welches die Wasserqualität

der Donau nicht beeinträchtigt, bleiben

als „Restprodukt“ des Reinigungsprozesses

68.000 Tonnen Klärschlamm

pro Jahr zurück. Klärschlamm zählt

zu den erneuerbaren Energieträgern.

Sechs jeweils 30 Meter hohe

Schlammbehälter bilden eine riesige

„Biogasanlage“, das entstehende

Klärgas wird in Blockheizkraftwerken

in Energie umgewandelt. So kann die

Wiener Kläranlage mehr Öko-Energie

erzeugen, als sie für die Abwasserreinigung

verbraucht!

SAUBERES ABWASSER –

SAUBERER STROM

E_OS ist eines der größten Umweltprojekte

der Stadt Wien und geht jetzt

in Betrieb. Das Öko-Kraftwerk Kläranlage

verbessert Wiens Klimabilanz

deutlich und spart rund 40.000 Tonnen

an CO 2

-Äquivalenten jährlich ein.

Gut für die Umwelt, gut fürs Klima!

Energie-Bedarf

63

GWh/a

78

GWh/a

Öko-Energie-Erzeugung

40

GWh/a

82

GWh/a

www.ebswien.at

54 / TECHNIK /



Radeln in Wien

1

Heurigenbesuch

DONAUKANAL

KAHLENBERGERDORF

Eine der bekanntesten und einfachsten

Strecken. Direkt am Donaukanal entlang

des Wassers ist man schnell aus der Stadt

heraus und im Grünen. Perfekt lässt sich

die Tour mit einem Besuch bei einem der

zahlreichen Heurigen kombinieren.

Vom Donaukanal aus geht es

schnurgerade Richtung 19. Bezirk.

Die Holzstege in der Nähe der U2

Station Donaustadtbrücke sind

ein beliebter gratis Badeplatz.

2

Für Schwimmer

DONAUKANAL

DONAUINSEL,

DONAUSTADT­

BRÜCKE ODER

LOBAU

Radfahren und Schwimmen ist eine

unschlagbare Sommerkombination. Von

der Prater Hauptallee aus kommt man

über den Radweg der Donaubrücke

zum Freizeitparadies Donauinsel. Noch

ein Stückchen weiter in der Richtung

U2 Station Donaustadtbrücke gibt es

wunderschöne Holzstege an der Alten

Donau, auf denen man den ganzen Tag

verbringen könnte. Unweit befindet sich

auch die Lobau und – für ganz Mutige –

unzählige FKK-Badeplätze.

Sommerurlaub fällt ins Wasser?

Kein Problem: Wir haben den

Sommerguide für alle, die Wien

einmal mit dem Fahrrad erkunden

wollen. Von Nada El-Azar, Fotos: Eugénie Sophie

56 / SOMMER SPECIAL /

/ SOMMER SPECIAL / 57



3

Für Wanderer

GÜRTEL

SCHWARZENBERG­

PARK

Vom Währinger Gürtel geht’s in Richtung

Dornbacher Straße. Diese Tour eignet

sich besonders gut für heiße Sommertage

– denn der dicht bewaldete Schwarzenbergpark

spendet Abkühlung und

Schatten. Mit dem Mountainbike lässt es

sich hervorragend in den hügeligen Wienerwald

fahren. All jene, die es gemütlicher

angehen wollen, können das Rad

stehen lassen und das Ganze zu einer

Wandertour auf die über 450m hohe

Anhöhe von Hameau machen.

5

Natur & Relax

SCHLOSSPARK

LAXENBURG

Der Schlosspark Laxenburg ist das

perfekte Tagesausflugsziel. Über das

Alte Landgut im 10. Bezirk braucht

man aus der Stadt etwas mehr als eine

Stunde dort hin. Im Schlosspark lassen

sich schöne Spaziergänge und Picknicks

machen, oder Tretboote ausleihen für

eine Fahrt über den märchenhaften

Teich.

Der Schwarzenbergpark in

Hernals spendet in heißen

Monaten Abkühlung.

© Anna Saini CC BY-SA

Der Schlosspark Laxenburg

bietet viele Möglichkeiten zum

Spazierengehen, Picknicken und

Bootfahren.

4

Natur & Relax

WEINGARTEN­

RADWEG

Von Mödling oder Bad Vöslau aus kann

man auf dem wunderschönen 23km

langen Weingartenradweg die Thermenlandschaft

Wienerwald erkunden. Der

Weg verläuft praktisch ohne Steigungen,

aber mit ganz toller Natur.

bmkoes.gv.at

Das kostenlose

Bewegungsprogramm

ohne Anmeldung

Juni – September

in ganz Österreich

Foto: © SV/APA-Fotoservice/Hörmandinger

ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG DES BMKÖS

Kurse finden Sie unter bewegt-im-park.at

Frische Luft und schöne

Weingärten warten in der

Thermenlandschaft Wienerwald.

Finanziert von

In Kooperation mit

58 / SOMMER SPECIAL /



„Manche glauben nicht,

dass ich die Trainerin bin.“

Somia Babiker ist Sozialassistentin beim Verein „Die Nachbarinnen“

und stieg erstmals im Jahr 2013 auf den Fahrradsattel. Heute bringt sie

anderen neuen Wienerinnen das Radfahren bei und gibt ihnen so ein Stück

Freiheit.

Wie bist du zum Radfahren gekommen?

Ich bin über meine Kolleginnen aus der

Arbeit auf die Fahrradkurse gekommen.

Vor sieben Jahren absolvierte

ich den Anfängerkurs, heute trainiere

ich Frauen, die über verschiedenste

Organisationen wie beispielsweise der

Diakonie zu uns kommen.

Warum lernen viele Mädchen und

Frauen aus den verschiedensten Herkunftsländen

nicht Rad zu fahren?

Das hat verschiedene kulturelle Hintergründe.

Ich komme ursprünglich

aus dem Sudan. Als kleines Mädchen

kann man noch ausprobieren, aber ab

einem gewissen Alter ist Radfahren

einfach Männersache.

Was bedeutet es dir, anderen Frauen

das Radfahren beizubringen?

Das Radfahren hat mir schon mir

persönlich eine große Freiheit gegeben.

Endlich konnte ich etwas für

mich selbst lernen. Etwa zwei bis drei

Kurse leite ich jährlich für Frauen ganz

verschiedenen Alters. Es passierte

schon öfter, dass die Teilnehmerinnen

dachten, ich wäre eine von ihnen, und

nicht die Trainerin. Sie glauben einfach

nicht, dass eine kopftuchtragende

Frau wie ich den Kurs leiten kann.

Ich denke, dass ich als ein Vorbild für

diese Frauen sein kann und sie sich

mit mir identifizieren können. Viele

Frauen fühlen sich auch wohler, wenn

ich sie in ihrer Muttersprache Arabisch

anleiten kann.

Wo kann man sich für deine Kurse

anmelden?

Alle Interessierten können sich an die

Diakonie oder die Radlobby in Wien

wenden.

„Die Angst

kommt vom

motorisierten

Verkehr“

Ich will mir ein gebrauchtes Fahrrad

kaufen. Worauf muss ich achten?

Ich würde generell empfehlen, Fahrräder

bei einem Händler zu kaufen. Da

wird in der Regel gut kontrolliert, dass

alles in Ordnung ist. Sonst ist wichtig:

unbedingt Probefahren und verhandeln!

Man muss ich vorher überlegen,

wozu man das Fahrrad verwenden will.

Wenn man im Alltag unterwegs sein

möchte, und mit sauberer Kleidung

ankommen will, empfiehlt es sich kein

Rennrad zu kaufen. Rennräder haben

häufig keine Klingel, keine Kotflügel

und keine Lichtanlage. Über Kopfsteinpflaster,

Gehsteigkanten und andere

Hindernisse lässt es sich mit leichten

Rädern nicht leicht fahren. Je stabiler

das Rad ist, desto einfacher ist man in

der Stadt unterwegs.

Viele Menschen haben Angst davor, im

Alltag mit dem Fahrrad unterwegs zu

sein. Warum ist das so?

Die Leute haben tatsächlich Angst

mit dem Rad in der Stadt unterwegs

zu sein, und diese Angst herrscht vor

allem vor dem motorisierten Verkehr.

Rein statistisch gesehen ist das

Radfahren aber eine der sichersten

Verkehrsarten überhaupt, weil es im

Vergleich zum Auto- und Motorradverkehr

wenig Unfälle gibt. In Wien

machen sogenannte „Dooring“-Unfälle

etwa 10 Prozent aus. Der Begriff

„Dooring“ bezeichnet das unachtsame

Öffnen der Autotür gegenüber Radfahrenden,

oder auch Autos. In fast jeder

Gasse Wiens ist das ein Problem, weil

Autos dort den Großteil der Fläche

einnehmen.

Wie kann man „Dooring“ vorbeugen?

Es ist juristisch abgesichert, einen

Sicherheitsabstand von 1,2 Metern zu

stehenden Autos einzuhalten. Außerdem

gibt es in 80 Prozent der Wiener

© Peter Provaznik

© Eugénie Sophie

Sujet: Perndl&Co

Bezahlte Anzeige

Seitengassen ein nicht ausgeschildertes

Überholverbot, weil es für Fahrräder und

Autos inklusive eingehaltenem Sicherheitsabstand

einfach nicht genug Platz

gibt. Wir pflegen hier zu sagen: Das

Miteinander von Fahrrädern und Autos

ist häufig ein „Hintereinander“.

Darf man sein Fahrrad an der Stange

eines Verkehrsschildes anschließen,

wenn alle Radbügel besetzt sind?

Grundsätzlich ist das erlaubt, wenn die

Sicht auf das Verkehrsschild gewährleistet

ist. Aber: Es gibt ein generelles Parkverbot

für alle Fahrzeuge auf Gehsteigen,

das gilt auch für E-Scooter. Wenn ein

Gehsteig so breit ist, dass ein Auto darauf

parken könnte, und noch ein halber

Meter frei wäre, dürfte man das Rad

ohne Weiteres dort stehen lassen – das

ist in Wien aber sehr selten. Wir schätzen,

dass etwa 20.000 Abstellplätze

für Fahrräder fehlen – aber viele wissen

nicht, dass man sein Fahrrad am Rand

der Fahrbahn ebenso hinstellen darf, wo

auch ein Auto parken dürfte.

in Kooperation mit

Ausstellung

1.7.2020 - 7.3.2021

Roland Romano ist Sprecher der Radlobby Wien,

einer Interessensgemeinschaft für Radfahrer in der Stadt.

60 / SOMMER SPECIAL /



Auf den Sattel, fertig, los!

Damit ein Fahrrad in Österreich straßentauglich ist, muss man

einiges beachten. Wir haben hier eine kleine Checkliste für euch.

Bezahlte Anzeige

Pro fehlendem Element

aus der Checkliste kann

die Polizei etwa 20 Euro

Strafe verrechnen!

HELM:

Helmpflicht besteht

prinzipiell nur für

Kinder bis 14 Jahren.

Sicher ist aber sicher!

KLINGEL

LICHT:

Jedes Fahrrad braucht eine

fest verbundene Lichtanlage.

Wenn man keine Lichtanlage

hat, kann man sich über

USB-Anschluss aufladbare

LED-Lichter holen. Vorsicht:

Das vordere weißen Licht

darf nicht blinken, dafür aber

das rote Rücklicht. Tagsüber

ist keine Lichtpflicht.

BREMSEN:

Zwei unabhängig

voneinander

wirkende Bremsen

PEDALE:

Achtung: Mit gelben

Reflektoren auf

beiden Pedalen!

ACHTUNG:

Für Rennräder gelten etwas andere Kriterien, da

es sich bei ihnen um ein Sportgerät handelt. Alle

genauen Kriterien für die Straßentauglichkeit lassen

sich unter der Fahrradverordnung nachlesen!

62 / SOMMER SPECIAL /

REFLEKTOREN:

Jeweils am Vorder- und

Hinterrad, können weiß

oder gelb rückstrahlen.

TIPP: Routenplaner für’s Rad

Wohin geht’s als nächstes? Mit dem Routenplaner

der Mobilitätsagentur Wien lassen sich leicht

neue Radtouren planen und mit Freunden teilen!

https://www.fahrradwien.at/routenplaner/

© Eugénie Sophie

Gutschein für eine

Portion Normalität.

So bringen wir die Wiener Wirtschaft wieder in Schwung:

Mit den Gastro-Gutscheinen der Stadt Wien kannst du

jetzt dir und der lokalen Wirtschaft etwas Gutes tun. Ein

herzhaftes Frühstück, feine Mehlspeisen oder ein üppiger

Brunch – genieße die gastronomische Vielfalt Wiens.

Alle Infos und eine Übersicht der teilnehmenden Lokale

findest du auf wienergastrogutschein.at.

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KULTURA NEWS

Klappe zu und Vorhang auf!

Von Nada El-Azar

3 FRAGEN AN…

KURT VON BLEY

Kurt von Bley (*1976 in Polen) ist ein Berlin lebender Künstler.

Über LGBT in Polen und seine Inspiration.

MEINUNG

Go big or go home

Ich war zu Schulzeiten ein totaler Grufti.

Ich weiß bis heute nicht, wie ich meine

kopftuchtragende Mutter dazu gebracht

hab, es okay zu finden, wie ich mit

Latexstiefeln und Netzstrümpfen zum

Unterricht kam. Der moderne Instagram-Makeup-Artist

würde erschrecken,

aber ich habe mir die Augenbrauen

Marilyn-Manson-Style abrasiert, nur um

sie dann so dünn wie möglich wieder

aufzumalen. Und meine pechschwarzen

Haare reichten bis zur Hüfte, in die ich

Plastik-Blumen steckte wie Nina Hagen.

Kurz nach Schulanfang 2013 begleitete

mich meine ältere Schwester zu einem

Termin, bei dem ich mir einen Backenzahn

ziehen lassen musste. Die Narkose

wirkte noch, als ich anschließend bei

Libro Schulsachen kaufen gegangen

bin. Die Leute starrten mich an, wie

immer. Als ich meine Schwester vor

dem Geschäft wiedertraf, erschrak sie.

„Hey, dir läuft ja voll viel Blut aus den

Mundwinkeln!“, sagte sie und wischte

es schnell mit einem Taschentuch weg.

Kein Wunder, dass mich die Menschen

im Geschäft so anschauten, ich sah

vermutlich aus wie Ozzy Osbourne,

nachdem er der Fledermaus den Kopf

abgebissen hatte.

el-azar@dasbiber.at

Ausstellungstipp

MISFITTING

TOGETHER

Andy Warhol und die Pop Art sind

untrennbar miteinander verbunden.

Das mumok möchte mit der Ausstellung

„Misfitting Together. Serielle

Formationen der Pop Art, Minimal Art

und Conceptual Art“ über das gemeinhin

Bekannte hinwegsehen und setzt

Warhol in den Kontext seiner Zeit und

der damals ebenfalls vorherrschenden

Minimal Art und Conceptual Art.

Vernissage am 1. Juli 2020

Kino Tipp

SOMMERKINO

Das österreichische Filmmuseum

zeigt ab 2. Juli 2020

ein Programm von 28 Filmen

im neu klimatisierten Kinosaal.

Absolutes Highlight ist eine

rare Kopie von Dziga Vertovs

„Der Mann mit der Kamera“

aus dem Jahr 1929, nebst

anderen Höhepunkten aus

der Sammlung.

Bis 16. August 2020

Film ab im Freien!

KINO AM DACH

Das Kino am Dach der Hauptbücherei

Wien startet mit 100

Filmen in den Sommer. Mit „Die

Dohnal“ als Eröffnungsfilm am

18. Juni, sowie „Paranza – Der

Clan der Kinder“ und „Queen &

Slim“ im Programm. Achtung:

Abendkassa wird es aufgrund

des mangelnden Sicherheitsabstands

nicht geben, alle Tickets

muss man online über ticket.

kinoamdach.at erwerben.

Bis 27. September 2020

© Christoph Liebentritt, The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, New York/Licensed by Bildrecht, Wien 2020, Dziga Vertov, Kurt von Bley

Was geht gerade im Wahlkampf in Polen

vor - warum wird gegen die LGBT Community

so stark polemisiert?

Der amtierende Präsident Andrzej Duda

bemüht sehr homophobe Aussagen,

die mich sehr stark an die Rhetorik der

1930er Jahre erinnern. Die LGBT-Community

wird dämonisiert und entmenschlicht,

und so dargestellt, als ob sie die

„polnische Familie“ bedrohen würde.

Ich glaube, dass dies ist ein durchschaubares

Kalkül von Herrn Duda ist.

Im Moment sieht es so aus, als müsste

er in der Stichwahl gegen den Oberbürgermeister

von Warschau Rafał Trzaskowksi

antreten, der ein sehr offener,

EU-freundlicher Politiker ist. Duda wählt

seinen aggressiven Ton um vor allem die

extrem rechten Wähler, von denen es

leider viele gibt, für sich zu gewinnen.

Normalerweise bedeutet der Monat Juni

immer: Gay Pride. Welche Auswirkungen

hat die coronabedingte Absage von

Pride-Veranstaltungen angesichts der

aktuellen Debatte in Polen?

Das ist sehr bedauernswert. In Polen sind

das sehr politische Events, anders als

in Deutschland etwa, wo Gay Pride sehr

hedonistische, kommerzielle „Familienfeste“

sind. Es gehört wirklich viel Mut

dazu, an solchen Events teilzunehmen

und sein Gesicht zu zeigen. Letztes Jahr

gab es viele Zwischenfälle, vor allem in

der ostpolnischen Stadt Białystok. Menschen

wurden verprügelt, Flaschen und

Steine wurden geworfen. Es fehlt immer

noch von Seiten der Regierung eine klare

Distanzierung und Verurteilung dieser

Vorfälle.

Welche Rollen spielen das Christentum

und Identität in deiner Arbeit als Künstler?

Als Künstler setze ich mich sehr stark mit

der Suche nach Identität und der Religion

auseinander, die in meiner Erziehung

omnipräsent war. Ich bin in eine deutschstämmige

Familie in Oberschlesien

geboren. Als ich 15 war sind wir nach

Deutschland übersiedelt. Die meisten

meiner Arbeiten sind sehr autobiografisch

und sind Objekte, Installationen

oder Fotoarbeiten, bei denen Familienandenken

und -fotos zum Einsatz kommen.

Für den Betrachter mag es zunächst

aussehen, als ob diese Andenken zerstört

wurden. Aber für mich ist es eine

Transformation in etwas Positives. Ich

entdämonisiere und emanzipiere mich

von Gegenständen, die lange Zeit negativ

konnotiert waren.

64 / KULTURA /

karimu_Fix&Foxi_INS_biber_207x135.indd 1 03.06.20 16:14



KOMMENTAR

HEIMATURLAUB ZWISCHEN

FLÜCHTLINGSLAGERN

Während die Balkan-Community „runter“ auf Urlaub fährt, sitzen tausende

Geflüchtete im Grenzland zwischen Bosnien-Herzegowina und Kroatien

fest. Mein letzter Heimatbesuch hinterließ einen bitteren Beigeschmack.

Kroatische Polizisten sind bei der Rückführung von

Flüchtlingen nach Bosnien oftmals gewalttätig.

Bereits während wir

an der kroatischbosnischen

Grenzkontrolle

im Stau

stehen, können wir sie sehen.

Viele stehen rum, einige sitzen

auf dem Boden. Doch sie alle

kommen keinen Schritt weiter.

In Bosnien und Herzegowina

stecken derzeit rund 8.000

Flüchtlinge und Migranten fest,

die immer wieder versuchen,

nach Kroatien weiterzukommen.

Vergeblich. Die kroatische Polizei

greift mittlerweile Menschen

regelmäßig an der Grenze auf

und bringt sie ohne jede Formalie

und unter Anwendung roher

Gewalt nach Bosnien zurück.

Seit Neuestem ist es sogar NGOs

und Freiwilligen verboten, die

Flüchtenden mit Nahrung oder

anderen Hilfsmitteln zu versorgen.

Und das in jenem Land, aus

dem ein Großteil unserer Familie

flüchten musste.

Einmal im Jahr fahren wir in

unser Haus nach Čehići „runter“ – 35 Kilometer von der

bosnisch-kroatischen Grenze entfernt. Das erste Mal, als

wir das Ausmaß der Flüchtlingskrise gesehen haben, war

2019. In einem Vorort der Stadt Bihać gibt es ein Hotel,

das direkt am Fluss Una liegt, wo man baden kann. Dort

haben wir schon oft schöne Nachmittage verbracht. Als

wir letztes Jahr wieder hinfahren wollten, fanden wir statt

dem Hotel eine Flüchtlingsunterkunft vor. „Bald sind sie

auch bei uns im Ort“, sagte meine Mutter fassungslos,

während wir schließlich Richtung Bihać weiterfuhren.

Von Amra Durić

Amra Duric, 29, Journalistin, geboren in Bosnien,

aufgewachsen in Tirol, lebt und arbeitet in Wien. Sie

ist stv. Kulturressortleiterin und Chronik-Reporterin

bei der Tageszeitung „Heute“.

In der Stadt angekommen,

beschlossen wir etwas Essen

zu gehen. Die Hitze war kaum

auszuhalten. „Gehen wir in ein

Restaurant, das am Wasser liegt,

dort ist es hoffentlich etwas kühler“,

schlug Mama vor.

FLÜCHTLINGSKRISE

ZUM MITTAGESSEN

Schnell sollten wir erkennen,

dass unser Mittagessen einen

bitteren Beigeschmack haben

würde. Denn während wir auf

der Terrasse des Restaurants

Platz nahmen und vor uns

Fleisch- und Fischplatten aufgetischt

wurden, blickten wir nicht

nur auf den glitzernden Fluss,

sondern auch auf Dutzende

Männer, die auf Plastiksackerln

im Gras saßen. Das Bild sorgte

am Mittagstisch für eine angespannte

Stimmung. Meine Mutter

fühlte sich sichtlich unwohl. „Es

ist beängstigend“, sagte sie. „Ich

verstehe nicht, warum die ausgerechnet

nach Bosnien kommen.“ Uns Geschwistern lag

nicht nur das Essen schwer im Magen. Wir versuchten ihr

zu erklären, warum die Männer aus Pakistan und Afghanistan

in Bosnien festsitzen. Gerade in Bosnien. In einem

Land, in dem der Krieg so tief verwurzelt ist und der

Anblick von zerschossenen Hausmauern bei vielen heute

noch schmerzhafte Erinnerungen hervorholt. „Die meisten

jungen Leute schauen, dass sie irgendwie ins Ausland

kommen und dort eine Arbeit finden. Gerade hier am

Land ist Geld zu verdienen irrsinnig schwer. Aber auch in

© Zoe Opratko, Dado Ruvic / REUTERS / picturedesk.com, Antonio Bronic / REUTERS / picturedesk.com

Eine Wohnsiedlung in Bosnien und Flüchtlinge,

die oft um nur „eine Mark“ betteln kommen.

Städten wie Sarajevo ist es nicht einfach“, erzählte unsere

Cousine Jasmina. Sie hat in Bihać studiert und arbeitet

seit einigen Jahren in Cazin als Lehrerin. Wenn die Schule

wegen einem Streik schließt, oder die Schüler zu Hause

bleiben müssen, weil im Winter die Heizung mal wieder

ausgefallen ist und die Schule sich kein neues Modell leisten

kann, sitzt auch Jasmina zwangsweise daheim, aber

ohne Bezahlung. „Wenn es schon für Einheimische schwer

ist hier zu leben, wie muss es erst für diese Flüchtlinge

sein?“. Später am Abend saßen wir bei Mamas Cousin

Nedžad. Er grillte auf seiner selbst gebauten Terrasse.

EINHEIMISCHE VERÄNGSTIGT,

REGION ÜBERFORDERT

Die Stimmung während der Grillerei war wieder etwas

ausgelassener, bis plötzlich ein Hubschrauber über uns

kreiste. „Die fliegen jeden Abend über der Grenze, wegen

den ganzen Flüchtlingen,“ erklärte uns Nedžad. Schon

drehte sich unser Gespräch wieder um die geflüchteten

Männer und unbegleiteten Minderjährigen. „Sie gehen

jeden Tag zur Grenze, die, die es nicht schaffen und

nicht verletzt werden, gehen zurück in die Stadt. So geht

das den ganzen Tag, jeden Tag“, erzählte er. Durch das

Gespräch merkten wir, dass bei der älteren Generation,

die den Großteil der Bewohner bei uns im Ort ausmacht,

das Mitgefühl durch Angst in den Hintergrund gerückt

wird. So auch bei der Mutter unseres Stiefvaters, die

„unten“ lebt. Beim Kaffee erzählte sie besorgt: „Ich sehe

diese Männer jeden Tag an meinem Haus vorbeigehen.

Deshalb sperre ich jetzt auch tagsüber die Tür zu.“ Angst

und Ungewissheit begleiten Bosnien seit Jahrzehnten. Für

Einheimische und Flüchtlinge sind sie der gemeinsame

Nenner. Angst, weil man weiß, dass der Staat Probleme

immer wieder ignoriert. Ungewissheit, wie das Leben in

Bosnien weitergeht. Durch die Pandemie hat sich die Lage

der Flüchtlinge zwar verschlimmert, sie zählt aber nicht

zu ihrem größten Problem. Die Lager sind voll, die Region

überfordert. Keine Toilette, keine Dusche, kein Platz. Viele

leben mittlerweile im Wald. Das Absurde daran: Gleichzeitig

stehen unzählige Häuser diesen Sommer leer, da viele,

die wie wir in Österreich leben, wegen Covid-19 nicht

nach Bosnien reisen dürfen. Nach einer Woche in der

anderen Heimat ging es für uns schließlich wieder nach

Österreich. An der Grenze staute es sich, die Hitze war

kaum auszuhalten. An unserem Auto ging ein barfüßiger

Mann vorbei und klopfte an die Scheibe. „Bitte eine

Mark“, sagte er auf Bosnisch und faltete dabei die Hände

vor dem Gesicht. In gebrochenem Bosnisch erzählte er,

dass er aus Afghanistan geflüchtet ist. Wir gaben ihm

unsere restlichen Mark und mussten schließlich weiterfahren.

Zurück blieb ein mulmiges Gefühl. Seither waren wir

in Bosnien nicht mehr auf Heimaturlaub.

Es ist grundsätzlich etwas seltsam, in ein Land, aus

dem unsere Familie selbst geflüchtet ist, auf Urlaub zu

fahren. Fast unerträglich ist es, zu wissen, dass nun

genau dort geflüchtete Menschen unter grauenvollen

Bedingungen festsitzen. Und dass sich niemand verantwortlich

fühlt. ●

Čehići

66 / OUT OF AUT /

/ OUT OF AUT / 67



KOLUMNE

Rassismus ist eine geistige Blockade.

Zwei Tage nach dem Mord an George Floyd

war ich mit einem schwarzen Freund in

einem Restaurant zum Abendessen. Die

Kellnerin belauschte unser Gespräch über

Rassismus und sagte beim Vorbeigehen: ”Ich

bin auch schwarz”, und ging mit zwei Burgertellern

weiter. Wir haben nicht verstanden, was sie

meinte. Nach einigen Sekunden kehrte sie mit

leeren Tellern zurück und setzte sich zu uns. “Als

ich vor Jahren aus Hamburg mit meiner Tochter

hierhergezogen bin, ging meine Tochter in die

zweite Klasse. Am ersten Tag nach der Pause

fand sie in ihrem Heft die erste Willkommensnachricht:

„Scheiß Deutsche...”, erzählte sie uns,

warum sie auch schwarz ist, obwohl sie und ihre

Tochter blond und blauäugig sind.

IMMER DIE ANDEREN

Rassismus lebt nicht per se von der Hautfarbe, sondern

von “Othering”. Der Begriff Othering kann übersetzt

werden mit “jemanden zum Anderen machen”. Es braucht

immer die „Anderen”, um auf sie alle Defizite, negativen

Eigenschaften und Hass projizieren zu können. Rassismus

ist kein Monopol der Weißen. Jeder weist auf die eine

oder andere Weise rassistische Denkmuster gegenüber

bestimmten Menschen auf. Manchmal handeln wir rassistisch

ohne es zu wissen oder zu wollen, und manchmal

wollen wir es gut meinen, wir treten ins Fettnäpfchen.

Unwissenheit schützt uns nicht davor, jemanden zu verletzten.

Vor drei Monaten hatte ich einen Zahnarzttermin

Pünktlich, wie alle Araber sind, bin ich bei dem Termin

erschienen. Die freundliche Zahnärztin wechselte betriebsam

und routiniert die zerfallene alte weiße Füllung, stand

auf, ging zum Computer und machte mir Vorschläge für

den nächsten Termin. Ich nahm währenddessen einen

kleinen Spiegel, der seitlich von mir lag, und versuchte,

die neue Füllung zu sehen. Und Boom - Überraschung!

Eine graue Füllung steckte in meinem Zahn, eine Amalgamfüllung.

Ich war irritiert und wusste nicht, was ich

turjman@dasbiber.at

Jad Turjman

ist Poetry-Slammer,

Buch-Autor und

Flüchtling aus Syrien.

In seiner Kolumne

schreibt er über sein

Leben in Österreich.

sagen soll. Ich begann Ausreden auszudenken.

Vielleicht ist das nur vorübergehend,

eine provisorische Füllung. Aus irgendeinem

Grund traute ich mich nicht zu fragen. Am

Abend traf ich zufällig vor dem Haus eine

Freundin, die vor ihrer Karenz als Zahnarztgehilfin

gearbeitet hatte. Und als ich ihr von dem

Termin erzählte, sagte sie: “Oje, das haben wir

normalerweise nur den Bauern gegeben. Aber

seit Jahren verwenden wir diese Füllung nicht

mehr. Sie hätte dich fragen sollen.” Ich fühlte

Knoten im Bauch und mein Kopf begann sich die

verschiedenen Szenarien auszudenken, warum

sie das gemacht hatte. Weil ich Flüchtling bin?

Jedes Mal, wenn ich den Amalgamgeschmack

wahrnahm, stieg die Wut in mir hoch. In der Früh

rief ich sie an, ich wusste jedoch nicht, was ich sagen soll.

“Es hat mich traurig gemacht”, kamen die Worte ohne

zu überlegen aus meinem Mund. “Ich werde Sie schon

gefragt haben”, konterte sie. Ich versicherte ihr, dass ich

nicht gefragt wurde und schwieg eine Weile.

DIE SCHUBLADEN NEU SORTIEREN

Letztendlich gab sie mir einen Termin am nächsten Tag.

Sie empfing mich mit einem großen Lächeln, und sie wirkte

weniger gestresst und schaute mir länger in die Augen.

“Es tut mir leid, ich wollte Ihnen die Kosten der teuren

Füllung ersparen. Denn die weiße Füllung ist teuer”, sagte

sie mit ehrlichem Ton und begann die Füllung zu wechseln.

Es ist für niemanden mehr ein Geheimnis, dass wir

unserem Schubladendenken oft ausgeliefert sind, aber

das ist keine Rechtfertigung. Wir können darauf Einfluss

nehmen und die Schubladen neu sortieren.

Tu etwas! Sprich darüber. Lies Bücher von schwarzen

SchriftstellerInnen. Besuche Seminare und Workshops.

Rede mit Menschen, die rassistische Erfahrungen erlitten

haben, solange sie reden wollen. Denn Rassismus ist

ein seelischer, körperlicher Schmerz und eine geistige

Blockade.

Robert Herbe

BEZAHLTE ANZEIGE

KUNST UND KULTUR FÜR DIE GANZE STADT:

WIEN DREHT AUF!

800 Acts, 2.000

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Wien ohne Konzerte, ohne Theater,

ohne Lesungen, Kabarett,

Performance und Tanz – was noch

vor wenigen Monaten undenkbar

schien, das hat die Corona-

Pandemie der Stadt aufgenötigt.

Aber: Wien ohne Kultur ist nicht

komplett, gerade bei der gesellschaftlichen

und sozialen Bewältigung

von herausfordernden

Zeiten.

Also dreht Wien wieder auf!

Am 9. Juli startet der „Kultursommer

2020“, in dessen Rahmen

von Donnerstag bis Sonntag

rund 25 Bühnen in der ganzen

Stadt bespielt werden – selbstverständlich

im Einklang mit den

Corona-bedingten Sicherheitsvorkehrungen.

Mit dem Kultursommer Wien

2020 wird die gesamte Bandbreite

der Kulturlandschaft ausgespielt.

Musik von Pop bis Klassik,

Tanz und Performance, Theater,

Lesungen, Kleinkunst, neuer Zirkus,

Figuren- und Objekttheater,

Worldmusic, Kinder- und Jugendtheater

– das alles und mehr wird

auf den Bühnen in der ganzen

Stadt Raum finden. Seien Sie

dabei beim Kultursommer 2020 –

und bitte:

Halten Sie Abstand, aber nicht zu

Kunst und Kultur!

9. Juli bis 30. August

Alle Infos unter: 01/34 35 814

kultursommerwien.at

Eintritt

frei!

68 / MIT SCHARF /



„Die Leiden des jungen Todor“

Von Todor Ovtcharov

Helden von heute

Jeder will ein Held sein. Das Problem ist, dass

sich jeder was anderes unter Heldentum vorstellt.

Ein Freund von mir zum Beispiel will,

dass er zur Testperson für die Covid-Impfung wird.

Somit wird er wie Robert Koch, der zu seiner Zeit

die Tuberkuloseimpfung an sich getestet hat. Heute

ist eines der berühmtesten Impfinstitute nach ihm

benannt. Und mein Freund stellt sich genau das vor –

sein Name in goldenen Buchstaben an der Tür eines

schönen Gebäudes. Er träumt jeden Tag davon und

nur der bloße Gedanke daran bereitet ihm Freude.

Eine andere Bekannte von mir möchte gerne eine

Heilige sein. Genau wie Mutter Teresa möchte sie

allen Kranken und Leidenden helfen. Um eine Heilige

zu sein muss man auf kleine Freuden des Lebens

verzichten, so wie Bier oder Käsekreiner, aber der

Zweck heiligt die Mittel. Stellt euch vor, wie cool es

wäre, mit einem Heiligenschein durch die Gegend

zu laufen. Man bräuchte nie wieder eine Leselampe.

Andererseits hat man den Nachteil, dass man lernen

muss, im Hellen einzuschlafen. Aber man gewöhnt

sich sicherlich daran.

Ein Dritter möchte so stark wie Arnold Schwarzenegger

im Film „Commando“ sein. Man würde

gerne alle Bösewichte bekämpfen, um seine Tochter

zu retten. Selbst wenn man gar keine Tochter hat.

Ich bin der Vater einer Tochter und stelle mir jeden

Tag vor, wie ich hunderte von bösen, schwer bewaffneten

Männern bekämpfe, um sie zu retten. Denn

was kann er, was ich nicht kann? Er war ja anfangs

bloß ein Bodybuilder aus der Steiermark. Ich muss

aber statt mit bewaffneten Männern meistens nur mit

Bürokratie kämpfen. Ich stelle mir oft vor, wie ich die

Bürokraten zusammen mit ihren Büros einfach so aus

dem Fenster hinauswerfe. Hier weicht mein Traum

vom Heldentum, der Idee von gesellschaftlich akzeptiertem

Benehmen, aber wie ich schon erwähnt habe,

gibt es unterschiedliche Definitionen von Heldentum.

Es gibt auch Menschen, die träumen, die gesamte

Gesellschaft zu verändern. Sie wollen oft den Kapitalismus

abschaffen, da er unfair und unmenschlich

ist. Doch niemand kann sagen, was man an seiner

Stelle installieren kann. Denn die Alternativen sind

in der Geschichte gescheitert. Anarchie ist geil, aber

jeder will, dass die U-Bahn pünktlich kommt. Kann

man einem anarchistischen U-Bahn-Fahrer vertrauen?

Und was wird aus meiner Pension? Braucht man

in der neuen Weltordnung überhaupt eine Pension?

Eigentum mag Diebstahl sein laut Prudhon, aber ich

will nicht, dass sich wer anderer die Zähne mit meiner

Zahnbürste putzt.

Viele wollen Helden sein. Wenige werden es tatsächlich.

Der „Joker“ aus dem Film predigt Anarchie

und der Schauspieler Joaquin Phoenix bekommt den

Oscar für die Rolle. Doch Kino ist eins und die Realität

ganz anders. Deshalb ist es am besten, wenn wir

für das Hier und Jetzt leben. Denn so tragen wir die

Verantwortung für ein besseres Morgen. ●

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