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Leseprobe_Franke

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stickigen Cafés und trank Cognac. Manchmal schlenderte ich<br />

auch nur durch die Straßen, bewunderte die schmalbrüstigen<br />

Häuser aus der Zeit der Jahrhundertwende, deren Fassaden<br />

mir in allen Farben entgegenleuchteten. Ich begegnete nur<br />

wenigen Menschen.<br />

Dann der Hafen. Rauch stieg aus den Schornsteinen wartender<br />

Frachtschiffe. Doch zog es mich immer wieder zurück<br />

nach Laugarvatn, der endlosen Nacht entgegen. Die Fahrten<br />

mit dem verrosteten Volvo waren meist ruhig. Der alte Wagen<br />

glitt sanft und sicher durch die eisige Landschaft. Es gab<br />

keinen Zeitdruck.<br />

Durch diese gemächlichen Fahrten erhielt ich einen tieferen<br />

Eindruck: Mein Blick strich über die in schillernden Farben<br />

leuchtenden Rhyolithberge, über vorbeiziehende Lavafelder,<br />

die Dächer von aufgegebenen Höfen, kletterte die<br />

dunklen Basaltsäulen empor, wanderte langsam hinab und<br />

verweilte für kurze Augenblicke im Geäst einer Zwergbirke,<br />

in deren Baumkrone ich eine seltene Schnee-Eule zu erkennen<br />

glaubte. Ich verlebte stille Tage, versank in meine Welt,<br />

glitt in die innere Emigration. Endlich zu mir finden, endlich<br />

meine Gedanken zu Ende denken, so wollte ich einige Wochen<br />

auf Island verbringen. Ich hatte mich von vermeintlichen<br />

Freunden, unglücklichen Beziehungen, schizophrenen<br />

Vorgesetzten befreit.<br />

Endgültig, wie ich hoffte.<br />

Und damit stand meinem Vorhaben, endlich inneren Frieden<br />

zu finden, nichts mehr im Wege. Oder sollte ich mich<br />

getäuscht haben? Ich wollte Ruhe haben, allein sein. Frauen<br />

reden oft und gern von Liebe und Glück, stundenlang, und<br />

wollen einem so ein Zusammenleben schmackhaft machen.<br />

Vertraut man ihren Worten, versinkt man im Anonymen,<br />

und das eigene Ich verliert sich in einem Strudel des Vergessens.<br />

Gefangen im Gefängnis der Liebe, entfernt von allem<br />

Vertrauten. Davon wollte ich vorläufig nichts wissen, weil<br />

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