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Leseprobe_Die gelben Quadrate

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wobei Ihnen jemand zuschaut. Für den Konstruktivismus<br />

gibt es das Buch, den Leser, den Zuschauer. Für Weißler jedoch<br />

gibt es das Buch, das Buch für den Leser, das Buch für<br />

den Zuschauer; und, weiter gesprochen, gibt es laut Weißler<br />

den Zuschauer für den Zuschauer, den Zuschauer für das<br />

Buch und so weiter …“ – Man müsse sich also, so der Interviewte,<br />

die Welt wie ein großes Geflecht vorstellen, in dem<br />

die Interaktionen nicht mehr einseitig perzipiert werden<br />

dürfen, sondern man ‚gleichsam‘ eine Perspektive des ‚äußeren<br />

Innen‘ und ‚inneren Außen‘ einnehmen müsse, was ja<br />

bekanntlich auch Weißler in seinem neuesten Werk sehr<br />

schön mit Gedichten von Rilke illustriere, in welchen – vor<br />

allem im Stundenbuch – die Perichorese der Dinge gewürdigt<br />

würde. Der Moderator sagte: „Wir sollten hier vielleicht<br />

das Wort ‚Perichorese‘ als Durchdringung …“, aber der<br />

Interviewte unterbrach ihn: „Richtig, als Durchdringung<br />

begreifen. Das ist ein aus der russischen Orthodoxie entlehnter<br />

Begriff, genauer, aus der Dogmatik, durch welchen<br />

die wechselseitige Durchdringung der drei Hypostasen der<br />

Trinität bezeichnet wird.“ – Rilke nun habe dieses Gefühl<br />

der Durchdringung, das ja auch ‚gleichsam eminent‘ ein Gefühl<br />

des Weltzusammenhangs sei, in seiner Philosophie des<br />

‚Außen ist Innen und Innen ist Außen‘ gelebt und ‚kongenial‘<br />

in seinen Gedichten darzustellen gewusst; Weißler nun falle<br />

hier der Verdienst zu, das von Rilke und vielen anderen im<br />

Laufe der Geistesgeschichte ‚gleichsam‘ nur mystisch Empfundene<br />

in klare Kategorien überführt zu haben, wobei<br />

Weißler auch Konsequenzen fürs eigene Handeln und für<br />

den Diskurs ziehe; wobei sich Weißler auch dieses Begriffes<br />

zu Genüge bediene, um darzustellen, dass kein Diskurs nur<br />

an sich selber Genüge finde, sondern nur im Rahmen eines<br />

Netzwerkes ‚konfigurierter Interaktion‘ Sinn habe.<br />

Nachdem der Philosoph geendet hatte, fragte, seine Frage<br />

noch zögerlich, in stirnrunzelndem Nachdenken sich bilden<br />

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