Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
wahren Lebens in sich auszumachen; dann beherrschte ihn<br />
eine Vorfreude und Gewissheit. Fand er diese Gedanken jedoch<br />
nicht trivial, sondern spann er sie, gerade so, als ob es<br />
keine besseren gäbe, dann war ihm, als ob alles so wäre wie<br />
ein Septemberwetter: bald herbstlich, bald nachsommerlich,<br />
dann aber wieder grau und regnerisch; es schien ihm dann<br />
alles eintönig, farblos und dumm.<br />
An einem solchen Tag dummen Zwistes mit seinem eigenen<br />
Gemüt besuchte Sebastian die Vorlesung von Professor<br />
Wilmitsch, nachdem er erfahren hatte, dass dieser der Onkel<br />
des nun allerorten gelobten Geronimo Weißler war. Nachdem<br />
Wilmitsch, ein oft, viel und gern lächelnder Mann von<br />
kaum fünfzig Jahren, im Zuge eines Symposiums ein langes<br />
Gespräch mit Sebastian geführt hatte, versprach ihm dieser,<br />
regelmäßig seine Vorlesungen zu besuchen. Er tat es, weil<br />
er nicht wusste, was er sonst tun sollte; und er tat es, weil<br />
er sich verpflichtet glaubte, den Professor nicht zu enttäuschen.<br />
Man sprach oft miteinander; der Professor entpuppte<br />
sich als nicht nur leutselig, sondern gar als freundschaftlich,<br />
einladend und ‚einfach‘. Er lud Sebastian zu Vorträgen ein;<br />
man sah einander oft, stand manches Mal vor dem Kaffeeautomaten,<br />
scherzte und plauderte. Ein Jahr verging, bis<br />
Wilmitsch Sebastian den Vorschlag machte, dieser solle doch<br />
sein Assistent werden: „Sie sind ja so belesen, Herr Calan!<br />
So einen wie Sie, der den Schopenhauer auswendig kennt,<br />
brauche ich, wissen Sie. Worüber wollen Sie eigentlich Ihre<br />
Diplomarbeit schreiben? Wissen Sie das schon? …“ – und<br />
Wilmitsch ließ nicht ab, Sebastian zu bedrängen, freundlich<br />
lächelnd und ihm immer wieder einen oder mehrere Kaffees<br />
aus dem Automaten spendierend.<br />
22