Leseprobe_Alles was bleibt oder Ein Haus in Wien

Auf diese Briefstelle hatte Daniel beim ersten Lesen
besonders emotional reagiert. Elsa erinnerte sich an
Hannah Katz! Haus an Haus hatten sie damals in Tel
Aviv gewohnt, in derselben Straße. Wie konnte Elsa
bemerkt haben, dass er bereits als kleiner Junge in die
gleichaltrige Hannah verliebt gewesen war? Er hatte
nie mit ihr darüber gesprochen.
Endlich wurde es ruhig im Flieger. Es war sehr kühl in
der Kabine, Daniel zog seinen Mantel an. Er versuchte
zu schlafen, aber die Sprüche seiner Mutter spukten in
seinem Kopf herum:
„Wenn du aus dem Haus gehst, mein Junge, nimm immer
deinen Mantel mit. Du weißt nicht, was geschehen wird.“
Oder:
„Bitte zieh nie schwarze Socken an, versprich mir das, sie
bringen den Tod aus Dachau. Wie bei deinem Großvater.“
Sein Vater hatte nie etwas dazu gesagt, aber sein Blick war
in diesen Momenten besonders traurig und leer gewesen.
Daniel lehnte sich im Sitz zurück, rund um ihn schliefen
oder dösten die anderen Passagiere, in der Ferne
hörte er die Flugbegleiterinnen hantieren, bestimmt
würde demnächst das Frühstück serviert werden. Mühsam
stand er auf, in der Früh brauchte er jetzt mehr
Zeit, um seinen Körper in Schwung zu bringen. Er zog
seinen Mantel aus, legte ihn sorgfältig zusammen und
verstaute ihn in der Ablage über seinem Sitz. Aus der
Umhängetasche holte er seinen Waschbeutel heraus.
Die Katzenwäsche in der kleinen Flugzeugtoilette war
eine Herausforderung für einen Mann in seinem Alter,
zweimal fiel ihm die Tube mit Gesichtscreme auf den
Boden, beim Frisieren stieß er mit der Hüfte hart gegen
18