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Leseprobe_Alles was bleibt oder Ein Haus in Wien

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Prolog<br />

Christiane W<strong>in</strong>ter blieb vor ihrem Wohnhaus stehen.<br />

Auch Touristen taten dies oft, um die bereits verblasste<br />

Inschrift auf der Tafel zu entziffern, die l<strong>in</strong>ks neben<br />

dem <strong>E<strong>in</strong></strong>gang zur Buchhandlung angebracht war.<br />

Zur Er<strong>in</strong>nerung an den Lyriker Georg Trakl, der hier im Oktober<br />

1912 die Räumlichkeiten im vierten Stock bewohnte, um<br />

an se<strong>in</strong>en Herbstgedichten zu arbeiten.<br />

„Sonne, herbstlich dünn und zag,<br />

Und das Obst fällt von den Bäumen.<br />

Stille wohnt <strong>in</strong> blauen Räumen<br />

<strong>E<strong>in</strong></strong>en langen Nachmittag ...“<br />

Ob Trakl damals schon geahnt hatte, welche Tragödie<br />

sich viele Jahre später im vierten Stock ereignen sollte?<br />

Diese furchtbare Stille an jenem Nachmittag vor sieben<br />

Jahren war Christiane noch deutlich <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung.<br />

Es war e<strong>in</strong> eigenwilliges <strong>Haus</strong>, <strong>in</strong> dem sie wohnte. Anfang<br />

1912 war es als Hotel im ländlichen Stil eröffnet<br />

worden. Über der e<strong>in</strong>zigen Auslage der Buchhandlung<br />

war noch der schnörkelige Schriftzug „Weidmannsheil“<br />

zu lesen. Das Gebäude konnte schon damals nicht <strong>in</strong><br />

diese Straße gepasst haben, die heute den Autoverkehr<br />

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