DiSkurs 2/2020
Unternehmensmagazin der Diakonie in Südwestfalen | 7. Ausgabe
Unternehmensmagazin der Diakonie in Südwestfalen | 7. Ausgabe
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Ein Tag mit<br />
Pflegemanagement<br />
Lehrerin Lioba Petruck, die die Klausur<br />
beaufsichtigt, gibt ihr ein Zeichen.<br />
Die Schüler brauchen noch ein wenig<br />
Zeit. Andrea Wolf nickt und schließt<br />
die Tür. In der Zwischenzeit wirft sie<br />
einen Blick über die Unterlagen für<br />
den Unterricht. Eine Schülerin kommt<br />
aus dem Klassenzimmer: „Guten Morgen,<br />
wie war es?“, fragt die Lehrkraft.<br />
„Es lief ganz gut, Danke. Jetzt gehe<br />
ich kurz mal an die frische Luft“, antwortet<br />
die junge Frau. Andrea Wolf<br />
schätzt das Interesse, das die Schüler<br />
für den Pflegeberuf mitbringen. Von<br />
Neugier für die medizinischen und<br />
pflegerischen Themen bis hin zu einem<br />
einfühlsamen Umgang mit den Patienten<br />
beobachtet die Lehrkraft eine hohe<br />
Motivation und Gewissenhaftigkeit<br />
der angehenden Absolventen.<br />
Nach und nach kommen auch die anderen<br />
Schüler aus dem Klassenraum. Im<br />
Schulhof, eine Etage tiefer, finden sie<br />
sich zusammen. Kurz darauf kommt<br />
auch Lioba Petruck in den Flur: „Jetzt<br />
sind alle fertig, Andrea.“ Diese geht herunter<br />
zum Schulhof. „Sie können noch<br />
bis halb zehn Pause machen, dann fangen<br />
wir an“, teilt Andrea Wolf mit. Im<br />
Klassenzimmer ruft die Lehrerin am<br />
Laptop eine Datei auf, die über einen<br />
Beamer an die Wand projiziert wird.<br />
Heute geht es um Krankheiten des Ernährungs-<br />
und Verdauungssystems<br />
und wie betroffene Patienten entsprechend<br />
gepflegt werden.<br />
Auch im Büro gibt es viel zu tun: Die Lehrerin überprüft von den Schülern bearbeitete Aufgaben.<br />
Corona-bedingt lernen sie seit vier Monaten größtenteils mithilfe eines Homeschooling-Portals.<br />
Die Schüler kommen nach und nach<br />
hinzu. Andrea Wolf schildert den Ablauf:<br />
„Wir starten mit einem neuen<br />
Thema, wiederholen aber zunächst die<br />
Inhalte aus der vergangenen Woche.“<br />
Dabei standen Schwerpunkte aus der<br />
Onkologie auf dem Programm. Andrea<br />
Wolf stellt Merkmale von Tumorzellen<br />
vor: „Wie sie gelernt haben, sind<br />
Tumorzellen dazu fähig, die körpereigene<br />
Immunabwehr zu deaktivieren.<br />
Zudem können Tumoren einen eigenen<br />
Blutkreislauf und eine eigene Energieversorgung<br />
aufbauen.“ Die Lehrkraft<br />
geht zudem auf Forschungsansätze in<br />
der Therapie ein und nennt Risikofaktoren<br />
für ein kolorektales Karzinom<br />
– einen Tumor im mittleren Teil und<br />
im Endabschnitt des Dickdarms. Es<br />
ist 9.55 Uhr. Andrea Wolf verteilt das<br />
Skript zum neuen Thema. „Das sind die<br />
Inhalte, die wir in den nächsten Wochen<br />
besprechen werden – sowohl im<br />
E-Learning als auch im Präsenzunterricht.“<br />
Die Lehrerin fragt in die Runde:<br />
„Welche Funktion hat die Salzsäure im<br />
Magen?“ Eine Schülerin meldet sich<br />
und antwortet: „Sie zersetzt die Nahrung.“<br />
Andrea Wolf bejaht und fügt<br />
hinzu: „Kommt es im Magen zu einem<br />
Ungleichgewicht in der Salzsäureproduktion,<br />
kann es zu einer Gastritis,<br />
also zu einer Magenschleimhautentzündung,<br />
kommen.“ Die Lehrerin zeigt<br />
auf, welche unterschiedlichen Typen<br />
der Krankheit es gibt, warum und<br />
wie häufig sie auftritt und wie sie diagnostiziert<br />
und behandelt wird. In<br />
der letzten Viertelstunde geht es um<br />
die Ulkuskrankheit – eine Folge einer<br />
Gastritis, die unter anderem durch<br />
eine Infektion mit dem Bakterium Helicobacter<br />
pylori ausgelöst wird.<br />
Die Schüler lernen, wie betroffene Patienten<br />
pflegerisch versorgt werden:<br />
„Wichtig ist, die Vitalwerte und das<br />
Bewusstsein zu überwachen, die Ausscheidung<br />
zu beobachten und nach der<br />
Infusionstherapie auf den Kostaufbau<br />
zu achten“, so Andrea Wolf. Abschließend<br />
gibt sie den Schülern die Möglichkeit,<br />
Fragen zu stellen und verabschiedet<br />
sie ins Wochenende. Während<br />
die Auszubildenden den Raum verlassen,<br />
macht die Lehrkraft einen Klassenbucheintrag.<br />
Sie schließt den Raum<br />
ab und geht zurück ihr Büro.<br />
Andrea Wolf überprüft die restlichen<br />
von den Schülern bearbeiteten Aufgaben<br />
und gibt den Auszubildenden<br />
jeweils eine Rückmeldung. Das macht<br />
sie sowohl mithilfe von Kommentaren,<br />
die sie digital an der Seite der Dokumente<br />
vermerkt, als auch in Form von<br />
ausführlichen Feedbacks per E-Mail.<br />
Andrea Wolf geht dabei individuell auf<br />
die Schüler ein – sei es mit Hinweisen,<br />
wenn jemand Schwierigkeiten bei einer<br />
Aufgabe hatte oder mit motivierenden<br />
Worten bei guten und sehr guten<br />
Leistungen. „Merke ich, dass jemandem<br />
eine Thematik besonders liegt,<br />
verweise ich auch gerne auf entsprechende<br />
Fortbildungsmöglichkeiten. Es<br />
ist mir wichtig, die Schüler dort abzuholen,<br />
wo sie mit ihren Kenntnissen<br />
stehen“, macht sie deutlich.<br />
Was ihr in ihrer beruflichen Laufbahn<br />
als Lehrerin vor allem an den Schülerinnen<br />
und Schülern auffällt, sind<br />
die veränderten Werte, Wünsche und<br />
Motive der neuen Generation. Ob Auszubildende<br />
aus verschiedenen Kulturen<br />
oder Schüler mit einer bewussten<br />
Einstellungsweise zur Umwelt und<br />
zur Ernährung: „Auch wir Lehrer lernen<br />
ständig mit und von den Azubis.<br />
Ich akzeptiere die Welt und Herkunft<br />
von jedem und habe für jeden Auszubildenden<br />
stets ein offenes Ohr – egal,<br />
worum es geht.“ Andrea Wolf ist es ein<br />
Anliegen, nicht nur als Lehrkraft, sondern<br />
auch als Vertrauensperson für<br />
die Schüler da zu sein.<br />
Die letzte Rückmeldung für heute ist<br />
versendet. Andrea Wolf ist zufrieden.<br />
Die Azubis haben die Aufgaben gut gelöst.<br />
Es ist 16 Uhr. Die Lehrerin loggt<br />
sich aus dem Programm, schaltet den<br />
PC aus, greift zu ihrer Tasche, schließt<br />
die Bürotür ab. Im Flur verabschiedet<br />
sie sich von Lioba Petruck und Bernhard<br />
Schuppener. Andrea Wolf geht<br />
heraus, die 13 Treppenstufen wieder<br />
hinunter und fährt nach Hause.<br />
Blazenka Sokolova<br />
64<br />
gestalten<br />
DiSKurs