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ÖSTERREICH<br />
SEPTEMBER <strong>2020</strong><br />
€ 3,50<br />
ABSEITS DES ALLTÄGLICHEN<br />
LOCKRUF<br />
DER TIEFE<br />
Höhlentauchen:<br />
so schön,<br />
so gefährlich<br />
M<strong>AT</strong>HEA<br />
UND DIE NACKTE<br />
EHRLICHKEIT<br />
Österreichs<br />
Pop-Queen über<br />
die Liebe in Zeiten<br />
von Tinder<br />
FABIO WIBMER<br />
ABENTEUER<br />
JETZT ABONNIEREN!<br />
GETREDBULLETIN.COM<br />
VOR DER HAUSTÜR<br />
Wie der YouTube-Star<br />
seine coolsten Spots gleich<br />
ums Eck findet
Der neue<br />
Der fühlbar<br />
effiziente<br />
Hybrid<br />
Abbildung zeigt Honda Jazz 1.5 i-MMD Hybrid Executive in Platinum White Pearl und Honda Jazz 1.5 i-MMD Hybrid Crosstar Executive in Surf Blue/<br />
2-Tone. Kraftstoffverbrauch und Emissionen (kombiniert – WLTP): 4,5–4,8 l/100 km; CO 2 -Emission (g/km): 102–110.
E D I T O R I A L<br />
HANNES BERGER (COVER), PHILIPP CARL RIEDL TOM MACKINGER<br />
SELBST IST<br />
DER BIKE-STAR<br />
Über diese Rampe<br />
Marke Eigenbau radelt<br />
Cover-Held Fabio<br />
Wibmer gleich den<br />
Baum hinauf. Das Bild<br />
vom Stunt: auf Seite 42<br />
WILLKOMMEN<br />
HELDEN FÜR<br />
MILLIONEN<br />
„Du kannst jeden Tag das Abenteuer deines Lebens<br />
finden. Du musst dafür nur vor die Haustür gehen und<br />
deine Augen offen halten.“ Nach diesem Motto hat<br />
Mountainbike- und Trial-Star Fabio<br />
Wibmer, 25, eine erstaunliche Karriere<br />
aufgebaut: Über fünf Millionen Fans<br />
folgen dem Tiroler mittlerweile<br />
auf YouTube. In unserer Coverstory<br />
ab Seite 40 erzählt Wibmer, wie er<br />
sein Heimatdorf in einen Abenteuerspielplatz<br />
verwandelte, mit welchen<br />
Tricks er seine Stunts entwickelt und<br />
wie er die besten Spots dafür findet.<br />
Inspiration anderer Art liefert Pop-<br />
Sängerin Mathea. Die 22-Jährige ist<br />
die kräftige Stimme einer neuen Generation zwischen<br />
Tinder-Dates und Instagram. Im Interview ab Seite 60<br />
spricht sie über Authentizität, geplatzte Träume und<br />
darüber, dass 75 Millionen Streams auf Spotify für sie<br />
noch lange nicht genug sind.<br />
Viel Spaß mit der<br />
neuen Ausgabe von<br />
<strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong>!<br />
Die <strong>Red</strong>aktion<br />
GROSS SIND DIE TRÄUME …<br />
… der Salzburgerin Mathea. Sie will<br />
die erfolgreichste Pop-Künstlerin im<br />
deutschsprachigen Raum werden.<br />
Warum das gar nicht so vermessen<br />
ist, liest du auf Seite 60.<br />
CARLIN<br />
ISLES<br />
Der Dreißigjährige gilt<br />
als einer der besten<br />
Rugbyspieler der Welt.<br />
Eines seiner Erfolgsgeheimnisse<br />
ist eine<br />
spezielle Brille, auf<br />
d ie auch die NASA<br />
schwört. Seite 76<br />
27,7<br />
MILLIONEN<br />
Zuseher hatte der US-<br />
Künstler Travis Scott<br />
bei seinen Auftritten<br />
im Game „Fortnite“.<br />
Die Story: Seite 50<br />
THE RED BULLETIN 3
INHALT<br />
<strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong><br />
im <strong>September</strong> <strong>2020</strong><br />
COVERSTORY<br />
40 RIDE IT LIKE WIBMER<br />
YouTube- und Trial-Bike-<br />
Star Fabio Wibmer erklärt,<br />
wie er Abenteuer direkt<br />
vor der Haustür entdeckt.<br />
ABENTEUER<br />
20 SCHÖN ABTAUCHEN<br />
Die faszinierenden Unterwasser-Bilder<br />
der kanadischen<br />
Höhlentaucherin Jill Heinerth.<br />
LITER<strong>AT</strong>UR<br />
32 LACHEN ERLAUBT<br />
Erfolgsautor Thomas Meyer<br />
macht mit Humor schwierige<br />
Lebensthemen erträglicher.<br />
REISEN<br />
36 DIE WELTENBUMMLERIN<br />
Jessica Nabongo hat alle 195<br />
Länder der Erde besucht. Nun<br />
will sie das Reisen verändern.<br />
SURFEN<br />
38 ERFOLGSWELLENREITER<br />
Wie ein Salzburger mit seinen<br />
hochwertigen Holzboards die<br />
Surfwelt begeistert.<br />
GAMING<br />
50 DIE DIGITALE BÜHNE<br />
Immer mehr Künstler verlegen<br />
ihre Auftritte in Online-Games.<br />
Wir haben sie besucht.<br />
6 GALLERY<br />
12 ZAHLEN, BITTE!<br />
14 PLAYLIST<br />
16 FUNDSTÜCK<br />
18 CLUB DER TOTEN DENKER<br />
INNOV<strong>AT</strong>ION<br />
58 LUFT-LEBENSRETTER<br />
Wofür der Wingcopter<br />
weltweit eingesetzt wird.<br />
Plus: Atmen unter Wasser.<br />
MUSIK<br />
60 M<strong>AT</strong>HEAM<strong>AT</strong>IK<br />
Die Salzburgerin Mathea<br />
über Erfolg als das Produkt<br />
von Ehrlichkeit und Emotion.<br />
BOULEVARD DER HELDEN<br />
66 DIE EISMÄNNER<br />
Michael Köhlmeier erzählt die<br />
Geschichte einer außergewöhnlichen<br />
Grönland-Expedition.<br />
GUIDE<br />
Tipps für ein Leben<br />
abseits des Alltäglichen<br />
71 TRAVEL. Benny Karl über den<br />
<strong>Red</strong> Bull Dolomitenmann in Lienz<br />
76 FITNESS. So wirkt die Stroboskop-<br />
Brille. Plus: die smarte Hantel<br />
78 UHREN. Vier farbenfrohe Modelle,<br />
um die Zeit bewusst zu nutzen<br />
80 GAMING. Die stoischen Weisheiten<br />
aus dem Spiel „<strong>The</strong> Last of Us 2“<br />
82 EQUIPMENT. Dieser Plattenspieler<br />
verbindet analog mit digital.<br />
84 LESESTOFF. Lee Child und<br />
sein Einzelkämpfer Jack Reacher<br />
86 KALENDER. Was du in diesen<br />
Wochen nicht verpassen solltest.<br />
90 OUTDOOR SPEZIAL. Die Ausrüstung<br />
für dein nächstes Abenteuer<br />
96 IMPRESSUM<br />
98 CARTOON<br />
40<br />
AUF ABENTEUER-SUCHE Wie wir von Bike-<br />
Zauberer Fabio Wibmer lernen, kreativ zu sein<br />
60<br />
AUF ERFOLGSKURS Sängerin Matheas<br />
Traum von der internationalen Pop-Karriere<br />
50<br />
AUF NEUEN WEGEN Wo Künstler digital<br />
auftreten – willkommen im Metaversum!<br />
HANNES BERGER, KIDIZIN SANE, HEINERTH PRODUCTIONS INC INTOTHEPLANET.COM<br />
4 THE RED BULLETIN
20<br />
AUF TAUCHST<strong>AT</strong>ION<br />
Die Kanadierin Jill Heinerth<br />
erkundet Tiefsee-Höhlen und<br />
bringt sensationelle Bilder<br />
an die Oberfläche.<br />
THE RED BULLETIN 5
STEPHEN SHANNON/RED BULL ILLUME<br />
FARWELL CANYON<br />
BC, KANADA<br />
Auf der<br />
Ideallinie<br />
Für Steve Shannon, Adventure-Fotograf<br />
aus British Columbia, war das Shooting<br />
am „Geburtsort des Freeride Mountainbiking“<br />
ein lang gehegter Wunsch – den<br />
er sich nach ein paar fehlgeschlagenen<br />
Versuchen im April 2019 endlich erfüllte.<br />
Gemein sam mit Biker Cory „Coco“ Brunelle,<br />
31, machte er sich bereits vor Morgengrauen<br />
auf den Weg und wurde dafür von<br />
einem prachtvollen Sonnen aufgang über<br />
dem Chilcotin River belohnt. „Coco wuchs<br />
hier in der Gegend auf“, sagt Steve. „Er<br />
kennt den Farwell in- und auswendig und<br />
konnte daher bei seinem wilden Ritt auch<br />
ein paar richtig geile Moves reinpacken.“<br />
steveshannonphoto.com<br />
7
FRANKFURT,<br />
DEUTSCHLAND<br />
Mann<br />
über<br />
Board<br />
Die Vorbereitung zu diesem außergewöhnlichen<br />
Foto, aufgenommen<br />
in den Eingeweiden des Frankfurter<br />
U-Bahn-Systems, erforderte vor allem<br />
eines: Geduld. Denn als sich Fotograf<br />
Robert Garo und Skater Milan Hruska,<br />
37, zum Shooting trafen, war vom<br />
Lockdown noch keine <strong>Red</strong>e, und die<br />
beiden mussten feststellen, dass sie<br />
gewaltig unterschätzt hatten, was<br />
sich hier jeden Tag während der Rushhour<br />
abspielt. „Wir mussten mehrere<br />
Stunden warten, bis wir endlich<br />
allein waren“, erinnert sich Garo.<br />
„Aber das Ergebnis war es wert.“<br />
robertgaro.net
ROBERT GARO/RED BULL ILLUME<br />
9
GERT PERAUER<br />
SALZBURG,<br />
ÖSTERREICH<br />
Wasserspiele<br />
Nein, die Salzburger Festspiele sind<br />
nicht ins Wasser gefallen. Österreichs<br />
bester Wakeboarder, Dominik Hernler,<br />
feiert das 100-jährige Bestehen des<br />
Kultur-Highlights (1. bis 30. August)<br />
nur mit einer Sightseeing-Tour der<br />
besonderen Art. Die Anreise nach<br />
Salzburg führte den 28-Jährigen u. a.<br />
über Schloss Hellbrunn, den Leopoldskroner<br />
Weiher oder wie im Bild den<br />
Almkanal – gezogen von seiner Winch,<br />
eindrucksvoll festgehalten von Fotograf<br />
Gert Perauer. Das Video von<br />
Dominiks feuchtfröhlichem Trip gibt’s<br />
unter redbull.com/soundofwake.<br />
Instagram: @domhernler<br />
11
Z A H L E N , B I T T E !<br />
HOCH DIE TASSEN!<br />
Der Zauber von Woz<br />
Im August feiert Apple-Mitgründer Steve Wozniak seinen 70. Geburtstag.<br />
Dass Woz weit mehr ist als ein Computer-Pionier, zeigen die Zahlen:<br />
Segway-Polo-Spieler, Tetris-Rekordhalter – und unabsichtlicher „Satanist“.<br />
546.145<br />
Punkte brachten ihm 1991 den<br />
Tetris-Rekord. Woz hatte die Highscore-Liste<br />
des Nintendo-Magazins<br />
zu oft dominiert (er war auf dessen<br />
schwarzer Liste), sodass er den<br />
Rekord als Evets Kainzow (rückwärts<br />
lesen!) einreichen musste.<br />
13<br />
Jahre alt war Woz, als er seinen<br />
ersten Wissenschaftswettbewerb<br />
gewann. Seine Siegerarbeit:<br />
ein selbst gebauter Taschenrechner.<br />
1981<br />
schrieb er sich als „Rocky Raccoon Clark“<br />
(Woz war schon damals prominent)<br />
an der Uni ein. Dieser Name steht auch<br />
auf seinem Diplom.<br />
11<br />
Ehrendoktortitel wurden Woz<br />
im Lauf seiner Karriere verliehen.<br />
4.136.359<br />
lautet die Patentnummer,<br />
die ihm einen Platz in der<br />
National Inventors Hall of<br />
Fame bescherte. Als Erfinder<br />
der PCs Apple I und II.<br />
2<br />
Jahre nachdem er Apple 1985<br />
verlassen hatte, erfand er die<br />
Universalfernbedienung: CORE.<br />
1300<br />
Dollar betrug Apples Startkapital.<br />
Um an das Geld zu kommen,<br />
versetzte Steve Jobs seinen VW Bulli,<br />
Woz seinen Taschenrechner HP-65.<br />
2:2<br />
endete 2006 das erste Segway-<br />
Polo‐Weltcup-Finale (Woz-Cup)<br />
zwischen Silicon Valley und Auckland.<br />
Namensgeber Woz ist selbst<br />
Segway-Polo-Spieler.<br />
34.441.873<br />
Dollar spielte die Filmbiografie „Steve Jobs“ ein.<br />
Woz, im Film verkörpert von Seth Rogen, stand<br />
Regisseur Danny Boyle als Berater zur Seite.<br />
200<br />
Dollar Monatslohn erhält er heute<br />
von Apple. Eine symbolische Geste:<br />
Multimillionär ist er seit dem<br />
Apple-Börsengang 1980.<br />
666,66<br />
Dollar kostete der erste Apple-PC.<br />
„Ich mag Zahlenspielereien.<br />
Die satanistische Komponente<br />
fiel uns erst später auf“, so Woz.<br />
180<br />
Woz Way in San Jose ist die Adresse<br />
des Children’s Discovery Museum,<br />
eines der besten Wissenschaftszentren<br />
der Welt. Nach dem Stifter<br />
ist auch die Straße benannt.<br />
GETTY IMAGES FLORIAN OBKIRCHER CLAUDIA MEITERT<br />
12 THE RED BULLETIN
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P L A Y L I S T<br />
METRONOMY<br />
Hits mit<br />
grünem<br />
Daumen<br />
Wenn Metronomy-Gründer<br />
Joseph Mount nicht gerade<br />
Pop-Hymnen schreibt, umsorgt<br />
er seine Pflanzen. Vier<br />
Songs für Hobbygärtner:<br />
Jetzt ist es auch schon wieder<br />
21 Jahre her, dass Joseph Mount<br />
als Teenager die Band Metronomy<br />
gegründet hat. Seither taucht die<br />
britische Truppe regelmäßig in den<br />
Bestenlisten auf, und ihre Alben<br />
landeten sowohl in England als<br />
auch in Frankreich in den Top Ten.<br />
Für das aktuelle Album „Metronomy<br />
Forever“ fand Mount Inspiration<br />
im Grünen. „Gärtnern ist<br />
meine neue Leidenschaft“, sagt der<br />
nunmehr 37 Jahre alte Songwriter.<br />
Eine Passion, die definitiv auch Einfluss<br />
auf die Auswahl der Nummern<br />
auf seiner Playlist hatte. Hier sind<br />
vier feine Stücke, ausgewählt mit<br />
grünem Daumen.<br />
Aktuelles Album: „Metronomy<br />
Forever“; metronomy.co.uk<br />
Joseph Mount<br />
(Mitte) und seine<br />
Band Metronomy<br />
Talking Heads<br />
Pull Up the Roots (1983)<br />
„Das ist eine Metapher, nicht?<br />
Aber auch im Garten geht es<br />
ganz viel um Wurzeln. Sie sind<br />
das, was du, sagen wir, mit<br />
Kartoffeln gemeinsam hast.<br />
Beim Gärtnern bin ich der<br />
Muskel, und meine Freundin<br />
Mariam ist das Hirn. Ich steche<br />
zum Beispiel gern um oder<br />
jäte Unkraut. Ich liebe große<br />
zerstörerische Arbeiten.<br />
Das ist meine Spezialität!“<br />
<strong>The</strong> Kinks<br />
<strong>The</strong> Village Green Preservation<br />
Society (1968)<br />
„Gärtnern führt dich zu dir<br />
selbst, indem es dir den Kreislauf<br />
der Natur vor Augen führt,<br />
die Jahreszeiten und all das.<br />
Dieser Song versetzt dich<br />
in Stimmung, die Ärmel aufzukrempeln<br />
und mit der Gartenarbeit<br />
anzufangen. Er gemahnt<br />
aber auch an die Sinnlosigkeit<br />
des Unterfangens, gegen die<br />
Natur ankämpfen zu wollen.“<br />
Stevie Wonder<br />
Come Back as a Flower (1979)<br />
„Als Blume wiedergeboren<br />
zu werden ist ein ziemlich<br />
netter Gedanke. Aber wenn ich<br />
im Garten eines gelernt habe,<br />
dann dass Blumenzüchten<br />
eines der unangenehmsten<br />
Dinge überhaupt ist – es ist<br />
unglaublich mühsam, weil<br />
du sie ständig teilen und neu<br />
aussäen musst. Ich mach das<br />
ehrlich gesagt sehr ungern.<br />
Ich zerstöre die Dinge lieber.“<br />
Miles Davis<br />
Concierto de Aranjuez (1960)<br />
„Als Teenager frühstückte ich<br />
am Wochenende immer um elf.<br />
Ich hörte Miles Davis und sah<br />
meinen Eltern bei der Gartenarbeit<br />
zu. Zwar verstand ich<br />
nicht wirklich, was sie da machten,<br />
aber der Track dauert<br />
16 Mi nuten, da kommst du<br />
regelrecht in Trance. Hast du<br />
also etwas Langwieriges vor<br />
wie Unkrautjäten, dann ist die<br />
Nummer super. Probier’s aus!“<br />
GREGOIRE ALEXANDRE MARCEL ANDERS<br />
14 THE RED BULLETIN
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F U N D S T Ü C K<br />
Die Kampfspuren<br />
auf dem Knieschoner<br />
zeigen es: Márquez,<br />
Nummer 93, hat alles<br />
gegeben. Am Ende<br />
fehlten am 12. August<br />
2018 0,13 Sekunden<br />
auf Jorge Lorenzo.<br />
MARC MÁRQUEZ<br />
In die Knie gezwungen<br />
Signierter Knieschoner des spanischen MotoGP-Weltmeisters, 2018<br />
Viermal ist Marc Márquez, 27, bereits ein Rennen auf dem <strong>Red</strong> Bull Ring gefahren, viermal musste er<br />
den obersten Platz am Podium einem seiner Kollegen überlassen – im letzten Jahr Andrea Dovizioso,<br />
2018 Jorge Lorenzo. <strong>2020</strong> hat der achtfache Weltmeister am Spielberg am 16. und 23. August<br />
gleich zwei Chancen, einen der wenigen weißen Flecken seiner Erfolgslandkarte zu füllen – sofern<br />
sein beim MotoGP-Saisonauftakt in Jerez gebrochener Oberarm mitspielt.<br />
PROJEKT SPIELBERG<br />
16 THE RED BULLETIN
#THECRAFTOFSAFT<br />
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Neubaugasse, Wien<br />
OHNE<br />
ZUCKER<br />
ZUS<strong>AT</strong>Z
D E R C L U B D E R T O T E N D E N K E R<br />
JEAN-JACQUES ROUSSEAU<br />
Wie kann man heute eigentlich<br />
noch Urlaub machen?<br />
Die größten Denker aller Zeiten beantworten<br />
Fragen unserer Gegenwart, übermittelt<br />
durch den Philosophen Christoph Quarch.<br />
Diesmal: Jean-Jacques Rousseau erklärt,<br />
warum man am besten zu Fuß verreist.<br />
Très bien, meine Freunde, ich weiß, was euch<br />
umtreibt: Ihr scharrt wieder mit den Füßen.<br />
Es dürstet euch nach Reisen. Ihr wollt die Welt<br />
erkunden. Und dafür sind euch alle Mittel recht: Flugzeuge<br />
und Wohnmobile, Busse und Kreuzfahrtschiffe,<br />
Pkws und Eisenbahnen. Doch seit neuestem sind da<br />
diese Leute, die euch ins Gewissen reden und euch<br />
weismachen wollen, eure Reiselust sei nicht okay. Sie<br />
erzählen euch vom Klimawandel oder dem ökologischen<br />
Fußabdruck, den ihr zurücklasst. Sie verderben<br />
euch die Laune, o ihr Reiselustigen. Und als ob das<br />
nicht genügte, kommt dann auch noch<br />
dieses Virus und macht Fernreisen auf<br />
lange Sicht noch schwieriger. Oh, da<br />
seufzt ihr, meine Freunde, denn ihr<br />
seht eure Freiheit bedroht – und das<br />
wollt ihr nicht hinnehmen.<br />
Ich fühle mit euch, meine Freunde,<br />
war ich es doch, der einst die Freiheit<br />
in den höchsten Tönen pries – und der<br />
seine Stimme gegen alle jene erhob,<br />
die sie mit Füßen traten. „Der Mensch<br />
ist frei geboren, und überall liegt er in<br />
Ketten“: Das war mein Leitwort aus dem Jahre 1762,<br />
mit dem ich – ohne das zu wollen – die große Revolution<br />
einleitete. Wenn es einen Denker gibt, der<br />
euren Freiheitshunger teilt, dann bin ich das, meine<br />
Freunde. Aber, so muss ich euch dennoch fragen,<br />
wisst ihr eigentlich, was Freiheit ist?<br />
Da bin ich mir nicht ganz sicher. Denn ich hege den<br />
Verdacht, dass die Freiheit, die ihr für eure Reiselust<br />
in Anspruch nehmt, in Wahrheit keine Freiheit ist:<br />
dass ihr vielmehr Getriebene seid, die dem Irrsinn des<br />
alltäglichen Lebens entkommen wollen. Könnte es<br />
sein, dass ihr gar nicht auf Reisen seid, sondern auf<br />
der Flucht, wenn ihr eure Koffer packt und euch<br />
davonstehlt? Könnte es sein, dass ihr vor euch selbst<br />
flieht, ihr Ruhelosen – weil ihr euch durch euren<br />
Wohlstand, eure Technik, ja, auch eure „Bildung“<br />
„Könnte es<br />
sein, dass ihr<br />
gar nicht auf<br />
Reisen seid,<br />
sondern auf<br />
der Flucht?“<br />
von euch selbst entfremdet habt und nun nach einem<br />
besseren, gesünderen, natürlicheren Leben strebt?<br />
Um die Wahrheit zu sagen, mes amis charmants,<br />
ich bin mir sicher, dass es sich so verhält. Ich weiß,<br />
wovon ich rede. Ich war häufig auf der Flucht. Acht<br />
Jahre zog ich quer durch Europa, um den Verfolgungen<br />
zu entkommen, die ich mit meinen Schriften auf<br />
mich gezogen hatte. So dachte ich jedenfalls, bis ich<br />
begriff, dass es mir im Grunde nur darum ging, dieses<br />
elende bürgerliche Kleid abzuwerfen, diese falsche<br />
Maskerade des angepassten Intellektuellen und Familienvaters.<br />
Oh, wie mich das quälte. Ich, Jean-Jacques,<br />
wollte eintauchen in die Natur – zum Urmenschen<br />
werden, frei von allen ökonomischen und bürgerlichen<br />
Zwängen: ein Pilger auf dem Weg zu meinem<br />
wahren Selbst. „Man muss wissen, was sein soll, um<br />
das, was ist, recht beurteilen zu können“, schrieb ich<br />
einst. Und ich wusste, was sein soll: ein natürliches<br />
und individuelles Leben.<br />
Dahin aber, meine Freunde, kommt<br />
man nicht mit Flugzeugen oder Kreuzfahrtschiffen.<br />
Dahin kommt man nur<br />
auf Schusters Rappen. „Wer ans Ziel<br />
kommen will, kann mit der Postkutsche<br />
fahren, aber wer richtig reisen will, soll<br />
zu Fuß gehen“ – das ist mein Motto für<br />
gute Reisen. Und glaubt mir, ich habe<br />
es häufig erprobt, wenn ich quer durch<br />
Europa zog. Immer kam ich mir selbst<br />
am nächsten, wenn ich durch die Natur<br />
wandelte und die Städte hinter mir<br />
gelassen hatte. Von mir aus könnt ihr das auch mit dem<br />
Fahrrad machen, aber langsam – und ohne Motor.<br />
Nicht, weil ich ein Öko wäre, sondern weil ich möchte,<br />
dass ihr eure Ketten sprengt: die Ketten der Konsumzwänge,<br />
die ihr euch selber auferlegt. Macht euch frei<br />
davon, jetzt ist die Zeit dazu. Brecht aus aus dem Gefängnis<br />
eurer Konventionen! Bon voyage!<br />
JEAN-JACQUES ROUSSEAU (1712–1778)<br />
war ein Denker, an dem sich die Geister schieden. Die einen verehrten<br />
ihn als „Deuter des Lebens“ und „Helfer der Wahrheit“,<br />
die anderen verbrannten seine Bücher. Tatsächlich war er eine<br />
schillernde Figur; ein Autor, der in seinem pädagogischen Roman<br />
„Émile“ für eine ganzheitliche Erziehung des Menschen votierte,<br />
seine eigenen fünf Kinder aber ins Findelhaus gab, der die bürgerliche<br />
Freiheit schätzte und allen bürgerlichen Konventionen entkommen<br />
wollte. Kein Wunder, dass er überall aneckte und zuletzt<br />
sein Heil in einem zurückgezogenen und isolierten Leben suchte.<br />
DR. CHRISTOPH QUARCH BENE ROHLMANN<br />
18 THE RED BULLETIN
JEAN-JACQUES ROUSSEAU (1712–1778)<br />
Schweizerisch-französischer Denker, Pilger auf dem Weg<br />
zu sich selbst und ein „früher Öko-Tourist“ – sein Ziel:<br />
ein natürliches Leben zu führen.<br />
THE RED BULLETIN 19
Selfie: Höhlentaucherin<br />
Jill Heinerth testet<br />
einen „Rebreather“ –<br />
ein System zur Wiederaufbereitung<br />
von Atemluft.<br />
Das erlaubt deutlich<br />
längere Tauchgänge.<br />
JENSEITS DER ANGST<br />
Die kanadische Höhlentaucherin JILL HEINERTH, 55, erforscht Orte,<br />
die weniger Menschen besucht haben als die Oberfläche des Mondes.<br />
Das ist zwar irre gefährlich, aber auch wahnsinnig schön.<br />
Text ANDREAS WOLLINGER<br />
Fotos JILL HEINERTH<br />
20 THE RED BULLETIN
Lockruf der Tiefe<br />
und des Ungewissen<br />
In dieser Höhle unterhalb der<br />
mexikanischen Halbinsel Yucatán<br />
(„<strong>The</strong> Pit“) hatte Jill Heinerth<br />
im Jahr 2000 einen Tauchunfall,<br />
der fast ihre Karriere beendete.<br />
Warum sie dennoch immer wieder<br />
hinuntermuss? „Es gibt keinen<br />
größeren Thrill, als an einem Ort<br />
zu tauchen, an dem noch nie<br />
ein Mensch war.“
Verbotenes Wunderland<br />
Um eine bizarre Unter wasserlandschaft<br />
wie diese bei den<br />
Bermudas zu erleben, braucht man<br />
eine Spezialgenehmigung, denn<br />
die Höhle ist seit vierzig Jahren<br />
aus Sicherheits gründen gesperrt.<br />
„Diese Schönheit hat mich immer<br />
regelrecht hypnotisiert“, sagt Jill.<br />
„Ich glaube, die Höhle gehört<br />
zu den tollsten Dingen, die ich<br />
jemals gesehen habe.“<br />
23
In dieser Höhle gibt es<br />
Sand aus der Sahara<br />
Tief im Inneren von „Dan’s Cave“<br />
bei Abaco, nördlich der Bahamas.<br />
Diese 350.000 Jahre alte Höhle ist<br />
auch für Klimaforscher interessant:<br />
In ihr hat sich Sahara-Sand abgelagert,<br />
der einst vom Wind über den Atlantik<br />
auf die Inseln getragen wurde.<br />
Die Unter suchung der Stalagmiten<br />
erlaubt die Bestimmung von Trockenperioden<br />
auf der Erde.<br />
25
Nur keine Panik!<br />
Für Höhlentaucher sind solche klaus trophoben<br />
Passagen normal. „Hier geht<br />
es darum“, erklärt Jill Heinerth,<br />
„das Gleichgewicht zwischen Angst<br />
und Selbstvertrauen zu bewahren.“<br />
Palast der Finsternis<br />
Im „Crystal Palace“ von „Dan’s Cave“ ist es<br />
normal stockfinster. Trotzdem gibt es hier<br />
Leben: Krustentiere ohne Pigmente und ohne<br />
Augen. Sie haben sich seit dem Aussterben<br />
der Dinosaurier nicht mehr verändert.<br />
26 THE RED BULLETIN
Kriegsdenkmal<br />
vor Neufundland<br />
Dieses französische Schiff ist im<br />
November 1942 von einem deutschen<br />
U-Boot bei Bell Island vor Neu fundland<br />
versenkt worden. Heute ist<br />
das Wrack als künstliches Riff<br />
Heimat vieler Meeresbewohner.
Jill Heinerth vor dem „Wookey Hole“ im Südwesten<br />
Englands. Hier wurde im Jahr 1935 zum<br />
ersten Mal eine Unterwasserhöhle betaucht.<br />
SUUNTO UK<br />
Eine Leine als<br />
Lebensversicherung<br />
Jill Heinerths Tauchpartner beim<br />
Befestigen der Sicherheitsleine am<br />
Eingang der „Devil’s Eye Spring“-<br />
Höhle im Untergrund von Florida.<br />
Sie ist die einzige Orientierung<br />
für den gar nicht so seltenen Fall,<br />
dass aufgewirbelter Schlick die<br />
Sicht plötzlich auf null reduziert.<br />
Die Wasserfrau<br />
Wie Jill Heinerth ihre Leidenschaft<br />
entdeckte und sie<br />
zum Lebensinhalt machte.<br />
Als kleines Mädchen wollte sie Astronautin<br />
werden. Gut, daraus wurde nichts. Dafür hat<br />
sich die aus Toronto stammende Kanadierin<br />
ihren eigenen Kosmos erobert: die Welt<br />
der Unterwasserhöhlen. Noch vor ihrem<br />
30. Geburtstag warf Jill Heinerth ihre bürgerliche<br />
Existenz als Grafikerin über den<br />
Haufen, um ihren Traum zu leben – als<br />
Erforscherin des Unzugänglichen und Unentdeckten<br />
unter Wasser. Die inzwischen<br />
55-Jährige hat die längsten, die tiefsten und<br />
die engsten Höhlen der Welt betaucht,<br />
unter anderem einen Eisberg in der Antarktis,<br />
was ihr dieses Jahr einen Platz in der<br />
„Scuba Diver Hall of Fame“ bescheren wird.<br />
Natürlich ist es riskant, sich unter<br />
Wasser durch enge und komplett finstere<br />
Höhlen zu zwängen. Jeder kleine Fehler kann<br />
fatal enden. Jedes Jahr sterben im Schnitt<br />
zwanzig Höhlentaucher. Aber dieses Risiko<br />
tauscht Jill gern ein gegen das erhebende<br />
Gefühl, an Orte zu kommen, an denen noch<br />
kaum jemand war. Keine Angst? „Doch“,<br />
sagt Jill Heinerth, „aber du darfst ihr nicht<br />
erlauben, von dir Besitz zu ergreifen, weil<br />
du sonst zu viel Luft verbrauchst.“ Wie<br />
sie diesen mentalen Kraftakt bewältigt?<br />
„Im Angesicht der Gefahr atme einmal tief<br />
durch“, rät sie. „Und dann mach dich Schritt<br />
für Schritt an die Arbeit des Überlebens.“<br />
Jills Tauchprojekte: intotheplanet.com<br />
29
Das schickt der Himmel<br />
Ein Sonnenstrahl bahnt sich<br />
seinen Weg ins Reich der<br />
ewigen Finsternis. „Ich nenne<br />
diese Aufnahme aus Yucatán<br />
‚Beam me up‘“, lacht Jill.<br />
Und man versteht sofort,<br />
warum die Maya die Karsthöhlen<br />
für den Sitz der Götter<br />
der Unterwelt hielten.<br />
30 THE RED BULLETIN
Tor zu Floridas<br />
unglaublicher Unterwelt<br />
Der „Floridan Aquifer“, ein weit<br />
verzweigtes Netz aus unterirdischen<br />
Kanälen, versorgt 60 Prozent der<br />
Bevölkerung des US-Bundesstaats<br />
mit Grund wasser. Und er zieht<br />
furchtlose Höhlentaucher aus der<br />
ganzen Welt geradezu magnetisch<br />
an. Hier der Eingang zum „Orange<br />
Grove Sink Spring“ im Nordosten<br />
des Sunshine State.
„Spott tut<br />
nur so, als wäre<br />
es Humor.“<br />
Für Thomas Meyer hört der Spaß<br />
dort auf, wo die Verletzung beginnt.<br />
32 THE RED BULLETIN
Thomas Meyer<br />
„Humorvolle<br />
Menschen<br />
können über sich<br />
selbst lachen“<br />
Mit seinen Romanen über einen jungen orthodoxen<br />
Juden hat sich Thomas Meyer, 46, in die oberste<br />
Literaten-Liga geschrieben. Gelungen ist ihm das mit<br />
einer bei schweren <strong>The</strong>men untypischen Leichtigkeit.<br />
Text MICHÈLE BINSWANGER<br />
Fotos CLAUDIA HERZOG<br />
Er trinkt gern Grüntee und Holundersirup,<br />
und wenn er nachdenkt,<br />
legt er den Kopf so schräg,<br />
dass man seinen tätowierten Hals<br />
sieht: Thomas Meyer gehört nicht<br />
nur zu den bekanntes ten Autoren<br />
der Schweiz, sondern auch zu den<br />
außergewöhnlichsten. Mit seinen<br />
Romanen rund um den jungen orthodoxen<br />
Juden Motti Wolkenbruch<br />
feiert der 46-Jährige literarische<br />
Erfolge. Als Schriftsteller ist er einmal<br />
tiefsinnig, dann wieder hintergründig<br />
komisch. Das charakterisiert<br />
auch den Menschen, der trotz seiner<br />
Höhenflüge mit beiden Beinen am<br />
Boden geblieben ist. Dabei hätte er<br />
allen Grund, abzuheben: Sein erstes<br />
„Wolkenbruch“-Buch verkaufte sich<br />
über 170.000-mal und wurde verfilmt.<br />
Der Streifen lockte tausende<br />
Besucher in die Kinos und läuft seit<br />
einigen Monaten auch auf Netflix.<br />
the red bulletin: Welcher<br />
Schriftsteller-Typ sind Sie: Modell<br />
Thomas Mann, der sich sklavisch<br />
an seine Bürostunden hält, oder<br />
Modell Dostojewski, der seine<br />
Ideen rauschhaft niederschreibt?<br />
thomas meyer: Ich wünschte, ich<br />
wäre wie Mann, aber das bin ich<br />
nicht. Ich brauche diesen Schub, die<br />
Idee, die mich zieht und die dann<br />
zur Obsession wird. Ohne eine zündende<br />
Idee kann ich nicht schreiben.<br />
Sie haben sich einmal als „Funny<br />
Jew“ bezeichnet. Wie wichtig ist<br />
Ihnen Humor in Ihrer Arbeit?<br />
Humor ist ein Mittel, um eine doch<br />
eher schwierige Welt erträglicher<br />
zu machen. Oft steckt hinter meiner<br />
humoristischen Erzählweise aber<br />
keine gezielte Absicht – so, wie<br />
wenn ich Freunden von einem Ärgernis<br />
erzähle und dann bemerke,<br />
dass sie sich über das Wie meiner<br />
Erzählung amüsieren. Es hat auch<br />
etwas <strong>The</strong>rapeutisches, <strong>The</strong>men,<br />
die eigentlich schwierig sind, unterhaltsam<br />
wiederzugeben – sowohl<br />
für die anderen wie auch für mich.<br />
Humor geht meistens auf Kosten<br />
anderer. Ist es schwieriger geworden,<br />
Witze zu machen?<br />
Ich glaube, man muss unterscheiden<br />
zwischen Humor und Spott. Spott<br />
tut nur so, als wäre es Humor, will<br />
aber verletzen. Besser wäre es, einfach<br />
ehrlich zu sagen, was einem<br />
nicht passt, statt sich zu verstecken<br />
und zu sagen: War nur ein Witz.<br />
In Ihren Büchern arbeiten Sie<br />
oft mit Karikaturen. Ist das nicht<br />
auch eine Art Spott?<br />
Ich werde immer wieder mit<br />
dem Vorwurf konfrontiert, meine<br />
Bücher würden das Judentum der<br />
Lächerlichkeit preisgeben. Das sehe<br />
ich anders. Im ersten Buch ist es<br />
allenfalls die Figur der Mutter, die<br />
ich der Lächerlichkeit preisgebe –<br />
be ziehungsweise das Klischee der<br />
Mutter. Im aktuellen Buch ist es die<br />
jüdische Weltverschwörung.<br />
Was interessiert Sie daran?<br />
Ich habe ein klares Motiv: Ich will<br />
Rassenhass, Hetze im Netz und<br />
Verleumdung thematisieren – und<br />
dass nicht mehr Authentizität zählt,<br />
sondern der schrillste Auftritt. Ein<br />
Wissenschaftler kann jahrelang zu<br />
einem <strong>The</strong>ma forschen und Studien<br />
erstellen, aber heute kann irgendein<br />
Laie daherkommen und sagen:<br />
Stimmt nicht. Und ganz viele Leute<br />
glauben ihm. Das ist die aktuelle<br />
Situation – und ich finde die, sagen<br />
wir einmal, faszinierend.<br />
Gibt es einen jüdischen Humor?<br />
Ich weiß, dass man das von außen so<br />
wahrnimmt. Wenn man dann aber<br />
nachfragt, was den jüdischen Humor<br />
genau ausmacht, kommen meistens<br />
Antworten, die Humor insgesamt<br />
charakterisieren: die Fähigkeit, über<br />
THE RED BULLETIN 33
Thomas Meyer<br />
„Hoher Lohn,<br />
schönes Auto<br />
– interessiert<br />
mich nicht.“<br />
Der Erfolgsautor hat durch seine<br />
Arbeit zur Genügsamkeit gefunden.<br />
sich selbst zu lachen, sein eigenes<br />
Schicksal aus einer anderen Warte<br />
wahrzunehmen, um es erträglich zu<br />
machen. Was daran jüdisch sein soll,<br />
weiß ich nicht. Was es gibt, sind jüdische<br />
Witze, so wie es zu allem Witze<br />
gibt – außer Schweizer-Witze.<br />
In Deutschland und in Österreich<br />
gibt es die vermutlich schon.<br />
Ja, aber die Schweizer machen<br />
kaum Witze über sich selbst – in der<br />
Art „Trifft ein Schweizer einen anderen<br />
Schweizer …“. Dabei machen<br />
humor volle Menschen eigentlich genau<br />
das: Sie lachen über sich selbst.<br />
Sie sind jetzt Mitte vierzig. Was<br />
ist der größte Unterschied, wenn<br />
man nicht mehr jung ist?<br />
Mitte zwanzig glaubt man, unendlich<br />
tun zu können, was man will. Heute<br />
ist mir viel bewusster, dass meine<br />
Uhr läuft und ich meine Zeit nutzen<br />
muss. Deshalb will ich sie auch nicht<br />
mehr verschwenden, indem ich<br />
mich mit Leuten abgebe, die Antisemitismus<br />
für einen Witz halten.<br />
Inwiefern haben sich Ihre Ziele<br />
verändert, seit Sie literarischen<br />
Erfolg haben und diesen sogar in<br />
einen Film übersetzen konnten?<br />
Ich habe vor ein paar Jahren einmal<br />
eine Liste gemacht, was ich alles<br />
noch erreichen will: einen höheren<br />
Lohn, ein schöneres Auto, eine größere<br />
Wohnung und so weiter. Als ich<br />
die Liste neulich anschaute, musste<br />
ich feststellen, dass mich das meiste<br />
gar nicht mehr interessiert.<br />
Sind Sie tatsächlich genügsamer<br />
geworden?<br />
Ein Beispiel: Ich habe mir letzten<br />
<strong>September</strong> einen lang gehegten<br />
Traum erfüllt und ein 1982er-<br />
Mercedes-Coupé in Gold gekauft.<br />
Ich dachte mir: Jetzt, da ich Schriftsteller<br />
bin, brauche ich nur noch dieses<br />
Auto, dann bin ich richtig cool.<br />
Als ich den Wagen aber abholte,<br />
wurde mir schon nach 400 Metern<br />
Fahrt klar, dass es für mich überhaupt<br />
keinen Unterschied macht.<br />
Ich fuhr ihn dann tatsächlich kaum<br />
und verkaufte ihn nach vier Monaten<br />
wieder. Denn: Wozu brauche ich so<br />
was? Ich habe ein tolles Kind, und<br />
ich habe Erfolg mit meiner Arbeit.<br />
Was will ich denn noch mehr?<br />
Wolkenbruch kehrt als<br />
Liebesagent zurück<br />
Verstoßen von seiner Mutter, trifft Motti<br />
Wolkenbruch in einem Kibbuz auf einen<br />
fröhlichen Haufen Glaubensbrüder, die<br />
eine jüdische Weltverschwörung planen.<br />
Parallel dazu arbeitet eine Gruppe Nazis<br />
an der Machtergreifung mithilfe von Fake<br />
News. Nach turbulenten Verstrickungen<br />
kommt es zur amourösen Begegnung<br />
zwischen Motti und seiner attraktiven<br />
Gegenspielerin. www.diogenes.ch<br />
34 THE RED BULLETIN
Take the good<br />
sleep with you.<br />
Discover the new<br />
RECOVERY<br />
PILLOW<br />
www.blackroll.com
Jessica Nabongo<br />
Änderung<br />
der Reisepläne<br />
Sie hat alle Länder der Welt besucht und doch<br />
immer nur ein Ziel verfolgt: Jessica Nabongo, 36,<br />
will das Gesicht der Reiseindustrie verändern.<br />
Text JESSICA HOLLAND<br />
Foto ELTON ANDERSON<br />
Seit letztem Oktober ist Jessica<br />
Nabongo die erste schwarze Frau<br />
der Geschichte, die jedes Land der<br />
Erde besucht hat. Die Seychellen,<br />
Nummer 195 auf ihrer Liste, bildeten<br />
den Abschluss einer zweieinhalbjährigen<br />
Expedition, die die 36-jährige<br />
Amerikanerin mit ugandischen<br />
Wurzeln quer über den gesamten<br />
Planeten führte – und auf der sie<br />
online 180.000 Follower begleiteten.<br />
Nabongos Instagram-Auftritt<br />
und Website dienen aber nicht nur<br />
der Präsentation ihrer Reisen. Ihre<br />
Arbeit soll auch typisch westliche<br />
Vorurteile sprengen, die nach wie<br />
vor bestimmen, welche Teile der<br />
Welt einen Besuch wert sind und<br />
welche nicht. Mit der Welttour und<br />
dem von ihr gegründeten Reisebüro<br />
Jet Black kämpft Nabongo gegen<br />
diese Ressentiments und für mehr<br />
Diversität in der weiß dominierten<br />
Reiseindustrie.<br />
the red bulletin: Wie bist du<br />
auf die Idee gekommen, jedes<br />
Land der Welt zu bereisen?<br />
jessica nabongo: Ich setzte mir<br />
dieses Ziel, als ich Anfang zwanzig<br />
war, 2017. Damals war ich schon in<br />
60 Ländern – ich habe mir dafür eine<br />
Frist bis zu meinem 35. Geburtstag<br />
gesetzt. Mit fünf Monaten Verspätung<br />
habe ich es dann geschafft.<br />
Und das als erste schwarze Frau<br />
der Geschichte. Warum war dir<br />
das so wichtig?<br />
Schwarze hatten nicht immer die<br />
gleichen Möglichkeiten zu reisen<br />
wie Weiße. Das liegt an der vielschichtigen<br />
Diskriminierung durch<br />
die Kolonialgeschichte, in manchen<br />
Ländern auch an innerstaatlichen<br />
Strukturen. Als ich mit amerikanischem<br />
und ugandischem Pass unterwegs<br />
war, hatte ich immer wieder<br />
Probleme. Da wurde mir klar, wie<br />
wichtig es mir ist, Grenzbeamten<br />
überall auf der Welt zu zeigen, dass<br />
hier die Inhaberin eines afrikanischen<br />
Passes aus rein touristischen<br />
Motiven unterwegs ist.<br />
Wie kam es zur Gründung deines<br />
eigenen Reisebüros?<br />
Ich habe Jet Black gegründet, um<br />
mehr Aufmerksamkeit auf Reisen in<br />
Afrika, Mittel- und Südamerika und<br />
der Karibik zu richten. In diesen Gegenden<br />
gibt es Orte, die perfekt für<br />
Tourismus sind, aber kaum Besucher<br />
haben – einfach weil sie niemand<br />
kennt. Alle wollen nach Paris, aber<br />
was ist mit Dakar, Accra, Lagos?<br />
Was war die wichtigste Lehre<br />
aus deinen Erlebnissen?<br />
Ich habe den Menschen in jedem<br />
Land eine Frage gestellt: „Was macht<br />
euch glücklich?“ Die Antwort war<br />
immer die gleiche: das Zusammensein<br />
mit ihren Lieben und das Wohlergehen<br />
ihrer Kinder. Unabhängig<br />
von Ethnie, Status, Geschlecht, Religion<br />
oder Nationalität sind wir alle<br />
einfach Menschen; es gibt nur sehr<br />
wenig, das uns trennt. Interessanterweise<br />
hat Covid-19 dieses Gefühl<br />
bestärkt. Weil es erkennen lässt, dass<br />
sich unser Handeln nicht nur auf<br />
unsere unmittelbaren Nachbarn auswirkt,<br />
sondern auf alle. Die ganze<br />
Welt ist unsere Nachbarschaft.<br />
Wie können wir uns die Neugier<br />
auf eine Welt erhalten, die wir<br />
aktuell nicht so ohne Weiteres<br />
erkunden dürfen?<br />
Wir haben jetzt die Gelegenheit,<br />
unsere eigene Umgebung zu erkunden.<br />
Ich kenne Kenianer, die jammern,<br />
dass sie mit ihrem Pass nicht<br />
weit kommen, also frage ich sie:<br />
„Wart ihr schon auf Lamu? In Mombasa?<br />
Am Mount Kenya?“ Es gibt so<br />
viel im eigenen Land zu entdecken.<br />
Zudem gibt es genug Möglich keiten,<br />
einen Ort zu erkunden, ohne physisch<br />
anwesend zu sein. Man kann<br />
sich Videos ansehen, darüber lesen.<br />
Und wenn man dann endlich hinreisen<br />
darf, ist man besser vorbereitet.<br />
Warum ist Reisen so wichtig?<br />
Weil wir dadurch aufhören, Pakistaner,<br />
Engländerinnen, Franzosen,<br />
Senegalesinnen und Ghanaer zu<br />
sehen – sondern den einzelnen Menschen<br />
dahinter. So entsteht nicht<br />
nur Toleranz, sondern auch Liebe,<br />
und unsere Menschlichkeit wächst.<br />
thecatchmeifyoucan.com<br />
Instagram: @thecatchmeifyoucan<br />
36 THE RED BULLETIN
„Alle wollen<br />
nach Paris,<br />
aber was ist<br />
mit Dakar<br />
oder Lagos?“<br />
THE RED BULLETIN 37
Willi Margreiter<br />
Auf dem<br />
Holzweg<br />
zum Erfolg<br />
Wie der Salzburger Willi<br />
Margreiter, 43, mit seinen<br />
Surfboards aus Holz die<br />
Ozeane erobert und dabei<br />
Inseldenken neu definiert.<br />
Text CHRISTIAN EBERLE-ABASOLO<br />
the red bulletin: Du bist Tischler<br />
in der dritten Generation. Gibt<br />
es in Grödig mehr Nachfrage nach<br />
Surfboards als nach Möbeln?<br />
willi margreiter: Die Möbel hat<br />
eh mein Vater gebaut (lacht). Mich<br />
haben aber immer schon Sportgeräte<br />
fasziniert. Nachdem ich einmal<br />
einen Gleitschirm geschenkt bekommen<br />
habe, wollte ich mit meinen<br />
Freunden ein Kiteboard dazu bauen.<br />
Woher wusstest du, wie man<br />
Boards baut?<br />
Wusste ich nicht. Aber ich habe<br />
analysiert, was es braucht: Statik,<br />
Stabilität, Wendigkeit. Ein Grundverständnis<br />
davon hatte ich durch<br />
meine Ausbildung (HTL für Holztechnologie<br />
und Architekturstudium;<br />
Anm.). Dann habe ich getüftelt und<br />
geschaut, wo ich Komponenten für<br />
das Board herbekomme. Und über<br />
die Monate ist aus meiner Idee ein<br />
Prototyp entstanden. Und aus einem<br />
Prototyp mehrere Sportgeräte.<br />
Wie kamen die Surfer auf dich?<br />
Seit 2010 gibt es eine stabile Welle<br />
im Salzburger Almkanal. Da übliche<br />
Boards an den Betonrändern dort<br />
leicht brechen, haben mich die<br />
Surfer gefragt, ob ich nicht etwas<br />
Stabileres bauen könne. Also habe<br />
ich mich an die Arbeit gemacht und<br />
bald erkannt, dass sich Holz gut<br />
dafür eignet – wenn man es richtig<br />
Das Gesicht hinter<br />
Wuux Surfboards:<br />
Shaper Wilhelm<br />
„Willi“ Margreiter<br />
bearbeitet. Bis zum aktuellen Design<br />
mit Holzummantelung hat es zwei<br />
Jahre gedauert. Diese Bauart ist<br />
weltweit einzigartig und war nur<br />
möglich, weil ich wie auf einer Insel<br />
auf mich allein gestellt war.<br />
Experten, die man konsultieren<br />
könnte, sind also ein Nachteil?<br />
Wenn man von allen abschauen und<br />
lernen kann, erreicht man relativ<br />
schnell ein hohes Niveau – auf dem<br />
sind die anderen aber schon. Man<br />
tut sich sehr schwer, aus ausgetretenen<br />
Pfaden auszubrechen und<br />
etwas Neues zu kreieren. Wenn in<br />
Portugal oder Frankreich ein Shaper<br />
beginnt, geht er in den nächsten<br />
Surfzubehör-Shop und kauft zehn<br />
Board-Rohlinge. Ich musste alles<br />
selbst machen. Dadurch hatte ich<br />
natürlich mehr Arbeit, konnte aber<br />
alles von Grund auf neu denken.<br />
Und jede Menge Fehler machen …<br />
Das gehört dazu. Von Beginn an. Wir<br />
bauen ein Board, wir testen es, wir<br />
Ex-Board-Schlager<br />
Seit 2014 stellt Willi Margreiter in<br />
Grödig unter dem Namen „Wuux<br />
Surfboards“ Surfbretter aus Holz<br />
her. Er wählt je nach Kundenwunsch<br />
aus 35 verschiedenen Holzarten,<br />
darunter schwere Hölzer wie Esche<br />
und Eiche. Möglich ist das durch<br />
eine spezielle Technik der Bearbeitung<br />
unter Beachtung von Luftdruck,<br />
Holzfeuchtigkeit und weiterer<br />
Parameter. Die Boards (ab ca. 1000<br />
Euro) werden individuell gefertigt<br />
und an Kunden von Spanien bis Hawaii<br />
geliefert. wuux-surfboards.com<br />
sehen, was nicht passt. Wir bauen<br />
das Board neu. So haben wir uns die<br />
letzten Jahre stets weiterentwickelt.<br />
Bis zur Perfektion?<br />
Nein. Perfektion gibt es nicht. Vor<br />
allem bei Holz. Unsere Kunden wissen,<br />
dass sie nichts Perfektes bekommen,<br />
dafür ein Board mit Charakter,<br />
mit Macken. Genau das schätzen sie.<br />
Mehr Naturtalente wie Willi findest du<br />
unter: organicsbyredbull.com/talent<br />
WUUX<br />
38 THE RED BULLETIN
FOTO<br />
WETTBEWERB<br />
<strong>2020</strong><br />
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SO HEBST DU<br />
RICHTIG AB<br />
Direkt vor deiner Nase liegt alles, was dich glücklich,<br />
fit und erfolg reich machen kann. Glaubst du nicht?<br />
Trial‐Profi FABIO WIBMER, 25, sammelte mit diesem<br />
Mindset fast fünf Millionen YouTube-Fans. Und verrät,<br />
wie auch du deinen Alltag mit völlig neuen Augen siehst.<br />
Text ALEX LISETZ<br />
Fotos HANNES BERGER
POP-UP-RADWEG<br />
Am Badesteg des Hall stätter Sees<br />
in Ober österreich ist Radfahren<br />
eigentlich verboten. Fabios Lösung:<br />
ein fach nicht den Boden berühren<br />
41
SENKRECHT<br />
STARTER<br />
Baumklettern, einmal<br />
anders: Mit 14 sattelte<br />
Fabio von Motocross<br />
auf Trial-Biking um.<br />
Der Rest ist Geschichte.
Fabio Wibmer wuchs mitten<br />
in einem Abenteuerspielplatz<br />
auf. Seine Eltern schenkten<br />
ihm genau das Spielzeug, das<br />
seine Talente weckte. Und<br />
wenn er heute bei seiner Lieblingsbeschäftigung<br />
die Kamera<br />
mitlaufen lässt, gefällt das auf YouTube<br />
80 Millionen Leuten.<br />
Auf den ersten Blick sieht das wie<br />
Glück aus.<br />
Doch in Wirklichkeit hat Fabio Wibmer<br />
nur mehr Fantasie als wir.<br />
„Ich schaue mir die ganz normalen<br />
Dinge um mich herum aus neuen Blickwinkeln<br />
an“, sagt Fabio. „Ich denke nach,<br />
welche coolen Ideen darin stecken könnten.<br />
Und dann setze ich diese Ideen um.“<br />
Mit diesem Prinzip kann man wie<br />
Fabio Mountainbiker auf Weltniveau<br />
oder Österreichs erfolgreichster You<br />
Tuber werden. Fabios Lebenseinstellung<br />
zündet aber auch bei Geschäftsideen<br />
und bei Lebensentwürfen anderer Art.<br />
Und bei Ausflügen mit dem Bike sowieso.<br />
„Du brauchst kein Budget und keine<br />
schicke Location, um deine Kreativität zu<br />
nützen“, sagt Fabio. „Manchmal hast du<br />
sogar bessere Ideen, wenn du in deinen<br />
Möglichkeiten limitiert bist.“<br />
Leute ohne Ideen hassen diesen Trick.<br />
Also noch mal von vorn. Fabio Wibmer<br />
wuchs in einem Osttiroler Bergdorf auf.<br />
Fürs Berühmtwerden war das eher kein<br />
Startvorteil. „Ich liebe Oberpeischlach“,<br />
sagt er, „aber zu tun gab es da gar nichts.<br />
Wir hatten nicht mal eine ebene Fläche.<br />
Nach fünf Minuten Fußballspielen war<br />
der Ball weg, den Hang runtergerollt.“<br />
Fabio Wibmer war sechs, als er eine<br />
wichtige Erkenntnis hatte. Eine Wiese<br />
muss nicht nur eine Wiese und ein um gestürzter<br />
Baum nicht nur ein um gestürzter<br />
Baum sein. Nein, wenn man kreativ<br />
denkt, kann eine Wiese auch eine Motocross-Bahn<br />
sein und ein umgestürzter<br />
Baum ein Trial-Obstacle. Nach einem<br />
Familienausflug zur Motocross-WM in<br />
Kärnten bettelten Fabio und sein Cousin<br />
Gabriel ihren Eltern Kinder-Motocross<br />
Maschinen ab. Jetzt war das Feld des<br />
Onkels kein schlechtes Fußballfeld mehr,<br />
sondern ein perfekter Motocross-Kurs.<br />
Und der Wald hinterm Haus ein Abenteuerspielplatz<br />
mit endlosen Inspirationen<br />
für Mutproben und Kunststücke.<br />
Lektion eins des Kreativseins: Bleib<br />
innerlich ein Kind. Und sieh die Welt als<br />
Spielplatz für deine Ideen und Talente.<br />
Fabio, heute 25 und Wahl-Innsbrucker,<br />
ist mittlerweile ein Star: Sein You<br />
Tube-Channel hat über fünf Millionen<br />
Abonnenten, seine erfolgreichsten<br />
Videos wurden von über 90 („Wibmer’s<br />
Law“) bis über 100 Millionen Fans<br />
(„Urban Freeride Lives“) angeklickt.<br />
ALLTAG ALS INSPIR<strong>AT</strong>ION<br />
Der Grund für Fabios Erfolg ist – neben<br />
seinen haarsträubend genialen Skills<br />
am Trial- und Downhill-Bike – seine<br />
Kreativität. Seine Videos erzählen Storys,<br />
seine Tricks überraschen und haben<br />
Witz. Um sie zu entwickeln, denkt er<br />
wie der Sechsjährige, der er einmal<br />
war: Er nimmt Alltagsdinge aus seinem<br />
Umfeld unter die Lupe und entwickelt<br />
daraus coole Ideen.<br />
Fabio Wibmer, 25, ist<br />
Weltklasse-Trial- und<br />
-Downhill-Biker und<br />
Österreichs erfolgreichster<br />
YouTuber.<br />
„Spannend wird<br />
es erst, wenn ich<br />
für einen Trick<br />
300 Versuche<br />
brauche.“<br />
THE RED BULLETIN 43
„Manchmal hast du<br />
bessere Ideen, wenn<br />
deine Möglichkeiten<br />
limitiert sind.“<br />
BALANCE-AKT<br />
In seinen YouTube-<br />
Clips kombiniert Fabio<br />
geniale Trick-Ideen<br />
mit witzigen Storys.<br />
45
Fünf Basics für den<br />
perfekten Bike-Tag<br />
Bestes Beispiel: „Fabiolous Escape“,<br />
das Video, mit dem er vor vier Jahren<br />
seinen Durchbruch schaffte. „‚Escape‘<br />
war ursprünglich ein Beitrag für einen<br />
Video-Contest mit der Aufgabe, eine<br />
schöne Line in einem Take zu filmen. Da<br />
habe ich mir gedacht: Warum eigentlich<br />
nicht eine Story erzählen – und mein<br />
ganzes Dorf einbauen?“ Fabios „Flucht“<br />
vor der – ein bisschen tollpatschigen –<br />
Dorfpolizei führt über Hausdächer und<br />
Mittagstische und streut mit lässiger Beiläufigkeit<br />
Frontflips, Drops und einen<br />
Balanceakt am Lenker ein. Resultat: der<br />
Sieg im Contest und bis heute knapp<br />
60 Millionen Views. „Ich nehme Dinge, die<br />
jeder kennt, und gebe ihnen einen neuen<br />
Dreh“, erklärt der ehemalige Sportmarketing-Student<br />
den Erfolg seines Konzepts,<br />
„Ich muss nur im<br />
Kopf ausblenden,<br />
dass es neben<br />
mir 200 Meter<br />
runtergeht.“<br />
Starthilfe: Viele von Fabios<br />
Tricks (hier ein 180 vom<br />
Dach eines Mercedes Marco<br />
Polo) sind von Skatern und<br />
Parkour-Athleten inspiriert.<br />
das auch für Start-up-Gründer und Freizeitsportler<br />
funktionieren dürfte. „So<br />
wie in ‚Urban Freeride Lives‘, wo ich über<br />
Treppen springe – darunter kann sich<br />
jeder etwas vorstellen, anders als bei<br />
einer Rampe, deren Dimensionen ein<br />
Laie nicht einschätzen kann.“<br />
Wenn er unterwegs ist, poppen die<br />
Ideen auf. „Ich sehe eine Mauer und<br />
überlege, wie man auf ihr fahren oder<br />
über sie springen könnte.“ Einmal verschlug<br />
es ihn auf der Suche nach einem<br />
Drehort für ein neues Video ins Kärntner<br />
Maltatal. Dort stach ihm die 200 Meter<br />
hohe Staumauer ins Auge, die oben mit<br />
einem Metallgeländer gesichert war.<br />
„Ich sah das Geländer und dachte mir:<br />
Wäre das Ding nur zehn Zentimeter<br />
hoch, könnte ich da ohne Probleme<br />
drauf fahren. Ich muss also nur im Kopf<br />
ausblenden, dass es neben mir 200 Meter<br />
runtergeht.“ Ein paar Tage später kurbelte<br />
er, mit einem Kletterseil gesichert, am<br />
reifenbreiten Geländer vom Anfang zum<br />
Ende der Staumauer, links von ihm der<br />
gähnende Abgrund. „Ein unbeschreibliches<br />
Gefühl, vor allem danach“, sagt er.<br />
Unsereiner muss schon beim Ansehen<br />
des Videos (YouTube: „Riding a bike on<br />
a 200m high rail“) das Deo erneuern.<br />
1. Ein Bike (essenziell)<br />
„Dein Bike ist nur ein Haufen Blech,<br />
wenn es nicht tadellos funktioniert.<br />
Darum immer vor dem Losfahren<br />
checken, ob die Bremsen ziehen, die<br />
Räder rundlaufen und nichts wackelt<br />
oder schleift. “<br />
2. Die weltbesten Kumpels<br />
„Biken macht mehr Spaß, wenn gute<br />
Freunde dabei sind. Damit jeder auf<br />
seine Kosten kommt, sollten aber alle<br />
ein ähnliches Leistungslevel haben –<br />
sonst wird’s langweilig. Ich arbeite<br />
für Downhill und Trial mit zwei unterschiedlichen<br />
Crews und habe mit beiden<br />
schon legendäre Sachen erlebt.“<br />
3. Genug zu futtern<br />
„Ich weiß nicht, wie es anderen geht,<br />
aber wenn bei mir der Energienachschub<br />
ausbleibt, werde ich ungemütlich.<br />
Gleichzeitig will ich aber am Bike<br />
keinen Proviant mitschleppen. Darum<br />
checke ich immer vorher, ob es dort,<br />
wo ich fahren will, Verpflegung gibt –<br />
und ob das Gasthaus oder die Imbissstation<br />
auch geöffnet hat. Denn<br />
niemand will mich hungrig erleben.“<br />
4. Kaiserwetter<br />
„20 bis 25 Grad und Sonnenschein.<br />
Simpel, aber so wichtig.“<br />
5. Handy-Ausknopf<br />
„Klar, ein Handy sollte man unterwegs<br />
immer dabeihaben. Aber wenn nicht<br />
gefilmt wird, drehe ich das Ding lieber<br />
ab. Man ist sowieso ständig online, da<br />
will ich wenigstens beim Biken meine<br />
Ruhe vom Rest der Welt haben.“<br />
SCHEITERN ERLAUBT<br />
Viele seiner Ideen, sagt Fabio, führen<br />
auch in die Sackgasse. „Weil sie in echt<br />
nicht so funktionieren wie in meinem<br />
Kopf. Oder komplett lame sind, obwohl<br />
ich sie mir so genial ausgemalt hatte.“<br />
Macht nichts: Denn Kreativsein klappt<br />
nur, wenn man sich Fehler und Blamagen<br />
erlaubt, sich nicht in Unsinn verrennt.<br />
Lektion zwei des Kreativseins: Don’t<br />
give a fuck.<br />
Wobei: Manchmal lohnt es sich, gerade<br />
die aussichtslos scheinenden Ideen<br />
weiterzuverfolgen. „Es gibt Leute, die<br />
schmeißen alles hin, wenn ihnen ein<br />
Trick nach 30 Versuchen nicht gelingt“,<br />
sagt Fabio. „Wenn mir ein Trick nach<br />
46 THE RED BULLETIN
ALLES IM BLICK<br />
Der „Handlebar Ride“,<br />
Fabios Spezialität, verbessert<br />
die Übersicht –<br />
macht die Fahrt aber<br />
nicht unbedingt<br />
sicherer.
Ständige<br />
Begleiter<br />
Lässig steckt<br />
nicht umsonst<br />
in zuverlässig:<br />
Fabio erklärt,<br />
auf welche<br />
Ausrüster<br />
er vertraut.<br />
1<br />
2<br />
4<br />
3 5<br />
1. POC Helm<br />
„Es ist extrem wichtig,<br />
einen Qualitätshelm zu<br />
tragen, der dir auch wirklich<br />
passt. Ich vertraue<br />
voll auf den Schutz, den<br />
mir POC bietet. Wenn du<br />
einen richtigen Crash<br />
hast, weißt du warum.<br />
Gott sei Dank ist mir<br />
das noch nicht allzu oft<br />
passiert. Der Grund?<br />
Entweder Können oder<br />
einfach nur Glück.“<br />
2. Magura MT5<br />
Bremsen<br />
„Die Bremsen sind mitunter<br />
der wichtigste Teil<br />
meines Bikes. Ich brauche<br />
sie in jedem Moment<br />
eines Tricks. Und wenn<br />
du irgendwo sechs Meter<br />
über dem Abgrund<br />
stehst, musst du den<br />
Bremsen vertrauen können.<br />
Sonst nimmt das<br />
kein gutes Ende.“<br />
3. Canyon<br />
Fahrradrahmen<br />
„Das ist das erste Trial-<br />
Bike von Canyon, es wurde<br />
speziell für mich und<br />
meinen Fahrstil produziert.<br />
Ich fahre es seit<br />
Anfang des Jahres und<br />
nehme gemeinsam mit<br />
Canyon an diesem Prototyp<br />
ständig kleine Veränderungen<br />
vor. Ich mag<br />
das Bike, da es kurz und<br />
kompakt ist. Und dank<br />
des höheren Lenkers<br />
bekomme ich das Vorderrad<br />
leichter hoch.“<br />
4. Crankbrothers<br />
Pedale<br />
„Die Pedale sind der<br />
Punkt, wo du und dein<br />
Bike aufeinandertreffen.<br />
Guter Grip ist daher das<br />
Um und Auf. Meine haben<br />
super Pins, die sich in<br />
meinen Schuh drücken<br />
und dafür sorgen, dass<br />
ich nicht abrutsche.“<br />
5. Continental<br />
Reifen<br />
„Die Reifen sind im Regelfall<br />
der Teil des Bikes, der<br />
zuerst den Boden berührt.<br />
Viel Grip und hohe Beständigkeit<br />
können den<br />
Unterschied zwischen<br />
Sturz und sicherer Landung<br />
ausmachen. Danny<br />
MacAskill hat diese Reifen<br />
vor ein paar Jahren<br />
speziell für Trial-Bikes<br />
entwickelt. Sie sind breiter<br />
als üblich und ideal<br />
für meine Art zu fahren.“<br />
30 Versuchen gelingt, interessiert er mich<br />
nicht mehr. Dann war er nicht schwierig<br />
genug. So richtig spannend wird ein Trick<br />
für mich erst, wenn ich 200 oder 300 Versuche<br />
brauche – so wie im ‚Home Office‘-<br />
Video, wo ich einen Basketball mit dem<br />
Hinterrad in den Korb kicke.“<br />
Manchmal reicht Beharrlichkeit nicht.<br />
Dann braucht es wieder Kreativität –<br />
man muss einen Workaround finden, der<br />
die gute Idee verwirklichen hilft. „Einmal<br />
fiel mir in der Garage ein Bike ins Auge,<br />
das ich zum Reparieren auf den Kopf gestellt<br />
hatte. Da begann ich nachzudenken:<br />
Wie wäre es, da mit einem zweiten<br />
Bike spiegelverkehrt draufzuspringen?“<br />
Die ersten Versuche endeten so, wie es<br />
sich der Laie vorstellt: mit blauen Flecken.<br />
„Dann hatte ich die Idee, das untere<br />
Bike am Boden zu fixieren und seine<br />
Bremsen festzustellen.“ Prompt klappte<br />
der Trick – und ist nun, genau wie die<br />
Basketball-Sequenz, im „Home Office“-<br />
Video zu sehen.<br />
VOM IDOL ZUM KUMPEL<br />
Wie lernt man, so kreativ zu denken<br />
wie Fabio Wibmer?<br />
„Ich hab mich immer von dem inspirieren<br />
lassen, was andere machen“, sagt<br />
er, „und dann mein eigenes Ding draus<br />
gemacht.“ So gesehen war ein Frühlingstag<br />
im Jahr 2009 der wichtigste seines<br />
Lebens. Da stolperte Fabio, damals 14,<br />
beim Scrollen über „Inspired Bicycles“,<br />
ein Video des schottischen Trial-Bike-<br />
Gotts Danny MacAskill. „Ich wusste sofort,<br />
so etwas will ich auch machen.“<br />
Fabio sattelte vom Motocross-Bike<br />
aufs Trial-Bike um und nützte MacAskills<br />
Videos, um sich selbst Tricks beizubringen.<br />
Parallel dazu stellte er selbst Videos<br />
online. Und baute langsam, aber kontinuierlich<br />
eine Community auf. 2012<br />
lernte er sein Idol erstmals persönlich<br />
kennen: bei einem Workshop der <strong>Red</strong><br />
Bull Wings Academy. „Danny sagt, mein<br />
Talent sei ihm schon damals aufgefallen.<br />
Aber ich habe mich kaum mit ihm zu<br />
reden getraut, so einen Respekt hatte<br />
ich.“<br />
Der Kontakt riss nicht ab, sondern intensivierte<br />
sich: Zuerst teilte Danny eines<br />
von Fabios Videos, dann versorgte ihn<br />
48 THE RED BULLETIN
sein Bike-Sponsor mit Material. Schließlich<br />
machte Danny Fabio ein Angebot:<br />
Er suche talentierte Mitstreiter für eine<br />
Show-Tour. Heute ist Fabio tragende<br />
Säule des „Drop And Roll“-Teams, das<br />
den Fans mit Frontflips über Gartenzäune<br />
und Backflips am alten Damenrad<br />
die Hälse verdreht.<br />
Es ist nur eines von mehreren Standbeinen,<br />
in denen sich Fabio heute kreativ<br />
„Mich interessiert<br />
wahnsinnig, wie<br />
andere Disziplinen<br />
an ein Problem<br />
herangehen.“<br />
austobt. Ein anderes ist die „Sick Series“<br />
– Fabios eigene Apparel-Brand, die er<br />
nach seiner gleichnamigen YouTube-<br />
Videoserie benannt hat. „Ich war als<br />
J ugendlicher verrückt nach allen möglichen<br />
Brands“, sagt er, „und habe immer<br />
schon davon geträumt, meine eigene zu<br />
haben. Für das Design lasse ich mich von<br />
meinen Lieblingsmarken inspirieren und<br />
füge dann meine eigenen Ideen dazu.“<br />
Lektion drei des Kreativseins: Schau<br />
zuerst, wie es andere machen. Und mach<br />
dann dein eigenes Ding draus.<br />
ÜBER DEN TELLERRAND SCHAUEN<br />
Vielleicht sollte man an dieser Stelle<br />
gleich Lektion vier anheften: Schau über<br />
den Tellerrand. Denn vielleicht findest<br />
du für deine Aufgabe, für die Herausforderungen<br />
deiner unmittelbaren Umgebung<br />
in völlig unerwarteten Ecken<br />
Inspiration. „Mich interessiert wahnsinnig,<br />
wie andere Communitys oder andere<br />
Disziplinen an ein Problem herangehen“,<br />
sagt Fabio. „Manchmal beobachte ich<br />
Skateboarder und versuche, ihre Moves<br />
aufs Bike zu übertragen. Und im ,Home<br />
Office‘-Video springe ich einmal vom<br />
Dach auf einen Baum und slide dann<br />
seitlich herunter – auf diese Idee haben<br />
mich Parkour-Videos gebracht.“<br />
Also: Die besten Ideen liegen direkt<br />
vor deiner Nase. Und auf ihre Fährte<br />
bringen dich manchmal Gleichgesinnte,<br />
manchmal aber auch Eingebungen aus<br />
unerwarteter Ecke. Und um gute Ideen<br />
zu finden, darf man keine Angst vor Irrwegen<br />
und Fehlern haben.<br />
Noch etwas, Fabio?<br />
„Ja“, sagt Fabio. „Ideen vertragen sich<br />
nicht mit Stress. Wenn man kreativ werden<br />
will, braucht man etwas, was einem<br />
beim Fokussieren hilft. Darum musst du<br />
die eine Sache finden, die dir dabei hilft,<br />
vom Alltag abzuschalten und ganz zu dir<br />
selber zu kommen.“<br />
Fabio hat seine „eine Sache“ ganz<br />
offensichtlich gefunden. Wir könnten<br />
noch ewig weiterreden, aber er muss<br />
jetzt los. Denn über dem Patscherkofel<br />
klart es gerade auf, und Fabio weiß: Im<br />
Wald warten seine Bike-Kumpels auf ihn.<br />
STEFAN VOITL<br />
Trial-Bike oder Mountainbike?<br />
Fabio beherrscht<br />
beide Geräte wie kaum<br />
ein anderer in Österreich.<br />
Mehr Bike geht nicht<br />
In Saalfelden Leogang findet<br />
vom 7. bis 11. Oktober <strong>2020</strong> die<br />
Vier fach-Weltmeisterschaft statt.<br />
Downhill, Cross-Country, Pumptrack oder<br />
doch E-Mountainbike? Für welche Disziplin<br />
auch immer dein Herz schlägt, im Epic Bikepark<br />
Leogang hast du die Gelegenheit, den<br />
weltbesten Fahrerinnen und Fahrern (im Bild:<br />
Lokalmatadorin und Mitfavoritin im Downhill-<br />
Bewerb Vali Höll) auf die Pedale zu schauen.<br />
Und wer der Zweirad-Action in Österreichs<br />
größter Bikeregion nicht live beiwohnen kann,<br />
bekommt auf <strong>Red</strong> Bull TV das volle Programm<br />
auf den Screen nach Hause geliefert.<br />
Alle Infos unter: bikewm<strong>2020</strong>.com<br />
THE RED BULLETIN 49
Der Star greift nach<br />
den Sternen: Rapper<br />
Travis Scott im Online-Spiel<br />
„Fortnite“.<br />
Knapp 28 Millionen<br />
Spieler sind beim<br />
Auftritt live dabei.<br />
EPIC GAMES
DAS LEBEN IST<br />
EIN SPIEL<br />
Künstler wie Travis Scott,<br />
Pussy Riot oder Sting haben<br />
das Metaversum erobert –<br />
den Gamer-Kosmos, in dem<br />
Kultur-Events in ungeahnter<br />
Größe stattfinden können:<br />
eine neue digitale Alternative<br />
zum analogen Leben. Wir<br />
haben die Pioniere getroffen.<br />
Text TOM GUISE<br />
51
Marc Goehring (links) und Kara Chung luden zur Modenschau im Game „Animal Crossing“.<br />
Wir schreiben den 23. April <strong>2020</strong>. Die<br />
Welt befindet sich im Lockdown.<br />
Öffentliche Plätze sind gesperrt, die<br />
Straßen verwaist. Dennoch strömen<br />
an diesem Tag 12,3 Millionen Menschen<br />
gleichzeitig zu einem Konzert,<br />
das alles bisher Dagewesene übertreffen<br />
soll. US-Rapper Travis Scott<br />
hat zu „Astronomical“ geladen –<br />
einem virtuellen Gig innerhalb des<br />
Online-Spiels „Fortnite“. Und die Sache ist groß.<br />
Richtig groß. 100 Meter groß, um genau zu sein.<br />
Travis Scott, der 28-Jährige Texaner, der seit<br />
seinem Debüt 2013 den Vergleich mit musikalischen<br />
Größen wie Drake, Kanye West oder Kendrick<br />
Lamar nicht zu scheuen braucht, hat sich in einen<br />
Übermenschen verwandelt. Das ist an sich nichts<br />
Neues, Scott ist für abgefahrene Bühnenshows bekannt.<br />
Bei vergangenen Konzerten ließ er sich von<br />
einem gigantischen, ferngesteuerten Adler übers<br />
Publikum fliegen. Und auf seiner „Astroworld: Wish<br />
You Were Here“-Tournee wurde eine Achterbahn installiert,<br />
die über die Köpfe der tanzenden Menge<br />
hinwegfegte. Doch das, was er bei „Fortnite“ ab liefert,<br />
hebt die Sache noch einmal auf ein neues Level:<br />
Travis Scott ist ein Titan mit durchscheinender Haut<br />
und übersinnlichen Fähigkeiten. Und als solcher<br />
marschiert er mühelos über Wolkenkratzer und<br />
Inseln hinweg. Fans fliegen ihm zu, schweben durch<br />
die Luft, die Schwerkraft ist abgeschafft.<br />
„O mein Gott! Er greift sich die Sterne am Himmel“,<br />
brüllt ein Moderator über den Videospiel-<br />
Streamingdienst Mixer. Es ist Tyler „Ninja“ Blevin,<br />
der Superstar in der Online-Gamer-Community.<br />
Ninja steckt nach wie vor in seinem regulär großen<br />
Spielerkörper, während der überdimensionale Scott<br />
sich zwei Himmelskörper schnappt, diese aneinanderschlägt<br />
und damit einen gleißenden Blitz durch<br />
die Menge zucken lässt. Im selben Moment baut sich<br />
eine Unterwasserwelt auf. Plötzlich steckt Scott in<br />
einem Astronautenanzug und navigiert damit durch<br />
die Dunkelheit. Eine Odyssee, die im Weltraum und<br />
mit der Präsentation seines neues Songs „<strong>The</strong> Scotts“<br />
endet. Nach fünfzehn Minuten hat Travis Scott den<br />
Planeten „Fortnite“ wieder verlassen – und die leicht<br />
desorientierten Spieler brauchen einen Moment, um<br />
in den normalen Modus zurückzu finden, wo sie einander<br />
mit Spitzhacken, Raketenwerfern und Sturmgewehren<br />
angreifen.<br />
„War’s das?“, fragt Ninja ungläubig. Auch ihm<br />
ist klar, dass er soeben von seinem „Fortnite“-Thron<br />
gestoßen wurde. 12,3 Millionen Gamer, das sprengt<br />
alle bisherigen Rekorde. Doch Travis Scott legt noch<br />
eins drauf. Mit den „Astronomical“-Shows der<br />
nächsten vier Tage verdoppelt er die Zuschauerzahl:<br />
Insgesamt haben sich am Ende 27,7 Millionen eingeloggt.<br />
Das entspricht zweimal der Einwohnerzahl<br />
von New York und Los Angeles zusammen, oder anders<br />
gerechnet: dreimal jener von ganz Österreich.<br />
Travis Scott hat damit das größte und meistdiskutierte<br />
Kultur-Event des bisherigen Jahres <strong>2020</strong> abgeliefert.<br />
Und die Sache trug sich nicht auf einer<br />
Bühne oder im Fernsehen zu. Sie passierte im virtuellen<br />
Raum, innerhalb eines Online-Games.<br />
KARA CHUNG, ONDŘEJ VACHEK, MALTEEZ/BXBW<br />
52 THE RED BULLETIN
Virtuell: die US-Band Against the Current auf der Bühne des Festivals Block by Blockwest<br />
„UNSERE SOZIALE INTERAKTION VERLAGERT<br />
SICH MEHR UND MEHR INS METAVERSUM.“<br />
Fotos statt mit Kugeln schießen: ein Bild von Fotograf Ondřej Vachek in „<strong>Red</strong> Dead Online“<br />
Für viele kommt dieser Erfolg nicht überraschend.<br />
„Fortnite“ hat bereits mehrmals<br />
den Kulturbetrieb herausgefordert. Im Jänner<br />
2019 wurde DJ Marshmello eine virtuelle<br />
Bühne gegeboten – und seine Performance zog<br />
zehn Millionen Player an. Elf Monate später flog<br />
Hollywood regisseur J. J. Abrams auf dem virtuellem<br />
„Star Wars“ Raumschiff „Millennium Falcon“ ein,<br />
um exklusive Ausschnitte seines neuen Streifens<br />
„Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers“ zu präsentieren.<br />
„‚Fortnite‘ hat sich zum Super Bowl der Online-<br />
Event-Industrie gemausert“, sagt Gary Whitta. Als<br />
Drehbuchautor ist der 47-jährige Amerikaner für<br />
Science-Fiction-Filme wie „After Earth“ und „<strong>The</strong><br />
Book of Eli“ verantwortlich. Obendrein betreibt<br />
Whitta einen Podcast zum <strong>The</strong>ma Gaming. „Experten<br />
sprechen von der Entwicklung eines Metaversums,<br />
und es wird diskutiert, inwieweit sich unsere<br />
soziale Interaktion dort hinverlagert.“ Laut Soziologie<br />
verliert vor allem der „dritte Ort“ immer mehr an<br />
Bedeutung. Mit diesem Begriff, den US-Soziologe<br />
Ray Oldenburg prägte, sind öffentliche Räume gemeint,<br />
in denen wir einen Ausgleich zu Familie und<br />
Job suchen: Pubs, Cafés, Kinos, Parks. Über die Jahre<br />
schuf das Internet mit Chats, Streamingdiensten und<br />
Social Media Alternativen. „Die Pandemie hat diesen<br />
Prozess noch einmal beschleunigt“, so Gary Whitta.<br />
Für ihn hat sich durch den Lockdown ebenfalls<br />
etwas Neues online aufgetan. Seit der Pandemie<br />
darf sich der 47-Jährige auch Moderator einer Late-<br />
Night-Talkshow nennen. Zu Whittas bisherigen<br />
Gästen zählen Hollywoodstar Elijah Wood oder<br />
THE RED BULLETIN 53
Travis Scott stellte seine<br />
Single „<strong>The</strong> Scotts“ im<br />
Game „Fortnite“ vor.<br />
Resultat: Die Streamingrate<br />
seiner Musik stieg<br />
um satte 138 Prozent.<br />
„ICH KANN MICH IN DIESER<br />
VIRTUELLEN WELT FREI BEWEGEN.“<br />
Film bösewicht Danny Trejo. Doch seine Sendung ist<br />
nicht im TV oder bei YouTube zu sehen. Es ist eine<br />
In-Game-Talkshow, sie findet innerhalb des Nintendo-Bestsellers<br />
„Animal Crossing“ statt. Die Stimme<br />
des Moderators ist echt, doch er selbst ist nicht zu<br />
sehen. Sein Avatar sitzt im Studio. Dasselbe gilt für<br />
die Gäste auf der virtuellen Couch. Für alle, die<br />
„Animal Crossing“ nicht kennen: Das bunte Nintendo-Game<br />
setzt auf Idylle anstatt auf Action und<br />
Abenteuer. Man lebt auf einer Insel, die von Tieren<br />
bewohnt ist. Um Geld für ein Haus oder die Einrichtung<br />
zu generieren, schüttelt man unter anderem<br />
Bäumchen. Die herabgefallenen Früchte werden<br />
dann an einen Hawaiihemd tragenden Waschbären<br />
verkauft, den lokalen Gemischtwarenhändler.<br />
Erfunden hat die Fabelwelt der japanische Videospiele<br />
entwickler Katsuya Eguchi, nachdem er 2001<br />
durch einen Job geografisch von Familie und Freunden<br />
getrennt war. „Ich habe meine Lieben vermisst.<br />
Mit ihnen zu reden und Videospiele zu spielen war<br />
ein wichtiger Teil meines Lebens. Und ich begann<br />
zu überlegen, ob ich dieses Gemeinschaftserlebnis<br />
nachbauen kann.“ „Animal Crossing: New Horizons“<br />
– die neueste Version – läuft auf Nintendos Switch-<br />
Konsole. Das bedeutet: Man kann seine Insel mit bis<br />
zu vier Spielern teilen. Gleichzeitig ist auch ein Ausflug<br />
auf andere Inseln möglich, um sich mit Spielern<br />
aus aller Welt auszutauschen. Man muss lediglich<br />
an den virtuellen Flughafen fahren, der von einem<br />
Dodo, einem geier ähnlichen Vogel, betrieben wird.<br />
EPIC GAMES, GARY WHITTA<br />
54 THE RED BULLETIN
Schauspieler Elijah Wood (2. von links) in der Online-Talkshow von Gary Whitta<br />
Verkaufsstart war der 20. März <strong>2020</strong> – jener Tag,<br />
an dem Großbritannien, New York und Kalifornien<br />
bekanntgaben, Parks, Spielplätze und nicht systemrelevante<br />
öffentliche Plätze zu schließen, um die<br />
Ausbreitung von Covid-19 einzudämmen. Innerhalb<br />
von zehn Tagen waren Nintendos Switch-Konsolen<br />
weltweit vergriffen. Und auch die Wirtschaft zog<br />
nach: Ein britische Einrichtungskette bietet virtuelle<br />
Einrichtungsberater für die Community an. Die Modedesigner<br />
Marc Jacobs und Valentino zeigten ihre<br />
neuen Kollektionen – in Ermangelung an Real-Life-<br />
Alternativen – bei „Animal Crossing“.<br />
Drehbuchautor Gary Whitta witterte: Da ist Potenzial<br />
für mehr. Die Unterhaltungsindustrie war<br />
lahmgelegt, da während des Lockdowns Studioaufnahmen<br />
unmöglich waren. Also begann er – vorerst<br />
aus einer Spielerei heraus –, im Keller seines „Animal<br />
Crossing“-Hauses ein Talkshow-Studio einzurichten.<br />
„Gamer meinten: Warum produzierst du nicht wirklich<br />
eine Sendung, mit richtigen Gästen? Also habe<br />
ich ein paar Freunde ins Boot geholt“ – die zufälligerweise<br />
nicht ganz unbekannt waren, Whittas langjährige<br />
Tätigkeit im Showbiz machte sich bezahlt.<br />
Mit Folge 10 waren über den Streamingdienst Twitch<br />
340.000 Views erreicht. Und das Ganze entwickelte<br />
eine gewisse Eigendynamik. „Jedes Mal, wenn eine<br />
Berühmtheit, die ‚Animal Crossing‘ spielt, bei Twitter<br />
was zum Game tweetet, werde ich getaggt.“<br />
Whitta sieht für sein Late-Night-Format vor allem<br />
Gäste vor, die aktiv „Animal Crossing“ spielen und<br />
bereits über einen eigenen Avatar verfügen. „Für<br />
Super stars mache ich aber schon einmal eine Ausnahme.<br />
Als Sting in meine Show kam, fragte ich ihn:<br />
‚Was möchtest du tragen?‘ Dann haben wir gemein-<br />
sam versucht, in der virtuellen Garderobe etwas<br />
zu finden.“ Für klassische Late-Night-Talker wie<br />
Stephen Colbert, Conan O’Brien oder Jimmy Fallon<br />
sieht Whitta schwierige Zeiten kommen. „Diese Leute<br />
leisten großartige Arbeit“, betont er. „Sie unterhalten<br />
uns in Zeiten, in denen wir alle gute Unterhaltung<br />
brauchen können. Aber ihr Problem ist: Sie<br />
sitzen in ihren Studios und in der Realität fest. Ich<br />
hingegen kann mich in der virtuellen Welt frei bewegen,<br />
bin an keinen Ort gebunden. Ich sitze während<br />
der Aufnahmen in San Francisco, meine Gäste<br />
in New York oder Frankreich – trotzdem sieht man<br />
unsere Avatare gemeinsam im virtuellen Studio interagieren.<br />
Das Metaversum bringt Leute auf eine<br />
Art zusammen, wie es das Fernsehen niemals kann.“<br />
Ums Zusammensein geht es auch in einem anderen<br />
Zufluchtsort im Metaversum: dem Online-Multiplayer-Game<br />
„<strong>Red</strong> Dead“, das in eine Simulation des<br />
Wilden Westens eingebettet ist. Mit Outlaws, Kopfgeldern<br />
und allem Drum und Dran. Das Besondere<br />
an „<strong>Red</strong> Dead Online“ (RDO) sind die hyperreal<br />
wirkenden Naturerlebnisse im Pionierzeit-Amerika.<br />
Man muss sich mit Bärenattacken herumschlagen,<br />
tauscht sich über Stürme und Wettervorhersagen<br />
aus. Das Ganze geht sogar so weit, dass sich die<br />
Hoden der Reitpferde bei Kälte zusammenziehen.<br />
A<br />
ls der Lockdown für Großbritannien ausgerufen<br />
wurde, sattelten der Londoner Street-Fotograf<br />
Ondřej Vachek, 28, und sein Fotografenkollege<br />
Sean Tucker, 41, die virtuellen Pferde.<br />
Bei „RDO“ haben Spieler Bewegungsfreiheit,<br />
sie entscheiden selbst, wann sie welchen Teil des<br />
Pionierzeit-Amerikas erkunden möchten. „Wir sind<br />
THE RED BULLETIN 55
einfach ausgeritten, an einen See fischen gegangen<br />
und haben uns über Fotografie unterhalten“, so<br />
Vachek. Nachdem Spielern eine virtuelle Boxkamera<br />
zur Verfügung steht – jene Art, in die man einen<br />
Rollfilm einlegt und die es ab 1900 gab –, war bald<br />
eine neue Freizeitbeschäftigung geboren. „Irgendwann<br />
meinten wir: Hey, lass uns auch in der simulierten<br />
Welt was mit den Kameras machen.“ Vacheks<br />
Kollege Tucker dazu: „Wir sind nach Saint Denis<br />
geritten, um Street-Fotografie zu machen.“ Das<br />
virtuelle Saint Denis ist dem realen New Orleans<br />
nachempfunden – und dort knipsten die beiden<br />
Foto grafen sogenannte Nicht-Spieler-Charaktere,<br />
Statisten, die vorgefertigten Regeln folgen und keine<br />
eigenen Entscheidungen treffen können. „Alles<br />
ist in Bewegung, im Game so wie im realen Leben.<br />
Wir haben also nur das gemacht, was wir sonst<br />
auch gemacht hätten: Wir haben mit der Kamera<br />
das tägliche Treiben festgehalten.“ Gleichzeitig starteten<br />
die beiden beim Streamingportal Twitch die<br />
„<strong>The</strong> <strong>Red</strong> Dead Poets Society“, eine Plattform, die<br />
andere User auf eine virtuelle Fototour einlädt.<br />
„Wir sehen es als eine Möglichkeit, den Leuten<br />
etwas über Fotografie und den richtigen Aufnahmewinkel<br />
beizubringen“, sagt Tucker. „In der echten<br />
Welt lassen sich Leute oft nur ungern ablichten. In<br />
der fiktiven Stadt Saint Denis hat aber niemand ein<br />
Problem damit, die Figuren sind ja nicht real.“ Probleme<br />
gibt’s nur, wenn plötzlich ein anderer Gamer<br />
auftaucht. „Stell dir vor, du bist darin versunken,<br />
einen Trompetenspieler zu fotografieren, und plötzlich<br />
kommt irgendein Arsch vorbei und beginnt, alles<br />
über den Haufen zu schießen“, lacht Vanek. „Da<br />
bricht dann Chaos aus, weil wir<br />
natürlich sofort zurückballern.“<br />
Das, was Vanek an „<strong>Red</strong> Dead<br />
Online“ schätzt – das Naturerlebnis<br />
und Entdecken neuer Welten –, ist<br />
auch Helen Fanthorpe nicht fremd.<br />
Sie ist <strong>Red</strong>akteurin bei „<strong>The</strong> Rough<br />
Guide to Xbox“, einem Reise führer,<br />
der auf Destinationen fokussiert<br />
ist, die in Videospielen wie „Assassin’s Creed Odyssey“<br />
oder „Forza Horizon 4“ vorkommen. Das E-Book<br />
gibt Sightseeing-Tipps sowie Unterkunfts- und Shopping-Empfehlungen.<br />
„Durch die Pandemie haben<br />
wir ein gesteigertes Interesse an virtuellen Reisen<br />
festgestellt. Weil wir den Leuten helfen wollten,<br />
ihrem Wohnzimmer zu entkommen, haben wir den<br />
Download gratis gemacht.“<br />
Szenenwechsel. Zurück zur Musikwelt. Als Travis<br />
Scott in seiner „Astronomical“-Konzertreihe durch<br />
„Fortnite“ stürmte, wurde zeitgleich auch für ein anderes<br />
Musik-Event im Metaversum geprobt. Diesmal<br />
im Game „Minecraft“. Dort fanden die letzten Vorbereitungen<br />
für Block by Blockwest (BXBW) statt,<br />
ein siebenstündiges Festival mit fast 40 Acts auf drei<br />
Bühnen, veranstaltet von Courier Club, einer vierköpfigen<br />
Dance-Punk-Band aus Philadelphia. „Wir<br />
sind nicht in der Stadt aufgewachsen, das Kulturgeschehen<br />
war für uns weit weg. Was gerade angesagt<br />
war, haben wir oft aus Videospielen erfahren“,<br />
erklärt Sänger Timothy Waldron seine Affinität zum<br />
Gaming. Bassist Michael Silverglade ergänzt: „In<br />
meiner Jugend habe ich oft jene Songs, die ich in<br />
einem Game mochte, in Dauerschleife abgespielt.“<br />
Eines der Spiele, mit denen die Jungs aufwuchsen,<br />
war „Minecraft“.<br />
Zu „Minecraft“, dem meistverkauften Videospiel<br />
aller Zeiten, muss man wissen: Die Urversion 2009<br />
war mittels Open Code programmiert, sprich: für<br />
alle einsehbar. Und die Optik ist recht simpel, es<br />
handelt sich um modulare 3D-Landschaften, die<br />
schier endlose Anpassungs- und Veränderungsmöglichkeiten<br />
erlauben. „Es ist das einzige Spiel, aus<br />
dem man tatsächlich Welten bauen kann“, so Sänger<br />
Waldron. „Ursprünglich war der Plan: Lasst uns eine<br />
Show für unsere Fans auf die Beine stellen. Dann<br />
wurde die Sache mit jedem Tag größer.“ Die Band<br />
holte die „Minecraft“-Community ins Boot, um die<br />
virtuellen Festival-Bühnen zu kreieren. „Wir kannten<br />
einander nicht, die Leute kamen aus der ganzen<br />
Welt und aus verschiedenen Zeitzonen, aber Stück<br />
für Stück haben wir gemeinsam eine Welt erschaffen.<br />
Ich musste oft denken: Mann, wenn das im echten<br />
Leben auch so leicht wäre, dann würden wir viel<br />
umsetzen können in der Welt.“ Für das Festival baten<br />
die Veranstalter die Künstler, eine vorab aufgenommene<br />
Performance einzureichen. Manche Acts,<br />
die angefragt wurden, waren sofort dabei, wie etwa<br />
Cowgirl Clue alias Ashley Calhoun, eine texanische<br />
Dance-Pop-Sängerin. Andere mussten erst überzeugt<br />
werden, dass das Ganze Hand und Fuß hat.<br />
„STÜCK FÜR STÜCK HABEN<br />
WIR EINE WELT ERSCHAFFEN.“<br />
Kreierten mit dem Block by Blockwest Festival ihr eigenes virtuelles Musik-<br />
Event: die Dance-Punk-Band Courier Club aus Philadelphia.<br />
KEVIN CONDON<br />
56 THE RED BULLETIN
„WIR HABEN EIN BEDÜRFNIS<br />
NACH COMMUNITY.“<br />
„Ich bin keine Gamerin, aber ich mag die Ästhetik<br />
der Spiele“, sagt Nadeschda Tolokonnikova, Mitbegründerin<br />
der russischen Punk-Protestband Pussy<br />
Riot. Die Gruppe sollte im März auf große Tournee<br />
gehen. Doch durch die Pandemie wurde alles abgeblasen.<br />
Der Lockdown traf die 30-jährige Tolokonnikova<br />
besonders hart. Sie wurde 2012, nach der<br />
Performance eines Putin-kritischen Songs, verhaftet<br />
und musste zwei Jahre im Gefängnis verbringen.<br />
„Ich glaube an die <strong>The</strong>orie der Identitätsleistung.<br />
Das heißt: Wenn ich nicht machen kann, wofür ich<br />
brenne, verliere ich meine Identität.“ Da kam ihr<br />
das BXBW-Festival gerade recht. „Sehe ich eine<br />
Möglichkeit, unsere politische Botschaft unter die<br />
Leute zu bringen, bin ich dabei.“<br />
Einen Tag vor dem Festival wurde ein zusätzlicher<br />
Act bekannt gegeben: Massive Attack.<br />
„Die mediale Aufmerksamkeit, die uns das einbrachte,<br />
war unglaublich“, sagt BXBW-Mitorganisator<br />
Ryan Conway. Und das hatte zur Folge, dass sich<br />
innerhalb der ersten Stunde des Festivals zehntausende<br />
Spieler gleichzeitig einloggen wollten. „Das<br />
hat unsere Server-Kapazitäten gesprengt.“ Nichts<br />
ging mehr. Ende. Aus. Man zog den Stecker, die Sache<br />
wurde abgebrochen.<br />
„Es hat uns schlicht an Expertise gefehlt“, so Conway<br />
zerknirscht. Doch die Geschichte ist hier nicht<br />
zu Ende. „Ein Typ schrieb uns: Hey, ich habe euch in<br />
den Nachrichten gesehen. Ich arbeite im Tech-Bereich,<br />
ich kann euch helfen.“ Konkret bot die Firma<br />
DigitalOcean ihr Rechenzentrum für das Festival an.<br />
Plötzlich war wieder alles möglich – sogar 100.000<br />
Leute würden sich einloggen können. Und auch<br />
wenn Massive Attack ihren Auftritt schlussendlich<br />
absagten – am 16. Mai um 19.40 Uhr Ostküstenzeit<br />
ging das BXBW-Festival live.<br />
Das Setting: ein gigantischer Berg, auf dessen<br />
Gipfel eine virtuelle Ski-Lodge thront. Es gibt<br />
eine Seilbahn, aber die meisten Spieler hacken<br />
in ihre Tasten, um mit ihren Avataren die blockigen<br />
Stufen zum Gipfel hinaufzuspringen.<br />
In der Lodge spielen Pussy Riot ihren Song „Macho“.<br />
Tolokonnikovas Avatar – eine pixelige, kantige Spielfigur<br />
mit grüner Sturmhaube (jener Kopfbedeckung,<br />
die die Band bei ihrem Protest am Roten Platz in<br />
Moskau berühmt gemacht hat) – gibt Slogans wie<br />
„Fuck Capitalism!“ aus. Unermüdlich rattern ihre<br />
Botschaften über den Bildschirm, die Menge jubelt.<br />
Die Hauptbühne befindet sich im Untergrund. Im<br />
Publikum sieht man einen Typen mit einem Zauberwürfel<br />
als Kopf. Deadpool, die Actionfigur aus den<br />
Marvel-Comics, ist auch da. Genauso wie ein zweibeiniges<br />
Schwein. Und dann findet sich da noch Joe<br />
Mulherin, der US-Rapper, der unter dem Künstlernamen<br />
nothing,nowhere bekannt ist. Sein Avatar ist<br />
einem Sensenmann nachempfunden, der Tod dient<br />
auch im echten Leben als Logo für seine Musik. Er<br />
soll in Kürze auftreten, doch noch spielt eine andere<br />
Band, also hat er Zeit, die virtuelle Welt zu erkunden.<br />
Dass der 28-jährige Rapper aus Massachusetts<br />
viel Zeit online verbringt, kommt nicht von ungefähr.<br />
Mulherin leidet an einer Angststörung und<br />
geht damit offen um. „Im Rampenlicht zu stehen<br />
macht mich nervös. Ich habe mich immer mehr zurückgezogen,<br />
mich von den Fans distanziert. Aber<br />
seit ich in diesem Gamer-Universum bin – meine<br />
Spiele auf Twitch streame, mich im Discord-Chat<br />
mit anderen unterhalte –, kann ich besser damit<br />
umgehen. Du triffst auf Kids, die mit denselben Dingen<br />
hadern wie du.“<br />
Mulherin geht mit seinen Fans – die freilich ebenfalls<br />
Sensenmänner sind – auf Festival-Entdeckungstour.<br />
Die Truppe stürmt eine Treppe hinauf, die sich<br />
auf einem gigantischen Baum befindet, und landet<br />
in einem Shop, in dem digitale Festival-T-Shirts und<br />
Kunst zu erstehen sind. Die Käufe tätigt man zwar<br />
innerhalb des Spiels, die Merchandising-Produkte<br />
bekommt man jedoch in realer Form nach Hause<br />
geschickt. „Ich war auch bei Travis Scotts ‚Fortnite‘-<br />
Konzert“, sagt Mulherin. „Es war großartig, aber<br />
eher passiv. So, als würde man ein Feuerwerk anschauen.<br />
Hier, beim BXBW-Festival bei ‚Minecraft‘,<br />
geht’s mehr ums Gemeinschaftserlebnis. Man kann<br />
sich austauschen, chatten, es gibt Mini-Spiele zwischendrin.<br />
Die Menschen haben ein Bedürfnis nach<br />
Community – und das wird hier gut abgedeckt.“<br />
Veranstalter Waldron sagt: „Wir sehen das Festival<br />
als eine Art Testlauf. Langfristig schwebt uns vor,<br />
eine virtuelle Welt zu erschaffen, die immer online<br />
ist und in der die Spieler auch zwischen den Konzertreihen<br />
abhängen können.“ Und natürlich eröffnen<br />
sich mit den virtuellen Konzerten auch neue Karriereoptionen.<br />
„Wenn man die Hallen in seiner Heimatstadt<br />
nicht füllen kann – weil die Nische, für die<br />
man Musik macht, nicht groß genug ist –, dann muss<br />
man eben global denken. Und seine Musik international<br />
promoten, in einem Online-Club. Dieses Denken<br />
hat auch nach dem Lockdown noch Bestand.“<br />
Beim BXBW-Festival ist Mulherin endlich dran,<br />
auf die Bühne zu gehen. Sein Avatar geht nervös auf<br />
uns ab, wie bei einem „richtigen“ Gig. „Virtuelle<br />
Angst fühlt sich sehr real an.“ „‚Minecraft‘, ich kann<br />
euch nicht hören. Make some noise!“, stachelt der<br />
Rapper die Menge an, als er seine Show beginnt. Er<br />
wird von einer Flut an Bildschirm-Herzen und Feuerwerken<br />
begrüßt. Ein paar Spieler laufen schwebend<br />
durch die Luft. Mulherins eckiger Avatar lässt sich<br />
in die Menge fallen. Und plötzlich … ist er weg. Verschwunden.<br />
Wie in Luft aufgelöst.<br />
„LMAO! (Laughing my ass off – Ich lach mich tot!)<br />
Mein Server hat mich rausgekickt“, tippt er und<br />
rennt zurück auf die Bühne, um weiterzumachen …<br />
THE RED BULLETIN 57
INNOV<strong>AT</strong>OR<br />
IDEAS<br />
FOR<br />
A BETTER<br />
FUTURE<br />
Helfer in der Luft:<br />
Der Wingcopter liefert<br />
bereits jetzt Impfstoffe<br />
und Insulin in<br />
abgelegene Gebiete.<br />
Lieferdrohne<br />
Flotte<br />
Fracht<br />
Die Fluggeräte von Wingcopter<br />
könnten das heiß umkämpfte<br />
Rennen um die Zukunft der Luftfracht<br />
gewinnen. Schnell genug<br />
dafür sind sie auf jeden Fall.<br />
Transport von Insulin auf<br />
irische Atlantik inseln<br />
oder von Impfstoffen<br />
nach Vanuatu im Pazifik<br />
oder Malawi in Afrika – der<br />
Wingcopter ist in den letzten<br />
Jahren ganz schön herumgekommen.<br />
Das Fluggerät<br />
(Spannweite: 1,78 Meter)<br />
des gleichnamigen Startups<br />
aus Darmstadt zeigt seit<br />
seiner Konzeption 2017 in<br />
der Praxis eindrucksvoll, wie<br />
schnelle Nahversorgung in<br />
Zukunft ablaufen könnte:<br />
mit einer Kombination aus<br />
Flächenflugzeug und Multi-<br />
copter. Das Geheimnis, so<br />
Co-Founder Tom Plümmer, ist<br />
der patentierte Schwenkrotor-<br />
Mechanismus. Er ermöglicht<br />
senkrechtes Aufsteigen wie<br />
bei gewöhnlichen Drohnen,<br />
aber auch Flugzeugdynamik.<br />
Das Ergebnis: Reichweiten<br />
von 45 Kilometern (mit der<br />
Maximallast von 6 Kilogramm)<br />
bis zu 100 Kilometern bei<br />
2 Kilo Last sowie ein Rekordspeed<br />
von 240 km/h. Wenn<br />
sich doch nur die Regularien<br />
des Luftverkehrs auch so<br />
schnell ändern würden …<br />
wingcopter.com<br />
58 THE RED BULLETIN
IN ALLER KÜRZE<br />
UPD<strong>AT</strong>E FÜR<br />
KLASSIKER<br />
Zwei österreichische<br />
Start-ups bringen<br />
traditionelle<br />
Institutionen in ein<br />
modernes Format.<br />
DIGITALER BAUERNMARKT<br />
Die Plattform von <strong>The</strong>resa<br />
Imre, 29, fasst die Produkte<br />
von über 400 regionalen<br />
Herstellern zusammen<br />
und liefert sie bis vor die<br />
Haustür. Aktuell nur in Wien,<br />
ist eine Expansion in<br />
weitere Städte geplant.<br />
markta.at<br />
Unterwasser-Atemgerät<br />
Wie ein Fisch im Wasser<br />
Ein innovatives Gadget aus Österreich ermöglicht<br />
Tauchgänge in bis zu fünf Meter Tiefe – ganz ohne<br />
Sauerstofftanks oder Zeitlimits.<br />
George W. Bush, der 43. Präsident<br />
der USA, meinte einmal in seiner<br />
unvergleichlichen Art, er glaube an<br />
die friedliche Koexistenz von Menschen<br />
und Fischen. Wie richtig er damit lag,<br />
beweist nun der österreichische Produktdesigner<br />
Jörg Tragatschnig, 64. Mit Exolung<br />
hat er ein innovatives Tauchgerät<br />
entwickelt, das wie eine externe Lunge<br />
funktioniert und Tauchern ermöglicht,<br />
unter Wasser zu atmen – ohne Druckluftflaschen,<br />
ohne zeitliche Beschränkung.<br />
„Exolung entstand aus einem Kindheitstraum<br />
von mir“, erzählt Tragatschnig.<br />
„Als Student habe ich dann begonnen,<br />
ernsthaft über das Konzept<br />
nachzudenken: Ziel war es, ein technisch<br />
möglichst reduziertes Atemgerät zu entwickeln,<br />
das die Lücke zwischen Schnorcheln<br />
und Scuba-Tauchen schließt.“<br />
CARTER DOW, LUKAS ILGNER, CHRISTOPH KERSCHBAUM, EXOLUNG<br />
PROMPTE PFANDLEIHE<br />
Für alle, die schnell Geld<br />
brauchen: online den Wert<br />
von Handy, Schmuck und Co<br />
berechnen, Laufzeit eingeben<br />
und den Wertgegenstand<br />
von Cashy (Bild: Co-<br />
Founder Patrick Scheucher,<br />
32) einfach abholen lassen.<br />
cashy.at<br />
Mehr Inspiration für<br />
Zukunftsmacher gibt es<br />
im aktuellen INNOV<strong>AT</strong>OR.<br />
Infos und Abo unter:<br />
redbulletininnovator.com<br />
Der Exolung-Schlauch reicht bis in 5 Meter Tiefe.<br />
Das Grundprinzip: Exolung nützt<br />
die Beinbewegungen des Tauchers, um<br />
via Seilzug durch einen Schlauch Atemluft<br />
von der Wasseroberfläche bis zu<br />
fünf Meter unter Wasser in eine Art Luftglocke<br />
zu pumpen, die der Taucher um<br />
die Brust geschnallt hat. Eine bewegliche<br />
Membran ermöglicht das Ein- und Ausatmen.<br />
Zusätzliche Sicherheit garantiert<br />
die permanente Verbindung mit der Boje<br />
an der Wasseroberfläche.<br />
Die Vorteile: Das Gerät ist leicht und<br />
kompakt, kostengünstig, muss weder<br />
aufgeladen noch wiederbefüllt werden<br />
und erfordert im Gegensatz zum konventionellen<br />
Tauchen kaum Training.<br />
exolung.com<br />
Atmungsaktiv:<br />
Mit einem Gewicht<br />
von nur 3,5 Kilo und<br />
40 × 30 × 20 Zentimeter<br />
Packmaß bietet Exolung<br />
eine geniale Low-Tech-<br />
Alternative zum Scuba-<br />
Tauchen. Zudem soll<br />
der Einstiegspreis unter<br />
300 Euro liegen.<br />
THE RED BULLETIN 59
Im Fokus:<br />
Die 22-jährige<br />
Mathea ist aktuell<br />
Österreichs<br />
erfolgreichste<br />
Pop-Sängerin.
„TRÄUME KÖNNEN<br />
NICHT GROSS<br />
GENUG SEIN“<br />
Sie will die erfolgreichste Pop-Künstlerin<br />
im deutschsprachigen Raum werden: Auf dem Weg<br />
dorthin setzt M<strong>AT</strong>HEA, 22, auf Ehrlichkeit,<br />
Instagram und die Sprichwörter ihrer Mutter.<br />
Interview JONAS VOGT<br />
Fotos KIDIZIN SANE<br />
61
Mathea ist auf der Überholspur. 75 Millionen Streams auf<br />
Spotify, 2019 als einzige heimische Künstlerin auf Platz<br />
eins der Single-Charts, im Mai erschien mit „M“ endlich<br />
ihr Debütalbum. Sie ist der aktuell größte weibliche<br />
Popstar Österreichs, weil sie über ein Leben singt, das<br />
ihre Fans verstehen können. Es geht um Liebe, Trauer<br />
und Ehrlichkeit in Zeiten von schnellen Tinder-Matches.<br />
Im Interview spricht sie über Emotionen als Antrieb,<br />
Authentizität als Garant im Gegensatz zu Castingshows<br />
und darüber, wie sich manche Erfolgs wege erst offenbaren,<br />
wenn Träume platzen.<br />
Mathea strebt nach<br />
Höherem. Zu wissen,<br />
wo man hinwill, und<br />
alles dafür zu tun<br />
sind zwei Elemente<br />
ihres Erfolgs.<br />
the red bulletin: Auf deinem Album zerbrechen<br />
Beziehungen, du bist auf schlechten Dates und<br />
„irgendeiner Party“. Das klingt nach dem Leben<br />
einer ganz normalen 22-Jährigen. Bist du eine<br />
ganz normale 22-Jährige?<br />
mathea: Ich glaub, ich bin eine gewöhnliche 22-Jährige<br />
mit einem außergewöhnlichen Alltag. In meinem Privatleben<br />
hab ich ganz normale Probleme, die jeder in meinem<br />
Alter hat. Aber natürlich ist manches auch anders:<br />
Ich reise sehr viel, hab mit Medien zu tun, arbeite viel<br />
mit Menschen zusammen, die älter sind als ich.<br />
Und du bist viel auf Instagram unterwegs. Bleibst du<br />
dort mit deinen Fans in Kontakt, die einen anderen<br />
Alltag haben als du?<br />
Das ist meine Welt, auch privat. Ich war schon dabei,<br />
als Instagram vor fünf Jahren seinen ersten Hype hatte<br />
– also noch bevor ich Künstlerin wurde. Aber es ist auch<br />
für meine Arbeit enorm wichtig. Ich kann dort direkt mit<br />
meinen Fans kommunizieren, mich mit ihnen connecten.<br />
Das ist mir irre wichtig, das merk ich immer mehr.<br />
Kannst du dir deinen Erfolg erklären?<br />
Es gibt keine Formel zum Erfolg. Aber ich glaub, bei mir<br />
sind es drei Dinge. Erstens: fokussiert bleiben – also wissen,<br />
wohin man will, und alles dafür zu tun. Zweitens:<br />
abwägen. Also: Ist ein Angebot es wirklich wert, oder<br />
schade ich mir damit langfristig? Und drittens: seinen<br />
Platz finden. Ich kenne meinen: Ich schreib ehrliche Texte<br />
direkt aus meinem Leben, ich mach modernen Deutschpop.<br />
Das sind die drei Dinge, die mich ausmachen.<br />
Das erinnert an RAF Camoras Erfolgsformel: Finde<br />
drei Dinge, in denen du besser bist als alle anderen.<br />
Offenbar kein schlechtes Konzept.<br />
Apropos „Angebote abwägen“ – lehnst du<br />
Sachen ab?<br />
Ja, ich hab in der letzten Zeit sogar einige lukrative<br />
Angebote abgelehnt. Wenn ich etwas mache, auf das<br />
ich eigentlich keine Lust habe, dann bin ich nicht mit<br />
dem Herzen dabei. Da kann man mir eine Million Euro<br />
zahlen, aber es wird nie authentisch sein – und das<br />
merken die Fans.<br />
Im Zusammenhang mit deinen Texten fällt oft der<br />
Begriff „Ehrlichkeit“. Bist du ehrlich, kriegt man eine<br />
ungeschminkte Mathea?<br />
62 THE RED BULLETIN
Aus dem Schatten<br />
getreten: Über die<br />
Castingshow „<strong>The</strong><br />
Voice of Germany“<br />
kam Matheas Karriere<br />
richtig ins Rollen.<br />
„Da kann man mir eine<br />
Million Euro zahlen.<br />
Wenn ich darauf keine<br />
Lust habe, wird es nicht<br />
authentisch – und das<br />
merken die Fans.“
In den Songs bin ich zu 100 Prozent ehrlich. Das ist mir<br />
wichtig, da mache ich keine Kompromisse. Ich spreche<br />
oft ganz konkrete Personen in meinen Texten an, mit<br />
dem Ziel, dass diese Personen das auch merken. Anders<br />
ist es in Interviews: Die Medien würden oft gerne Dinge<br />
wissen, die über die Songs hinausgehen. Da musste ich<br />
erst lernen, Grenzen zu setzen.<br />
Glaubst du, jede Person, über die du je einen Song<br />
geschrieben hast, hat das auch gemerkt?<br />
Manchmal haben sich sogar mehr Personen angesprochen<br />
gefühlt als ursprünglich geplant.<br />
Gibt dir die Ehrlichkeit etwas?<br />
Ich schreibe Songs, weil ich etwas verarbeiten muss.<br />
Als ich 16 Jahre alt war und den größten Liebeskummer<br />
meines Lebens hatte – zumindest dachte ich das damals<br />
–, hab ich mich ans Klavier gesetzt und das herausgesungen.<br />
Das hilft mir sehr, auch heute noch.<br />
Wenn du einen Song performst, der in einer bestimmten<br />
Gefühlslage entstanden ist, kommen<br />
die Emotionen dann zurück?<br />
Das kommt ganz darauf an, in welcher Situation ich<br />
bin. Wenn ich mich auf einem Festival oder bei einem<br />
Auftritt nicht ganz wohlfühle, dann bin ich voll damit<br />
beschäftigt, pro fessionell zu sein. Wenn ich aber loslassen<br />
kann, dann kommen sehr viele Gefühle bei mir<br />
hoch. Letztes Jahr haben wir auf meiner ersten Tour in<br />
München den Song „Kein Tutu“ als Unplugged-Version<br />
gespielt. Da hab ich mich echt zusammenreißen müssen,<br />
um nicht auf der Bühne zu weinen.<br />
„Ich hatte das Gefühl,<br />
das Leben zieht an mir<br />
vorbei. Dann dachte ich:<br />
‚Scheiß drauf!‘“<br />
In dem Song geht es um eine Hüftverletzung, die<br />
verhindert hat, dass du Tänzerin werden konntest.<br />
Wie schafft man es, aus so einem Schicksalsschlag<br />
eine Chance zu machen?<br />
Das war ein riesiges Drama. Ich hab getanzt, seit ich<br />
drei Jahre alt war. Tanzen war alles für mich. Dann hab<br />
ich die Hüftprobleme bekommen, Operationen, saß<br />
eine Zeitlang im Rollstuhl. Ich war 16 und hatte das<br />
Gefühl, das Leben zieht an mir vorbei. Und dann kam<br />
die Wende. Ich wollte eigentlich zum Tanzen auf ein<br />
musisches Gymnasium, aber dann dachte ich: „Scheiß<br />
drauf, ich geh trotzdem auf diese Schule.“ Ich hab die<br />
Aufnahmeprüfung für Gesang gemacht, und der Stein<br />
kam ins Rollen.<br />
Was hat dich diese Erfahrung gelehrt?<br />
Ich kann jedem, der in einer ausweglos scheinenden<br />
Situation steckt, ans Herz legen, was meine Mama<br />
damals zu mir gesagt hat: Wenn sich eine Tür schließt,<br />
öffnet sich eine andere. Das fand ich damals extrem<br />
blöd, heute weiß ich, dass sie recht hatte.<br />
Wenn wir schon bei Lehren sind: Was hast du<br />
durch die Teilnahme an der Castingshow „<strong>The</strong> Voice<br />
of Germany“ gelernt?<br />
Als ich dort war, hab ich erkannt, dass das Show geschäft<br />
mein Ding ist. Ich war sehr enttäuscht, als ich ausgeschieden<br />
bin. Und im Nachhinein hab ich gelernt,<br />
dass das ein TV-Format ist, das mit der Realität im<br />
Musik business nicht sehr viel zu tun hat. Für die spätere<br />
Karriere ist es völlig egal, was man bei einer Castingshow<br />
erreicht oder nicht erreicht.<br />
Was willst du erreichen?<br />
Ich möchte die erfolgreichste Pop-Künstlerin im<br />
deutschsprachigen Raum werden.<br />
Matheamatik: von 2× bis 7,5 · 10 7<br />
Ihren ersten Charterfolg hatte Mathea mit der Single<br />
„2ד (zweimal). Das Debüt der Salzburgerin kletterte<br />
im März 2019 auf Platz 1 und erreichte wie die Folgesingle<br />
„Chaos“ Platin-Status in Österreich. Inklusive<br />
des mit Unterstützung ihrer Fans produzierten Songs<br />
„1961–2017“ und des aktuellen Hits „Wach“ wurde<br />
Mathea über 75 Millionen Mal auf Spotify gestreamt.<br />
Das ist ein großes Ziel.<br />
Ein sehr großes sogar, dessen bin ich mir auch bewusst.<br />
Aber ich glaube, dass meine Träume nicht groß genug<br />
sein können. Das heißt nicht, dass ich mich nicht freue,<br />
wenn ich Teilabschnitte davon erreiche. Aber ich will<br />
groß träumen.<br />
matheamathea.com<br />
64 THE RED BULLETIN
Infos & Anmeldung unter www.redbull.com/thiem<br />
#redbullthiemsetmatch
B O U L E V A R D D E R H E L D E N<br />
ROBERT PERONI, WOLFGANG THOMASETH<br />
UND JOSEF SCHROTT<br />
DIE EISMÄNNER<br />
Serie: MICHAEL KÖHLMEIER erzählt die außergewöhnlichen Geschichten<br />
überlebensgroßer Figuren – faktentreu, aber mit literarischer Freiheit.<br />
Folge 4: die Expedition, die nur durch Hass zum Erfolg wurde.<br />
geraden Zahlen“, sagte er und<br />
lächelte, und sein Lächeln war das<br />
charmanteste, das ich je über ein<br />
„Die<br />
Gesicht gleiten sah, „die geraden<br />
Zahlen kannst du dir leisten, wenn es nicht<br />
um Leben und Tod geht.“<br />
Im Jahr 1983 leitete Robert Peroni eine<br />
Expedition durch Grönland. Es gab nichts<br />
zu erforschen, es gab nichts zu entdecken,<br />
jeder Meter des Inlandeises war längst<br />
karto grafiert; es hatte bis dahin zwar noch<br />
kein Mensch gewagt, zu Fuß die größte<br />
Insel der Welt an ihrer breitesten Stelle zu<br />
überqueren, aber der Sinn dieser Tat lag nur<br />
in ihr selbst; das heißt, Peroni und seine beiden<br />
Begleiter, Wolfgang Thomaseth und Josef Schrott,<br />
taten es, weil sie es taten, und aus sonst keinem Grund.<br />
Und dennoch ist bei dieser Reise erforscht, entdeckt<br />
und kartografiert worden: „Nicht ein Land, aber die<br />
Seele“, so beschwor Robert Peroni in mein Mikrofon,<br />
als ich ihn fünf Jahre nach diesem Abenteuer in seiner<br />
Wohnung in Bozen besuchte.<br />
„Wenn du dich auf den Weg machst und nicht weißt,<br />
ob du je zurückkehren wirst, weil diesen Weg vor dir<br />
noch niemand gegangen ist, weil er mit einer hohen<br />
Wahrscheinlichkeit in den Tod führt, fünfzig-fünfzig,<br />
dann musst du entweder allein gehen oder zu dritt<br />
oder zu fünft oder zu siebent und so weiter, niemals zu<br />
zweit oder zu viert.“<br />
Das habe er bei dieser Expedition gelernt; aber das<br />
sei erst die einfachste Lehre gewesen.<br />
Wolfgang Thomaseth, wie Peroni Südtiroler, war<br />
Kameramann und hatte schon Reinhold Messner bei<br />
etlichen seiner Extremtouren begleitet. Er war ein<br />
langjähriger Freund von Peroni, beide waren geübte<br />
Kletterer, zusammen hatten sie in den Dolomiten die<br />
gefährlichsten Routen gemacht. „Auf den Wolfgang<br />
konnte ich mich verlassen wie auf meine rechte Hand“,<br />
erzählte Peroni, „und ich glaube, er würde – trotz<br />
allem – über mich das Gleiche sagen.“<br />
MICHAEL KÖHLMEIER<br />
Der Vorarlberger ist seit<br />
Jahrzehnten ein Fixstern<br />
am österreichischen<br />
Literaturhimmel.<br />
Gerühmt wird er<br />
vor allem für seine<br />
Erzählkunst.<br />
Gemeinsam mit Thomaseth hatte Peroni<br />
den Plan entwickelt, durch Grönland<br />
zu gehen. Zwei Jahre haben sie die Sache<br />
durchgesprochen, bis ins kleinste Detail.<br />
Peroni hatte einen Schlitten konstruiert, der<br />
sowohl durch Schnee als auch über Eis gezogen<br />
werden konnte – die Kufen bestanden<br />
aus einem halben Rohr, etwa fünf Zentimeter<br />
im Durchmesser, auf das eine schmale<br />
Leiste mit scharfen Kanten geschweißt war.<br />
Das Material sollte Titan sein, erstens sehr<br />
leicht, zweitens widerstandsfähig wie Stahl.<br />
Drei Prototypen ließen sie schlussendlich<br />
bauen, ehe sie zufrieden waren. Auch das<br />
Geschirr, das sie sich umlegen wollten,<br />
um die Schlitten zu ziehen, entwarf Peroni. Ebenso<br />
berechnete er die Kleidung, das Schuhwerk, die Medikamente<br />
und die Nahrung. Die Nahrung war ein Problem.<br />
Die Überquerung würde drei Monate dauern, bei<br />
normaler Nahrung wäre das nicht möglich, zu schwer,<br />
sie würden viel mehr Zeit brauchen, dann aber auch<br />
mehr Nahrung, ein Dilemma. Die Lösung war Astronautennahrung,<br />
ein Pulver, das man in heißem Wasser<br />
auflösen und trinken konnte, Vanille oder Haselnuss.<br />
Thomaseth meinte, es genüge, wenn sie beide allein<br />
gingen; Peroni – „aus einem Bauchgefühl heraus“ –<br />
wollte einen dritten Mann. Sie annoncierten in einer<br />
Bergsteigerzeitung: „Mann gesucht für eine Grönlanddurchquerung.“<br />
Nur einer meldete sich: Josef Schrott.<br />
Schrott war Gelegenheitsbergsteiger, an großen<br />
Expeditionen, wie Peroni nach Spitzbergen und durch<br />
die Wüste Gobi oder wie Thomaseth im Himalaya,<br />
hatte er nie teilgenommen. Er war Besitzer einer Werkstatt,<br />
reparierte alles, Autos, Kühlschränke, Fernseher.<br />
Schon nach einem ersten Gespräch waren Peroni und<br />
Thomaseth der Meinung, er ist der Richtige. Schrott<br />
war es auch, der die Schlitten baute.<br />
„Ich habe mir damals eingeredet“, sprach mir Peroni<br />
ins Mikrofon, „und habe das auch bei Interviews immer<br />
gesagt: dass diese Expedition auch einen wissenschaft-<br />
MICHAEL KÖHLMEIER BENE ROHLMANN ARCHIV ROBERT PERONI<br />
66 THE RED BULLETIN
Robert Peroni, Wolfgang Thomaseth,<br />
Josef Schrott (v. li. oben im Uhrzeigersinn)<br />
THE RED BULLETIN 67
B O U L E V A R D D E R H E L D E N<br />
lichen Sinn hat. Es wäre ja sonst eine reine Abenteuerei<br />
gewesen, das war es auch, nur: Das wollte ich nicht.<br />
Aber zuletzt kann doch eine wissenschaftliche Erkenntnis<br />
daraus gezogen werden. Die Psychologie ist ja<br />
schließlich auch eine Wissenschaft.“<br />
„Und was für eine Erkenntnis hat euer Abenteuer<br />
erbracht?“, fragte ich.<br />
Wieder lächelte er. „Wenn eine Sache auf Leben und<br />
Tod steht, dann benötigst du Hass, um zu überleben,<br />
und nicht Liebe. Der Hass – das ist die Erkenntnis –, der<br />
Hass ist ein vitaleres Gefühl als die Liebe.“<br />
Sie starteten von Westgrönland aus, ließen sich mit<br />
einem Helikopter über die Insel nach Ostgrönland<br />
bringen. Dort gibt es nichts. Eis und Schnee, sonst<br />
nichts. Der Pilot, ein Vietnamveteran, der Grönland gut<br />
kannte, schlug ihnen vor, sie sollten betrügen, sollten<br />
so tun, als ob; er würde sie irgendwo verstecken und<br />
nach drei Monaten abholen und in den Westen fliegen,<br />
und dann sollten sie so tun, als ob sie vom Eis herunterkämen.<br />
„Sonst werdet ihr sterben“, sagte er. „Kein<br />
Mensch kann über das Inlandeis gehen. Dann wirklich<br />
noch eher ein Kamel durch ein Nadelöhr.“ Sie lachten<br />
ihn aus, ließen sich absetzen und winkten ihm zu, als<br />
er davonflog.<br />
Nun gab es kein Zurück mehr.<br />
Der Streit begann am ersten Tag schon. Zwischen<br />
Thomaseth und Peroni. Thomaseth war der Jäger, er<br />
hatte sein Gewehr mitgenommen. Er wolle sich „einschießen“,<br />
sagte er. Zu welchem Zweck, sagte er nicht.<br />
Bevor sie aufbrachen, stellte er sechs Gaskartuschen in<br />
den Schnee und schoss auf sie. Peroni brüllte ihn an,<br />
ob er verrückt sei, er habe die Anzahl der Kartuschen<br />
genau berechnet, dies sei kein Schulausflug, sondern<br />
eine Expedition auf Leben und Tod.<br />
Es wurde nie wieder gut zwischen den beiden.<br />
Zuerst mussten sie über die Berge steigen, hinauf<br />
zum Inlandeis. Thomaseth übernahm hier die Führung.<br />
Für den Aufstieg hatte Peroni fünf Tage vorgesehen,<br />
sie schafften es in drei Tagen. „Es ist kein Schulausflug“,<br />
sagte Thomaseth, „aber auch nicht viel mehr als eine<br />
Kletterpartie in den Dolomiten.“<br />
„Davon ist er nicht mehr heruntergekommen, von<br />
dieser Meinung“, erzählte mir Peroni. „Wenn ich mit<br />
dem Sextanten unseren Weg ausgerechnet habe, dann<br />
hat er das für eine Großtuerei gehalten. Ich habe einen<br />
Kompass, sagte er, das genügt. Ich sagte: Das genügt<br />
eben nicht, Wolfgang, der Nordpol und der Magnetpol<br />
„Er zog das Gewehr aus<br />
dem Schlitten und<br />
richtete es erst auf Peroni,<br />
dann auf sich selbst.“<br />
sind nicht identisch, so weit im Norden braucht es die<br />
Deklination. Das hat er nicht verstanden oder wollte es<br />
nicht verstehen.“<br />
Die Fronten verhärteten sich.<br />
Dann, mitten im Inlandeis, kam es zum großen<br />
Streit, zum endgültigen Streit, zum Bruch. Der Anlass<br />
war so banal, dass er sich schäme, mit mir darüber zu<br />
sprechen, sagte Peroni. Als es durch die Berge ging,<br />
war Thomaseth der Stärkste von den dreien gewesen,<br />
auf dem flachen Eis erlitt er einen Konditionseinbruch.<br />
„Es war psychisch“, sagte Peroni, „in erster Linie<br />
psychisch. Er hielt das unendliche Weiß nicht aus, wie<br />
auf einem Teller, die Erde makellos weiß bis zum Horizont,<br />
der Himmel über dir makellos blau. Er konnte<br />
nicht mehr weiter. Er wollte, dass der Josef einen Teil<br />
seiner Sachen auf seinen Schlitten nimmt. Das habe ich<br />
verboten. Dezidiert.<br />
Ich war auch zum Streiten aufgelegt, das geb ich zu.<br />
Ich sagte: So? Du kannst nicht mehr? Aber meinen Berechnungen<br />
glaubst du nicht. Ich habe dir gesagt, wie<br />
viel Kleidung jeder mitnehmen darf. Du hast dich nicht<br />
daran gehalten, hast dein blödes verstunkenes Südtiroler<br />
Bergsteigerhemd mitgenommen. Und diese paar<br />
hundert Gramm in Summe der Tage machen aus, dass<br />
du nicht mehr kannst. Er dagegen: Und du, du Obergescheiter,<br />
du hast dreimal mehr Klopapier mitgenommen,<br />
als du uns vorgerechnet hast. Ich darauf: Und<br />
wenn ich tausendmal mehr Klopapier mitgenommen<br />
hätte und würde es selber tragen, dann wäre das meine<br />
Sache … Und so weiter …“<br />
Der Streit eskalierte. Der Höhepunkt: Peroni nannte<br />
Thomaseth das größte Risiko der Expedition.<br />
Thomaseth zog das Gewehr aus seinem Schlitten<br />
und richtete es erst auf Peroni, dann auf sich selbst.<br />
Josef Schrott ging dazwischen. Bis dahin hatte er sich<br />
aus dem Streit zwischen den beiden herausgehalten.<br />
Schrott nahm das Gewehr zu sich, vergrub es in seinem<br />
Schlitten zuunterst – „damit einem Zeit zum Überlegen<br />
bleibt“ – und schlug vor, die beiden sollten von nun an<br />
kein Wort mehr miteinander sprechen und sich auch<br />
nicht anschauen. Bis zu ihrem Ende nicht. Nie mehr.<br />
Er werde das überprüfen.<br />
„Von nun an“, erzählte Peroni, „regierte der Hass.<br />
Und es war gut so. Wir hatten bisher einen wunderbaren<br />
Sommer erwischt, keine Stürme, keine Temperaturen<br />
unter minus 25 Grad. Dann aber kam der<br />
White-out.“ Nebel. Alles weiß. Oben und unten und auf<br />
allen Seiten. Und absolute Stille. Nichts zu sehen. Den<br />
Vordermann nicht, auch wenn man nur in zwei Metern<br />
Abstand voneinander geht. Der Mensch steht im Mittelpunkt<br />
einer weißen Kugel. Du weißt nicht mehr, ob du<br />
aufrecht stehst oder schon fällst. Er fürchtete, dieser<br />
Zustand könne Wochen dauern. Dann wären sie verloren<br />
gewesen.<br />
Sie blieben im Zelt und schwiegen. In Thomaseth<br />
und in Peroni baute sich der Hass auf. Wie sich Josef<br />
68 THE RED BULLETIN
„Der Josef war der wahre<br />
Held. Ohne ihn wären wir<br />
draufgegangen.“<br />
Schrott fühlte, das interessierte die beiden nicht. Der<br />
Hass war ein Tyrann, er befahl: Du musst leben! Nicht<br />
um zu leben musst du leben, sondern um den anderen<br />
zu besiegen. Das Leben zählt nichts, der Sieg alles.<br />
„Wenn wir uns geliebt hätten, hätten wir uns an den<br />
Händen gehalten und wären friedlich gestorben.“<br />
Warum besser zu dritt als zu zweit? Es braucht<br />
einen Mittelsmann. Aber keinen objektiven.<br />
Einen verlogenen. Einen, der etwas vorspielt.<br />
Der heimlich zu Peroni spricht: „Ich bin auf deiner<br />
Seite.“ Der heimlich zu Thomaseth spricht: „Ich bin auf<br />
deiner Seite.“ Damit keiner der beiden Kontrahenten<br />
jemals den Eindruck hat, er sei allein. Und immer den<br />
Eindruck hat: Wir sind mehr. Wenn es zwei zu zwei<br />
oder drei zu drei steht, ist Stillstand. Und wo es um<br />
Leben und Tod geht, kann man sich Stillstand nicht<br />
leisten. Den Mittelsmann spielte Josef Schrott.<br />
„Du fragst mich, wer der eigentliche Held dieser<br />
Expedition war?“, sprach Robert Peroni in mein<br />
Mikro fon. „Früher hätte ich gesagt: Ich war der Held.<br />
Heute: Es war der Josef. Er war der wahre Held.<br />
Ohne ihn wären wir draufgegangen.“<br />
Nach achtundachtzig Tagen erreichten sie die Westküste.<br />
Erschöpft, dem Hungertod nahe. Als sie endlich<br />
nach Südtirol zurückkehrten, waren sie nicht wiederzuerkennen.<br />
Wolfgang Thomaseth, den ich ebenfalls<br />
besuchte, erzählte mir, seine Kinder hätten aufgeschrien,<br />
als sie ihn sahen. Wer dieser unheim liche<br />
Mann sei, hätten sie ihre Mutter gefragt. Die Sonne<br />
hatte ihnen die Haut vom Gesicht gebrannt.<br />
Bis heute, so habe ich mir sagen lassen, sprechen<br />
Peroni und Thomaseth kein Wort mehr miteinander<br />
und schauen sich auch nicht an, wenn sie zufällig<br />
einander auf der Straße in Bozen begegnen.<br />
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Snowboard-Profi Benjamin<br />
Karl, 34, geht beim <strong>Red</strong> Bull<br />
Dolomitenmann als Mountainbiker<br />
an den Start. Hier erzählt<br />
er, wie sich die 1700 wilden<br />
Höhenmeter anfühlen.<br />
Plus: drei spannende Bike-<br />
Trails in den Lienzer Dolomiten.<br />
THE RED BULLETIN 71
GUIDE<br />
Travel<br />
„Raus aus dem Stadion,<br />
zwei Stunden volle Tube<br />
bergauf und bergab.<br />
Du übernimmst dich<br />
fürchterlich.“<br />
Benny Karl über seinen Part<br />
beim <strong>Red</strong> Bull Dolomitenmann<br />
A<br />
m Morgen des Rennens gönne<br />
ich mir ein kleines Frühstück,<br />
fahre mit meinem Stadtrad, dem mit dem<br />
Körberl und den Blumen, gemütlich zum<br />
Start und plaudere mit den Teamkollegen.<br />
Wenn die Bergläufer starten, kann ich<br />
noch chillen. Zwei Stunden, bis bei mir<br />
die Schmerzen beginnen.<br />
Beim <strong>Red</strong> Bull Dolomitenmann, dem<br />
härtesten Teambewerb der Welt, bin ich<br />
als Dritter der Wings for Life-Staffel an<br />
der Reihe. Ich stehe im Lienzer Stadion,<br />
die Fans rund um mich sorgen für grandiose<br />
Stimmung. Ich sehe unseren Paragleiter<br />
zu mir herunterschweben. Jetzt<br />
ist volle Konzentration angesagt: Sein<br />
Schirm darf sich beim Abklatschen nicht<br />
in meinem Bike verheddern. Es geht los!<br />
Raus aus dem Stadion, zwei Stunden<br />
volle Tube bergauf und bergab. 16 Kilometer<br />
Uphill, 14 Kilometer Downhill,<br />
1700 Höhenmeter. Wir starten flach über<br />
Wiesen, Schotter und Asphalt zum ersten<br />
Anstieg, hinauf zu jenem Punkt, wo sich<br />
im Winter die Ski-Damen in die Abfahrt<br />
stürzen. Hier merkst du schnell, dass du<br />
den 40er-Schnitt nicht halten wirst. Wenn<br />
du auf diesem Abschnitt auf 8 Stundenkilometer<br />
kommst, ist das schon viel.<br />
Denn es ist richtig steil, 25 bis 30 Prozent.<br />
Und es tut richtig weh.<br />
Seit 2007 bin ich jedes Jahr am Start.<br />
Auch weil ich mittlerweile hier Heimvorteil<br />
Nach dem Abklatsch ist vor dem Aufstieg: Paragleiter Wendelin Ortner übergibt an Benny Karl.<br />
genieße – ich wohne ja in Lienz. Unten<br />
stehen die Leute an der Strecke und<br />
feuern dich an. Auch weiter oben, in den<br />
Kehren: „Geht scho’, Benny, geht scho’!“<br />
Du übernimmst dich fürchterlich – bis<br />
dich niemand mehr sieht. Du hast das<br />
Gefühl, es zerfetzt dir die Lunge. Die<br />
Qualen kann man nicht mit denen beim<br />
Snowboarden vergleichen.<br />
Zur Moosalm hinunter spiele ich meine<br />
Downhill-Qualitäten aus. Bei den richtig<br />
hohen Holzstufen steigen einige Kollegen<br />
ab und tragen ihr Bike. Ich nicht. Need for<br />
Speed liegt mir im Blut.<br />
Das Rennen hat mein Schwiegervater<br />
Werner Grissmann vor mittlerweile mehr<br />
als 30 Jahren erfunden. Und die gesamte<br />
Familie ist im Einsatz: Meine Frau Nina<br />
betreut die VIPs an der Strecke. Meine<br />
Mama versorgt mich am zweiten An stieg<br />
mit Getränken. Es geht über eine Schotterstraße<br />
1100 Höhenmeter hinauf, elendslang,<br />
aber oben mit einem schönen Blick<br />
hinein ins Tal. Und dann noch zusätzliche<br />
150 Höhenmeter mit dem Rad auf den<br />
Schultern durch die Latschen zum Hochsteinkreuz.<br />
Apropos Rad: Ich nehme meistens<br />
das nur vorn gefederte Hardtail. Es ist<br />
leichter, und ich mache lieber bergauf<br />
zwei Minuten gut, als dass ich bergab<br />
eine halbe Minute schneller bin.<br />
Das Mittelstück der Abfahrt ist eine<br />
schnurgerade Herausforderung mit<br />
72 THE RED BULLETIN
GUIDE<br />
Travel<br />
Wien<br />
Österreich<br />
Anreise<br />
Lienz liegt in Osttirol an der<br />
Grenze der Zentralalpen<br />
zu den Südlichen Kalkalpen,<br />
südlich der Drau erstrecken<br />
sich die Lienzer Dolomiten.<br />
Am Kreuzungspunkt von<br />
Drau-, Isel- und Pustertal<br />
laufen wichtige Verkehrsverbindungen<br />
wie die Drau-<br />
Lienz<br />
talstraße und die Felbertauernstraße<br />
zusammen.<br />
Die nächstgelegenen internationalen<br />
Flughäfen befinden<br />
sich in Salzburg,<br />
Ljubljana (Slowenien) und<br />
Venedig (Italien).<br />
Hochgefühl: Die Paragleiter dürfen sich nicht vom Panorama ablenken lassen.<br />
MIRJA GEH/RED BULL CONTENT POOL (2), CHRISTOPHER KELEMAN/<br />
RED BULL CONTENT POOL HANNES KROPIK<br />
Beinarbeit: Vor und nach dem Flug muss der Gleitschirm getragen werden.<br />
Der Event<br />
Der <strong>Red</strong> Bull Dolomitenmann wurde<br />
vom ehemaligen Skistar Werner<br />
Grissmann erdacht. Seit 1988 fighten<br />
Bergläufer, Paragleiter, Mountain biker<br />
und Wildwasser-Kajakfahrer in der<br />
Staffel um den Sieg beim härtesten<br />
Teamwettbewerb der Welt. Das Starterfeld<br />
ist auf 125 Teams limitiert.<br />
500 Freiwillige und 150 Helfer von<br />
Bergrettung, Feuerwehr, Polizei und<br />
Rotem Kreuz sorgen für die Sicherheit.<br />
Im Jahr 2019 gewann das Team<br />
Kolland Topsport Professional in einer<br />
Gesamtzeit von 3:47:02 Stunden. Die<br />
33. Auflage des <strong>Red</strong> Bull Dolo mitenmannes<br />
geht am 12. <strong>September</strong><br />
in und um Lienz über die Bühne.<br />
Infos: redbulldolomitenmann.com<br />
THE RED BULLETIN 73
GUIDE<br />
Travel<br />
Die Bergläufer starten den Staffelbewerb. Stille Bewunderer im Hintergrund: die Lienzer Dolomiten<br />
30 Prozent Gefälle. Dafür habe ich meine<br />
eigene Technik entwickelt: Ich blockiere<br />
das Hinterrad permanent, vorn bremse<br />
ich nur hin und wieder. Es ist schon passiert,<br />
dass ich die Bremse so überhitzt<br />
habe, dass ich Kurven einlegen musste,<br />
um das Tempo in den Griff zu bekommen.<br />
Früher ging es einfach bergab ins Ziel,<br />
einmal habe ich die Strecke in 15 Minuten<br />
geschafft. Jetzt aber haben sie den Kurs<br />
verschärft, nach der Abfahrt geht es<br />
hinein in den neuen Alban-Lakata-Trail<br />
mit gefühlt hundert Anlegern. Du musst<br />
hoch konzentriert sein, sonst schlägt es<br />
dir den Lenker aus den Händen. Zum<br />
Schluss ist der Weg hinüber nach Leisach<br />
gespickt mit kleinen Anstiegen. Vor lauter<br />
Krämpfen in Waden und Oberschenkeln<br />
weißt du nicht, wie du es ins Ziel schaffst.<br />
Für mich ist das Rennen vorbei, wenn<br />
ich mit Gebrüll an meinen Kajakfahrer<br />
übergebe. Ich lasse mich fallen und<br />
schnappe nach Luft. Lasst mich einfach<br />
ein paar Minuten liegen. Dann rolle ich<br />
langsam hinüber zum Ziel und nehme mit<br />
meinen Staffelkollegen unseren Schlussmann<br />
am Hauptplatz von Lienz in Empfang.<br />
Wir fallen uns in die Arme, wir haben<br />
es geschafft. Wieder einmal.<br />
Besser ein Ende mit Schmerzen als Schmerzen ohne Ende:<br />
Die Kanuten müssen den finalen Sprint mit dem Boot<br />
ab solvieren (im Bild Harald Hudetz beim Zieleinlauf 2017).<br />
„Nichts ist<br />
hier leicht“<br />
Benjamin Karl stellt drei<br />
Bike-Touren rund um Lienz vor.<br />
Moosalm:<br />
GEMÜTLICH STEIL<br />
(300 Höhenmeter). „In Osttirol gibt<br />
es nichts Leichtes. Auf die Moosalm<br />
sind es aber nur 300 Höhenmeter,<br />
oben kannst du gut essen,<br />
und der Ausblick ist wunderbar.“<br />
Karlsbader Hütte:<br />
SCHÖN ANSPRUCHSVOLL<br />
(1600 Höhenmeter): „Wenn du<br />
versierter bist, empfehle ich den<br />
Schotterweg hinauf zur Karlsbader<br />
Hütte, mitten im Herzen der Lienzer<br />
Dolomiten. Auf der schönsten Tour<br />
im hochalpinen Gelände kannst du<br />
dir für die letzten 600 Höhenmeter<br />
auf der Dolomitenhütte auch ein<br />
E‐Bike ausborgen.“<br />
Lesachtal-Runde:<br />
HERRLICH AUTOFREI<br />
(1600 Höhenmeter): „Auf der<br />
112 Kilometer langen Runde wird<br />
auch die Dolomiten-Rundfahrt ausgetragen.<br />
Mit dem Rennrad fährst<br />
du auf schmalen, verwinkelten<br />
Straßen, auf denen keine Autos<br />
unterwegs sind.“<br />
MIRJA GEH/RED BULL CONTENT POOL, MARKUS BERGER/RED BULL CONTENT POOL HANNES KROPIK<br />
74 THE RED BULLETIN
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Karosseriearchitektur D7x aus leichtem Aluminium und<br />
Magnesium. Getestet wurde ausgiebig – von der 50 Grad<br />
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LEISTUNGSFÄHIGKEIT<br />
Der Allradantrieb, ein zweistufiges Verteilergetriebe, das<br />
aktive Sperrdifferenzial und Reifen mit hohen, stabilen Flanken<br />
machen den Defender zum vielseitigsten Land Rover bisher.<br />
Beim Antrieb stehen leistungsstarke Benzin- und Dieselmotoren<br />
zur Wahl, ergänzt durch eine Mild-Hybrid-Variante.<br />
TECHNOLOGIE<br />
Zentrales Steuerungsinstrument ist das Pivi Pro-System.<br />
Der 10-Zoll-Touchscreen lässt sich individuell anpassen und<br />
bietet ein übersichtliches Layout, mit dem du häufig verwendete<br />
Funktionen vom Startbildschirm aus erreichen kannst.<br />
FOTOS: LAND ROVER<br />
ABENTEUERLUST<br />
Gemeinsam mit Autohome hat Land Rover ein maßgeschneidertes<br />
Dachzelt für den Defender entwickelt. Das Zelt lässt<br />
sich mit einem einfachen Handgriff in Sekundenschnelle aufbauen<br />
und bietet Platz für zwei Erwachsene. Ausgestattet<br />
ist die Unterbringung mit Luxusmatratze, Kissen, LED-Innenbeleuchtung,<br />
Heckverdeck und Aluminiumleiter.<br />
landrover.at
GUIDE<br />
Fitness<br />
STROBOSKOP-BRILLE<br />
Wer weniger<br />
sieht,<br />
hat mehr<br />
Durchblick<br />
Diese Brille schränkt die Sicht ein<br />
– und hilft damit Top-Athleten und<br />
Astronauten, ihre Koordinationsfähigkeiten<br />
zu verbessern.<br />
Tempo, Präzision und Power<br />
sind die wichtigsten Elemente<br />
beim Rugby. Denn ständig<br />
versucht der Gegner, dich<br />
zu stören und zu Boden zu<br />
reißen. Für den perfekten<br />
Catch darfst du dich nicht aus<br />
der Ruhe bringen lassen. Eine<br />
„Stroboskop“-Brille soll Spitzensportlern<br />
genau dabei helfen.<br />
Sie wurde entwickelt, um<br />
die Verbindungen zwischen<br />
Augen, Gehirn und Körper zu<br />
optimieren. Sie simuliert eine<br />
Stroboskop-Beleuchtung, das<br />
heißt, die Gläser flimmern in<br />
rasender Geschwindigkeit:<br />
Für einen Moment sind sie<br />
durchsichtig, dann komplett<br />
blickdicht. Dadurch fehlen den<br />
Augen entscheidende visuelle<br />
Reize. Das Gehirn muss diese<br />
Lücken durch eine effizientere<br />
Verarbeitung der vorhandenen<br />
Informationen kompensieren.<br />
Die „blinde Phase“ kann je<br />
nach Einstellung nur 100 Millisekunden<br />
oder länger als eine<br />
Per App stellst du die Zeit der<br />
blinden Phasen und den Schwierigkeitsgrad<br />
der Session ein.<br />
Sekunde dauern. Je länger du<br />
nichts siehst, desto größer<br />
wird die Herausforderung.<br />
Der US-Rugby-Profi Carlin<br />
Isles trainiert seit 2013 mehrmals<br />
die Woche mit der<br />
420 Euro teuren Spezialbrille<br />
des Marktführers Senaptec.<br />
Während der 15-minütigen<br />
Sessions soll er beispielsweise<br />
Tennis- oder Rugbybälle fangen.<br />
„Seitdem hat sich meine<br />
Hand-Auge-Koordination<br />
extrem verbessert. Es fühlt<br />
sich im Spiel fast so an, als<br />
käme der Ball jetzt in Zeitlupe<br />
angeflogen“, sagt der 30-Jährige.<br />
Den Effekt der Brille<br />
machen sich übrigens<br />
nicht nur Rugbyspieler<br />
zunutze. Der Schweizer<br />
Fußballnationaltorhüter<br />
Yann Sommer,<br />
die New York Yankees und<br />
selbst die NASA bedienen<br />
sich der Methode.<br />
senaptec.com<br />
„Jetzt fühlt es sich fast<br />
so an, als käme der Ball<br />
in Zeitlupe angeflogen.“<br />
Carlin Isles, 30, Rugby-Profi<br />
So geht’s<br />
ohne Brille<br />
Senaptec-CEO Joe<br />
Bingold verrät, wie du<br />
auch ohne Hightech-<br />
Brille deine Koordina tion<br />
verbessern kannst.<br />
SCHNELLE DREHUNG<br />
Wende deinem Partner<br />
den Rücken zu und stellt<br />
euch fünf Meter auseinander.<br />
Sobald er wirft, ruft er<br />
„Go!“ – erst dann drehst<br />
du dich um und versuchst<br />
den Ball zu fangen.<br />
BLINDE DREHUNG<br />
Um die Übung noch schwieriger<br />
zu machen, verringere<br />
die Distanz, verwende einen<br />
besonders kleinen Ball oder<br />
schließ die Augen, bevor du<br />
dich umdrehst.<br />
EINÄUGIGE BRILLE<br />
Kleb ein Glas deiner<br />
Sonnenbrille mit Kreppband<br />
ab und absolvier<br />
damit traditionelle Laufübungen.<br />
Der frühere Sprinter, der seit 2012 als Flügelspieler beim US-<br />
Nationalteam aktiv ist, gilt als schnellster Rugbyspieler der Welt.<br />
MARV W<strong>AT</strong>SON/RED BULL CONTENT POOL, SENAPTEC.COM FLORIAN STURM TOM MACKINGER<br />
76 THE RED BULLETIN
GUIDE<br />
Fitness<br />
TRAINING<br />
Hantel<br />
mit Hirn<br />
JaxJox KettlebellConnect<br />
Bei diesem Trainingsgerät<br />
schwingt Geschichte<br />
mit. Denn die Urform<br />
der Kettle bell (ein freies<br />
Gewicht mit Griffleiste)<br />
kannten bereits die alten<br />
Griechen. Die Kugelhantel<br />
in ihrer heutigen Form<br />
geht auf die russische<br />
Girya zurück, ein gusseisenes<br />
Gewicht, das zur<br />
Getreide-Abwaage genutzt<br />
wurde, ehe es Kraftsportler<br />
und Fitnesstrainer am<br />
Griff packten. Der jüngste<br />
Nachkomme der Girya<br />
heißt JaxJox Kettlebell<br />
Connect, verbindet sich<br />
mit dem Smartphone und<br />
misst deinen Trainingsfortschritt.<br />
Außerdem<br />
lassen sich per Knopfdruck<br />
Gewichte von 5,5 bis<br />
19 Kilogramm unter den<br />
Griff laden (die Scheiben<br />
dafür stecken im Sockel).<br />
So viel Flexibilität hätte<br />
auch den alten Griechen<br />
gefallen.<br />
jaxjox.com<br />
TIM KENT<br />
THE RED BULLETIN 77
GUIDE<br />
Uhren<br />
Freie<br />
Zeit<br />
Vier Uhren, die dich daran<br />
erinnern, dass jede Minute<br />
deines Lebens etwas<br />
Besonderes ist.<br />
STUNDEN-UHR<br />
AL-TIME COURAGE<br />
Was würdest du tun, wenn dir eine<br />
Stunde geschenkt würde? Diese<br />
Frage stellte sich das Designer-Duo<br />
Alex Wiederin und Tino Valentinitsch.<br />
Ihre Antwort ist eine Anregung zum<br />
bewussten Umgang mit der Zeit –<br />
sichtbares Zeichen: die 13 auf dem<br />
Zifferblatt. 285 Euro; al-time.com<br />
FARBENFROH<br />
Die Jelly gibt es auch in<br />
Türkis, Grün und Gelb.<br />
Durchmesser des<br />
Kunststoffgehäuses:<br />
47 Millimeter.<br />
DURCHBLICK<br />
Geh der Zeit<br />
auf den Grund<br />
SW<strong>AT</strong>CH BIG BOLD JELLY NEON<br />
Die Uhr für den entspannten<br />
Pop-Philosophen: mit so viel<br />
Durchblick, dass du angesichts<br />
des unablässig arbeitenden Werks<br />
der Zeit auf den Grund gehen<br />
kannst; so knallfarben, dass du<br />
damit auf der nächsten Party<br />
unübersehbar bist.<br />
95 Euro; swatch.com<br />
ZEIT-ZEICHEN<br />
ANONIMO MILITARE BRONZE<br />
Bei dieser Uhr ist Bronze die Nr. 1<br />
(Gold und Silber stehen nicht einmal<br />
zur Debatte); die Legierung aus<br />
Kupfer und Zinn erweist sich als<br />
perfekt für Unterwasser-Abenteuer.<br />
Besonders schön: In dieser oxidierten<br />
Variante erkennen wir die Kraft<br />
der Zeit. 5250 Euro; anonimo.com<br />
UHR-KRAFT<br />
ALPINA SEASTRONG DIVER GYRE<br />
Natürlich können wir etwas tun,<br />
um die Welt zu retten. Manchmal<br />
reicht es, eine Uhr wie diese Alpina<br />
zu tragen. 70 Prozent ihres Gehäuses<br />
bestehen aus Meer-Müll. Alpina<br />
unterstützt übrigens die Surfrider<br />
Foundation, die für die Meere kämpft.<br />
1395 Euro; alpinawatches.com<br />
SW<strong>AT</strong>CH, GÜNTER PARTH, ANONIMO, ALPINA WOLFGANG WIESER<br />
78 THE RED BULLETIN
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LOSSTARTEN.“<br />
Der Wiener Sommer<br />
macht’s möglich.<br />
Jetzt geht’s in den Wald, auf die Sportplätze und auf die Insel.<br />
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Passen wir aufeinander auf: Bitte Abstand halten,<br />
Hände waschen und wenn erforderlich Maske tragen.<br />
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Gedankenspiel<br />
Der Philosoph John Sellars erklärt<br />
uns, welche stoischen Lebensweisheiten<br />
im Gaming-Meisterwerk<br />
„<strong>The</strong> Last of Us 2“ stecken.<br />
Social Distancing, Isolation,<br />
Quarantäne: Das Jahr <strong>2020</strong><br />
stellt das soziale Wesen<br />
Mensch auf eine harte Probe.<br />
Videospiele bieten da eine<br />
gewisse Erleichterung. Sogar<br />
die WHO – die bisher eher vor<br />
Computerspielsucht gewarnt<br />
hat – empfiehlt sie für den<br />
Umgang mit dem Lockdown.<br />
In einem der Top-Games<br />
des Jahres, „<strong>The</strong> Last of Us 2“,<br />
geht es darum, mit der Katastrophe<br />
umzugehen. Das Survival-Horror-Abenteuer<br />
ist in<br />
einer postpandemischen Welt<br />
angesiedelt. Hauptfigur Ellie<br />
muss Ruhe, Resilienz und<br />
Eigenständigkeit beweisen –<br />
Eigenschaften, von denen wir<br />
alle profitieren können, und<br />
zentrale Merkmale der stoischen<br />
Philosophie.<br />
„Der Stoizismus geht von<br />
dem Gedanken aus, dass das<br />
Wohlbefinden vom Geisteszustand<br />
abhängt“, erklärt der<br />
Philosoph John Sellars. Statt<br />
sich wegen äußerer Faktoren,<br />
die man nicht kontrollieren<br />
kann, die Haare zu raufen,<br />
sollte man ein klareres Bild<br />
davon erlangen, was man<br />
beeinflussen kann – und dann<br />
rational begründete Handlungen<br />
setzen. Kurz: Es geht<br />
nicht um dein Schicksal, sondern<br />
wie du damit umgehst.<br />
Hier findest du vier stoische<br />
Lehren aus dem Game, die<br />
dich gegen die Herausforderungen<br />
des Alltags wappnen.<br />
Die innere Burg bauen<br />
Ein häufiges Motiv in postapokalyptischen<br />
Games ist<br />
der unverwüstliche Held, der<br />
eine innere Quelle des Mutes<br />
anzapft. Auch das ist stoisch,<br />
wie Sellars erklärt.<br />
„In seinen ‚Selbstbetrachtungen‘<br />
schreibt der römische<br />
Kaiser Mark Aurel von seiner<br />
‚inneren Burg‘. Das ist der Teil<br />
seines Bewusstseins, den<br />
nichts zerstören kann, es sei<br />
denn, man ließe dasjenige hinein.<br />
Wenn man eine Lage als<br />
schrecklich bewertet, erzeugt<br />
das Angst, die wiederum zu<br />
falschen Entscheidungen verleiten<br />
kann.“ Stattdessen solle<br />
man er kennen, dass man zwar<br />
die Umstände nicht kontrollieren<br />
kann, wohl aber die eigene<br />
Reaktion darauf.<br />
Tugend entdecken<br />
Schier ausweglose Situationen<br />
durchzustehen erfordert Optimismus.<br />
Hierbei verweist Sellars auf<br />
den römischen Stoiker Seneca<br />
den Jüngeren: „Er sagt, das<br />
Unheil ist die Gelegenheit der<br />
Tugend. Aktuell feiern viele<br />
Menschen die Systemerhalter<br />
als Helden des Alltags und<br />
kümmern sich um gefährdete<br />
Nachbarn. Unter widrigen<br />
Umständen entdeckt man,<br />
Innere Ruhe ist eine der Stärken von Protagonistin Ellie im Game „<strong>The</strong> Last of Us 2“.<br />
wie Menschen wirklich sind. Es<br />
gibt immer positive Seiten.“<br />
Die Welt mitdenken<br />
In „<strong>The</strong> Last of Us 2“ hat sich<br />
Ellie mit ihrem Vater zerstritten,<br />
dem Protagonisten des<br />
Original-Games von 2013.<br />
In Zeiten reduzierter sozialer<br />
Freiräume kämpfen viele Menschen<br />
mit derartigen familiären<br />
Entfremdungen. Die stoische<br />
Philosophie ortet unsere<br />
John Sellars<br />
unterrichtet Philosophie<br />
am Royal Holloway College und<br />
forscht am King’s College, die<br />
beide zur Londoner Universität<br />
gehören. Er widmet sich der<br />
stoischen Philo sophie, aktuell<br />
im Buch „Lessons in Stoicism“.<br />
johnsellars.org.uk<br />
Vernetzung allerdings auf<br />
einer umfassenderen Ebene.<br />
„Es gibt dieses Konzept<br />
des Weltbürgertums, wonach<br />
wir alle Teil einer einzigen globalen<br />
Gemeinschaft sind“, so<br />
Sellars. „Triviale Unterschiede<br />
wie Standesdünkel oder Nationalitäten<br />
rücken in den Hintergrund.<br />
Wichtig ist, dass wir<br />
alle Gesellschaftswesen mit<br />
einer gemeinsamen Vernunftbasis<br />
sind.“<br />
Bewusster leben<br />
Anders als die meisten Videospiele<br />
vermittelt „<strong>The</strong> Last of<br />
Us 2“ eine reflektierte Sicht<br />
auf den Tod, selbst auf jenen<br />
der sogenannten Feinde. „Wir<br />
sollten uns unserer Sterblichkeit<br />
stets bewusst sein“, sagt<br />
Sellars.<br />
„Dazu gehört schlicht und<br />
einfach, realistisch zu sein,<br />
aber auch unserer eigenen<br />
Zeit mehr Bedeutung beizumessen.<br />
Wir haben nur ein<br />
begrenztes Ausmaß davon,<br />
und je eher wir das begreifen,<br />
desto besser können wir die<br />
richtigen Prioritäten im Leben<br />
setzen.“<br />
SONY INTERACTIVE ENTERTAINMENT M<strong>AT</strong>T RAY<br />
80 THE RED BULLETIN
JETZT!<br />
DIE ZUKUNFT<br />
IST NICHT ABGESAGT!<br />
MASTER- UND AKADEMISCHE LEHRGÄNGE<br />
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Die Digitalisierung erlebte in den vergangenen Wochen einen unglaublichen „Push“. Dabei hatte sie nicht nur einen enormen<br />
Einfluss auf unser persönliches Umfeld, digitale Kommunikationskanäle oder unsere Arbeitsumstände. Auch Märkte, Unternehmen<br />
und Geschäftsmodelle änderten sich quasi über Nacht. Unsere digitale Kompetenz ist daher gefragt und „Technik<br />
verstehen und sprechen zu können“ wird immer wichtiger. Sind Sie darauf vorbereitet?<br />
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GUIDE<br />
Equipment<br />
TONE<br />
Jetzt<br />
geht’s rund!<br />
Dieser innovative Plattenspieler<br />
ist die kürzeste Verbindung<br />
zwischen analoger und digitaler Welt.<br />
In Zeiten von Streamingdiensten dürften Plattenspieler<br />
eigentlich nur noch eine schrullige Fußnote der Geschichte<br />
sein. Das Gegenteil ist der Fall: Wegen ihrer Sound qualität<br />
und ihres dekorativen Aussehens sind sie unter Musikund<br />
Vinyl-Liebhabern gefragter denn je. Aber wie lässt<br />
sich das für Digital Natives attraktiv gestalten? Nicole<br />
Lichtenegger, 28, Chefin der Tone Factory, hat mit ihrem<br />
Team eine Antwort auf diese Frage gefunden: Ihr Plattenspieler<br />
(Preis: 249 Euro) kann sich nicht nur mit der Hi-Fi-<br />
Anlage, sondern via Bluetooth ganz einfach mit einem<br />
Lautsprecher verbinden. Lichteneggers familiärer<br />
Hintergrund war bei der Entwicklung wohl kein<br />
Nachteil: Vater Heinz ist Gründer von<br />
Pro‐Ject, dem weltgrößten Plattenspielerproduzenten<br />
– mit<br />
Firmensitz in Mistelbach,<br />
Niederösterreich.<br />
tone-factory.com<br />
Der Tonarm im<br />
minimalistischen<br />
Design bringt<br />
maximalen Klang.<br />
TONE FACTORY<br />
82 THE RED BULLETIN
A N Z E I G E<br />
must-haves<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
1 TRAVEL COMPANION<br />
Die Jacke OKOVO von AlphaTauri<br />
ist hochfunktionell und zugleich ein<br />
absolutes Style-Highlight. Dank der<br />
technischen 3-Lagen-Membran Taurobran<br />
® ist sie wasserfest, atmungsaktiv<br />
und thermoregulierend. Und<br />
mithilfe des integrierten Packsystems<br />
mit „Travelhandle“ lässt sich die Jacke<br />
schnell auf ein handliches Maß zusammenfalten.<br />
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2 MUTMACHER<br />
Dass es erfolgreich anders geht, zeigt<br />
das Familienunternehmen VAUDE, wo<br />
ökonomischer Erfolg & ökologische<br />
sowie soziale Verantwortung keine<br />
Widersprüche sind. Ob Klimawandel-<br />
Kampf, neue Arbeitszeitmodelle oder<br />
Einstellung von Migranten: Firmenchefin<br />
Antje von Dewitz nimmt uns<br />
mit auf eine Reise in die Zukunft,<br />
die bei ihr längst Gegenwart ist.<br />
beneventobooks.com<br />
3 DARK & ELEGANT BIO<br />
Würziges Aroma, eleganter Glanz und<br />
eine sehr dunkle Röstung – das sind<br />
die drei Wesensmerkmale des edlen<br />
und ausdrucksstarken Fairtrade-<br />
Kaffees. Biologisch angebaute und<br />
natürlich aufbereitete ostafrikanische<br />
Arabicas sorgen für einen kräftigen<br />
Körper und verleihen ihm eine ganz<br />
besondere Note, die durch verschiedene<br />
andere Sorten abgerundet wird.<br />
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4 MULTISPORTIV<br />
Das Skinfit ® Melogno Shirt für Fahrtwind-Fanatiker<br />
vereint Leichtigkeit und<br />
maximale Atmungsaktivität mit einem<br />
stylischen Design. Das weiche Funktionsmaterial<br />
transportiert Feuchtigkeit<br />
schnell nach außen und lässt<br />
überschüssige Körperwärme optimal<br />
entweichen. Die lockere Passform<br />
sorgt für ein angenehmes Tragegefühl<br />
und maximale Bewegungsfreiheit.<br />
skinfit.eu/melogno<br />
THE RED BULLETIN 83
GUIDE<br />
Lesestoff<br />
THRILLER-INSTINKT<br />
Der härteste Hund<br />
Mit Jack Reacher hat der britische Thriller-Autor Lee Child eine Figur<br />
erschaffen, die keine Kompromisse kennt – und bewiesen, dass trivial<br />
und genial keine Gegensätze sind.<br />
Dass sich ausgerechnet<br />
Tom Cruise, vom Scheitel<br />
bis zur aufgedoppelten<br />
Sohle knappe 170<br />
Zentimeter hoch, die Filmrechte<br />
an „Jack Reacher“<br />
sicherte, lässt sich eigentlich<br />
nur auf zwei Arten erklären:<br />
Entweder pflegt Mr. Cruise<br />
ein sehr elastisches Verhältnis<br />
zum Begriff „Hollywoodgröße“,<br />
oder er besitzt einen<br />
ausgeprägten Sinn für Ironie.<br />
Denn die Romanvorlage zu<br />
dieser Figur ist 1,95 Meter<br />
groß, wiegt satte 110 Kilogramm<br />
und sieht aus wie „ein<br />
mit Walnüssen vollgestopftes<br />
Kondom“. Erschaffen hat sie<br />
der britische Autor Lee Child<br />
bereits im Jahre 1997 – und<br />
zwar, wie er unverblümt zugibt,<br />
am kommerziellen Reißbrett.<br />
Child, der 1954 in Coventry<br />
geboren wurde, in<br />
Wahrheit James Grant heißt<br />
und bis dahin erfolgreich<br />
als TV-Produzent tätig war,<br />
brauchte nach einer heftigen<br />
Meinungsverschiedenheit mit<br />
seinem Arbeitgeber schlichtweg<br />
einen neuen Job. Und<br />
er entschied sich für „internationaler<br />
Bestsellerautor“.<br />
Wunderbar ins Bild passt<br />
da auch der deutsche Titel<br />
des ersten Reacher-Romans:<br />
„Größenwahn“. Child, der<br />
mittlerweile in die USA ausgewandert<br />
war, ließ mit diesem<br />
Thriller einen Serienhelden<br />
von der Leine, der auf den<br />
ersten Blick wirkt wie die Inkarnation<br />
eines Chuck-Norris-<br />
Witzes: Jack Reacher, kein<br />
zweiter Vorname, kein fester<br />
Wohnsitz, hochdekorierter<br />
Ex-Militärpolizist der U. S.<br />
Army im Rang eines Majors,<br />
Koryphäe im nachhaltig letalen<br />
Umgang mit Waffen aller<br />
Art, Nahkampfexperte mit<br />
den dreckigen Instinkten<br />
eines Streetfighters, gesegnet<br />
mit einem messerscharfen<br />
84 THE RED BULLETIN
GUIDE<br />
Lesestoff<br />
Erster Absatz aus „Der Bluthund“<br />
„Jack Reacher und Michelle Chang verbrachten drei Tage in Milwaukee.<br />
Am vierten Morgen war sie fort. Als Reacher mit Kaffee<br />
ins Zimmer zurückkam, fand er auf seinem Kopfkissen ein paar<br />
Zeilen. Solche kurzen Abschiedsbriefe hatte er schon mehrmals<br />
gesehen. Direkt oder indirekt besagten sie alle das Gleiche.<br />
Changs Zeilen waren indirekt. Und eleganter als die meisten.<br />
Aber nicht, was die Präsentation betraf: mit Kugelschreiber<br />
auf ein von Feuchtigkeit gewelltes Blatt Motelpapier gekritzelt.<br />
Aber elegant im Ausdruck. Sie hatte eine Metapher gewählt,<br />
um zu erklären und zu schmeicheln und sich zu entschuldigen –<br />
alles gleichzeitig. Sie hatte geschrieben: ‚Du bist wie New York.<br />
Ich besuche es liebend gern, aber ich könnte nicht dort leben.‘“<br />
LESETIPPS<br />
Einzelkämpfer<br />
in Serie<br />
Vier Romanfiguren, mit denen man sich<br />
nur im Lesesessel anlegen sollte.<br />
JAKOB HÜBNER VINZ SCHWARZBAUER<br />
analytischen Verstand und<br />
getrieben von einem unbeugsamen<br />
Gerechtigkeitssinn,<br />
der nur einen Gesetzgeber<br />
kennt: Jack Reacher.<br />
Dass es Lee Child gelungen<br />
ist, aus dieser Ausgeburt an<br />
himmelschreiender Trivialität<br />
den aktuell vielleicht konsistentesten<br />
Charakter des gepflegten<br />
Suspense mit einer<br />
weltweiten Auflage von über<br />
60 Millionen Exemplaren zu<br />
formen, grenzt an ein Wunder.<br />
Das Setting der Serie, die<br />
in deutscher Übersetzung<br />
mittlerweile 22 Romane umfasst,<br />
ist – mit Ausnahme<br />
dreier Prequels aus Reachers<br />
aktiver Militärzeit – stets ein<br />
ähnliches: Reacher, ziellos<br />
per Anhalter unterwegs und<br />
bewaffnet lediglich mit einer<br />
Klappzahnbürste, strandet<br />
zufällig irgendwo zwischen<br />
Nebraska und Nirgendwo,<br />
wird in einen Konflikt hineingezogen,<br />
der ihn eigentlich<br />
nichts angeht, leckt Blut und<br />
räumt auf. Konsequent, kompromisslos<br />
und knallhart.<br />
Was Lee Child jedoch von<br />
all seinen Kollegen aus der<br />
belletristischen Kriegerzunft<br />
unterscheidet, ist sein wirklich<br />
einzigartiger, ganz und gar<br />
pragmatischer Stil: Das ist<br />
Präzision und <strong>Red</strong>uktion in<br />
Perfektion. Die Plots sind am<br />
Punkt, die Charaktere sind<br />
am Punkt, die Dialoge sind am<br />
Punkt. Child schreibt so, wie<br />
Reacher reist: ohne Gepäck.<br />
Das gilt auch für den<br />
Reacher-Jahrgang <strong>2020</strong>, der<br />
uns Mitte Juli „Der Bluthund“<br />
bescherte. Den Startschuss<br />
liefert diesmal der Abschlussring<br />
einer Absolventin der<br />
Militärakademie West Point,<br />
den Reacher in der Auslage<br />
eines Pfandleihers entdeckt.<br />
Zunächst möchte er bloß<br />
herausfinden, wie und warum<br />
dieser dort gelandet ist. Aber<br />
schon recht bald ist neben<br />
dem Abschluss- auch ein<br />
Drogenring im Spiel. Und<br />
dann will es Reacher so richtig<br />
wissen …<br />
Vermutlich wird dies – und<br />
alle Fans müssen jetzt ganz,<br />
ganz stark sein – aber einer<br />
der letzten Reacher-Romane<br />
aus der Feder von Lee Child<br />
sein. Denn der hat angekündigt,<br />
die Figur schleichend –<br />
zunächst als Koautor und<br />
dann vollständig – an seinen<br />
jüngeren Bruder Andrew zu<br />
übergeben. Der ist zwar auch<br />
kein Genre-Frischling, ob er<br />
jedoch dieses schwere Erbe<br />
stemmen kann …? Abwarten<br />
und Reacher lesen.<br />
LEE CHILD,<br />
„DER BLUTHUND“<br />
Ein Jack-Reacher-Roman (22),<br />
Deutsch von Wulf Bergnert.<br />
Blanvalet Verlag<br />
JASON BOURNE<br />
Alle 22 Bücher, die Robert<br />
Ludlum zu Lebzeiten veröffentlichte,<br />
landeten verlässlich<br />
auf Platz 1 der „New York<br />
Times“-Bestsellerliste – darunter<br />
auch jene drei, in denen<br />
der US-amerikanische Thrillmeister<br />
seine – nicht zuletzt<br />
dank der Verfilmungen mit<br />
Matt Damon – bekannteste<br />
Figur in Stellung brachte:<br />
Jason Bourne. Die Erfolgsserie<br />
rund um den Agenten<br />
ohne Gedächtnis wurde nach<br />
Ludlums Tod im Jahr 2001<br />
von Eric Van Lustbader artgerecht<br />
fortgesetzt und hält<br />
mittlerweile bei 14 Bänden.<br />
EVAN SMOAK<br />
Einst gehörte Evan Smoak<br />
zu einem streng geheimen<br />
US‐Regierungsprogramm<br />
namens Orphan, das Waisenkinder<br />
zu perfekten Killermaschinen<br />
hochzüchtet. Als<br />
dieses beendet wird, sucht<br />
Evan Buße für seine früheren<br />
Taten und wird zu einer Art<br />
tödlichem Samariter für Menschen<br />
in Not. Aber dann eröffnet<br />
sein ehemaliger Arbeitgeber<br />
die Jagd auf Evan – und<br />
liefert Gregg Hurwitz damit<br />
die Munition für ein großkalibriges<br />
Feuerwerk, das aktuell<br />
vier Bände ohne nennenswerte<br />
Atempause umfasst.<br />
VICTOR<br />
Auf bisher acht Bände<br />
hat es die „Victor“-Serie des<br />
britischen Autors Tom Wood<br />
gebracht – was angesichts<br />
des Lebenswandels der Titelfigur<br />
eine beachtliche Leistung<br />
ist. Denn Victor ist ein<br />
eiskalter, hochbezahlter<br />
Profikiller, der permanent<br />
im Fadenkreuz mächtiger<br />
Gegner agiert. Wood beweist<br />
in diesem mörderischen Katzund-Maus-Spiel<br />
ein feines Gespür<br />
fürs richtige Timing und<br />
kostet dabei eine sehr seltene<br />
erzählerische Freiheit genüsslich<br />
aus: Sein Held muss<br />
kein Sympathieträger sein.<br />
HARRY HOLE<br />
Alkoholkrank, alleinstehend,<br />
obrigkeitsresistent … Mit<br />
Harry Hole hat der norwegische<br />
Ausnahmekönner<br />
Jo Nesbø ein oft bemühtes<br />
Stereotyp des Hardboiled-<br />
Genres auf ein ungewohnt<br />
hohes Niveau gehievt. Die<br />
ebenso intelligent wie komplex<br />
strukturierten Plots der<br />
bisher zwölfteiligen Romanserie<br />
entstammen eher<br />
dem klassischen Krimifach,<br />
die Art und Weise, wie Harry<br />
Hole seine Fälle löst, lassen<br />
das literarische Getriebe<br />
aber in einer deutlich härteren<br />
Gangart krachen.<br />
THE RED BULLETIN 85
GUIDE<br />
Kalender<br />
16<br />
und 23. August<br />
DOPPELT FÄHRT BESSER<br />
Die besten Motorradfahrer der Welt liefern sich in der MotoGP packende Zweikämpfe am <strong>Red</strong> Bull<br />
Ring. Der gilt zweifelsohne als „eine der schönsten Rennstrecken der Welt“, wie Carmelo Ezpeleta,<br />
CEO des Rechtevermarkters Dorna Sports, jüngst sagte. Und weil er so schön ist, fahren Andrea<br />
Dovizioso (Bild), Valentino Rossi und Co <strong>2020</strong> gleich zweimal am Spielberg. Auch dabei an beiden<br />
Wochenenden: ServusTV, das zudem die Rennen der Moto3 und der Moto2 sowie die Qualifyings<br />
am Vortag überträgt; <strong>Red</strong> Bull Ring, Spielberg; projekt-spielberg.com<br />
9<strong>September</strong><br />
EISZEIT IM BILD<br />
Der Kanadier Will Gadd ist einer<br />
der besten Eiskletterer der Welt,<br />
doch scheint diese Passion ein<br />
klares Ablaufdatum zu haben.<br />
Zwischen 1912 und 2011 sind etwa<br />
85 Prozent des Gletschereises<br />
am Kilimandscharo geschmolzen,<br />
<strong>2020</strong> soll es gänzlich verschwunden<br />
sein. Die Dokumentation<br />
„<strong>The</strong> Last Ascent“ begleitet Gadd<br />
auf seiner Expedition nach Tansania,<br />
die neben einer technischen<br />
Prüfung auch zu einem Wettlauf<br />
gegen die Zeit wurde. redbull.tv<br />
19<br />
Aug. bis 4. Sept.<br />
PIMP MY PARTY<br />
Sommer, Sonne, kühle<br />
Getränke, ein veredelter<br />
Land Rover Defender, auf<br />
dessen Dach ein DJ auflegt.<br />
Wenn das deine Idee<br />
eines perfekten Tages<br />
ist, solltest du dich online<br />
bewerben und dir das<br />
<strong>Red</strong> Bull Eventcar (plus<br />
DJ und Getränke) für deine<br />
Party sichern. Infos:<br />
redbull.com/eventcar<br />
2und 3. <strong>September</strong><br />
THE SOUND<br />
OF RESILIENCE<br />
Was haben Musiker<br />
eigentlich während des<br />
Lockdowns getrieben?<br />
Das onQ.20 Festival gibt<br />
darauf an zwei Abenden<br />
im Wiener Musik-Club<br />
Porgy & Bess eine Antwort.<br />
Die Crème de la<br />
Crème der heimischen<br />
Künstler aus den Genres<br />
Jazz sowie Neue und<br />
Improvisierte Musik präsentiert<br />
Kompositionen,<br />
die während der letzten<br />
Monate – zum Teil im<br />
digitalen Austausch miteinander<br />
– entstanden<br />
sind. Viel melodischer<br />
kann Resilienz kaum<br />
klingen.<br />
Porgy & Bess, Wien,<br />
onq20.com<br />
GEPA PICTURES/RED BULL CONTENT POOL, CHRISTIAN PONDELLA/RED BULL CONTENT POOL,<br />
VYTAUTAS DRANGINIS/RED BULL CONTENT POOL<br />
86 THE RED BULLETIN
GUIDE<br />
Kalender<br />
5und 6. <strong>September</strong><br />
DAS DRIFT SICH ABER GUT<br />
Wenn beim Autofahren das Heck ausbricht, gerät der Körper<br />
in Alarmzustand. Es sei denn, genau das war das Ziel – so wie<br />
bei Elias Hountondji (Bild) und den Fahrern der Drift Masters<br />
European Championship. Die Rennserie, die in packenden<br />
Rad-an-Rad-Duellen ausgefochten wird, gastiert im steirischen<br />
Greinbach. Wer es nicht dorthin schafft, ist auf <strong>Red</strong><br />
Bull TV (wie auch beim ersten Stopp der Saison in Lettland<br />
am 14. und 15. August) live dabei. redbull.tv<br />
bis<br />
26<br />
Oktober<br />
BILDERSTADT BADEN<br />
Was ist besser als eine Foto-Ausstellung? Ganz klar: 31 Foto-<br />
Ausstellungen! Das La Gacilly-Baden, Europas größtes Outdoor-<br />
Fotofestival, findet dieses Jahr zum dritten Mal statt und kann<br />
neben farbenprächtigen Bildern abermals mit nackten Zahlen<br />
beeindrucken: Über 2000 Fotografien rund um das <strong>The</strong>ma<br />
Mensch und Umwelt – die größten davon messen 280 Quadratmeter<br />
– sind auf sieben Kilometern Länge öffentlich zu sehen.<br />
Baden; festival-lagacilly-baden.photo<br />
LOIS LAMMERHUBER/FOTOAGENTUR LAMMERHUBER, JORDAN BUTTERS/DMEC/RED BULL CONTENT POOL,<br />
PHOTO PLOHE, DEAN TREML/RED BULL CONTENT POOL<br />
5<strong>September</strong><br />
RICHTIG<br />
ABGEHOBEN<br />
Weitspringer und Stabhochspringer<br />
ganz nah:<br />
Mitten auf Innsbrucks<br />
Maria-<strong>The</strong>resien-Straße<br />
kämpfen 20 Weltklasse-<br />
Leichtathleten im Turniermodus<br />
um den Sieg.<br />
Schau auch du auf einen<br />
Sprung vorbei! Innsbruck,<br />
goldenroofchallenge.at<br />
ab 11<br />
August<br />
FIDELE<br />
FUSSBALLER<br />
Freestyle Football, in seiner<br />
rudimentären Form einst<br />
„Gaberln“ genannt, ist längst<br />
mehr als eine Möglichkeit für<br />
Freizeitkicker, Eindruck zu<br />
schinden. Denn Fußball-Akrobatik<br />
erfreut sich weltweit einer<br />
immer größer werdenden Fan-<br />
Gemeinde. Die Doku „Around<br />
<strong>The</strong> World“ – zugleich der Name<br />
für jenen Trick, bei dem der Fuß<br />
einmal den Ball umkreist – begleitet<br />
zehn Ausnahmekönner<br />
(links im Bild der Brasilianer<br />
Ricardinho) auf ihrem Weg zum<br />
gemeinsamen Ziel: dem Finale<br />
der <strong>Red</strong> Bull Street Style-Weltmeisterschaft<br />
in Miami, Florida.<br />
redbull.tv<br />
THE RED BULLETIN 87
GUIDE<br />
Kalender<br />
8<br />
Dominic Thiem, 26,<br />
ist Österreichs<br />
bester Tennisspieler<br />
und Nummer 3<br />
der Weltrangliste.<br />
SAMO VIDIC/RED BULL CONTENT POOL CHRISTIAN EBERLE-ABASOLO<br />
AUGUST BIS 26. OKTOBER<br />
Tennisturnier<br />
mit Thiem-Geist<br />
Bei „<strong>Red</strong> Bull Thiem, Set, Match“ können sich Hobby-Spieler<br />
einen Traum erfüllen. Wichtigste Voraussetzung dafür: Mut.<br />
Einmal auf dem Center Court<br />
der Wiener Stadthalle vor<br />
Zuschauern aufschlagen. Einmal<br />
mit Dominic Thiem ein<br />
paar Bälle spielen. Einmal<br />
Österreichs Nummer 1 sein.<br />
Wovon Hobby-Tennisspieler<br />
jahrelang träumen, lässt<br />
sich nun auf einen Schlag –<br />
oder genauer gesagt: mit<br />
einigen präzisen Schlägen –<br />
realisieren. „<strong>Red</strong> Bull Thiem,<br />
Set, Match“ heißt die innovative<br />
Turnier serie, bei der den<br />
besten Spielerinnen und<br />
Spielern die Erfüllung ebenjenes<br />
Traums als Hauptpreis<br />
winkt.<br />
An sechs Wochenenden<br />
steigen sechs Ausscheidungsturniere.<br />
Spielberechtigt sind<br />
alle Inhaber einer österreichischen<br />
Tennislizenz und einer<br />
allgemeinen Spielstärke (ITN)<br />
von 6,0+ bei den Damen und<br />
4,0+ bei den Herren. Das Starterfeld<br />
ist auf 64 Teilnehmer<br />
pro Stopp begrenzt.<br />
88 THE RED BULLETIN
Die besten Spielerinnen<br />
und Spieler der Ausscheidungsbewerbe<br />
qualifizieren<br />
sich für das Finalturnier<br />
am 25. Oktober in Wien. Das<br />
Damen- und das Herren-Endspiel<br />
werden am Tag darauf<br />
im Rahmen der ERSTE Bank<br />
Open in der Wiener Stadthalle<br />
ausgetragen.<br />
Beim Weg auf den Center<br />
Court gibt es jedoch ein paar<br />
Sonderregeln zu beachten:<br />
Jedes Match wird auf nur<br />
vier Games gespielt, wobei<br />
es beim Stand von 3:3 zum<br />
Tie-Break kommt. Im Game<br />
folgt auf einen Einstand der<br />
entscheidende Punkt („No<br />
Advantage“-Regel).<br />
Und wie bei Dominic selbst<br />
soll auch beim eigenen Turnier<br />
mutiges Offensivspiel im<br />
Vordergrund stehen: Als spezieller<br />
Anreiz dafür zählt bei<br />
„<strong>Red</strong> Bull Thiem, Set, Match“<br />
jeder Winner (direkter Punkt<br />
mit Vorhand oder Rückhand)<br />
doppelt.<br />
Die Turniersieger erwartet<br />
nach Übergabe der Trophäe<br />
noch ein weiteres Highlight:<br />
eine persönliche Trainingssession<br />
mit Dominic.<br />
Alle Infos und Anmeldung unter:<br />
redbull.com/thiem<br />
Turnier,<br />
Trophäe,<br />
Training<br />
So läuft „<strong>Red</strong> Bull<br />
Thiem, Set, Match“.<br />
8. AUGUST<br />
Turnier im Tennis Center<br />
Alt Erlaa, Wien<br />
22. AUGUST<br />
Turnier in der Sport Union<br />
Klagenfurt, Kärnten<br />
29. AUGUST<br />
Turnier im ASKÖ Tennis<br />
Club Wels, Oberösterreich<br />
5. SEPTEMBER<br />
Turnier im ESV Tennis,<br />
Bruck/Mur, Steiermark<br />
12. SEPTEMBER<br />
Turnier im GM Sports<br />
Resort Anif, Salzburg<br />
19. SEPTEMBER<br />
Turnier im Colony Club<br />
Wien<br />
25. OKTOBER<br />
Finalturnier im Raum Wien<br />
26. OKTOBER<br />
Finale im Rahmen der<br />
ERSTE Bank Open, Wien;<br />
Übergabe der Trophäe<br />
TERMIN NOCH OFFEN<br />
Persönliche Trainingseinheit<br />
mit Dominic Thiem<br />
THE RED BULLETIN<br />
„Mein Anspruch für<br />
das Turnier: Spaß<br />
und Professionalität<br />
bestmöglich zu<br />
kombinieren –<br />
zwei Dinge, die mir<br />
im Tennis einfach<br />
wichtig sind.“<br />
Dominic Thiem,<br />
Weltklasse-Tennisspieler<br />
PRO SOUND.<br />
PERFEKTE<br />
PASSFORM.<br />
FINDE DEN FLOW<br />
UND ZEIGE<br />
DEINEN STYLE.<br />
JBL REFLECTFLOW<br />
TRUE WIRELESS KOPFHÖRER<br />
JBL.COM
GUIDE<br />
Outdoor – Flachland<br />
Packen wir’s!<br />
Von der Helmkamera bis zum Hightech-<br />
Seesack: Mit diesen Gadgets bist du<br />
für wirklich jeden Outdoor-Trip gerüstet<br />
– ob in den Bergen, im Flachland<br />
oder am Wasser.<br />
Text PAULINE KRÄTZIG<br />
OFFROAD-IKONE<br />
Freie Fahrt<br />
Land Rover Defender mit Dachzelt<br />
Wer die Freiheit im Freien sucht, muss zuerst<br />
raus aus der Stadt. Eine Aufgabe, die der Land<br />
Rover Defender seit siebzig Jahren erledigt. Die<br />
neueste Version des 4 × 4-Urgesteins überzeugt<br />
mit Kraft (ab 200 PS), Komfort (Platz für bis zu<br />
sieben Insassen) und Extras vom Außenträger<br />
bis zum Dachzelt. Ab 59.066 Euro; landrover.at<br />
STAIRWAY<br />
TO HIMMELBETT<br />
Ins Dachzelt von Autohome<br />
gelangst du über<br />
die mitgelieferte Leiter.<br />
90 THE RED BULLETIN
GUIDE<br />
Outdoor – Flachland<br />
SMARTW<strong>AT</strong>CH<br />
Sonnenanbeter<br />
Garmin Fēnix 6 Pro Solar<br />
SCH<strong>AT</strong>TENSPENDER<br />
HELINOX PERSONAL SHADE<br />
Wenig geht über ein Mittagspäuschen<br />
im Campingstuhl, wäre da<br />
nicht die sengende Sonne. Dafür hat<br />
Helinox nun ein klein packbares,<br />
490 Gramm leichtes Sonnensegel<br />
entwickelt, das sich in Sekunden an<br />
jeden Helinox-Stuhl anklippen lässt.<br />
70 Euro; helinox.eu<br />
Ausdauer wie noch nie: Mit ihrer<br />
ins Display integrierten Solar-<br />
Ladelinse erhöht diese Sportuhr<br />
ihre Akkulaufzeit – auf bis zu<br />
16 Tage im Smartwatch- und auf<br />
bis zu 40 Stunden im GPS-Modus.<br />
Multi- Satelliten-Kompatibilität<br />
garantiert zuverlässige Navigation<br />
in jeder Umgebung. 3-Achsen-<br />
Kompass, Gyroskop und barometrischer<br />
Höhenmesser ermöglichen<br />
präzise Datenaufzeichnung.<br />
Ab 849,99 Euro; garmin.com<br />
VOLLER DURCHBLICK<br />
EVIL EYE VIZOR PRO<br />
Der „LST bright Vario purple mirror“-<br />
Filter dieser Radbrille ist unaussprechlich,<br />
aber ein Augenschmeichler.<br />
Auch bei schwachen Lichtverhältnissen<br />
liefert das selbsttönende<br />
Glas mit breitem Sichtfeld einen<br />
scharfen Rundumblick. Der „Sweat<br />
Bar“ oben am Gestell fängt Schweißperlen<br />
besser ab als jede buschige<br />
Monobraue. 209 Euro; evileye.com<br />
TREKKING-E-BIKE<br />
Rad mit<br />
Rückenwind<br />
Canyon Pathlite:ON<br />
Über Schotter und Asphalt, bergauf,<br />
bergab, mit Abblend- oder<br />
Fernlicht, mit Gepäck taschen<br />
oder Anhänger: Das Pathlite:ON<br />
ist das ideale Trekking-E‐Bike<br />
für entspannte Radausflüge –<br />
und in fünf Ausführungen erhältlich.<br />
Der 75-Nm-Bosch-Motor<br />
beschleunigt flott, 500 Wh<br />
Batteriekapazität garan tieren<br />
genügend Saft für jeden Bedarf.<br />
Ab 2.599 Euro; canyon.com<br />
SCHLAFASSISTENT<br />
BLACKROLL RECOVERY PRO<br />
Das ergonomische Reise-Kopfkissen<br />
der Regenerations-Gurus von Blackroll<br />
lässt sich klein in eine schmutzund<br />
wasserabweisende Tasche<br />
knautschen und entfaltet nachts<br />
seinen Memory-Schaum – vorn mit,<br />
hinten ohne Mulde, für Seiten-,<br />
Rücken- oder Bauchschläfer.<br />
89,90 Euro; shop.blackroll.com<br />
DOPPELT HÄLT<br />
BESSER<br />
Die Top-Modelle<br />
Pathlite:ON 8.0 und 9.0<br />
(im Bild) kommen mit<br />
DualBattery-Technologie<br />
samt zweitem<br />
Akku auf eine Reichweite<br />
von 150 Kilometern.<br />
THE RED BULLETIN 91
GUIDE<br />
Outdoor – Wasser<br />
WASSERDICHTER<br />
SEESACK<br />
Runde Sache<br />
Hawk Outdoors Dry Bags<br />
Falt-und-Klick-Verschluss sowie<br />
hochdruckverschweißte Nähte<br />
machen den Dry Bag-Seesack<br />
(10, 20 oder 30 Liter) zum Schutzpatron<br />
von Handy und Co bei<br />
Kajak-, Kanu-, Rafting-, Angelund<br />
sonstigen Wasserausflügen.<br />
Gefertigt aus 500D Tarpaulin,<br />
ist der Sack vergleichsweise leicht<br />
und kann sogar selbst schwimmen.<br />
Ab 17 Euro; hawk-outdoors.com<br />
BODYGUARD<br />
O’NEILL HYBRID SUN SHIRT<br />
Im Hybrid Sun Shirt wird der Träger<br />
selbst zum Hybriden, der sich<br />
zwischen Land und Wasser bewegt.<br />
Der weiche Stoff verhindert Surf Rash,<br />
einen Ausschlag vom Wachs auf<br />
dem Brett, und bietet UV-Schutz 50+.<br />
Das Gewebe sieht aus wie Baumwolle,<br />
trocknet aber dreimal so schnell.<br />
42,95 Euro; oneill.com<br />
TRAGFÄHIG<br />
Im Gegensatz zu den<br />
meisten anderen<br />
Seesäcken hat dieses<br />
Modell gepolsterte,<br />
verstellbare Tragegurte.<br />
BLUETOOTH-SPEAKER<br />
Herr der Ringe<br />
LG XBOOM GO PL7<br />
Auf Zuruf liefert diese handliche Bluetooth-Box bis zu 24 Stunden lang<br />
den Soundtrack zum Segelturn, Beachvolleyball oder After-Sports-<br />
Cooldown – wobei ein bisschen Spritzwasser den Sound nicht verstummen<br />
lässt. Der Dual Action Bass macht satte Beats, je nach Vibration<br />
ändert das Licht der äußeren Ringe seine Farbe. 199 Euro; lg.com<br />
360°-STORYTELLER<br />
GOPRO HERO8 BLACK<br />
Zeitraffer, Slomo, Superweitwinkel<br />
und Top-Bildqualität sind längst<br />
Standard. Die Hero8 Black Actioncam<br />
garantiert zusätzlich mit drei<br />
Stabilisierungsstufen flüssige Videos<br />
in jeder Lage und gleicht heftigste<br />
Ruckler aus. Auch ohne Zusatzgehäuse<br />
ist sie bis zehn Meter wasserdicht.<br />
Spracheingabe möglich.<br />
429,99 Euro; gopro.com<br />
92 THE RED BULLETIN
GUIDE<br />
Outdoor – Wasser<br />
STAND-UP-PADDLEBOARD<br />
Alles dabei!<br />
MOAI Allround 11 ft<br />
Das breite aufblasbare MOAI 11 ft<br />
ist ideal für SUP-Greenhorns.<br />
Aber auch erfahrene Paddler<br />
schätzen das schnelle, wendige<br />
und gleichzeitig stabile Board.<br />
Ein rutsch festes Schaumstoffpad<br />
gibt den Füßen Halt. Alle nötigen<br />
Extras sind dabei: ein Rucksack<br />
mit Rollen, Paddel, Pumpe, Sicherheits<br />
leine sowie ein Repair Kit.<br />
549 Euro; moaiboards.com<br />
EINE FRAGE<br />
DER EINSTELLUNG<br />
Mit an Bord:<br />
ein höhenverstellbares<br />
Paddel aus Aluminium<br />
im passenden Design.<br />
THE RED BULLETIN 93
GUIDE<br />
Outdoor – Berg<br />
E-MOUNTAINBIKE<br />
Das gibt<br />
mir Berge!<br />
Haibike XDURO AllMtn 3.5<br />
Auch Freeride-Könner lassen<br />
sich gerne bergauf von Haibikes<br />
E-Fullys unter den Hintern greifen,<br />
um dann bergab volle Kraft<br />
voraus zu rocken. Das Bike gibt<br />
es in zwei Reifen größen (29 und<br />
27,5 Zoll) mit 160 Millimeter<br />
Federweg, was auch extrem<br />
bucklige Trails wegsteckt.<br />
Der kräftige Motor mit 625-Wh-<br />
Akku schont bergauf die Kräfte.<br />
Ab 5.499 Euro; haibike.com<br />
DIE PACKEN ZU<br />
Mit den Magura MT7-<br />
Scheibenbremsen<br />
lässt sich das Bike<br />
leicht kontrollieren.<br />
GUT BELÜFTET<br />
Die Gore-Tex-Surround-<br />
Membran sorgt auch<br />
an heißen Tagen dafür,<br />
dass es zu keinem<br />
Hitzestau kommt.<br />
ALL-TERRAIN-SCHUH<br />
Der Klimaprofi<br />
LOWA Maddox GTX LO<br />
Das Jahr besteht ja nahezu nur<br />
noch aus Aprilwetter – könnten<br />
Füße sprechen, würden sie dem<br />
Maddox GTX LO Danke sagen.<br />
Der leichte Multifunktionsschuh<br />
sitzt wegen reduzierter Nähte reibungs<br />
los und dank Speed-Lace-<br />
Technologie sicher: keine offenen<br />
Schuhbänder, sondern mehr oder<br />
weniger Halt mit nur einem Zug.<br />
Die Gore-Tex-Membran trotzt<br />
dem stärksten Regenguss.<br />
170 Euro; lowa.at<br />
94 THE RED BULLETIN
GUIDE<br />
Outdoor – Berg<br />
OHREN<br />
SCHMEICHLER<br />
Hergestellt aus Silikon<br />
und erhältlich in drei<br />
Größen, passen sich die<br />
Stöpsel jedem Gehörgang<br />
ergonomisch an.<br />
EIN SEGEN BEI REGEN<br />
DYNAFIT ULTRA<br />
GORE-TEX SHAKEDRY<br />
Darauf haben wir lange gewartet:<br />
eine atmungsaktive Regenjacke,<br />
die bei Wind und Wetter dicht hält,<br />
ohne gleich zur Sauna zu werden.<br />
Dazu ist das Ding extrem leicht<br />
(150 g) und am Rücken via Zipp<br />
erweiterbar, falls noch ein Rucksack<br />
Unterschlupf sucht. Ideal also<br />
für die Bergwanderung.<br />
330 Euro; dynafit.com<br />
KLAMMERAFFE<br />
SALEWA APEX CLIMB 18L<br />
Wie ein Affenbaby schmiegt sich<br />
der Rucksack an den Körper,<br />
auf dass man trotz des Gewichts<br />
nicht ins Stolpern kommt. Hintenherum<br />
ist der Rücken dennoch gut<br />
belüftet. Und die Bewegungsfreiheit<br />
bleibt dank der flexiblen zweigeteilten<br />
Schultergurte erhalten.<br />
100 Euro; salewa.com<br />
KABELLOSE SPORT-KOPFHÖRER<br />
Soundmachine<br />
JBL Reflect Flow<br />
Kopfhörerkabelsalat nervt, besonders beim Sport. Die In-Ears JBL Reflect<br />
Flow bequemen sich kabellos in drei Größen ins Ohr und bespielen es über<br />
30 Stunden lang. Auf Fingerdruck machen sie die Musik leiser und die<br />
Umgebungsgeräusche lauter. Mit der TalkThru-Funktion kannst du sogar<br />
nach dem Weg fragen, ohne sie abzusetzen. Und wenn du in den Bergen<br />
in den Regen kommst, kann der Soundtrack weiterlaufen – die Kopfhörer<br />
sind wasserdicht nach Schutzklasse IPX7. 149 Euro; jbl.com<br />
THE RED BULLETIN 95
IMPRESSUM<br />
THE RED<br />
BULLETIN<br />
WELTWEIT<br />
Aktuell erscheint<br />
<strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong><br />
in sechs Ländern. Am<br />
Cover unserer 100. Ausgabe<br />
in der Schweiz balanciert<br />
mit Lars Forster<br />
ebenfalls ein Biker. Der<br />
27-Jährige zählt für uns<br />
53 Dinge auf, die man<br />
nur erfährt, wenn man<br />
täglich am Sattel sitzt.<br />
Mehr Geschichten abseits des<br />
Alltäglichen findest du auf:<br />
redbulletin.com<br />
Chefredakteur<br />
Alexander Macheck<br />
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96 THE RED BULLETIN
N I C O L A S M A H L E R S<br />
S P I T Z F E D E R L I C H E S C H A R A K T E R - K A B I N E T T<br />
Die nächste Ausgabe des RED BULLETIN erscheint am 8. <strong>September</strong> <strong>2020</strong>.<br />
NICOLAS MAHLER<br />
98 THE RED BULLETIN
ALPH<strong>AT</strong>AURI.COM
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REAR<br />
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