Liebes Publikum - Volksoper Wien
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Charakterisierung, wie sie Mozart in genialster Weise<br />
anwendet, nicht genug erschien.“<br />
Hugo von Hofmannsthal, mit dem Strauss gemeinsam<br />
den nächsten modernistischen Gipfel, „Elektra“, erklimmen<br />
sollte, notierte im „Salome“-Jahr 1905 Zeilen, die<br />
durchaus auf die verstörende Harmonik gemünzt sein<br />
könnten, aber das gesamte Lebensgefühl des Jahrhundertbeginns<br />
beschrieben, zu dem „Salome“ so gut<br />
passte: „Das Wesen unserer Epoche ist Vieldeutigkeit<br />
und Unbestimmtheit. Sie kann nur auf Gleitendem ausruhen<br />
und ist sich bewusst, daß es Gleitendes ist, wo<br />
andere Generationen an das Feste glaubten.“<br />
„Das ist Wahnsinn!“<br />
Die Dresdener „Salome“-Uraufführung löste ein Erdbeben<br />
in der Kunstwelt aus, die Meinungen spalteten sich<br />
in begeisterte Zustimmung und empörte Ablehnung –<br />
kühl ließ diese Oper niemanden …<br />
Während Cosima Wagner, die Witwe von Strauss’ Idol<br />
schlichtweg meinte: „Das ist Wahnsinn … Nichtiger<br />
Unfug, vermählt mit Unzucht!“, urteilte ein Dresdener<br />
Kritiker: „Eine Sensation von ähnlicher Bedeutung<br />
hat unsere Hofoper seit Wagners letztem Werke nicht<br />
gehabt.“ Gustav Mahlers aufopfernder Kampf um die<br />
Erstaufführung der „Salome“ an der von ihm geleiteten<br />
<strong>Wien</strong>er Hofoper spricht Bände (während er mit der<br />
„Elektra“, die in harmonischer Kühnheit noch einen<br />
Schritt weiter ging, nach eigenem Bekunden nichts<br />
mehr anfangen konnte). Karl Kraus hingegen übte sich<br />
in spitzfedriger Spitzfindigkeit: „Die Musik des Herrn<br />
Richard Strauss ist ein Frauenzimmer, das seine natürlichen<br />
Mängel durch eine vollständige Beherrschung<br />
des Sanskrit ausgleicht.“ Kaiser Wilhelm II. kannte die<br />
Oper nicht vom Hören, nur vom Sagen. Die Ferndiagnose<br />
des Monarchen zu Richard Strauss und dessen neuem<br />
Stück lautete: „Tut mir leid, ich habe ihn sonst ganz<br />
gern, aber damit wird er sich schaden.“ Der Komponist<br />
konterte gelassen: „Von dem Schaden konnte ich mir die<br />
Garmischer Villa bauen.“<br />
Es ist bemerkenswert, dass schon zur Zeit der „Salome“,<br />
also fast drei Jahrzehnte vor der „Machtergreifung“,<br />
Strauss’ ambivalentes Verhältnis zum Nationalsozialismus<br />
vorausgeahnt werden konnte: Im <strong>Publikum</strong> der<br />
Grazer Erstaufführung 1906 saß – neben Persönlichkeiten<br />
wie Puccini, Mahler und Peter Rosegger auch ein<br />
Arbeitsloser aus <strong>Wien</strong> – namens Adolf Hitler. Als 1939<br />
die Aufführung der „Judenoper“ in Graz verboten werden<br />
sollte, meinte Strauss: „Daß ‚Salome’ eine jüdische<br />
Ballade sein soll, ist sehr humoristisch. Der Führer und<br />
Reichskanzler hat selbst in Bayreuth meinem Sohn erzählt,<br />
dass ‚Salome’ eines seiner ersten Opernerlebnisse<br />
gewesen sei und daß er sich das Geld, um zur ersten<br />
Aufführung nach Graz zu reisen, von seinen Verwandten<br />
erbeten habe. Wörtlich!!“<br />
Salome … „von“ Jeritza?<br />
Am 9. April 1911 gab Richard Strauss als „Salome“-Dirigent<br />
sein Debüt an der <strong>Volksoper</strong>. Danach sollte er das<br />
Werk nur noch an der <strong>Wien</strong>er Staatsoper dirigieren (die<br />
ja zwischen 1919 und 1924 unter seiner künstlerischen<br />
Leitung stand). Als Maria Jeritza 1922 die Partie an<br />
der Staatsoper verkörperte, war der Komponist Zeuge<br />
einer fragwürdigen „Neufassung“. „Wir Musiker waren<br />
wenig von ihr begeistert“, erinnerte sich Philharmoniker-<br />
Der Prophet erscheint<br />
Szenenfoto aus „Salome”, Monte-Carlo 2011