KURZPORTRÄT [»Die Arbeit im Weingutwar schonimmer meine Leidenschaft.« Freudund Leid in denWeinbergen vonKaltern –einekleineZeitreise mit HertaMorandell. [<strong>wein</strong>.<strong>kaltern</strong> magazin<strong>2020</strong>/21—p.38
TEXT Elisabeth Turker Es ist wohlig warm in Herta Morandells Küchein Niklas. Kinder und Enkelkinder lachen aus den Fotos an den Wänden.Der BlickdurchsFenster streiftdie Weinberge, die sie gemeinsam mit ihrem Sohn Simon bewirtschaftet. „Die Arbeit im Weingut warschon immer meine Leidenschaft“, erzählt die 70-Jährige mit leuchtenden Augen. „Schon als kleines Mädchen.“ Eine Kindheit in den Weinbergen. Herta wuchs als Älteste vonsechs GeschwisternimOberplanitzing der 50er-Jahreauf: Wo sich heute die Straße am Hotel Masatschteilt, reihte sichdamals ein Hof an den anderen. „Das wareineschöne Zeit. Jeder kannte jeden, man sah sichtäglichimFeld, am Brunnen oder in der Kircheund vorallem: Man half sichgegenseitig. Das wardas Selbstverständlichste der Welt.“ Aushelfen musste Herta schon als Mädchen, und das nicht nur im heimischen Hof: Ganz im Sinne des Gebens und Nehmens arbeitete die Elfjährige auchinden Güternder Nachbarnmit, dieden Gefallen dann erwiderten. „Natürlichwar es anstrengend, wochenlang vonfrühbis spät im Weingut zu stehen. Aber als Arbeit habe ichesnie empfunden, eher als Vergnügen.“ Obwohl sie am liebsten im Weingut geblieben wäre,kam es mit 14 Jahren anders: „Ichhöre meinen Vaternochheute, als er sagte: Gea lei eppes lernen, du Krot.“ Herta entschied sich für eine Lehreals Verkäuferin in Gries, kehrte aber jede freie Minute in den Weinbergzurück. Nach der Hochzeit arbeitete sie im Weingut ihres Mannes Richard„Simmel“ Morandell in Niklas, der nebenbei auchFremdenzimmer vermietete und Touristen kutschierte. „Schon damals wares kaum möglich, sichmit einem kleinen Weingut alleine über Wasser zu halten“, erinnertsich Herta.Als ihr Sohn Simon nachdem Toddes Vaters 1997 den Hof übernahm, siedelte er die Familie in den Vialwegumund pachtete noch ein paar Güter dazu. Vondaanarbeiteten Mutter und Sohn vonfrühbis spät Seite an Seite im Weinberg. „Anfangs habe ichihm nochTipps gegeben, aber schon bald sagte er mir,was zu tun war.“ Jeder Traubenkernzählte. In 60 Jahren im Weinberghat sich viel verändert: Der Umstieg von Pergeln auf Zeilen, das Auslauben –„früher war das Blätterdachauf den Weinreben so dicht, dass kaum die Sonne durchschien“ –das Halbieren der Traubensowie die Geschwindigkeit und der Rhythmus im Weinberg. „Früher ging alles viel langsamer vorsich. Man stand tage- oder auchwochenlang im Gut, bis alle Traubengewimmt waren, zuerst die guten, dann die wenigerguten. Die ‚Schlechten‘ wurden später daheim eingekellert. Undwehe, wenn einTraubenkernamBoden landete“, schmunzelt Herta Morandellbei der Erinnerung. „Mein Großvater wardasehr streng: JederTraubenkern, der beim Umschütten vonder Schüssel in die Zumm danebenging, musste aufgelesen werden. Wersichdaungeschickt anstellte, brauchte garnicht wiederkommen.“ Heute sei die Weinlese sehr viel schneller,vor allem dank der Vorarbeit:„Die Traubenwerden schon vorabkontrolliert, halbiertund vomLaubbefreit, so dass am Tagder Weinlese alles in wenigenStunden passiertist.“ Freud und Leid. Die gute Vorbereitung kann aber auchschlimme Folgen haben, wie etwa nach dem schweren HagelsturmimJuli 2018.„Ichwar gerade vonmeiner Arbeit in unseren Güternin Feld am See nachHause gekommen und hatte den Sturmgar nicht bemerkt. Erstals Simon michanrief wurde mir klar,was passiertwar.Der Anblick warfurchtbar.Den ganzenTag lang hatte ichdie Trauben vomLaubbefreit –und in wenigenMinuten hatte der Hagel jede einzelne auf den Boden geschlagen. Nichts warmehr übrig“, erinnertsich Herta Morandell. Ein harter Schlag für Mutter und Sohn: „Simon dachte daran, die Weinberge aufzugeben, so verärgertund frustriertwar er.Ich kamnachHause, setztemichinden Sessel und begann zu <strong>wein</strong>en. So viel Arbeit, und plötzlichwar alles futsch.“ Die Weinberge aufgegeben hat FamilieMorandell natürlichnicht, dafür ist die Leidenschaftfür den Weinbau und die Genugtuung einer guten Ernte zu tief verwurzelt. Undauchnacheinem ganzen Leben im Weinberghat HertaMorandell heute vorallem einen Wunsch: Noch so lange wie möglichihrer Leidenschaftfür den Weinbau nachgehen zu können. ] ElisabethTurker Journalistin, lebt in Kalternund istin der Welt zu Hause. [<strong>wein</strong>.<strong>kaltern</strong> magazin <strong>2020</strong>/21—p.39