08.09.2020 Aufrufe

PolFHa Extra - Das neue Sächsische Polizeibehördengesetz (SächsPBG)

Anfang diesen Jahres trat das „Gesetz zur Neustrukturierung des Polizeirechtes des Freistaates Sachsen“ in Kraft, mit der Folge, dass das Verhältnis von Polizeibehörden und Polizeivollzugsdienst (PVD) neu gestaltet wurde. Prof. Dr. Henning Schwier, Dozent für Allgemeines und besonderes Verwaltungsrecht und ausgewiesener Experte für das SächsPBG, hat Ihnen die wichtigsten Neuregelungen für den Polizeidienst zusammengestellt und eine Einordnung vorgenommen.

Anfang diesen Jahres trat das „Gesetz zur Neustrukturierung des Polizeirechtes des Freistaates Sachsen“ in Kraft, mit der Folge, dass das Verhältnis von Polizeibehörden und Polizeivollzugsdienst (PVD) neu gestaltet wurde. Prof. Dr. Henning Schwier, Dozent für Allgemeines und besonderes Verwaltungsrecht und ausgewiesener Experte für das SächsPBG, hat Ihnen die wichtigsten Neuregelungen für den Polizeidienst zusammengestellt und eine Einordnung vorgenommen.

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Polizei-<br />

Fach-<br />

Handbuch<br />

<strong>Extra</strong><br />

<strong>Das</strong> <strong>neue</strong> <strong>Sächsische</strong><br />

<strong>Polizeibehördengesetz</strong><br />

(<strong>SächsPBG</strong>)<br />

Überblick und Erläuterung<br />

maßgeblicher Änderungen<br />

von Prof. Dr. Henning Schwier


<strong>Das</strong> <strong>neue</strong> <strong>Sächsische</strong> <strong>Polizeibehördengesetz</strong><br />

<strong>Das</strong> <strong>neue</strong> <strong>Sächsische</strong><br />

<strong>Polizeibehördengesetz</strong><br />

(<strong>SächsPBG</strong>)<br />

Überblick und Erläuterung maßgeblicher Änderungen<br />

von Henning Schwier 1)<br />

Am 10. April 2019 wurde das „Gesetz zur Neustrukturierung<br />

des Polizeirechtes des Freistaates<br />

Sachsen“ beschlossen, welches am 1. Januar 2020<br />

in Kraft trat. <strong>Das</strong> Gesetz gestaltet das Verhältnis von<br />

Polizeibehörden und Polizeivollzugsdienst (PVD) neu<br />

und weist beiden Behördenzweigen eine eigenständige<br />

gesetzliche Grundlage zu, nämlich das <strong>Sächsische</strong><br />

<strong>Polizeibehördengesetz</strong> (<strong>SächsPBG</strong>) bzw. das<br />

<strong>Sächsische</strong> Polizeivollzugsdienstgesetz (SächsPVDG).<br />

Dieser Beitrag gibt einen Überblick über das <strong>Sächsische</strong><br />

<strong>Polizeibehördengesetz</strong> (Teil I), arbeitet das neu<br />

gestaltete Verhältnis von Polizeibehörden und PVD<br />

heraus (Teil II) und stellt die maßgeblich veränderten<br />

Eingriffsbefugnisse des <strong>Sächsische</strong>n <strong>Polizeibehördengesetz</strong>es<br />

vor (Teil III).<br />

I. Überblick zum <strong>Sächsische</strong>n <strong>Polizeibehördengesetz</strong><br />

Nach bisheriger Rechtslage war unter dem einheitlichen<br />

Begriff „Polizei“ sowohl die „Polizeibehörden“<br />

als auch der „Polizeivollzugsdienst“ zusammengefasst.<br />

Beide Zweige stützten sich auf das Polizeigesetz<br />

des Freistaates Sachsen (SächsPolG) als gesetzliche<br />

Grundlage ihres behördlichen Handelns.<br />

Mit der Neustrukturierung des Polizeirechts löst<br />

sich der sächsische Gesetzgeber von diesem Einheitssystem<br />

und wendet sich konsequent dem Trennungssystem<br />

zu, dass von der Mehrzahl der Bundesländer<br />

– wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen<br />

– praktiziert wird. Artikel 1 des Gesetzes zur Neustrukturierung<br />

weist dem PVD eine eigenständige<br />

Grundlage zu, nämlich das <strong>Sächsische</strong> Polizeivollzugsdienstgesetz<br />

(SächsPVDG). Art. 2 des Gesetzes<br />

zur Neustrukturierung bildet das <strong>Sächsische</strong> <strong>Polizeibehördengesetz</strong><br />

(<strong>SächsPBG</strong>), welches die Handlungsgrundlage<br />

für das präventivpolizeiliche Tätigwerden<br />

der Polizeibehörden im Freistaat Sachsen darstellt.<br />

Begrifflich weist § 1 S. 2 SächsPVDG dem PVD den<br />

Begriff „Polizei“ zu, während die Polizeibehörden im<br />

<strong>neue</strong>n <strong>SächsPBG</strong> ausgehend von § 1 <strong>SächsPBG</strong> als<br />

„Polizeibehörden“ bezeichnet werden.<br />

Die konkrete Ausgestaltung beider Rechtsgrundlagen<br />

ist dabei gegenläufig. <strong>Das</strong> SächsPVDG hat – insbesondere<br />

durch die Ausweitung polizeilicher Datenerhebungsbefugnisse<br />

– einen Aufwuchs erfahren<br />

1) Der Verfasser ist Professor für Recht an der Hochschule der <strong>Sächsische</strong>n<br />

Polizei (FH) in Rothenburg/O.L.<br />

(von 84 Normen im alten SächsPolG auf 108 Normen<br />

im <strong>neue</strong>n SächsPVDG). <strong>Das</strong> <strong>SächsPBG</strong> hingegen wurde<br />

von 84 auf 46 Normen reduziert. Hintergrund ist<br />

die Beschränkung der Polizeibehörden auf ihre ordnungsbehördliche<br />

Funktion. Zum einen wurde im<br />

<strong>neue</strong>n <strong>SächsPBG</strong> grundsätzlich auf die Abschnitte<br />

verzichtet, die sich im alten SächsPolG allein an den<br />

PVD wandten. Zum anderen wurden auch in den einzelnen<br />

Abschnitten (etwa im Bereich der Standardmaßnahmen)<br />

nur die Maßnahmen ins <strong>SächsPBG</strong><br />

aufgenommen, die zur Wahrnehmung der ordnungsbehördlichen<br />

Aufgabe notwendig sind.<br />

Zur Veranschaulichung folgende Übersichten:<br />

RELEVANZ DES ALTEN SÄCHSPOLG FÜR POLIZEIBE-<br />

HÖRDEN<br />

Inhaltsübersicht: Altes SächsPolG<br />

Teil 1<br />

<strong>Das</strong> Recht der Polizei<br />

§§ 1+2 Abschnitt 1, Aufgaben der Polizei<br />

§§ 3-34a Abschnitt 2, Befugnisse der Polizei<br />

§§ 18-29 Einzelmaßnahmen<br />

für PB nur teilweise relevant<br />

§§ 30-34a Polizeizwang<br />

für PB nicht anwendbar<br />

§§ 35-51 Abschnitt 3, Datenverarbeitung PVD<br />

für PB nicht anwendbar<br />

§§ 52-58 Abschnitt 4, Entschädigung<br />

Teil 2 Die Organisation der Polizei<br />

§§ 59-63 Abschnitt 1, Gliederung und Aufgabenverteilung<br />

§§ 64-70 Abschnitt 2, Die Polizeibehörden<br />

§§ 71-78 Abschnitt 3, Polizeivollzugsdienst<br />

für PB irrelevant<br />

Teil 3 Sonstige Bestimmungen (§§ 79-84)<br />

STREICHUNG VON STANDARDMASSNAHMEN<br />

SÄCHSPOLG:<br />

SÄCHSPBG:<br />

§ 3 Generalklausel § 12 Generalklausel<br />

§ 18 Befragung § 19 Befragung<br />

§ 19 Identitätsfest- § 18 Identitätsfeststellung<br />

stellung<br />

§ 20 ED Maßnahmen NICHT AUFGENOMMEN<br />

§ 21 Platzverweis § 20 Platzverweisung<br />

(Abs. 1)<br />

§ 21 Aufenthalts- NICHT AUFGENOMMEN<br />

verbot (Abs. 2)<br />

§ 21 Wohnungs- NICHT AUFGENOMMEN<br />

verweisung (Abs. 3)<br />

§ 22 Gewahrsam NICHT AUFGENOMMEN<br />

2


von Henning Schwier<br />

§ 23 Durchsuchung § 21 Durchsuchung von<br />

von Personen Personen<br />

§ 24 Durchsuchung § 24 Durchsuchung von<br />

von Sachen<br />

Sachen<br />

§ 25 Betreten/Durch- § 25 Betreten/Durchsusuchung<br />

Wohnung chung Wohnung<br />

§ 26 Sicherstellung § 26 Sicherstellung<br />

§ 27 Beschlagnahme IN SICHERSTELLUNG<br />

AUFGEGANGEN<br />

§ 37 Videoüber § 30 Videoüberwachung<br />

wachung<br />

NEU!<br />

<strong>Das</strong> in dieser Weise reduzierte <strong>neue</strong> <strong>SächsPBG</strong> ist wie<br />

folgt strukturiert:<br />

STRUKTUR DES NEUEN SÄCHSPBG<br />

§§ 1-11 Abschnitt 1: Aufgaben und allgemeine<br />

Bestimmungen<br />

§§ 12-31 Abschnitt 2: Maßnahmen<br />

§§ 32-39 Abschnitt 3: Polizeiverordnungen<br />

§ 40 Abschnitt 4: Datenverarbeitung<br />

§§ 41-46 Abschnitt 5: Entschädigung<br />

Die maßgeblichen substantiellen Veränderungen<br />

befinden sich in Abschnitt 1 (Verhältnis von Polizeibehörden<br />

und PVD, vgl. Teil II) bzw. im Abschnitt 2<br />

(Veränderte Befugnisse, vgl. Teil III). In den sonstigen<br />

Abschnitten beschränkt sich die Veränderung im Wesentlichen<br />

auf die Überführung der für die Polizeibehörden<br />

relevanten Regelungen des alten SächsPolG<br />

ins <strong>neue</strong> <strong>SächsPBG</strong>.<br />

II. Verhältnis von Polizeibehörden und Polizeivollzugsdienst<br />

Nach bisheriger Rechtslage stützten sich sowohl<br />

die Polizeibehörden als auch der PVD auf das Sächs-<br />

PolG als gesetzliche Grundlage ihres behördlichen<br />

Handelns. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen den<br />

beiden Polizeizweigen regelte § 60 SächsPolG. Dieser<br />

ging von einer Regelzuständigkeit der Polizeibehörden<br />

aus (§ 60 I SächsPolG). Der PVD war hingegen nur<br />

bei ausdrücklicher gesetzlicher Zuweisung zuständig<br />

(z. B. Eilkompetenz, § 60 II SächsPolG). Für die sog.<br />

Standardmaßnahmen galt eine parallele Zuständigkeit<br />

von Polizeibehörden und PVD (§ 60 III Sächs-<br />

PolG).<br />

Durch die Abkehr vom Einheitssystem ist diese<br />

Konzeption obsolet und die Zuständigkeitsverteilung<br />

aus § 60 SächsPolG gestrichen worden. Die Polizeibehörden<br />

sowie der PVD gehen nunmehr von eigenständigen<br />

gesetzlichen Grundlagen aus. Die gesetzliche<br />

Trennung ändert aber nichts daran, dass sich die<br />

Aufgaben überlagern. Insbesondere ist beiden Hoheitsbereichen<br />

primär die Aufgabe zugewiesen, „Gefahren<br />

für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung“<br />

abzuwehren (vgl. den insoweit identischen Wortlaut<br />

des § 2 I 1 <strong>SächsPBG</strong> bzw. § 2 I 1 SächsPVDG). Insofern<br />

ist es auch im Rahmen des Trennungskonzepts notwendig,<br />

die Überschneidungen der Tätigkeitsfelder<br />

gesetzlich zu regeln.<br />

Maßgeblich ist § 2 <strong>SächsPBG</strong> bzw. § 2 SächsPVDG:<br />

§ 2 <strong>SächsPBG</strong>:<br />

(1) Die Polizeibehörden haben die Aufgabe, Gefahren<br />

für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung<br />

abzuwehren. Sie haben im Rahmen dieser Aufgabe<br />

auch Vorbereitungen zu treffen, um künftige Gefahren<br />

abwehren zu können.<br />

§ 2 SächsPVDG:<br />

(1) Die Polizei hat die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche<br />

Sicherheit oder Ordnung abzuwehren (Gefahrenabwehr).<br />

Sie schützt die freiheitliche demokratische<br />

Grundordnung und gewährleistet die ungehinderte<br />

Ausübung der Grundrechte und der staatsbürgerlichen<br />

Rechte. Die Polizei hat im Rahmen dieser<br />

Aufgabe auch zu erwartende Straftaten zu verhindern<br />

und vorbeugend zu bekämpfen. Die Polizei hat<br />

ferner Vorbereitungen zu treffen, um künftige Gefahren<br />

abwehren zu können.<br />

(3) Die Polizei wird in Erfüllung der Aufgabe der Gefahrenabwehr<br />

außer in den Fällen des Absatzes 1<br />

Satz 3 (straftatenbezogenen Gefahrenabwehr) nur<br />

tätig, soweit die Gefahrenabwehr durch die Polizeibehörden<br />

nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint.<br />

Während nach früherer Rechtslage die Zuständigkeitsverteilung<br />

in einer Norm abzulesen war, muss<br />

die Abgrenzung der Kompetenzen nun aus einer Zusammenschau<br />

der jeweiligen Aufgabenkataloge (§ 2<br />

<strong>SächsPBG</strong> bzw. § 2 SächsPVDG) bzw. der jeweils zur<br />

Verfügung stehenden Ermächtigungsnormen vorgenommen<br />

werden. Trotz der eindeutigen Trennung<br />

zwischen Polizeibehörden und PVD ist die Abgrenzung<br />

der Aufgaben folglich nicht leichter geworden.<br />

Schematisch lassen sich folgende Kernsätze festhalten:<br />

• Die Polizeibehörden bzw. der PVD sind ausschließlich<br />

zuständig für die Maßnahmen, die im anderen<br />

Gesetz keine Entsprechung haben („exklusive Befugnisse“).<br />

- Bsp. im <strong>SächsPBG</strong>: § 32, Polizeiverordnungen<br />

- Bsp. im SächsPVDG: §§ 22, Gewahrsam<br />

• Bei der Wahrnehmung paralleler Befugnisse liegt<br />

die originäre Zuständigkeit für die allgemeine<br />

(nichtstraftatenbezogene) Gefahrenabwehr bei<br />

den Polizeibehörden.<br />

- ergibt sich aus: § 2 I 1 <strong>SächsPBG</strong> i. V. m. § 2 III<br />

SächsPVDG<br />

• Der PVD hingegen ist im Falle der allgemeinen<br />

(nichtstraftatenbezogene) Gefahrenabwehr nur im<br />

Eilfall zuständig.<br />

3


<strong>Das</strong> <strong>neue</strong> <strong>Sächsische</strong> <strong>Polizeibehördengesetz</strong><br />

- ergibt sich aus: § 2 III SächsPVDG<br />

- hier lebt der Rechtsgedanke des früheren § 60 II<br />

SächsPolG fort<br />

- liegt vor, wenn Polizeibehörde die Abwehr der<br />

Gefahr unmöglich ist oder wenn durch die Herbeiführung<br />

der Entscheidung der Polizeibehörde<br />

eine nicht zu vertretende Verzögerung bei<br />

der Wahrnehmung der Aufgabe der Gefahrenabwehr<br />

eintreten würde und dadurch die Abwehr<br />

der Gefährdungslage erschwert oder vereitelt<br />

würde<br />

• Der PVD ist ausschließlich zuständig für die straftatenbezogene<br />

Gefahrenabwehr.<br />

- ergibt sich aus: § 2 III SächsPVDG bzw. aus der<br />

eindeutigen Gesetzesbegründung<br />

- Ausnahmen: § 30 I <strong>SächsPBG</strong> bzw. § 33 I <strong>SächsPBG</strong><br />

- Problem:<br />

Fraglich ist, worauf die Polizeibehörde ihre Zuständigkeit<br />

stützt, wenn sie im Rahmen ihrer<br />

Diensttätigkeit Vorgänge wahrnimmt, bei denen<br />

ein Störer die Grenze zur Straftatbegehung<br />

überschreitet bzw. zu überschreiten droht? In<br />

diesem Fall ist die Behörde eigentlich nicht zuständig,<br />

da die straftatenbezogene Gefahrenabwehr<br />

ausdrücklich dem PVD vorbehalten sein<br />

soll. <strong>Das</strong> mit dem Gesetzesvorhaben befasste<br />

Ministerium geht davon aus, dass ein Einschreiten<br />

der Polizeibehörden dennoch möglich sei,<br />

da eine drohende Straftat auch immer die geschriebene<br />

Rechtsordnung als Teilaspekt der<br />

öffentlichen Sicherheit bedroht. <strong>Das</strong> ist zwar im<br />

Ergebnis überzeugend (denn es führt dazu, dass<br />

der PVD nicht ausschließlich, sondern vorrangig<br />

für die straftatenbezogene Gefahrenabwehr zuständig<br />

ist). Mit dem ausdrücklich geäußerten<br />

Wunsch des Gesetzgebers, die straftatenbezogene<br />

Gefahrenabwehr exklusiv dem PVD zuzuweisen,<br />

ist es aber nicht zu vereinbaren, denn<br />

die drohende Begehung einer Straftat ist in jedem<br />

Fall auch als Gefährdung der öffentlichen<br />

Sicherheit einzustufen, so dass sich die (gleichzeitige)<br />

Zuständigkeit der Polizeibehörde für die<br />

straftatenbezogene Gefahrenabwehr als Automatismus<br />

darstellt.<br />

• Die Polizeibehörden und der PVD sind jeweils für<br />

die Gefahrenvorsorge bzw. den Schutz privater<br />

Rechte zuständig.<br />

- ergibt sich aus: § 2 I 2 und II <strong>SächsPBG</strong> bzw. § 2 I<br />

4 und II SächsPVDG<br />

Bei der Abwicklung der behördlichen bzw. polizeilichen<br />

Maßnahme (Bsp.: Verwahrung sichergestellter<br />

Gegenstände) ist wie folgt zu differenzieren: Nimmt<br />

die Behörde bzw. der PVD die Maßnahme in originärer<br />

Zuständigkeit wahr, ist der jeweilige Behörden-​<br />

zweig auch für die Abwicklung zuständig. Wird der<br />

PVD auf der Grundlage der Eilkompetenz nach § 2<br />

III SächsPVDG an Stelle der an sich zuständigen Polizeibehörde<br />

tätig, kann er im Grundsatz alle Maßnahmen<br />

treffen, zu denen in der konkreten Situation die<br />

Polizeibehörde befugt wäre. Die Folgemaßnahmen<br />

hingegen (z.B. Verwahrung, Rückgabe, Verwertung<br />

von sichergestellten Gegenständen, einschließlich<br />

der ggf. in diesem Zusammenhang anfallenden Kosten)<br />

sind durch die zuständige Polizeibehörde abzuwickeln.<br />

Ergänzt wird § 2 <strong>SächsPBG</strong> bzw. § 2 SächsPVDG durch<br />

§ 4 <strong>SächsPBG</strong> bzw. § 102 SächsPVDG, wonach die Polizeibehörden<br />

und der PVD zur Zusammenarbeit und<br />

gegenseitigen Unterrichtung verpflichtet sind.<br />

§ 4 I <strong>SächsPBG</strong> formuliert diese Anforderung wie folgt:<br />

(1) Die Polizeibehörden haben mit dem Polizeivollzugsdienst<br />

bei der Gefahrenabwehr zusammenzuarbeiten<br />

und die zuständigen Polizeidienststellen unverzüglich<br />

über Vorgänge zu unterrichten, deren Kenntnis<br />

für die Aufgabenerfüllung des Polizeivollzugsdienstes<br />

bedeutsam erscheint. Unbeschadet der Zuständigkeit<br />

der Polizei zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten<br />

sollen die Polizei und die Polizeibehörden im<br />

Rahmen der Gefahrenabwehr zusammenwirken und<br />

zur Vermeidung strafbarer Verhaltensweisen (Kriminalprävention)<br />

beitragen.<br />

III. Details zu den veränderten Befugnissen<br />

§ 18 Identitätsfeststellung<br />

Eine Identitätsfeststellung (IDF) ist die Bestimmung<br />

der Identität einer unbekannten Person oder<br />

die Prüfung, ob eine Person mit einer gesuchten Person<br />

identisch ist. 2) Der <strong>neue</strong> § 18 <strong>SächsPBG</strong> folgt in<br />

seiner grundlegenden Struktur dem alten § 19 Sächs-<br />

PolG. Absatz 1 listet die tatbestandlichen Alternativen<br />

auf, die eine IDF ermöglichen. Absatz 2 regelt,<br />

welche konkreten Rechtsfolgen im Rahmen der IDF<br />

eröffnet sind.<br />

‣ Tatbestandliche Bedingungen der IDF nach<br />

§ 18 I <strong>SächsPBG</strong><br />

Der Tatbestand der IDF nach § 18 I <strong>SächsPBG</strong> wurde<br />

auf die ordnungsbehördliche Tätigkeit der Polizeibehörde<br />

zugeschnitten. Der Gesetzgeber hat aus dem<br />

Katalog des früheren § 19 SächsPolG die Alternativen<br />

herausgenommen, die sich auf die spezifische Tätigkeit<br />

des PVD bezogen:<br />

ALT: § 19 I SÄCHSPOLG<br />

(1) Die Polizei kann die Identität einer Person feststellen,<br />

1. um im einzelnen Falle eine Gefahr für die öffentliche<br />

Sicherheit oder Ordnung abzuwehren…<br />

2) Vgl. zu den grundlegenden Details der IDF: Elzermann/Schwier, Polizeigesetz<br />

des Freistaates Sachsen, 5. Auflage, § 19, Rn. 1 ff.<br />

4


von Henning Schwier<br />

2. … am „verrufenen“ Ort<br />

3. … am „gefährdeten“ Objekt<br />

4. … Kontrollstelle<br />

5. … Schleierfahndung<br />

6. … Kontrollbereich<br />

Nr. 2 bis 6 als PVD-spezifische Varianten gestrichen<br />

NEU: § 18 I SÄCHSPBG<br />

(1) Die Polizeibehörden können die Identität einer<br />

Person feststellen, soweit dies<br />

1. zur Abwehr einer Gefahr oder<br />

2. zum Schutz privater Rechte<br />

erforderlich ist.<br />

Mit Gefahr i. S. d. § 18 I Nr. 1 ist eine konkrete Gefahr<br />

für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit<br />

oder öffentlichen Ordnung gemeint. Dies bedeutet,<br />

dass im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit<br />

bestehen muss, dass in absehbarer Zeit ein<br />

Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung<br />

eintreten wird oder bereits eingetreten ist. Dabei ist<br />

zu berücksichtigen, dass eine IDF typischerweise eine<br />

Maßnahme der Gefahrerforschung als Bestandteil<br />

der Gefahrenabwehr ist. Zusätzlich wird regelmäßig<br />

eine Abschreckungswirkung, sog. „Zipperleineffekt“,<br />

erzielt.<br />

§ 18 I Nr. 2 <strong>SächsPBG</strong> wurde neu in das Gesetz aufgenommen,<br />

eine vergleichbare Regelung gab es<br />

im SächsPolG nicht. Die Regelung ist allerdings nur<br />

klarstellend, da sie inhaltlich bereits in § 18 I Nr. 1<br />

<strong>SächsPBG</strong> enthalten ist. Der Schutz privater Rechte<br />

obliegt den Polizeibehörden nur im Rahmen von<br />

§ 2 II <strong>SächsPBG</strong>. Die Bedeutung dieser Befugnis besteht<br />

vor allem darin, den „Täter“ einer fahrlässigen<br />

Sachbeschädigung zu identifizieren. Da eine fahrlässige<br />

Sachbeschädigung nicht strafbar ist, bleibt hier<br />

nur die Möglichkeit, auf polizeirechtlicher Grundlage<br />

vorzugehen. Beispiele sind der Passant, der aus<br />

Unachtsamkeit eine Schaufensterscheibe eindrückt,<br />

oder der Tierhalter, dessen Tier einen Sachschaden<br />

verursacht hat.<br />

‣ Rechtsfolgen der IDF nach § 18 II <strong>SächsPBG</strong><br />

§ 18 II <strong>SächsPBG</strong> entspricht im Wesentlichen dem früheren<br />

§ 19 II SächsPolG, wurde aber in der Nummer 4<br />

um die Möglichkeit des Durchsuchens erweitert:<br />

(2) Die Polizeibehörden können … erforderlichen<br />

Maßnahmen treffen. Sie können<br />

1. den Betroffenen anhalten,<br />

2. den Betroffenen nach seinen Personalien befragen,<br />

3. verlangen, dass der Betroffene mitgeführte Ausweispapiere<br />

zur Prüfung aushändigt,<br />

4. den Betroffenen und von ihm mitgeführte Sachen<br />

nach Gegenständen durchsuchen, die<br />

zur Identitätsfeststellung dienen können, oder<br />

5. den Betroffenen festhalten.<br />

Kann die Identität schon durch Anhalten des Betroffenen<br />

und das Verlangen, mitgeführte Ausweispapiere<br />

vorzuzeigen und zur Prüfung auszuhändigen, oder<br />

auf andere Weise, etwa die telefonische Überprüfung<br />

seiner Angaben mit Hilfe einer von ihm benannten<br />

Person, festgestellt werden, sind weitere Maßnahmen<br />

zur Feststellung der Identität unzulässig.<br />

Ist die Identifizierung dagegen so nicht oder nur unter<br />

erheblichen Schwierigkeiten möglich oder bestehen<br />

tatsächlich Anhaltspunkte dafür, dass Angaben<br />

unrichtig sind, darf der Betroffene bei steigender<br />

Eingriffsintensität sowie von ihm mitgeführte Sachen<br />

nach Gegenständen die zur Identitätsfeststellung<br />

dienen können durchsucht werden und vor Ort festgehalten<br />

werden. Die Möglichkeit des Durchsuchens<br />

aus § 18 II Nr. 4 <strong>SächsPBG</strong> tritt als spezielle Befugnis<br />

im Kontext der IDF zu den allgemeinen Ermächtigungsnormen<br />

des Durchsuchens von Personen bzw.<br />

Sachen aus § 21 bzw. § 22 <strong>SächsPBG</strong> hinzu. Ein sachlicher<br />

Grund für diese (etwas erstaunliche) systematische<br />

Verortung lässt sich der Gesetzesbegründung<br />

nicht entnehmen. Die früher in § 19 II SächsPolG<br />

enthaltene Möglichkeit, den Betroffenen zur Durchführung<br />

der IDF zur Dienststelle mitzunehmen (sog.<br />

Sistierung), wurde in § 18 II <strong>SächsPBG</strong> bewusst nicht<br />

aufgenommen. Sie kommt künftig also nur dem PVD<br />

zu.<br />

§ 20 Platzverweisung<br />

Unter einer Platzverweisung versteht man das (vorübergehende)<br />

Gebot, einen Ort, zu verlassen (Entfernungsgebot)<br />

und/oder das (vorübergehende) Verbot,<br />

einen Ort zu betreten (Betretungsverbot). Es muss<br />

sich dabei um eine eng umgrenzte überschaubare<br />

Örtlichkeit handeln. Als Beispiele seien eine Straße<br />

(sofern der Bereich nicht zu lang ist), ein Grundstück,<br />

ein Gebäude, ein Gebäudeteil, eine kleinere Parkanlage<br />

oder ein Marktplatz genannt. Eine Platzverweisung<br />

kann nur von kurzfristiger Dauer, bis ca. drei<br />

Tage, ausgesprochen werden. 3)<br />

§ 20 <strong>SächsPBG</strong> entspricht fast vollumfänglich dem<br />

Wortlaut des früheren § 21 I SächsPolG. Neben einer<br />

lediglich begrifflichen Anpassung (aus „Platzverweis“<br />

wird „Platzverweisung“) ist die Streichung der<br />

„Öffentlichen Ordnung“ als einziger substantieller<br />

Unterschied zu verzeichnen. Folglich kann nach jetziger<br />

Rechtslage ein Platzverweis nur noch auf eine<br />

Gefahr bzw. Störung der „Öffentlichen Sicherheit“<br />

(geschriebene Rechtsordnung, subjektive Rechte des<br />

Einzelnen, Funktionsfähigkeit des Staates und seiner<br />

3) Vgl. zu den grundlegenden Details der Platzverweisung: Elzermann/<br />

Schwier, Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, 5. Auflage, § 21, Rn. 2<br />

ff.<br />

5


<strong>Das</strong> <strong>neue</strong> <strong>Sächsische</strong> <strong>Polizeibehördengesetz</strong><br />

Einrichtungen) gestützt werden. Eine Bezugnahme<br />

auf die „Öffentliche Ordnung“<br />

Die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, deren<br />

Befolgung eine unerlässliche Voraussetzung<br />

für ein geordnetes menschliches Zusammenleben<br />

innerhalb eines bestimmten Gebietes bilden<br />

ist hingegen nicht mehr möglich.<br />

Der Anwendungsbereich der „Öffentliche Ordnung“<br />

ist aufgrund der umfassenden Verrechtlichung sämtlicher<br />

Lebensbereiche ohnehin ausgesprochen eng,<br />

da das Störerverhalten in aller Regel durch eine geschrieben<br />

Norm abgedeckt wird. Auch ist die „Öffentliche<br />

Ordnung“ u. a. aufgrund der Unbestimmtheit<br />

des Schutzgutes („herrschende Sozialmoral“) zu<br />

Recht erheblicher Kritik ausgesetzt. 4) Insofern ist die<br />

Streichung des Begriffs im Rahmen des § 20 <strong>SächsPBG</strong><br />

nachvollziehbar. Tatsächlich wollte der Gesetzgeber<br />

das Schutzgut der „Öffentliche Ordnung“ auch<br />

im Kontext der IDF (§ 18 <strong>SächsPBG</strong>) streichen, hat<br />

diese Streichung allerdings versäumt.<br />

Eine weitere Neuerung im Bereich der Platzverweisung<br />

resultiert nicht aus § 20 <strong>SächsPBG</strong> selbst, sondern<br />

aus § 31 <strong>SächsPBG</strong>. Hiernach handelt ordnungswidrig,<br />

wer vorsätzlich oder fahrlässig einer vollziehbaren<br />

Platzverweisung zuwiderhandelt. Diese Ordnungswidrigkeiten<br />

können mit einer Geldbuße bis zu<br />

5.000 Euro geahndet werden.<br />

§ 21 Durchsuchung von Personen<br />

Eine Durchsuchung einer Person ist die Suche in<br />

den am Körper befindlichen Kleidungsstücken, das<br />

Abtasten des bekleideten Körpers und auch die<br />

Nachschau am unbekleideten Körper bzw. an Teilen<br />

desselben und in den ohne weiteres zugänglichen<br />

Körperöffnungen (z.B. Mund, Ohren, Nase) nach<br />

Gegenständen oder Spuren. Ist der Ort bekannt, an<br />

dem ein zu suchender Gegenstand vorhanden ist und<br />

kann dieser deshalb direkt ergriffen werden, so liegt<br />

keine Durchsuchung vor (z. B. ein Bediensteter einer<br />

Polizeibehörde sieht, wie ein Randalierer ein Schlagwerkzeug<br />

unter der Jacke versteckt). 5)<br />

Der neuformulierte § 21 <strong>SächsPBG</strong> greift den früheren<br />

§ 23 SächsPolG auf, passt diesen allerdings der<br />

<strong>neue</strong>n Rechtslage bzw. den Bedürfnissen der Polizeibehörde<br />

an:<br />

ALT: § 23 SÄCHSPOLG<br />

1. … Person kann festgehalten oder in Gewahrsam<br />

genommen werden<br />

2. … Person, führt Sachen mit, die sichergestellt oder<br />

beschlagnahmt werden dürfen<br />

4) Elzermann/Schwier, Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, 5. Auflage,<br />

§ 1, Rn. 16 ff.<br />

5) Elzermann/Schwier, Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, 5. Auflage,<br />

§ 23, Rn. 3.<br />

3. … zur Feststellung der Identität erforderlich und<br />

hilflose Lage<br />

4. … am „verrufenen“ Ort<br />

5. … am „gefährdeten“ Objekt<br />

(2)… Suche nach Waffen zum Eigenschutz<br />

hellgrau hinterlegte Varianten gestrichen<br />

NEU: § 21 SÄCHSPBG<br />

1. … Person, die festgehalten werden darf<br />

2. … Person, führt Sachen mit, die sichergestellt werden<br />

kann<br />

3. … hilflose Lage der Person und Abwehr einer sie<br />

betreffenden Gefahr<br />

Neben der Streichung der PVD-spezifischen Varianten<br />

hat allein § 21 I Nr. 3 <strong>SächsPBG</strong> eine substantielle<br />

Veränderung erfahren. Zwar ähnelt die Norm<br />

dem früheren § 23 I Nr. 3 SächsPolG, hat aber eine<br />

andere Zielrichtung. Während § 23 I Nr. 3 SächsPolG<br />

ausschließlich der Identitätsfeststellung diente, ist<br />

Ziel der Durchsuchung einer Person nach § 21 I Nr.<br />

3 <strong>SächsPBG</strong> die Feststellung und die Abwehr einer<br />

diese Person betreffenden Gefahr (etwa wenn eine<br />

hilflose Person Medikamente benötigt, die sie vermutlich<br />

in ihrer Kleidung mitführt).<br />

§ 22 Durchsuchung von Sachen<br />

§ 22 <strong>SächsPBG</strong> ergänzt § 21 <strong>SächsPBG</strong> und erstreckt<br />

die Möglichkeit des Durchsuchens auf Sachen. Die<br />

Durchsuchung von Sachen ist das ziel- und zweckgerichtete<br />

Suchen nach Personen und Gegenständen<br />

in einer Sache. Die bloße Besichtigung einer Sache,<br />

durch die deren äußere Beschaffenheit ohne Einsichtnahme<br />

oder Eindringen in das Innere der Sache<br />

festgestellt werden soll, ist keine Durchsuchung. Sachen<br />

im Sinne dieser Norm sind körperliche Gegenstände<br />

(§ 90 BGB, ebenfalls erfasst sind Tiere nach<br />

§ 90a BGB), soweit sie nicht Wohnung im Sinne des<br />

Art. 13 I GG sind. Befindet sich die Sache am Körper<br />

einer Person oder in einer Wohnung, greift nicht § 22<br />

<strong>SächsPBG</strong>, sondern § 21 <strong>SächsPBG</strong> bzw. § 23 <strong>SächsPBG</strong>.<br />

6) Die Ermächtigung des § 22 <strong>SächsPBG</strong> erstreckt<br />

sich nicht nur auf die eigentliche Durchsuchung, sondern<br />

auch auf diejenigen Maßnahmen, die erforderlich<br />

sind um eine ordnungsgemäße Durchsuchung zu<br />

ermöglichen, z.B. die Öffnung der zu durchsuchenden<br />

Sache oder deren Verbringung an einen anderen,<br />

für die Durchsuchung besser geeigneten Ort.<br />

Für § 22 <strong>SächsPBG</strong> gilt ein ähnliches Ergebnis wie für<br />

§ 21 <strong>SächsPBG</strong>. Auch der § 22 <strong>SächsPBG</strong> übernimmt<br />

im Wesentlichen den Regelungscharakter des alten<br />

§ 24 SächsPolG, passt diesen aber auf die Anforderungen<br />

der Polizeibehörden an.<br />

6) Vgl. zur Durchsuchung von Sachen: Elzermann/Schwier, Polizeigesetz<br />

des Freistaates Sachsen, 5. Auflage, § 24, Rn. 2 ff.<br />

6


von Henning Schwier<br />

ALT: § 24 SÄCHSPOLG<br />

1. … Sache von Person mitgeführt, die durchsucht<br />

werden darf<br />

2. … in der Sache befindet sich eine Person, die<br />

a) in Gewahrsam genommen werden darf<br />

b) widerrechtlich festgehalten wird oder<br />

c) infolge Hilflosigkeit an Leib oder Leben gefährdet<br />

ist<br />

3. … in der Sache befindet sich eine Sache, die sichergestellt/beschlagnahmt<br />

werden darf<br />

4. … Sache befindet sich am „verrufenen“ Ort<br />

5. … Sache befindet sich an einem „gefährdeten“ Objekt,<br />

an dem Straftat begangen werden soll<br />

6. … Fahrzeug im Kontext § 19 Abs. 1 Nr. 4, 5 oder 6<br />

7. … Sache von Person mitgeführt, die nach § 19 Abs.<br />

1 Nr. 4, 5 oder 6 kontrolliert werden darf<br />

hellgrau hinterlegte Varianten gestrichen<br />

NEU: § 22 SÄCHSPBG<br />

1. … Sache wird von Person mitgeführt, die nach § 21<br />

durchsucht werden darf<br />

2. … in der Sache befinden sich Sachen/Tiere, die<br />

nach § 25 sichergestellt werden dürfen<br />

3. … in der Sache befindet sich hilflose Person, die an<br />

Leib/Leben gefährdet ist<br />

§ 23 Betreten und Durchsuchen von Wohnungen<br />

Die besondere Normierung des Betretens und Durchsuchens<br />

von Wohnungen dient dem verfassungsmäßig<br />

verbürgten Schutz des Rechts auf Unverletzlichkeit<br />

der Wohnung durch Art. 13 I GG. Als Wohnung<br />

sind alle Räume einzustufen, die der allgemeinen<br />

Zugänglichkeit durch eine räumliche Abschottung<br />

entzogen und zur Stätte privaten Lebens und Wirkens<br />

gemacht sind. Der Begriff der Wohnung ist weit<br />

auszulegen. Da er den Schutz der Privatsphäre des<br />

Einzelnen garantieren soll, ist er unabhängig von der<br />

eigentumsrechtlichen Zuordnung des jeweiligen Raumes.<br />

Neben der klassischen Wohnung erfasst Art.<br />

13 GG insofern auch alle Nebenräume (z.B. Keller,<br />

Dachböden, Treppenhäuser), das mit der Wohnung<br />

zusammenhängende befriedete Besitztum (z. B. eingezäunter<br />

Vorgarten) sowie Arbeits-, Betriebs- und<br />

Geschäftsräume (z. B. Läden, Kinos, Supermärkte).<br />

Unter Betreten einer Wohnung ist das Eintreten, Verweilen<br />

und Besichtigen zu verstehen, ohne ziel- und<br />

zweckgerichtet zu suchen. <strong>Das</strong> Betreten erschöpft<br />

sich somit in einer einfachen Um- oder Nachschau.<br />

Unter Durchsuchen ist hingegen das ziel- und zweckgerichtete<br />

Suchen nach Personen oder Sachen oder<br />

Gefahrenquellen in einer Wohnung zu verstehen. Es<br />

soll etwas aufgespürt werden, was der Inhaber der<br />

Wohnung von sich aus nicht herausgeben oder offenlegen<br />

will. 7)<br />

§ 23 <strong>SächsPBG</strong> ersetzt den früheren § 25 SächsPolG,<br />

weist aber einige Veränderungen im materiellen Bereich<br />

auf. Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen,<br />

die früher ebenfalls im § 25 SächsPolG geregelt<br />

waren, sind jetzt in einen eigenständigen Paragrafen<br />

(§ 24 <strong>SächsPBG</strong>) überführt worden. In diesem Bereich<br />

sind allenfalls oberflächliche Veränderungen zu<br />

verzeichnen.<br />

‣ Grundlegende systematische Veränderung<br />

Zunächst beseitigt der <strong>neue</strong> § 23 <strong>SächsPBG</strong> eine<br />

systematische Schieflage. Im früheren § 25 Sächs-<br />

PolG waren das Betreten (Abs. 1) und das Durchsuchen<br />

(Abs. 2) von Wohnungen zwei eindeutig<br />

voneinander getrennte und jeweils eigenständigen<br />

Bedingungen unterworfene Eingriffsmaßnahmen.<br />

Dieser Ansatz war schon grundsätzlich fragwürdig,<br />

da die Maßnahme des Durchsuchens einer Wohnung<br />

das Betreten derselben logisch voraussetzt. Davon<br />

abgesehen waren unter der Geltung des § 25 Sächs-<br />

PolG Konstellationen denkbar, in denen das Durchsuchen<br />

einer Wohnung tatbestandlich möglich, das<br />

bloße Betreten hingegen ausgeschlossen war. Diesen<br />

offensichtlichen Wertungswiderspruch hat der Gesetzgeber<br />

im § 23 <strong>SächsPBG</strong> behoben. <strong>Das</strong> Betreten<br />

und das Durchsuchen sind jetzt im Ausgangpunkt von<br />

denselben Bedingungen abhängig:<br />

ALT: § 25 SÄCHSPOLG<br />

(1) Die Polizei kann eine Wohnung … betreten, wenn<br />

dies zum Schutz eines Einzelnen … gegen dringende<br />

Gefahren für die öffentliche Sicherheit … Während<br />

der Nachtzeit ist das Betreten zur Abwehr einer gemeinen<br />

Gefahr oder einer Lebensgefahr oder schweren<br />

Gesundheitsgefahr … zulässig.<br />

(2) Die Polizei kann eine Wohnung durchsuchen, …<br />

um eine Sache zu beschlagnahmen<br />

NEU: § 23 SÄCHSPBG<br />

(1) Die Polizeibehörden können eine Wohnung … betreten<br />

und durchsuchen, wenn …<br />

‣ Veränderter Tatbestand, § 23 I und II <strong>SächsPBG</strong><br />

Gleichzeitig hat der Gesetzgeber – ähnlich wie bei<br />

§§ 21, 22 <strong>SächsPBG</strong> – auch die Ermächtigungsnorm<br />

zum Betreten und Durchsuchen von Wohnungen auf<br />

die, für die Polizeibehörden relevanten, Fälle eingegrenzt.<br />

Tatsächlich weist § 23 <strong>SächsPBG</strong> lediglich zwei<br />

Tatbestandsalternativen auf:<br />

7) Vgl. zu den Details von Betreten und Durchsuchen von Wohnungen:<br />

Elzermann/Schwier, Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, 5. Auflage,<br />

§ 25, Rn. 2 ff.<br />

7


<strong>Das</strong> <strong>neue</strong> <strong>Sächsische</strong> <strong>Polizeibehördengesetz</strong><br />

NEU: § 23 SÄCHSPVDG<br />

(1) Die Polizeibehörden können eine Wohnung betreten<br />

und durchsuchen, wenn<br />

1. dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für<br />

Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für bedeutende<br />

Sach- oder Vermögenswerte erforderlich<br />

ist oder<br />

2. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in<br />

ihr Sachen oder Tiere befinden, die nach § 25 sichergestellt<br />

werden dürfen.<br />

(2) Während der Nachtzeit darf das Betreten und<br />

Durchsuchen einer Wohnung nur … auf der Grundlage<br />

von Nr. 1 erfolgen<br />

§ 23 I Nr. 1 <strong>SächsPBG</strong> gilt unmittelbar für das Betreten<br />

und Durchsuchen zur Tageszeit, mittelbar (über<br />

§ 23 II <strong>SächsPBG</strong>) auch zur Nachtzeit. Die Norm bestimmt,<br />

dass Wohnungen nur zur Abwehr einer gegenwärtigen<br />

Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit<br />

einer Person oder für bedeutende Sach- oder Vermögenswerte<br />

betreten und durchsucht werden dürfen.<br />

Eine gegenwärtige Gefahr ist nach der über § 3 <strong>SächsPBG</strong><br />

anwendbaren Legaldefinition aus § 4 Nr. 3 b<br />

SächsPVDG eine Sachlage,<br />

bei der das schädigende Ereignis bereits begonnen<br />

hat oder unmittelbar oder in allernächster<br />

Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit<br />

bevorsteht.<br />

Als Schutzgüter kommen nur die Rechtsgüter<br />

Leib, Leben (vgl. § 4 Nr. 3 f SächsPVDG) oder Freiheit<br />

einer Person oder bedeutende Sach- und Vermögenswerte<br />

in Betracht. Sachwerte können bewegliche<br />

Sachen oder Grundstücke sein. Der Begriff „bedeutende<br />

Sach- oder Vermögenswerte“ ist nicht wie<br />

im Strafrecht (z.B. § 315 StGB) mit ca. 1.300,-€, sondern<br />

erheblich höher auszulegen. Nach Auffassungen<br />

in der Literatur kann von bedeutenden Werten<br />

ab einer Summe von 5.000,- € ausgegangen werden.<br />

Es ist nicht nur der rein materielle Wert maßgebend,<br />

sondern auch ideelle Faktoren (etwa der kunsthistorische<br />

oder landesgeschichtliche Wert einer Sache).<br />

§ 23 I Nr. 2 <strong>SächsPBG</strong>, der nur für das Betreten<br />

und Durchsuchen zur Tageszeit anwendbar ist, übernimmt<br />

den Regelungsinhalt des früheren § 25 II Nr. 3<br />

SächsPolG. <strong>Das</strong> Betreten bzw. das Durchsuchen dient<br />

hier dem Auffinden von Sachen oder Tieren, die nach<br />

§ 25 <strong>SächsPBG</strong> sichergestellt werden können. Dabei<br />

verlangt das Gesetz, dass Tatsachen vorliegen,<br />

welche die Annahme rechtfertigen, dass sich die sicherzustellende<br />

Sache bzw. das Tier, in der Wohnung<br />

befindet. Ersichtlich will der Gesetzgeber keinen<br />

ausgeprägten hohen Grad an Wahrscheinlichkeit.<br />

Auch verzichtet § 23 I Nr. 2 <strong>SächsPBG</strong> auf die in Nr.<br />

1 ausdrücklich geforderte zeitliche Nähe des zu erwartenden<br />

Schadenseintritts und die Bedeutung der<br />

bedrohten Rechtsgüter.<br />

‣ Betreten von Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräumen,<br />

§ 23 III <strong>SächsPBG</strong><br />

Eine weitere materielle Veränderung hat der Gesetzgeber<br />

im Zusammenhang mit dem „Betreten von<br />

Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräumen“ vorgenommen.<br />

Im früheren § 25 I 3 SächsPolG war das Betreten<br />

solcher Räume während der Betriebs- und Geschäftszeiten<br />

lediglich vom Vorliegen einer konkreten „polizeilichen<br />

Aufgabe“ abhängig. Dies lässt der <strong>neue</strong> § 23<br />

III <strong>SächsPBG</strong> nicht genügen, sondern verlangt auch<br />

in diesen Fällen das Vorliegen einer „Gefahr für die<br />

öffentliche Sicherheit oder Ordnung“. Außerhalb der<br />

Arbeits- Geschäfts- oder Aufenthaltszeit sind die Voraussetzungen<br />

des § 23 I und II <strong>SächsPBG</strong> maßgeblich.<br />

§ 25 Sicherstellung<br />

Unter einer Sicherstellung versteht man die Begründung<br />

hoheitlicher Verfügungsgewalt über eine bewegliche<br />

oder unbewegliche Sache, um aus Gründen<br />

der Gefahrenabwehr den jederzeitigen staatlichen<br />

Zugriff auf die Sache zu gewährleisten und um Dritte<br />

vom Zugriff auf die Sache auszuschließen. Zweck der<br />

Sicherstellung ist es mithin, die Sache in staatlicher<br />

Verwahrung zu haben und andere von jeder Einwirkungsmöglichkeit<br />

auszuschließen. 8)<br />

‣ Zusammenführung von Sicherstellung und<br />

Beschlagnahme<br />

Die Unterscheidung zwischen der „Sicherstellung“<br />

(bisher § 26 SächsPolG) von gefährdeten Gegenständen<br />

und der „Beschlagnahme“ (bisher § 27 Sächs-<br />

PolG) von Sachen, von denen eine Gefahr ausgeht<br />

oder die zur Abwehr einer Gefahr benötigt werden,<br />

wurde aufgegeben. Die Voraussetzungen, unter denen<br />

bisher eine Sicherstellung oder eine Beschlagnahme<br />

erfolgen konnte, werden nun im § 25 <strong>SächsPBG</strong><br />

unter dem Begriff der „Sicherstellung“ zusammenfassend<br />

neu geregelt. Gleichzeitig passt § 25 <strong>SächsPBG</strong><br />

die Sicherstellung auf die Anforderungen der Polizeibehörden<br />

an:<br />

NEU: § 25 SÄCHSPVDG<br />

(1) Die Polizeibehörden können eine Sache sicherstellen,<br />

1. um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren,<br />

2. um den Eigentümer oder rechtmäßigen Inhaber<br />

der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung<br />

der Sache zu schützen oder<br />

3. wenn sie von einer Person mitgeführt wird, die<br />

nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften<br />

festgehalten wird, und die Sache verwendet<br />

werden kann, um<br />

a) sich zu töten oder zu verletzen,<br />

b) Leben oder Gesundheit anderer zu schädigen,<br />

8) Vgl. Elzermann/Schwier, Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, 5.<br />

Auflage, § 26, Rn. 1 f.<br />

8


von Henning Schwier<br />

c) fremde Sachen zu beschädigen oder<br />

d) sich oder anderen die Flucht zu ermöglichen<br />

oder zu erleichtern.<br />

§ 25 I Nr. 1 <strong>SächsPBG</strong> greift den Regelungsgedanken<br />

des früheren § 27 I Nr. 1 SächsPolG (früher „Beschlagnahme“)<br />

auf und stellt eine Art Generalklausel<br />

der Sicherstellung dar. Gefordert ist nunmehr eine<br />

„gegenwärtige Gefahr“ (vgl. die Legaldefinition in<br />

§ 4 Nr. 3 b SächsPVDG). Diese Gefahr muss – auch<br />

wenn das Gesetz es unerwähnt lässt – den Schutzgütern<br />

der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung<br />

drohen. Unerheblich ist, ob die Gefahr von der Sache<br />

selbst ausgeht (z. B. gefährliche Gegenstände<br />

oder einsturzgefährdetes Haus) oder vom Verhalten<br />

ihres Gewahrsamsinhabers (z.B. Wegnahme der Autoschlüssel<br />

bei einem Betrunkenen, der dennoch fahren<br />

will).<br />

§ 25 I Nr. 2 <strong>SächsPBG</strong> übernimmt den Wortlaut des<br />

früheren § 26 I SächsPolG und lässt eine Sicherstellung<br />

zu, um den Eigentümer oder rechtmäßigen Inhaber<br />

der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung<br />

der Sache zu schützen.<br />

§ 25 I Nr. 3 <strong>SächsPBG</strong> ersetzt § 27 I Nr. 2 SächsPolG.<br />

Im Gegensatz zur bisherigen Regelung bestimmt<br />

§ 25 I Nr. 3 a bis d die möglichen Varianten einer<br />

missbräuchlichen Verwendung konkret. Die Regelung<br />

dient vorrangig dem Schutz des Betroffenen,<br />

aber auch der Eigensicherung der Bediensteten der<br />

Polizeibehörde sowie dem Sachgüterschutz. Die Regelung<br />

umfasst Waffen, gefährliche Werkzeuge und<br />

Sprengmittel sowie andere Gegenstände, die dem<br />

Zweck aus Nr. 3 Buchst. a bis d dienlich sein können<br />

(z.B.: Werkzeuge, alle Arten von Messern, Gürtel, Hosenträger,<br />

Feuerzeuge, Streichhölzer, Rasierklingen,<br />

Nadeln, Schraubendreher u. s. w.). Dabei reicht die<br />

Möglichkeit der entsprechenden Verwendung des<br />

Gegenstandes aus, eine „konkrete Gefahr“ der Verwendung<br />

ist nicht erforderlich. Bei der Anwendung<br />

des § 25 I Nr. 3 <strong>SächsPBG</strong> ist Voraussetzung, dass die<br />

Person, der die Gegenstände abgenommen werden<br />

können, nach dem <strong>SächsPBG</strong> oder anderen Rechtsvorschriften<br />

festgehalten wird. Nach dem eindeutigen<br />

Wortlaut muss mit dem Festhalten bereits begonnen<br />

worden sein („festgehalten wird“). Es reicht<br />

nicht aus, dass nur die Voraussetzungen der betreffenden<br />

Ermächtigungsgrundlage vorliegen.<br />

‣ Veränderungen im Bereich der Abwicklung<br />

der Sicherstellung<br />

Die verfahrensgemäße Abwicklung der Sicherstellung<br />

ist aus den früheren §§ 26 bis 29 SächsPolG<br />

in die §§ 26 bis 29 <strong>SächsPBG</strong> überführt worden. Auf<br />

substantielle Änderungen hat der Gesetzgeber in<br />

diesem Zusammenhang verzichtet. Allein das Rechtsinstitut<br />

der „Einziehung“ (bisher § 28 SächsPolG) als<br />

privatrechtgestaltenden Rechtsakt, durch den das Eigentum<br />

an einer bisher nach § 27 I Nr. 1 SächsPolG<br />

beschlagnahmten Sache auf die (Orts)Polizeibehörde<br />

übertragen wurde, ist gestrichen worden. Laut Gesetzesbegründung<br />

ist die Einziehung kein rechtlich<br />

erforderlicher „Zwischenschritt“ für die Verwertung,<br />

Unbrauchbarmachung oder Vernichtung einer Sache.<br />

§ 30 Videoüberwachung<br />

§ 30 <strong>SächsPBG</strong> regelt die Datenerhebung durch den<br />

Einsatz technischer Mittel zur Bildaufnahme und -aufzeichnung.<br />

Mit „technischen Mitteln“ ist insbesondere<br />

Videotechnik gemeint (der Wortlaut lässt aber<br />

auch andere Varianten, etwa ein Fotografieren zu).<br />

Bereits auf der Grundlage des § 33 SächsDSG waren<br />

die Polizeibehörden berechtigt, zum Zweck der Erfüllung<br />

der Aufgaben, insbesondere zur Gewährleistung<br />

der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bzw. zur<br />

Wahrnehmung des Hausrechts in öffentlich zugänglichen<br />

Räumen Videoüberwachung durchzuführen.<br />

Der neuformulierte § 30 <strong>SächsPBG</strong> ermächtigt die<br />

Behörden jetzt ausdrücklich und unmittelbar auf der<br />

Ebene des Polizeirechts zu einem solchen Vorgehen.<br />

<strong>Das</strong> ist aus Gründen der Rechtsklarheit zu begrüßen.<br />

§ 30 <strong>SächsPBG</strong> lautet dabei wie folgt:<br />

(1) Die Polizeibehörden können personenbezogene<br />

Daten … durch den offenen Einsatz technischer Mittel<br />

zur Bildaufnahme und -aufzeichnung erheben,<br />

soweit<br />

1. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort<br />

künftig erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit<br />

entstehen, oder<br />

2. dies insbesondere zum Schutz gefährdeter öffentlicher<br />

Anlagen oder Einrichtungen erforderlich ist.<br />

(2) Angefertigte Bildaufzeichnungen und daraus gefertigte<br />

Unterlagen sind unverzüglich, spätestens<br />

aber nach einem Monat zu löschen oder zu vernichten,<br />

soweit diese nicht zur Verfolgung von … Ordnungswidrigkeiten<br />

… erforderlich sind.<br />

‣ Grundrechtsrelevanz und Verfassungsklage<br />

Die Ausweitung der polizeilichen Videoüberwachung<br />

im öffentlichen Raum ist eine der viel diskutierten<br />

Fragen des bundesweiten Novellierungsprozesses<br />

im Gefahrenabwehrrecht. Zurückzuführen ist<br />

diese rechtspolitische Brisanz auf die grundrechtliche<br />

Eingriffsrelevanz der Maßnahme. <strong>Das</strong> „Videografiert<br />

werden“ stellt einen Eingriff in das Recht auf informationelle<br />

Selbstbestimmung gemäß Art. 2 I i. V. m.<br />

Art 1 I GG dar (das Recht, selbst über die Erhebung<br />

und Verwendung personenbezogener Daten zu entscheiden).<br />

Dabei mag der Eingriff für den Einzelnen<br />

gering ausfallen. Durch die Streubreite des Eingriffs<br />

(betroffen ist jede Person, die sich durch den Wahrnehmbarkeitsbereich<br />

der Kamera bewegt) kommt<br />

dem Vorgang letztlich aber eine nicht unerhebliche<br />

grundrechtliche Bedeutung zu.<br />

9


<strong>Das</strong> <strong>neue</strong> <strong>Sächsische</strong> <strong>Polizeibehördengesetz</strong><br />

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass<br />

§ 30 <strong>SächsPBG</strong> die einzige Norm des <strong>SächsPBG</strong> ist,<br />

die im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle von<br />

Grünen und Linken im August 2019 zur Überprüfung<br />

dem <strong>Sächsische</strong>n Verfassungsgerichtshof vorgelegt<br />

worden ist. In dem der Normenkontrolle zugrunde<br />

liegenden Gutachten wird § 30 <strong>SächsPBG</strong> als unzulässiger<br />

Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung<br />

gewertet:<br />

„Die in dieser Norm geregelte Videoüberwachung<br />

mit Aufzeichnung … stellt einen Grundrechtseingriff<br />

von erheblichem Gewicht dar. Sie erfolgt unabhängig<br />

von einer konkreten Gefährdungslage<br />

für einen längeren Zeitraum und weist eine große<br />

Streubreite auf, da sie alle Personen erfasst, die im<br />

Überwachungszeitraum den Einwirkungsbereich<br />

der Überwachungsanlage betreten … Angesichts<br />

dessen bedarf die Videoüberwachung einer hinreichend<br />

bestimmten Ermächtigungsgrundlage,<br />

welche die Überwachung auf einen konturierten<br />

tatsächlichen Anlass und den Schutz gewichtiger<br />

Rechtsgüter beschränkt … Gemäß § 30 I Nr. 1 <strong>SächsPBG</strong><br />

reicht für eine Überwachung aus, dass an<br />

dem überwachten Ort künftig erhebliche Gefahren<br />

für die öffentliche Sicherheit zu entstehen drohen.<br />

Dies lässt sich praktisch immer bejahen …“<br />

Ob die abstrakte Normenkontrolle in diesem<br />

Punkt Erfolg hat, kann zum jetzigen Zeitpunkt kaum<br />

abgeschätzt werden. Der kritischen Bewertung des<br />

Tatbestandes muss dem Grunde nach aber zugestimmt<br />

werden (vgl. dazu auch unten die genauere<br />

Darstellung des Tatbestandes).<br />

‣ Grundlegender Rahmen der Videoüberwachung<br />

Die Regelung ermächtigt die Polizeibehörden<br />

zur Bildaufnahme und -aufzeichnung. Durch diese<br />

Formulierung sind zwei Dinge klargestellt: Erstens<br />

kommt – im Unterschied zu vergleichbaren Befugnissen<br />

(etwa § 57 III SächsPVDG) – im Rahmen des<br />

§ 30 <strong>SächsPBG</strong> – eine Tonaufnahme nicht in Frage.<br />

Zweitens lässt die Norm eine Speicherung der Daten<br />

ausdrücklich zu.<br />

Der Wortlaut des § 30 <strong>SächsPBG</strong> stellt weiterhin<br />

klar, dass die Maßnahme nur offen erfolgen kann<br />

(d. h. der Einsatz der Kamera muss als behördliche<br />

Datenerhebungsmaßnahme erkennbar sein). <strong>Das</strong> ist<br />

bei einem längerfristigen Einsatz der Videotechnik im<br />

Grunde nur über eine entsprechende Beschilderung<br />

zu lösen. Denn selbst wenn die Kameras ohne weiteres<br />

wahrnehmbar sind (was tatsächlich regelmäßig<br />

nicht der Fall sein dürfte), sind sie nicht als behördlich<br />

genutzte Technik erkennbar. Ein Verstoß gegen den<br />

Grundsatz der Offenheit der Datenerhebung führt<br />

zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme.<br />

Die Maßnahme darf weiterhin nur in öffentlich<br />

zugänglichen Räumen erfolgen. Öffentlich zugängliche<br />

Räume sind alle Bereiche, die von jedermann<br />

ohne weitere Voraussetzungen betreten werden<br />

können. Sie müssen dem öffentlichen Verkehr gewidmet<br />

sein oder nach dem Willen des Berechtigten von<br />

jedermann betreten werden können (z. B. Eingangsbereiche<br />

öffentlicher Gebäude, Schulhöfe, Museen,<br />

Busbahnhöfe, Parkplätze).<br />

§ 30 II <strong>SächsPBG</strong> bestimmt, in welchen Fällen die<br />

erlangten personenbezogenen Daten zweckändernd<br />

weiterverarbeitet werden dürfen. Dies kann zur Verfolgung<br />

von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten,<br />

zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur vorbeugenden<br />

Bekämpfung von Straftaten, zur Geltendmachung<br />

von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen oder<br />

nach Maßgabe des § 2 II <strong>SächsPBG</strong> zum Schutz privater<br />

Rechte, insbesondere zur Behebung einer bestehenden<br />

Beweisnot, erfolgen. Liegen die Voraussetzungen<br />

für eine Zweckänderung nicht vor, sind die<br />

personenbezogenen Daten sowie sämtliche Unterlagen<br />

unverzüglich, spätestens aber nach einem Monat<br />

zu löschen.<br />

‣ Tatbestandliche Bedingung der Videoüberwachung<br />

nach § 30 I <strong>SächsPBG</strong><br />

<strong>Das</strong> Videografieren nach § 30 I <strong>SächsPBG</strong> ist zulässig,<br />

soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen,<br />

dass dort künftig erhebliche Gefahren für die öffentliche<br />

Sicherheit, nicht der öffentlichen Ordnung,<br />

entstehen oder dies insbesondere zum Schutz gefährdeter<br />

öffentlicher Anlagen oder Einrichtungen<br />

erforderlich ist. Ausweislich der Gesetzesbegründung<br />

hebt § 30 <strong>SächsPBG</strong> – in Abweichung zur grundlegenden<br />

Kompetenzbegrenzung der Behörden auf die<br />

nichtstraftatenbezogene Gefahrenabwehr – auch auf<br />

Straftaten als Gefahrengrund ab. Tatbestandlich lehnt<br />

sich § 30 <strong>SächsPBG</strong> somit an § 15 I Nr. 2 SächsPVDG<br />

(IDF am „verrufenen Ort“) bzw. § 15 I Nr. 3 Sächs-<br />

PVDG (IDF am „gefährdeten Objekt“) an. Während<br />

§ 15 SächsPVDG allerdings in beiden Fällen eine auf<br />

„Tatsachen beruhende Prognose der Straftatenbegehung“<br />

verlangt, ist die Tatbestandsprognose bei<br />

§ 30 I Nr. 1 bzw. 2 <strong>SächsPBG</strong> weniger eindeutig. Die<br />

Norm stellt weder klar, was unter der (untypischen)<br />

Formulierung „künftig erhebliche Gefahren für die öffentliche<br />

Sicherheit“ zu verstehen ist, noch wird der<br />

Begriff „gefährdete öffentliche Anlage oder Einrichtung“<br />

näher erläutert. Insofern ist – wie oben bereits<br />

angemerkt – die in der abstrakten Normenkontrolle<br />

geäußerte Kritik am Tatbestand des § 30 I <strong>SächsPBG</strong><br />

durchaus nachvollziehbar. Vorstellbar erscheint, dass<br />

der Gesetzgeber im Anschluss an die verfassungsgerichtliche<br />

Überprüfung hier nachschärfen muss.<br />

§ 33 Alkoholkonsumverbote<br />

Die Ermächtigung zum Erlass von Polizeiverordnungen<br />

war im alten SächsPolG in den §§ 9 bis 17 geregelt.<br />

<strong>Das</strong> <strong>Polizeibehördengesetz</strong> übernimmt die<br />

früheren Regelungen in den §§ 32 bis 39. Auf substantielle<br />

Veränderungen wurde im Wesentlichen<br />

verzichtet. Wirklich inhaltlich verändert wurde allein<br />

10


von Henning Schwier<br />

der neuformulierte § 33 <strong>SächsPBG</strong> (Alkoholkonsumverbote),<br />

der die alte Regelung aus § 9a SächsPolG<br />

aufgreift und eine Ermächtigung zum Erlass örtlich<br />

und zeitlich begrenzter Alkoholkonsumverbote formuliert.<br />

‣ Grundsätzliche Kritik am Instrument „Alkoholkonsumverbot“<br />

Kaum zu bestreiten ist, dass Alkohol generell enthemmt,<br />

als Gewaltkatalysator wirkt und die Gewaltbereitschaft<br />

Einzelner steigern kann. Allerdings führt<br />

Alkoholgenuss nicht generell zu Aggressivität. Vielmehr<br />

hängt es von den äußeren Umständen, den individuellen<br />

Gegebenheiten und Befindlichkeiten sowie<br />

den situativen Einflüssen ab, welche Wirkungen<br />

der Alkohol bei dem Einzelnen zeigt. Deshalb wird<br />

die kritische Frage aufgeworfen, ob überhaupt eine<br />

kausale Beziehung oder nicht vielmehr ein „Scheinsachzusammenhang“<br />

zwischen Alkohol und polizeirelevanter<br />

Gefahr bzw. Störung besteht. Diskutiert<br />

wird außerdem, ob kommunale Alkoholverbote nicht<br />

alleine eine Verlagerung der Problemlage bewirken.<br />

Trotz dieser (im Grundsatz) berechtigten Kritik hat<br />

der Gesetzgeber der (kommunal-) politischen Forderung<br />

nach Alkoholkonsumverboten im § 33 <strong>SächsPBG</strong><br />

Rechnung getragen. 9)<br />

‣ Differenzierung der Alkoholkonsumverbote<br />

nach § 33 I bzw. II <strong>SächsPBG</strong><br />

§ 33 <strong>SächsPBG</strong> differenziert zwischen Alkoholkonsumverboten<br />

zum Kinder- und Jugendschutz (Abs. 1)<br />

bzw. sonstigen Alkoholkonsumverboten (Abs. 2).<br />

(1) Die Ortspolizeibehörden können zum Zweck des<br />

Kinder- und Jugendschutzes … auf öffentlichen Flächen,<br />

die sich in räumlicher Nähe von Einrichtungen,<br />

die ihrer Art nach oder tatsächlich vorwiegend von<br />

Kindern und Jugendlichen aufgesucht werden, den<br />

Konsum und das Mitführen von alkoholischen Getränken<br />

zum Zweck des Konsums innerhalb dieser<br />

Flächen verbieten, soweit dort auf Grund der örtlichen<br />

Verhältnisse eine abstrakte Gefahr der Begehung<br />

alkoholbedingter Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten<br />

vorliegt.<br />

(2) Die Ortspolizeibehörden können durch Polizeiverordnung<br />

auf sonstigen öffentlichen Flächen … Konsum<br />

und das Mitführen … zum Zweck des Konsums<br />

… verbieten, wenn<br />

1. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich<br />

dort das Ausmaß oder die Häufigkeit alkoholbedingter<br />

Straftaten oder alkoholbedingter Ordnungswidrigkeiten<br />

von erheblicher Bedeutung<br />

von der des übrigen Gemeindegebiets deutlich<br />

abhebt und<br />

9) Vgl. Elzermann/Schwier, Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, 5.<br />

Auflage, § 9a, Rn. 1 ff.<br />

2. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort<br />

auch zukünftig alkoholbedingte Straftaten oder<br />

alkoholbedingte Ordnungswidrigkeiten von erheblicher<br />

Bedeutung begangen werden.<br />

‣ Gemeinsame Bedingungen bei § 33 I bzw. II<br />

<strong>SächsPBG</strong><br />

Die Alkoholkonsumverbote zum Kinder- und Jugendschutz<br />

(Abs. 1) bzw. die sonstigen Alkoholkonsumverbote<br />

(Abs. 2) weisen zunächst – trotz aller Unterschiede<br />

– einen gemeinsamen Kern auf. In beiden<br />

Varianten können der Konsum und das Mitführen<br />

von alkoholischen Getränken zum Zweck des Konsums<br />

verboten werden, um alkoholbedingte Straftaten<br />

oder Ordnungswidrigkeiten zu verhindern. Beide<br />

Formulierungen sind stark auslegungsbedürftig.<br />

Aufgrund der hierzu ergangenen Rechtsprechung<br />

und Kommentarliteratur kann aber zumindest der<br />

unbestimmte Rechtsbegriff „alkoholische Getränke“<br />

als geklärt gelten. Die Untergrenze, ab wann ein<br />

Getränk als alkoholisch eingestuft werden kann, wird<br />

dabei durch § 9 I Nr. 2 JuSchG gezogen, sodass das<br />

Mitführen von schwach alkoholhaltigen Getränken<br />

wie etwa „alkoholfreiem“ Bier vom Anwendungsbereich<br />

der Polizeiverordnung ausgenommen ist. 10)<br />

Verboten werden kann der „Konsum und das Mitführen“<br />

von alkoholischen Getränken „zum Zwecke<br />

des Konsums“. Nicht erfasst wird das einfache Durchqueren<br />

der zum Geltungsbereich der Polizeiverordnung<br />

gehörenden Örtlichkeiten mit zuvor eingekauftem<br />

Alkohol, wenn nicht beabsichtigt ist, diesen dort<br />

zu konsumieren. Auch das Verweilen mit mitgeführtem<br />

Alkohol ohne Konsumabsicht wird nicht erfasst.<br />

Die Absicht des Konsums müssen äußere Umstände<br />

belegen, z. B. mitgeführte Trinkgefäße, Strohhalme,<br />

bereits geöffnete oder geleerte Flaschen.<br />

Unter „alkoholbedingte Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten“<br />

i. S. v. § 33 I bzw. II <strong>SächsPBG</strong><br />

sind Straftaten zu fassen, deren Begehung durch Alkoholeinwirkung<br />

beeinflusst worden ist. Nach Sinn<br />

und Zweck der Verordnungsermächtigung sind nicht<br />

nur solche Straftaten erfasst, deren Begehung monokausal<br />

auf Alkoholeinwirkung zurückzuführen ist. Es<br />

genügt, wenn die Alkoholeinwirkung mitursächlich<br />

gewesen ist.<br />

Sowohl bei Abs. 1 als auch bei Abs. 2 darf sich das<br />

Verbot nicht auf Bereiche beziehen, die nach Gaststättenrecht<br />

konzessioniert sind („außerhalb zugelassener<br />

Außenbewirtschaftungsflächen“).<br />

‣ Spezifische Bedingungen des § 33 I <strong>SächsPBG</strong><br />

(Kinder- und Jugendschutz)<br />

§ 33 I 1 <strong>SächsPBG</strong> regelt die Voraussetzungen unter<br />

denen Alkoholverbote auf öffentlichen Flächen<br />

zum Schutz von Kindern und Jugendlichen möglich<br />

sind. Die Regelung ermöglicht insbesondere in der<br />

10) Vgl. hierzu: Nikles/Roll/Spürck/Umbach, § 9 JuSchG, Rn. 11.<br />

11


<strong>Das</strong> <strong>neue</strong> <strong>Sächsische</strong> <strong>Polizeibehördengesetz</strong><br />

Nähe von Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten<br />

und Kinderspielplätzen den Konsum von Alkohol zu<br />

verbieten, wenn hierfür aufgrund der örtlichen Situation<br />

ein Bedarf besteht. Dazu muss eine abstrakte<br />

Gefahr der Begehung alkoholbedingter Straftaten<br />

oder Ordnungswidrigkeiten vorliegen. Unter einer<br />

abstrakten Gefahr ist nach der Legaldefinition aus § 4<br />

Nr. 3 h SächsPVDG (der über § 3 <strong>SächsPBG</strong> anwendbar<br />

ist) eine Sachlage zu verstehen,<br />

bei der nach allgemeiner Lebenserfahrung oder<br />

den Erkenntnissen fachkundiger Stellen mit hinreichender<br />

Wahrscheinlichkeit typischerweise Gefahren<br />

für ein polizeiliches Schutzgut entstehen.<br />

Anders als bei § 33 II <strong>SächsPBG</strong> (dazu sogleich)<br />

ist hier also kein empirischer Nachweis einer bereits<br />

vorliegenden Problemlage gefordert. Vielmehr reicht<br />

die potentielle Gefahr (etwa aufgrund der Lage des<br />

jeweiligen Objektes) der Begehung solcher Straftaten<br />

bzw. Ordnungswidrigkeiten aus.<br />

<strong>Das</strong> Verbot darf sich gemäß § 33 I 2 <strong>SächsPBG</strong><br />

örtlich höchstens auf einen Bereich von 100 Metern<br />

um die Einrichtung erstrecken. Im Gegensatz zu Alkoholverbotsverordnungen<br />

nach § 33 II <strong>SächsPBG</strong>, welche<br />

auf maximal zwei Jahre begrenzt sind (§ 33 II 3<br />

<strong>SächsPBG</strong>), haben Alkoholverbotsverordnungen nach<br />

§ 33 I <strong>SächsPBG</strong>, eine maximale Geltungsdauer von<br />

zehn Jahren (§ 37 III <strong>SächsPBG</strong>).<br />

‣ Spezifische Bedingungen des § 33 II <strong>SächsPBG</strong><br />

(sonstige Verbote)<br />

§ 33 II <strong>SächsPBG</strong> regelt die Anforderungen für den<br />

Erlass eines Alkoholkonsumverbots auf sonstigen Flächen<br />

der Gemeinde. § 33 II 1 <strong>SächsPBG</strong> verlangt, dass<br />

es sich um einen Bereich handeln muss, bei dem eine<br />

auf Tatsachen beruhende Bewertung des fraglichen<br />

Gebietes dieses im Vergleich zum übrigen Gemeindegebiet<br />

als Problemschwerpunkt für alkoholbedingte<br />

Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten von erheblicher<br />

Bedeutung ausweist (§ 33 II 1 Nr. 1 <strong>SächsPBG</strong>)<br />

und bei dem Tatsachen die Annahme rechtfertigen,<br />

dass es sich auch um einen künftig örtlichen Problemschwerpunkt<br />

für entsprechende Verstöße handelt<br />

(§ 33 II 1 Nr. 2 <strong>SächsPBG</strong>).<br />

Tatbestandlich verlangt § 33 II 1 <strong>SächsPBG</strong> lediglich,<br />

dass „Tatsachen die Annahme rechtfertigen“,<br />

dass sich dort Ausmaß oder Häufigkeit von der des<br />

übrigen Gemeindegebiets deutlich abhebt. An die<br />

Feststellung der Alkoholbedingtheit ist folglich kein<br />

strenger Maßstab anzulegen. Es genügen konkrete<br />

Anhaltspunkte, die eine Alkoholbeeinflussung der<br />

Straftat oder Ordnungswidrigkeit von erheblicher<br />

Bedeutung objektiv vermuten lassen. Ob die konkrete<br />

Straftat oder Ordnungswidrigkeit von erheblicher<br />

Bedeutung „alkoholbedingt“ begangen worden ist,<br />

ist eine Frage des Einzelfalls und daher vom Verordnungsgeber<br />

in Würdigung der Tatumstände zu prüfen.<br />

Von der bisherigen Regelung einer maximalen<br />

räumlichen Begrenzung des Verbotsgebietes auf<br />

„höchstens zwei Plätze und drei Straßen“ (§ 9a II<br />

4 SächsPolG) wurde abgesehen. Auch die Festlegung<br />

einer Minimaldauer (bislang ein Monat, vgl.<br />

§ 9a III SächsPolG) findet sich in § 33 <strong>SächsPBG</strong> nicht.<br />

Zitierhinweis:<br />

<strong>PolFHa</strong> <strong>Extra</strong>, Jahreszahl, Titel, Autor, Seite<br />

© VERLAG DEUTSCHE POLIZEILITERATUR GMBH<br />

Buchvertrieb, Hilden/Rhld., 2019<br />

Alle Rechte vorbehalten<br />

Satz: VDP GMBH Buchvertrieb, Hilden<br />

www.vdpolizei.de<br />

<strong>PolFHa</strong> <strong>Extra</strong>, Sachsen, Oktober 2019<br />

12


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DER AUTOR<br />

Dr. Holger Nimtz, Leitender Regierungsdirektor. Leiter<br />

der Ab tei lung Köln der Fachhochschule für öffentliche<br />

Verwaltung NRW (FHöV NRW). Dozent für Straf- und<br />

Strafprozessrecht sowie Eingriffsrecht an FHöV NRW.<br />

VERLAG DEUTSCHE POLIZEILITERATUR GMBH<br />

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