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PolFHa Extra - Das neue Sächsische Polizeibehördengesetz (SächsPBG)

Anfang diesen Jahres trat das „Gesetz zur Neustrukturierung des Polizeirechtes des Freistaates Sachsen“ in Kraft, mit der Folge, dass das Verhältnis von Polizeibehörden und Polizeivollzugsdienst (PVD) neu gestaltet wurde. Prof. Dr. Henning Schwier, Dozent für Allgemeines und besonderes Verwaltungsrecht und ausgewiesener Experte für das SächsPBG, hat Ihnen die wichtigsten Neuregelungen für den Polizeidienst zusammengestellt und eine Einordnung vorgenommen.

Anfang diesen Jahres trat das „Gesetz zur Neustrukturierung des Polizeirechtes des Freistaates Sachsen“ in Kraft, mit der Folge, dass das Verhältnis von Polizeibehörden und Polizeivollzugsdienst (PVD) neu gestaltet wurde. Prof. Dr. Henning Schwier, Dozent für Allgemeines und besonderes Verwaltungsrecht und ausgewiesener Experte für das SächsPBG, hat Ihnen die wichtigsten Neuregelungen für den Polizeidienst zusammengestellt und eine Einordnung vorgenommen.

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<strong>Das</strong> <strong>neue</strong> <strong>Sächsische</strong> <strong>Polizeibehördengesetz</strong><br />

NEU: § 23 SÄCHSPVDG<br />

(1) Die Polizeibehörden können eine Wohnung betreten<br />

und durchsuchen, wenn<br />

1. dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für<br />

Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für bedeutende<br />

Sach- oder Vermögenswerte erforderlich<br />

ist oder<br />

2. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in<br />

ihr Sachen oder Tiere befinden, die nach § 25 sichergestellt<br />

werden dürfen.<br />

(2) Während der Nachtzeit darf das Betreten und<br />

Durchsuchen einer Wohnung nur … auf der Grundlage<br />

von Nr. 1 erfolgen<br />

§ 23 I Nr. 1 <strong>SächsPBG</strong> gilt unmittelbar für das Betreten<br />

und Durchsuchen zur Tageszeit, mittelbar (über<br />

§ 23 II <strong>SächsPBG</strong>) auch zur Nachtzeit. Die Norm bestimmt,<br />

dass Wohnungen nur zur Abwehr einer gegenwärtigen<br />

Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit<br />

einer Person oder für bedeutende Sach- oder Vermögenswerte<br />

betreten und durchsucht werden dürfen.<br />

Eine gegenwärtige Gefahr ist nach der über § 3 <strong>SächsPBG</strong><br />

anwendbaren Legaldefinition aus § 4 Nr. 3 b<br />

SächsPVDG eine Sachlage,<br />

bei der das schädigende Ereignis bereits begonnen<br />

hat oder unmittelbar oder in allernächster<br />

Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit<br />

bevorsteht.<br />

Als Schutzgüter kommen nur die Rechtsgüter<br />

Leib, Leben (vgl. § 4 Nr. 3 f SächsPVDG) oder Freiheit<br />

einer Person oder bedeutende Sach- und Vermögenswerte<br />

in Betracht. Sachwerte können bewegliche<br />

Sachen oder Grundstücke sein. Der Begriff „bedeutende<br />

Sach- oder Vermögenswerte“ ist nicht wie<br />

im Strafrecht (z.B. § 315 StGB) mit ca. 1.300,-€, sondern<br />

erheblich höher auszulegen. Nach Auffassungen<br />

in der Literatur kann von bedeutenden Werten<br />

ab einer Summe von 5.000,- € ausgegangen werden.<br />

Es ist nicht nur der rein materielle Wert maßgebend,<br />

sondern auch ideelle Faktoren (etwa der kunsthistorische<br />

oder landesgeschichtliche Wert einer Sache).<br />

§ 23 I Nr. 2 <strong>SächsPBG</strong>, der nur für das Betreten<br />

und Durchsuchen zur Tageszeit anwendbar ist, übernimmt<br />

den Regelungsinhalt des früheren § 25 II Nr. 3<br />

SächsPolG. <strong>Das</strong> Betreten bzw. das Durchsuchen dient<br />

hier dem Auffinden von Sachen oder Tieren, die nach<br />

§ 25 <strong>SächsPBG</strong> sichergestellt werden können. Dabei<br />

verlangt das Gesetz, dass Tatsachen vorliegen,<br />

welche die Annahme rechtfertigen, dass sich die sicherzustellende<br />

Sache bzw. das Tier, in der Wohnung<br />

befindet. Ersichtlich will der Gesetzgeber keinen<br />

ausgeprägten hohen Grad an Wahrscheinlichkeit.<br />

Auch verzichtet § 23 I Nr. 2 <strong>SächsPBG</strong> auf die in Nr.<br />

1 ausdrücklich geforderte zeitliche Nähe des zu erwartenden<br />

Schadenseintritts und die Bedeutung der<br />

bedrohten Rechtsgüter.<br />

‣ Betreten von Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräumen,<br />

§ 23 III <strong>SächsPBG</strong><br />

Eine weitere materielle Veränderung hat der Gesetzgeber<br />

im Zusammenhang mit dem „Betreten von<br />

Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräumen“ vorgenommen.<br />

Im früheren § 25 I 3 SächsPolG war das Betreten<br />

solcher Räume während der Betriebs- und Geschäftszeiten<br />

lediglich vom Vorliegen einer konkreten „polizeilichen<br />

Aufgabe“ abhängig. Dies lässt der <strong>neue</strong> § 23<br />

III <strong>SächsPBG</strong> nicht genügen, sondern verlangt auch<br />

in diesen Fällen das Vorliegen einer „Gefahr für die<br />

öffentliche Sicherheit oder Ordnung“. Außerhalb der<br />

Arbeits- Geschäfts- oder Aufenthaltszeit sind die Voraussetzungen<br />

des § 23 I und II <strong>SächsPBG</strong> maßgeblich.<br />

§ 25 Sicherstellung<br />

Unter einer Sicherstellung versteht man die Begründung<br />

hoheitlicher Verfügungsgewalt über eine bewegliche<br />

oder unbewegliche Sache, um aus Gründen<br />

der Gefahrenabwehr den jederzeitigen staatlichen<br />

Zugriff auf die Sache zu gewährleisten und um Dritte<br />

vom Zugriff auf die Sache auszuschließen. Zweck der<br />

Sicherstellung ist es mithin, die Sache in staatlicher<br />

Verwahrung zu haben und andere von jeder Einwirkungsmöglichkeit<br />

auszuschließen. 8)<br />

‣ Zusammenführung von Sicherstellung und<br />

Beschlagnahme<br />

Die Unterscheidung zwischen der „Sicherstellung“<br />

(bisher § 26 SächsPolG) von gefährdeten Gegenständen<br />

und der „Beschlagnahme“ (bisher § 27 Sächs-<br />

PolG) von Sachen, von denen eine Gefahr ausgeht<br />

oder die zur Abwehr einer Gefahr benötigt werden,<br />

wurde aufgegeben. Die Voraussetzungen, unter denen<br />

bisher eine Sicherstellung oder eine Beschlagnahme<br />

erfolgen konnte, werden nun im § 25 <strong>SächsPBG</strong><br />

unter dem Begriff der „Sicherstellung“ zusammenfassend<br />

neu geregelt. Gleichzeitig passt § 25 <strong>SächsPBG</strong><br />

die Sicherstellung auf die Anforderungen der Polizeibehörden<br />

an:<br />

NEU: § 25 SÄCHSPVDG<br />

(1) Die Polizeibehörden können eine Sache sicherstellen,<br />

1. um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren,<br />

2. um den Eigentümer oder rechtmäßigen Inhaber<br />

der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung<br />

der Sache zu schützen oder<br />

3. wenn sie von einer Person mitgeführt wird, die<br />

nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften<br />

festgehalten wird, und die Sache verwendet<br />

werden kann, um<br />

a) sich zu töten oder zu verletzen,<br />

b) Leben oder Gesundheit anderer zu schädigen,<br />

8) Vgl. Elzermann/Schwier, Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, 5.<br />

Auflage, § 26, Rn. 1 f.<br />

8

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