08.09.2020 Aufrufe

PolFHa Extra - Das neue Sächsische Polizeibehördengesetz (SächsPBG)

Anfang diesen Jahres trat das „Gesetz zur Neustrukturierung des Polizeirechtes des Freistaates Sachsen“ in Kraft, mit der Folge, dass das Verhältnis von Polizeibehörden und Polizeivollzugsdienst (PVD) neu gestaltet wurde. Prof. Dr. Henning Schwier, Dozent für Allgemeines und besonderes Verwaltungsrecht und ausgewiesener Experte für das SächsPBG, hat Ihnen die wichtigsten Neuregelungen für den Polizeidienst zusammengestellt und eine Einordnung vorgenommen.

Anfang diesen Jahres trat das „Gesetz zur Neustrukturierung des Polizeirechtes des Freistaates Sachsen“ in Kraft, mit der Folge, dass das Verhältnis von Polizeibehörden und Polizeivollzugsdienst (PVD) neu gestaltet wurde. Prof. Dr. Henning Schwier, Dozent für Allgemeines und besonderes Verwaltungsrecht und ausgewiesener Experte für das SächsPBG, hat Ihnen die wichtigsten Neuregelungen für den Polizeidienst zusammengestellt und eine Einordnung vorgenommen.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Das</strong> <strong>neue</strong> <strong>Sächsische</strong> <strong>Polizeibehördengesetz</strong><br />

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass<br />

§ 30 <strong>SächsPBG</strong> die einzige Norm des <strong>SächsPBG</strong> ist,<br />

die im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle von<br />

Grünen und Linken im August 2019 zur Überprüfung<br />

dem <strong>Sächsische</strong>n Verfassungsgerichtshof vorgelegt<br />

worden ist. In dem der Normenkontrolle zugrunde<br />

liegenden Gutachten wird § 30 <strong>SächsPBG</strong> als unzulässiger<br />

Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung<br />

gewertet:<br />

„Die in dieser Norm geregelte Videoüberwachung<br />

mit Aufzeichnung … stellt einen Grundrechtseingriff<br />

von erheblichem Gewicht dar. Sie erfolgt unabhängig<br />

von einer konkreten Gefährdungslage<br />

für einen längeren Zeitraum und weist eine große<br />

Streubreite auf, da sie alle Personen erfasst, die im<br />

Überwachungszeitraum den Einwirkungsbereich<br />

der Überwachungsanlage betreten … Angesichts<br />

dessen bedarf die Videoüberwachung einer hinreichend<br />

bestimmten Ermächtigungsgrundlage,<br />

welche die Überwachung auf einen konturierten<br />

tatsächlichen Anlass und den Schutz gewichtiger<br />

Rechtsgüter beschränkt … Gemäß § 30 I Nr. 1 <strong>SächsPBG</strong><br />

reicht für eine Überwachung aus, dass an<br />

dem überwachten Ort künftig erhebliche Gefahren<br />

für die öffentliche Sicherheit zu entstehen drohen.<br />

Dies lässt sich praktisch immer bejahen …“<br />

Ob die abstrakte Normenkontrolle in diesem<br />

Punkt Erfolg hat, kann zum jetzigen Zeitpunkt kaum<br />

abgeschätzt werden. Der kritischen Bewertung des<br />

Tatbestandes muss dem Grunde nach aber zugestimmt<br />

werden (vgl. dazu auch unten die genauere<br />

Darstellung des Tatbestandes).<br />

‣ Grundlegender Rahmen der Videoüberwachung<br />

Die Regelung ermächtigt die Polizeibehörden<br />

zur Bildaufnahme und -aufzeichnung. Durch diese<br />

Formulierung sind zwei Dinge klargestellt: Erstens<br />

kommt – im Unterschied zu vergleichbaren Befugnissen<br />

(etwa § 57 III SächsPVDG) – im Rahmen des<br />

§ 30 <strong>SächsPBG</strong> – eine Tonaufnahme nicht in Frage.<br />

Zweitens lässt die Norm eine Speicherung der Daten<br />

ausdrücklich zu.<br />

Der Wortlaut des § 30 <strong>SächsPBG</strong> stellt weiterhin<br />

klar, dass die Maßnahme nur offen erfolgen kann<br />

(d. h. der Einsatz der Kamera muss als behördliche<br />

Datenerhebungsmaßnahme erkennbar sein). <strong>Das</strong> ist<br />

bei einem längerfristigen Einsatz der Videotechnik im<br />

Grunde nur über eine entsprechende Beschilderung<br />

zu lösen. Denn selbst wenn die Kameras ohne weiteres<br />

wahrnehmbar sind (was tatsächlich regelmäßig<br />

nicht der Fall sein dürfte), sind sie nicht als behördlich<br />

genutzte Technik erkennbar. Ein Verstoß gegen den<br />

Grundsatz der Offenheit der Datenerhebung führt<br />

zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme.<br />

Die Maßnahme darf weiterhin nur in öffentlich<br />

zugänglichen Räumen erfolgen. Öffentlich zugängliche<br />

Räume sind alle Bereiche, die von jedermann<br />

ohne weitere Voraussetzungen betreten werden<br />

können. Sie müssen dem öffentlichen Verkehr gewidmet<br />

sein oder nach dem Willen des Berechtigten von<br />

jedermann betreten werden können (z. B. Eingangsbereiche<br />

öffentlicher Gebäude, Schulhöfe, Museen,<br />

Busbahnhöfe, Parkplätze).<br />

§ 30 II <strong>SächsPBG</strong> bestimmt, in welchen Fällen die<br />

erlangten personenbezogenen Daten zweckändernd<br />

weiterverarbeitet werden dürfen. Dies kann zur Verfolgung<br />

von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten,<br />

zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur vorbeugenden<br />

Bekämpfung von Straftaten, zur Geltendmachung<br />

von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen oder<br />

nach Maßgabe des § 2 II <strong>SächsPBG</strong> zum Schutz privater<br />

Rechte, insbesondere zur Behebung einer bestehenden<br />

Beweisnot, erfolgen. Liegen die Voraussetzungen<br />

für eine Zweckänderung nicht vor, sind die<br />

personenbezogenen Daten sowie sämtliche Unterlagen<br />

unverzüglich, spätestens aber nach einem Monat<br />

zu löschen.<br />

‣ Tatbestandliche Bedingung der Videoüberwachung<br />

nach § 30 I <strong>SächsPBG</strong><br />

<strong>Das</strong> Videografieren nach § 30 I <strong>SächsPBG</strong> ist zulässig,<br />

soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen,<br />

dass dort künftig erhebliche Gefahren für die öffentliche<br />

Sicherheit, nicht der öffentlichen Ordnung,<br />

entstehen oder dies insbesondere zum Schutz gefährdeter<br />

öffentlicher Anlagen oder Einrichtungen<br />

erforderlich ist. Ausweislich der Gesetzesbegründung<br />

hebt § 30 <strong>SächsPBG</strong> – in Abweichung zur grundlegenden<br />

Kompetenzbegrenzung der Behörden auf die<br />

nichtstraftatenbezogene Gefahrenabwehr – auch auf<br />

Straftaten als Gefahrengrund ab. Tatbestandlich lehnt<br />

sich § 30 <strong>SächsPBG</strong> somit an § 15 I Nr. 2 SächsPVDG<br />

(IDF am „verrufenen Ort“) bzw. § 15 I Nr. 3 Sächs-<br />

PVDG (IDF am „gefährdeten Objekt“) an. Während<br />

§ 15 SächsPVDG allerdings in beiden Fällen eine auf<br />

„Tatsachen beruhende Prognose der Straftatenbegehung“<br />

verlangt, ist die Tatbestandsprognose bei<br />

§ 30 I Nr. 1 bzw. 2 <strong>SächsPBG</strong> weniger eindeutig. Die<br />

Norm stellt weder klar, was unter der (untypischen)<br />

Formulierung „künftig erhebliche Gefahren für die öffentliche<br />

Sicherheit“ zu verstehen ist, noch wird der<br />

Begriff „gefährdete öffentliche Anlage oder Einrichtung“<br />

näher erläutert. Insofern ist – wie oben bereits<br />

angemerkt – die in der abstrakten Normenkontrolle<br />

geäußerte Kritik am Tatbestand des § 30 I <strong>SächsPBG</strong><br />

durchaus nachvollziehbar. Vorstellbar erscheint, dass<br />

der Gesetzgeber im Anschluss an die verfassungsgerichtliche<br />

Überprüfung hier nachschärfen muss.<br />

§ 33 Alkoholkonsumverbote<br />

Die Ermächtigung zum Erlass von Polizeiverordnungen<br />

war im alten SächsPolG in den §§ 9 bis 17 geregelt.<br />

<strong>Das</strong> <strong>Polizeibehördengesetz</strong> übernimmt die<br />

früheren Regelungen in den §§ 32 bis 39. Auf substantielle<br />

Veränderungen wurde im Wesentlichen<br />

verzichtet. Wirklich inhaltlich verändert wurde allein<br />

10

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!