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PolFHa Extra - Das neue Sächsische Polizeibehördengesetz (SächsPBG)

Anfang diesen Jahres trat das „Gesetz zur Neustrukturierung des Polizeirechtes des Freistaates Sachsen“ in Kraft, mit der Folge, dass das Verhältnis von Polizeibehörden und Polizeivollzugsdienst (PVD) neu gestaltet wurde. Prof. Dr. Henning Schwier, Dozent für Allgemeines und besonderes Verwaltungsrecht und ausgewiesener Experte für das SächsPBG, hat Ihnen die wichtigsten Neuregelungen für den Polizeidienst zusammengestellt und eine Einordnung vorgenommen.

Anfang diesen Jahres trat das „Gesetz zur Neustrukturierung des Polizeirechtes des Freistaates Sachsen“ in Kraft, mit der Folge, dass das Verhältnis von Polizeibehörden und Polizeivollzugsdienst (PVD) neu gestaltet wurde. Prof. Dr. Henning Schwier, Dozent für Allgemeines und besonderes Verwaltungsrecht und ausgewiesener Experte für das SächsPBG, hat Ihnen die wichtigsten Neuregelungen für den Polizeidienst zusammengestellt und eine Einordnung vorgenommen.

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von Henning Schwier<br />

c) fremde Sachen zu beschädigen oder<br />

d) sich oder anderen die Flucht zu ermöglichen<br />

oder zu erleichtern.<br />

§ 25 I Nr. 1 <strong>SächsPBG</strong> greift den Regelungsgedanken<br />

des früheren § 27 I Nr. 1 SächsPolG (früher „Beschlagnahme“)<br />

auf und stellt eine Art Generalklausel<br />

der Sicherstellung dar. Gefordert ist nunmehr eine<br />

„gegenwärtige Gefahr“ (vgl. die Legaldefinition in<br />

§ 4 Nr. 3 b SächsPVDG). Diese Gefahr muss – auch<br />

wenn das Gesetz es unerwähnt lässt – den Schutzgütern<br />

der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung<br />

drohen. Unerheblich ist, ob die Gefahr von der Sache<br />

selbst ausgeht (z. B. gefährliche Gegenstände<br />

oder einsturzgefährdetes Haus) oder vom Verhalten<br />

ihres Gewahrsamsinhabers (z.B. Wegnahme der Autoschlüssel<br />

bei einem Betrunkenen, der dennoch fahren<br />

will).<br />

§ 25 I Nr. 2 <strong>SächsPBG</strong> übernimmt den Wortlaut des<br />

früheren § 26 I SächsPolG und lässt eine Sicherstellung<br />

zu, um den Eigentümer oder rechtmäßigen Inhaber<br />

der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung<br />

der Sache zu schützen.<br />

§ 25 I Nr. 3 <strong>SächsPBG</strong> ersetzt § 27 I Nr. 2 SächsPolG.<br />

Im Gegensatz zur bisherigen Regelung bestimmt<br />

§ 25 I Nr. 3 a bis d die möglichen Varianten einer<br />

missbräuchlichen Verwendung konkret. Die Regelung<br />

dient vorrangig dem Schutz des Betroffenen,<br />

aber auch der Eigensicherung der Bediensteten der<br />

Polizeibehörde sowie dem Sachgüterschutz. Die Regelung<br />

umfasst Waffen, gefährliche Werkzeuge und<br />

Sprengmittel sowie andere Gegenstände, die dem<br />

Zweck aus Nr. 3 Buchst. a bis d dienlich sein können<br />

(z.B.: Werkzeuge, alle Arten von Messern, Gürtel, Hosenträger,<br />

Feuerzeuge, Streichhölzer, Rasierklingen,<br />

Nadeln, Schraubendreher u. s. w.). Dabei reicht die<br />

Möglichkeit der entsprechenden Verwendung des<br />

Gegenstandes aus, eine „konkrete Gefahr“ der Verwendung<br />

ist nicht erforderlich. Bei der Anwendung<br />

des § 25 I Nr. 3 <strong>SächsPBG</strong> ist Voraussetzung, dass die<br />

Person, der die Gegenstände abgenommen werden<br />

können, nach dem <strong>SächsPBG</strong> oder anderen Rechtsvorschriften<br />

festgehalten wird. Nach dem eindeutigen<br />

Wortlaut muss mit dem Festhalten bereits begonnen<br />

worden sein („festgehalten wird“). Es reicht<br />

nicht aus, dass nur die Voraussetzungen der betreffenden<br />

Ermächtigungsgrundlage vorliegen.<br />

‣ Veränderungen im Bereich der Abwicklung<br />

der Sicherstellung<br />

Die verfahrensgemäße Abwicklung der Sicherstellung<br />

ist aus den früheren §§ 26 bis 29 SächsPolG<br />

in die §§ 26 bis 29 <strong>SächsPBG</strong> überführt worden. Auf<br />

substantielle Änderungen hat der Gesetzgeber in<br />

diesem Zusammenhang verzichtet. Allein das Rechtsinstitut<br />

der „Einziehung“ (bisher § 28 SächsPolG) als<br />

privatrechtgestaltenden Rechtsakt, durch den das Eigentum<br />

an einer bisher nach § 27 I Nr. 1 SächsPolG<br />

beschlagnahmten Sache auf die (Orts)Polizeibehörde<br />

übertragen wurde, ist gestrichen worden. Laut Gesetzesbegründung<br />

ist die Einziehung kein rechtlich<br />

erforderlicher „Zwischenschritt“ für die Verwertung,<br />

Unbrauchbarmachung oder Vernichtung einer Sache.<br />

§ 30 Videoüberwachung<br />

§ 30 <strong>SächsPBG</strong> regelt die Datenerhebung durch den<br />

Einsatz technischer Mittel zur Bildaufnahme und -aufzeichnung.<br />

Mit „technischen Mitteln“ ist insbesondere<br />

Videotechnik gemeint (der Wortlaut lässt aber<br />

auch andere Varianten, etwa ein Fotografieren zu).<br />

Bereits auf der Grundlage des § 33 SächsDSG waren<br />

die Polizeibehörden berechtigt, zum Zweck der Erfüllung<br />

der Aufgaben, insbesondere zur Gewährleistung<br />

der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bzw. zur<br />

Wahrnehmung des Hausrechts in öffentlich zugänglichen<br />

Räumen Videoüberwachung durchzuführen.<br />

Der neuformulierte § 30 <strong>SächsPBG</strong> ermächtigt die<br />

Behörden jetzt ausdrücklich und unmittelbar auf der<br />

Ebene des Polizeirechts zu einem solchen Vorgehen.<br />

<strong>Das</strong> ist aus Gründen der Rechtsklarheit zu begrüßen.<br />

§ 30 <strong>SächsPBG</strong> lautet dabei wie folgt:<br />

(1) Die Polizeibehörden können personenbezogene<br />

Daten … durch den offenen Einsatz technischer Mittel<br />

zur Bildaufnahme und -aufzeichnung erheben,<br />

soweit<br />

1. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort<br />

künftig erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit<br />

entstehen, oder<br />

2. dies insbesondere zum Schutz gefährdeter öffentlicher<br />

Anlagen oder Einrichtungen erforderlich ist.<br />

(2) Angefertigte Bildaufzeichnungen und daraus gefertigte<br />

Unterlagen sind unverzüglich, spätestens<br />

aber nach einem Monat zu löschen oder zu vernichten,<br />

soweit diese nicht zur Verfolgung von … Ordnungswidrigkeiten<br />

… erforderlich sind.<br />

‣ Grundrechtsrelevanz und Verfassungsklage<br />

Die Ausweitung der polizeilichen Videoüberwachung<br />

im öffentlichen Raum ist eine der viel diskutierten<br />

Fragen des bundesweiten Novellierungsprozesses<br />

im Gefahrenabwehrrecht. Zurückzuführen ist<br />

diese rechtspolitische Brisanz auf die grundrechtliche<br />

Eingriffsrelevanz der Maßnahme. <strong>Das</strong> „Videografiert<br />

werden“ stellt einen Eingriff in das Recht auf informationelle<br />

Selbstbestimmung gemäß Art. 2 I i. V. m.<br />

Art 1 I GG dar (das Recht, selbst über die Erhebung<br />

und Verwendung personenbezogener Daten zu entscheiden).<br />

Dabei mag der Eingriff für den Einzelnen<br />

gering ausfallen. Durch die Streubreite des Eingriffs<br />

(betroffen ist jede Person, die sich durch den Wahrnehmbarkeitsbereich<br />

der Kamera bewegt) kommt<br />

dem Vorgang letztlich aber eine nicht unerhebliche<br />

grundrechtliche Bedeutung zu.<br />

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