steueranwaltsmagazin 3 /2011 - Wagner-Joos Rechtsanwälte
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� Steuermelder<br />
nen Jahren unterschiedliche Beträge ergeben, sind wechselbedingte<br />
Übergangsgewinne zu berücksichtigen (vgl.<br />
BMF-Schreiben IV B 2 – S 2144 – 50/05, BStBl I 2005<br />
S. 1019 Rn. 8). Soweit ein Wahlrecht hinsichtlich der Gewinnermittlung<br />
besteht, obliegt es dem Steuerpflichtigen,<br />
das für ihn günstige Verfahren zu wählen.<br />
3. Der BFH hält die Vorschrift insbesondere unter dem Gesichtpunkt<br />
des Nettoprinzips für verfassungskonform, weil<br />
sie an Überentnahmen und somit an private Ursachen an-<br />
knüpft (vgl. BFH-Urteil vom 07. 03. 2006 X R 44/04, BStBl II<br />
2006 S. 588). Auch der Verzicht des Gesetzgebers auf eine<br />
liquiditätsbezogene Betrachtung (aus Praktikabilitätsgründen)<br />
bei der gesetzlichen Typisierung der nicht abziehbaren<br />
Schuldzinsen mit 6 v. H. der Überentnahmen knüpft sachgerecht<br />
an den jeweiligen Bestand des vorhandenen Eigenkapitals<br />
an, der grundsätzlich steuerunschädlich entnommen<br />
werden darf (vgl. BFH-Urteil vom 21. 09. 2005 X R 47/03,<br />
BStBl II 2006 S. 504; a. A. Horlemann, DStR 2010 S. 726).<br />
Vorrangige Verrechnung des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG mit nicht<br />
tarifbegünstigten Veräußerungsgewinnen<br />
Abstract: Erzielt der Steuerpflichtige einen Veräußerungsgewinn<br />
i. S. d. § 16 Abs. 1 EStG, der sowohl dem Halbeinkünfteverfahren<br />
unterliegende als auch in voller Höhe zu<br />
besteuernde Gewinne enthält, wird der Freibetrag gemäß<br />
§ 16 Abs. 4 EStG für Zwecke der Ermittlung der nach § 34<br />
Abs. 1 und 3 EStG tarifermäßigt zu besteuernden Gewinne<br />
vorrangig mit dem Veräußerungsgewinn verrechnet, auf<br />
den das Halbeinkünfteverfahren anzuwenden ist.<br />
Anlaß: BFH, Urteil vom 14. 07. 2010 X R 61/08, BStBl II<br />
2010 S. 1011, BFH/NV 2010 S. 1915<br />
I. Sachverhalt<br />
Die Beteiligten streiten über die Anwendung des Meistbegünstigungsgrundsatzes<br />
bei der Berechnung des Freibetrags<br />
nach § 16 Abs. 4 EStG entsprechend der BFH-Rechtsprechung<br />
zu anderen Regelungen.<br />
Der 1942 geborene Kläger war im Streitjahr 2002 an<br />
der B-Grundstücksgemeinschaft beteiligt. Aus dieser Beteiligung<br />
erzielte der Kläger im Streitjahr einen steuerpflichtigen<br />
Veräußerungsgewinn i. S. d. § 16 EStG von insgesamt<br />
127.816,08 EUR. Dieser setzt sich zusammen aus einem<br />
gemäß § 3 Nr. 40 EStG dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden<br />
Veräußerungsgewinn von 63.911,47 EUR (= 1/2<br />
von 127.822.94 EUR) und einem anderen, in vollem Umfang<br />
steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn von 63.904,61 EUR.<br />
Für diesen Gewinn beanspruchte der Kläger den Freibetrag<br />
gemäß § 16 Abs. 4 EStG.<br />
Das FA rechnete den Freibetrag indes i. H. v. 51.200 EUR<br />
anteilig auf die in dem Veräußerungsgewinn enthaltenen<br />
steuerpflichtigen Halbeinkünfte und im übrigen auf den<br />
in diesem Gewinn enthaltenen voll steuerpflichtigen Ver-<br />
äußerungsgewinn an. Der voll zu besteuernde Veräußerungsgewinn<br />
verminderte sich hierdurch auf (gerundet)<br />
38.307 EUR. Diesen Betrag unterwarf das Finanzamt dem<br />
ermäßigten Steuersatz gemäß § 34 Abs. 3 EStG. Das FG gab<br />
dem Begehren des Klägers, den Freibetrag vorrangig mit<br />
dem (steuerpflichtigen) Veräußerungsgewinn zu verrechnen,<br />
auf den das Halbeinkünfteverfahren anzuwenden sei,<br />
in vollem Umfang statt.<br />
II. Entscheidung des BFH<br />
Der BFH bestätigte das FG-Urteil:<br />
Sei in dem Veräußerungsgewinn ein nach dem Halbeinkünfteverfahren<br />
zu ermittelnder Veräußerungsgewinn enthalten,<br />
so könne Bestandteil des Veräußerungsgewinns i. S. d.<br />
§ 16 Abs. 4 EStG nach dem Gesetzeswortlaut nur der steuerpflichtige<br />
Teil dieses Gewinns sein. Der Freibetrag sei mit<br />
dem überwiegenden Schrifttum und entgegen der Auffassung<br />
der Finanzverwaltung vorrangig von dem Halb-<br />
einkünfteverfahren unterliegenden Veräußerungsgewinn<br />
abzuziehen. § 16 Abs. 4 EStG enthalte keine Verwendungsreihenfolge.<br />
Nach ständiger BFH-Rechtsprechung bildeten<br />
die nach § 34 EStG begünstigten Einkünfte innerhalb der<br />
Summe der Einkünfte bzw. der jeweiligen Einkunftsart eine<br />
„besondere Abteilung“ (BFH, Urteil vom 29. 10. 1998 XI R<br />
63/97, BStBl II 1999 S. 588). Die außerordentlichen Einkünfte<br />
würden nur dann und nur insoweit gekürzt, als für eine Kürzung<br />
die tariflich zu besteuernden Einkünfte nicht ausreichten.<br />
Außerordentliche Einkünfte seien nur um die mit ihnen<br />
in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben<br />
bzw. Werbungskosten zu kürzen (BFH-Urteil vom<br />
02. 09. 2008 X R 15/06, BFH/NV 2009 S. 138). Entsprechend<br />
der BFH-Rechtsprechung zu anderen Fallgruppen sei auch<br />
der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG im Wege der Meistbegünstigung<br />
vorrangig von dem nicht tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn<br />
abzuziehen. Dem stehe die Wertung des<br />
§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht entgegen, wonach im Halbeinkünfteverfahren<br />
ermittelte Veräußerungsgewinne keine außerordentlichen<br />
Einkünfte im Sinne dieser Vorschrift seien.<br />
Damit habe der Gesetzgeber (lediglich) sicherstellen wol-<br />
112 <strong>steueranwaltsmagazin</strong> 3 /<strong>2011</strong>