Flanke, Kopfball, Tor! - OPUS-Datenbank - Friedrich-Alexander ...
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Dass bei Leukämien die Zellvermehrung<br />
außer Kontrolle gerät, ist nicht der<br />
einzige Grund für die „Überschwemmung“<br />
von Blut und Lymphsystem mit weißen<br />
Blutzellen; die krankhaft veränderten Zellen<br />
sterben auch nicht mehr ab. Natürliche<br />
Abwehrprogramme, welche die übermäßig<br />
wachsenden Zellen abtöten könnten, sind<br />
außer Kraft gesetzt. Ein Virusprotein mit<br />
der Bezeichnung Tax ist wesentlich beteiligt,<br />
wenn das menschliche T-Zell-Leukämievirus<br />
Typ 1 Lymphozyten zu permanentem<br />
Wachstum transformiert. Am Institut<br />
für Klinische und Molekulare Virologie ist<br />
Prof. Dr. Ralph Grassmann in einem Projekt,<br />
das von der Wilhelm-Sander-Stiftung<br />
gefördert wird, molekularen Mechanismen<br />
auf der Spur, mit denen das Leukämievirus<br />
das Zelltod-Programm hemmt. Vieles<br />
spricht dafür, dass Tax bestimmte Gene<br />
übermäßig aktiviert und dadurch die Überlebensfähigkeit<br />
Virus-infizierter Blutzellen<br />
so sehr steigert, dass in der Folge eine tödliche<br />
Leukämie entstehen kann.<br />
Weltweit sind zehn bis zwanzig Millionen<br />
Menschen mit dem Menschlichen T-<br />
Zell-Leukämievirus (HTLV-1) infiziert. In<br />
Deutschland beträgt die Zahl der Virusträger<br />
etwa 6.000; die Tendenz ist allerdings<br />
steigend. Auf die Infektion mit HTLV-1 folgt<br />
Forum Forschung Virologie<br />
Virus-vermittelte Hemmung des programmierten Zelltods<br />
Überlebenshilfe mit bösen Folgen<br />
In mancher Hinsicht gleicht eine Herpesvirus-Infektion<br />
dem Einschmuggeln<br />
von explosiv geladenen Päckchen in eine<br />
Sicherheitszone. Unter einer harmlos wirkenden<br />
Hülle verborgen, wird das Erbgut<br />
der Viren in den Zellkern des Wirts geschleust,<br />
wo die molekulare Maschinerie<br />
die Virusproduktion übernimmt und damit<br />
die Selbstzerstörung einleitet. Am Zerteilen<br />
und Verpacken der DNA von Cytomegalieviren<br />
setzt ein Projekt von Priv.-Doz.<br />
Dr. Elke Bogner am Institut für Klinische<br />
und Molekulare Virologie an, das zu einem<br />
neuen Therapiekonzept führen soll. Die<br />
Wilhelm-Sander Stiftung fördert die Forschungen<br />
mit Personal- und Sachmitteln.<br />
Das humane Cytomegalievirus<br />
(HCMV) wird vor allem immungeschwächten<br />
Personen und ungeborenen Kindern<br />
zwar nur in der Minderzahl der Fälle der<br />
Ausbruch einer Krankheit; dann aber ist<br />
die Prognose schlecht. Ein bis drei Prozent<br />
der Infizierten erkranken an ATL, einer Leukämie-Form,<br />
gegen die Chemotherapie<br />
wenig auszurichten vermag, vermutlich,<br />
weil sich die Leukämiezellen erfolgreich<br />
vor dem Absterben schützen. Bei weiteren<br />
ein bis drei Prozent der Virusträger tritt eine<br />
Degeneration von Nervenzellen mit Lähmungserscheinungen<br />
auf. In beiden Fällen<br />
geht der Erkrankung eine lange Inkubationszeit<br />
voraus. Die Viren richten sich in<br />
diesem Zeitraum dauerhaft in Lymphozyten<br />
ein, die sie umfunktionieren, um sie für<br />
ihre eigene Vermehrung zu nutzen. Die Folgen<br />
zeigen sich beispielsweise in Zellkultur:<br />
infizierte Zellen von Patienten mit beiden<br />
Krankheitsbildern können ohne spezielle<br />
Hilfe permanent wachsen.<br />
Das Virusprotein Tax vermittelt die<br />
Wachstumstransformation und stimuliert<br />
über bestimmte Signalwege die Genexpression<br />
der befallenen Zelle, übt also einen<br />
Einfluss darauf aus, welche Gene „abgelesen“<br />
werden und als Bauplan für Proteine<br />
dienen. Bei ihrer systematischen Suche<br />
nach Mechanismen, die den programmierten<br />
Zelltod, die Apoptose, in solchen<br />
Zellen hemmen, fiel den Erlanger Virologen<br />
54 uni.kurier.magazin 106 / juni 2005<br />
auf, dass auch bestimmte regulatorische<br />
Proteine, die den Zelltod unterdrücken, im<br />
Übermaß produziert werden. Verantwortlich<br />
dafür ist offensichtlich Tax.<br />
Zunächst soll nun geklärt werden, auf<br />
welche Weise dieses Virusprotein die entsprechenden<br />
Gene der Zelle zu erhöhter<br />
Aktivität veranlasst. Anschließend wird untersucht,<br />
ob Tax über diese Modulation der<br />
Genexpression die infizierten Zellen vor<br />
endogener oder exogener Apoptose<br />
schützt. Dazu werden kurze doppelsträngige<br />
RNA-Nukleotide (siRNA) eingesetzt,<br />
mit deren Hilfe die Aktivität bestimmter<br />
Gene gezielt unterbrochen werden kann.<br />
Wenn sich herausstellt, dass Tax tatsächlich<br />
auf diesem Weg Überlebenshilfe für infizierte<br />
T-Zellen leistet und damit zur Entstehung<br />
der bösartigen Leukämie beiträgt,<br />
könnten künftige Therapiekonzepte an die<br />
Ergebnisse des Projekts anknüpfen.<br />
Prof. Dr. Ralph Grassmann<br />
Institut für Klinische und<br />
Molekulare Virologie<br />
Tel.: 09131/85 -26784<br />
grassmann@viro.med.uni-erlangen.de<br />
Neue Therapieansätze bei HCMV-Erkrankungen<br />
Die Virus-Paketpost bleibt aus<br />
gefährlich. Derzeit gibt es weder eine wirksame<br />
Vorbeugung noch eine zuverlässige<br />
Therapie mit Medikamenten. Unter anderem<br />
entwickeln die Viren rasch Resistenzen<br />
gegen diese Substanzen.<br />
Ein neuer Ansatz besteht darin, die<br />
Zusammenstellung von invasionsfähigen<br />
Cytomegalie-Virenpaketen zu unterbrechen.<br />
In Vorarbeiten am Erlanger Institut<br />
wurde bereits geklärt, dass zwei Proteine,<br />
mit pUL56 und pUL89 bezeichnet, das<br />
Erbgut von HCMV-Viren in transportgeeignete<br />
Portionen spalten. Ein drittes, das sogenannte<br />
Portal Protein pUL104, bildet einen<br />
Kanal, durch den die DNA-Partikel in<br />
die Kapside, den „Verpackungskarton“,<br />
gelangen. Diesen drei Proteinen soll mittels<br />
neuer antiviraler Substanzen das<br />
Handwerk gelegt werden.<br />
Kernpunkt des Projekts ist die Charakterisierung<br />
der Wirkmechanismen sogenannter<br />
Benzimidazol-Ribonukleoside. Mittels<br />
eines Screeningverfahrens werden spezifische<br />
Inhibitoren identifiziert und in ihrer<br />
Struktur und Funktion untersucht. Richtungsweisend<br />
könnten die Ergebnisse sein,<br />
weil der Wirkmechanismus dieser Substanzen<br />
im menschlichen Organismus nicht vorkommt.<br />
Sie können also nur die Viren angreifen,<br />
aber Menschen nicht schaden.<br />
PD Dr. Elke Bogner<br />
Institut für Klinische und<br />
Molekulare Virologie<br />
Tel.: 09131/85 -22104<br />
elke.bogner@viro.med.uni-erlangen.de