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Arbeit Global (PDF, 4108 - KV Schweiz

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Bruno Nett, 63, hat eine gewerbliche und eine kaufmännische Ausbildung absolviert,<br />

bevor er sich im Personalwesen weiterbildete. Anschliessend arbeitete er fünf Jahre<br />

als Lehrlingschef einer Grossbank. Seit 1984 ist er Berufsinspektor beim Mittelschul-<br />

und Berufsbildungsamt (MBA) im Kanton Zürich mit Zuständigkeit für die kaufmännischen<br />

Lernenden. Der Vater zweier erwachsener Kinder wohnt in Arlesheim und will sich auch<br />

nach seiner Pensionierung in zwei Jahren weiter in der Lehrlingsbetreuung engagieren.<br />

Schätzungsweise etwa 10 Prozent. Der<br />

Lehrstellennachweis (LENA) wird im September<br />

aufgeschaltet. Dann gehen die beliebtesten<br />

Lehrstellen weg. Das sind im<br />

kaufmännischen Bereich die Lehrstellen<br />

in Banken, Versicherungen und Reisebüros.<br />

Und es sind anderseits die besten<br />

Schüler, die zuerst eine Lehrstelle finden.<br />

In den Verkaufsberufen beginnt, ausser<br />

bei den Grossverteilern, die Selektion oft<br />

erst im Januar oder Februar.<br />

Wie sieht es aus mit der Ausbildungsbereitschaft<br />

der Betriebe?<br />

Wir haben noch nie so viele Lehrverträge<br />

genehmigt wie letztes und dieses<br />

Jahr. Im Gegensatz zur weit verbreiteten<br />

Meinung ist die Ausbildungsbereitschaft<br />

nicht rückläufig. 17 Prozent aller Betriebe<br />

bilden Lehrlinge aus. Allerdings gibt es<br />

immer mehr globalisierte Unternehmen<br />

in der <strong>Schweiz</strong>, die unser Berufsbildungssystem<br />

nicht kennen. Dort müssen wir zuerst<br />

Überzeugungsarbeit leisten und unser<br />

System erklären. Unser bestes<br />

Argument ist, dass sich ein Lehrling unter<br />

dem Strich rechnet.<br />

Ein Drittel der <strong>KV</strong>-Lehrabgänger/innen<br />

findet keinen Job. Dies ergab eine Umfrage<br />

des <strong>KV</strong> <strong>Schweiz</strong>. Was läuft schief?<br />

Diese Umfrage wurde kurz vor Lehr-<br />

Ende durchgeführt. Ich bin überzeugt,<br />

dass die zweite Befragung im September<br />

oder etwas später weniger dramatisch<br />

ausfallen wird. Ich glaube auch nicht,<br />

dass die Situation bei den Kaufleuten besonders<br />

drastisch ist, denn auch nicht jeder<br />

Schreiner- oder Gärtnerlehrling hat<br />

sofort eine Anschlusslösung nach der<br />

Lehre. Bei den grossen <strong>KV</strong>-Zahlen ist das<br />

halt besonders augenfällig. Mit den wieder<br />

besseren Konjunkturaussichten wird<br />

sich die Lage aber zusätzlich entschärfen.<br />

Für Schulabgänger, die keine Lehrstellen<br />

finden, gibt es heute immer mehr Brückenangebote.<br />

Ein solches Zwischenjahr<br />

zu absolvieren, ist beinahe normal ge-<br />

context 10 – 2010<br />

worden. Was halten Sie von dieser<br />

Entwicklung?<br />

Ich finde, man sollte sich eher für<br />

mehr Lehrstellen einsetzen als für mehr<br />

Brückenangebote. Wenn ein Jugendlicher<br />

in der Lehre ist, kostet er den Steuerzahler<br />

deutlich weniger, als wenn er in einem<br />

Brückenangebot ist. Es gibt mittlerweile<br />

unzählige solcher Brückenangebote. Man<br />

verliert die Übersicht.<br />

Wird damit überhaupt etwas gelöst?<br />

Nun, manchmal kommen mir diese<br />

Angebote auch vor wie ein Schneepflug,<br />

der einfach etwas vor sich herschiebt.<br />

Aber es gibt eben leistungsschwächere<br />

Schulabgängerinnen und -abgänger, und<br />

die können während eines solchen Jahres<br />

ihre Qualifikationen immerhin verbessern<br />

und haben nachher deutlich bessere<br />

Chancen.<br />

Es gibt auch immer mehr private Angebote<br />

zur Vorbereitung auf die <strong>KV</strong>-Lehre,<br />

die ziemlich teuer sind. Reicht die Volksschulbildung<br />

als Vorbereitung auf die<br />

Lehre nicht mehr aus?<br />

Dass man in den Lehrbetrieben das<br />

Gefühl hat, die Jugendlichen seien<br />

schlecht vorbereitet, ist nicht neu. Aber<br />

das Problem liegt wohl eher bei den Voraussetzungen<br />

der Lehrbetriebe als bei der<br />

Volksschule. Bei jeder Neuausrichtung eines<br />

Berufes sieht man, dass die Anforderungen<br />

steigen. Heute gelten manche Fertigkeiten,<br />

welche man früher in der Lehre<br />

lernte, als Voraussetzung. So beispielsweise<br />

das Tastaturschreiben. Die Volksschule<br />

ist meiner Ansicht nach viel besser<br />

als ihr Ruf. Natürlich muss sie sich bis zu<br />

einem gewissen Punkt nach den Bedürfnissen<br />

der Wirtschaft richten. Anderseits<br />

kommuniziert die Wirtschaft ihre Be-<br />

dürfnisse der Schule zu wenig klar. Vermutlich<br />

wissen die Betriebe oft selber<br />

nicht so genau, was sie brauchen.<br />

Welches sind häufige Stolpersteine<br />

im Lehrverhältnis?<br />

Es sind hauptsächlich zwischenmenschliche<br />

Gründe. Oft hat das mit unterschiedlichen<br />

Erwartungshaltungen zu<br />

tun. Der Lernende ist keine Belastung,<br />

aber am Anfang braucht er viel Aufmerksamkeit<br />

und muss instruiert werden, und<br />

man muss dafür besorgt sein, dass er<br />

seine Ziele erreicht. Beide Seiten sind am<br />

Anfang stark unter Druck. Früher gab es<br />

viel mehr Fälle, wo man berufsfremde <strong>Arbeit</strong>en<br />

bemängeln musste, oder dass Lernende<br />

nur auftragsgesteuert eingesetzt<br />

worden sind oder dass ein Ausbildungsprogramm<br />

gefehlt hat. Ausserdem fällt<br />

die berufliche Grundbildung in einen<br />

«Wir haben noch nie so viele Lehrverträge<br />

genehmigt wie letztes und dieses Jahr.»<br />

Zeitraum, der sich dafür eigentlich nicht<br />

gut eignet. Nie mehr verändert sich im Leben<br />

eines Menschen innert so kurzer Zeit<br />

so viel wie im Zeitraum zwischen 15 und<br />

20 Jahren. Das grösste Konfliktpotenzial<br />

liegt eigentlich in diesem Umstand.<br />

Welche Rolle spielt dabei der Berufsinspektor<br />

der Lehraufsicht?<br />

Unsere Aufgabe ist die Ausbildungsbegleitung<br />

im Betrieb. Wir bieten Unterstützung<br />

und Hilfe an, wenn etwas nicht<br />

rund läuft. Wir stellen uns in den Schulen<br />

vor und erläutern unsere Aufgabe, damit<br />

die Lehrlinge wissen, an wen sie sich bei<br />

Konflikten wenden können. Ein Berufsinspektor<br />

im Kanton Zürich ist zuständig<br />

für ungefähr 2500 bis 3000 Lernende.<br />

Und mit wie vielen kommen Sie<br />

persönlich in Kontakt?<br />

Etwa mit 10 Prozent der Lehrverhältnisse<br />

haben wir aktiv zu tun. Und in dem<br />

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