«Auf der Bühne verwandle ich mich. Dort zeige ich Seiten von mir, die sonst nirgends zum Vorschein kommen. Im Scheinwerferlicht kann ich richtig ich selbst sein.»
«Du musst ein Stück deines Herzens geben» Sie ist die Muse des Basler Chef-Choreographen: Bereits seit 11 Jahren tanzt die Japanerin Ayako Nakano (35) bei Richard Wherlock. Aktuell spielt sie die Hauptrolle in «The Fairy Queen». Wir sprachen mit ihr über Disziplin, Röschti und hochnäsige Primaballerinen. Text und Foto: Dominique Zahnd <strong>Regio</strong> <strong>aktuell</strong>: Sie waren in Ihrer Heimat Japan schon als Teenager ein gefeierter Star. Wie kam es dazu? Ayako Nakano: Mit dem Ballett angefangen habe ich als 5-Jährige. Ich liebte es schon immer, auf der Bühne zu stehen. Nach dem Sieg bei etlichen Wettbewerben in meiner Heimat machte mich mein Lehrer auf zden Prix de Lausanne aufmerksam. Dieser Event hat weltweit ein grosses Renommee. Also sind wir in die Schweiz geflogen. …wo Sie ein Stipendium an der Royal Ballet School in London gewannen. Genau. Ich war damals 15. Bei meiner Rückkehr nach Japan wurde ich von Journalisten bestürmt und von einer Fernsehshow in die nächste eingeladen. Die Aufmerksamkeit war unglaublich. Ein halbes Jahr später trat ich mein Stipendium an und zog nach London. Meine Mutter blieb die ersten Tage noch bei mir – dann war ich auf mich alleine angewiesen. So jung in einer fremden Stadt. Wie haben Sie das verkraftet? Schlecht, ich weinte wochenlang. Ich vermisste meine Familie. Damals gab es leider noch keinen Video-Chat. Man konnte nur telefonieren – was unglaublich teuer war – oder Briefe schreiben. Die Sprachprobleme und der Kulturschock haben die Situation noch zusätzlich erschwert, denn Japan ist total anders als England. Ausserdem machten mir die Tänzer der Royal Ballet School das Leben schwer: Sie waren sehr hochnäsig. Was hält Ihre Familie von Ihrem Job? Sie hat mich von Anfang an unterstützt. Wenn ich glücklich bin, ist sie es auch. Von London ging es weiter nach Zürich. Wieso gerade dorthin? Als Mitglied der Royal Ballet School wirst du von den berühmtesten Ballett-Direktoren der Welt beobachtet. Zürich hat mir einen Vertrag angeboten, also bin ich 1996 wieder in die Schweiz gereist und habe zwei Jahre am Opernhaus getanzt. Mittlerweile arbeiten Sie seit 11 Jahren in Basel. Wenn Sie Basel mit Zürich vergleichen: Wo liegen für Sie die grössten Unterschiede? Ich schätze Basel mehr, weil es nicht so hek- tisch ist wie Zürich. Ich empfinde die Basler auch als entspannter und weltoffener. Die Stadt ist voller kreativer Künstler. Was gibt Ihnen das Ballett? Auf der Bühne verwandle ich mich. Dort zeige ich Seiten von mir, die sonst nirgends zum Vorschein kommen. Im Scheinwerferlicht kann ich richtig ich selbst sein. Lampenfieber habe ich schon lange keines mehr, ich bin einfach hochkonzentriert und fokussiert. Welchen Tipp würden Sie einem Nachwuchstalent geben? Eine Ballerina zu sein ist kein einfacher Job. Man sieht sofort, wenn jemand nicht genug trainiert. Es braucht viel Disziplin. Man muss seine Gefühle über seinen Körper ausdrücken können. Dieses Talent muss einem bis zu einem gewissen Grad gegeben sein. Wenn die Leute dich auf der Bühne sehen, musst du ihnen ein Stück deines Herzens geben. Wie lange kann man Ballett aktiv tanzen? Ich bin 35, bei mir neigt es sich langsam dem Ende zu. Darum versuche ich das Ganze um so mehr zu geniessen. Manche tanzen bis sie 40 sind. Es kommt ganz darauf an, wie sehr man zu seinem Körper Sorge trägt. Gesund zu essen ist elementar. Aktuell spielen Sie in «The Fairy Queen» die Hauptrolle. Wieso gerade Sie? Ich wurde für diese Rolle vom Chef-Choreographen Richard Wherlock ausgewählt. Er sagte, du bist The Fairy Queen. Für ihn als Choreograph war meine Wahl von Anfang an ganz klar. Es heisst, Sie seien die Muse des Ballettdirektors… Ich habe volles Vertrauen in ihn. Die Kommunikation zwischen uns fliesst einfach. Ihr Job ist sehr fordernd. Wie entspannen Sie sich in Ihrer Freizeit? In erster Linie kümmere ich mich um mein Kind. Meine Tochter ist jetzt 5 Jahre alt. Sie heisst Miyabi. Zu Zeiten der Samurai benutzte man dieses Wort, wenn jemand etwas Schönes, zum Beispiel ein Bild, erschaffen hat. Ansonsten interessiere ich mich für Kosmetik, mache gerne mal einen Schaufensterbummel oder spaziere durch Lebensmittelabteilungen und lasse mich dort fürs Abendessen inspirieren. Ich koche sehr gerne, das ist ein Hobby von mir. Auch typisch schweizerische Gerichte? Ich liebe Fondue, Raclette, Röschti und Kalbsgeschnetzeltes. Ich esse gern und das Thema Ernährung ist für mich sehr wichtig. Welches sind Ihre Lieblingsbars in Basel? Ich gehe wenig aus. Wenn doch, dann für einen Apéritif ins Acqua oder ins Irish Pub. Alternativ geniesse ich nach einem anstrengenden Tag ab und zu auch mal ein Glas Wein zu Hause. Als Europäer kennt man vor allem Klischees über Japaner. Welche treffen zu? Die Mentalitäten sind nicht so weit auseinander. Was sicher zutrifft, ist, dass man in Japan überhöflich ist. Ich habe mich zwar angepasst, gebe mich aber in der Regel immer noch sehr bescheiden und höflich. Im Gegenzug: Was amüsiert Sie an den Schweizern? Dass alle ihre Ruhe nach 21 Uhr wollen. Das merkt man besonders am Abend, wenn man noch Wäsche waschen will. Egal, wo ich bisher gewohnt habe, es gab immer eine Person, die da sehr strikt auf die Hausordnung geachtet hat. ■ Persönlich Ayako Nakano wurde in Tokio geboren und dort als Balletttänzerin ausgebildet. 1992 gewann sie den Prize Scholarship Prix de Lausanne. Danach besuchte sie die Royal Ballet School London. Weitere Stationen ihrer Karriere waren das Opernhaus in Köln und Engagements bei Companys in Holland, Saarbrücken und Berlin. Dort traf sie auch Richard Wherlock. Für ihn tanzt sie seit 1999. Sie ist die dienstälteste Ballerina des Theater Basel. Nakano ist derzeit in der Inszenierung «The Fairy Queen» zu sehen. Nähere Informationen zu Spielzeiten und Tickets unter www.theater-basel.ch TITELSTORY 2/2012 ■ www.regio<strong>aktuell</strong>.com 9