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<strong>DE</strong>UTSCHLAND, € 2,50<br />
OKTOBER <strong>2020</strong><br />
ABSEITS <strong>DE</strong>S ALLTÄGLICHEN<br />
VLADIK<br />
SCHOLZ<br />
WIE <strong>DE</strong>R<br />
TOP-SKATER<br />
ZUR STIL-IKONE<br />
WUR<strong>DE</strong><br />
ANNE<br />
MUNITION<br />
WIE DIE<br />
E-GAMERIN<br />
GEGEN<br />
CYBER-MOBBING<br />
KÄMPFT<br />
DANIEL<br />
BRÜHL<br />
Wie er seinen<br />
inneren Kritiker<br />
in einen Fan<br />
verwandelt<br />
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GETREDBULLETIN.COM
MANY PATHS. ONE TRAIL.<br />
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E D I T O R I A L<br />
WILLKOMMEN<br />
DAS MACHT<br />
FREU<strong>DE</strong>!<br />
RASANTE<br />
FREUNDSCHAFT<br />
<strong>Red</strong> Bull Racing-<br />
Motorsport-Chef<br />
Helmut Marko (re.)<br />
erinnert sich an seine<br />
wilden Jahre mit der<br />
Rennsport-Legende<br />
Jochen Rindt.<br />
Ab Seite 70<br />
Mit großen Aufgaben sei es ein wenig so wie mit dem<br />
Achterbahnfahren, erklärt Filmstar Daniel Brühl, 44,<br />
in unserer Coverstory. Erst freust du dich, kurz vorher<br />
setzt die Aufregung ein, und einmal<br />
in voller Fahrt, kommt die Freude<br />
wieder raus. Bezogen auf einschüchternde<br />
Herausforderungen,<br />
in seinem Fall etwa Hollywood-<br />
Produktionen, hat Brühl gelernt:<br />
„Allein das Wissen, dass sich die<br />
Nervosität legt und die Freude<br />
wieder rauskommt, hilft.“ Wie es<br />
ihm sonst gelingt, die manchmal<br />
ziemlich laute Stimme seines<br />
inneren Kritikers herunterzupegeln, liest du ab Seite 40.<br />
Vladik Scholz, 32, wiederum baute vor allem durch<br />
seinen Sport Selbstvertrauen auf. Ab Seite 58 liest du,<br />
wie der Profi-Skateboarder zum Stil-Vorreiter wurde,<br />
der mittlerweile sogar seine Outfits selbst näht.<br />
Viel Spaß mit der<br />
neuen Ausgabe von<br />
<strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong>!<br />
AUF EINEN SPRUNG<br />
AM WOLFGANGSEE<br />
Normalerweise reitet Sebastian<br />
Steudtner Big Waves. Dank<br />
Hydrofoiling entdeckt er nun auch<br />
ruhigere Gewässer für sich. Ab Seite 22<br />
ANNE WAAK<br />
Die Berliner Autorin<br />
(u. a. „Die Welt“)<br />
schreibt viel über Stil.<br />
Für uns besuchte sie<br />
den nähenden Skateboarder<br />
Vladik Scholz<br />
in Köln. Ab Seite 58<br />
„Meine<br />
wichtigste<br />
Erkenntnis:<br />
Du musst<br />
an deine Idee<br />
glauben.“<br />
Filmer Louis Josek<br />
über sein Jamaika-<br />
Projekt. Ab Seite 66<br />
JOSH SHINNER/TRUNK ARCHIVE (COVER), PRIVATARCHIV, KONSTANTIN REYER, CHRISTIAN WERNER<br />
4 THE RED BULLETIN
GO<br />
ADVENTURE<br />
Foto: R. Schedl<br />
Gezeigte Fahrszenen bitte nicht nachahmen, Schutzkleidung tragen und die anwendbaren Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung beachten!<br />
Die abgebildeten Fahrzeuge können in einzelnen Details vom Serienmodell abweichen und zeigen teilweise Sonderausstattung gegen Mehrpreis.<br />
KTM 390 ADVENTURE<br />
MEHR ABENTEUER<br />
Jeden Tag ein neues Abenteuer für alle Erlebnishungrigen<br />
unter uns. Die KTM 390 ADVENTURE: Entdecke die<br />
KTM-typische Sportlichkeit und die bewährte Leistung,<br />
die in dieser neuen, kompakten 1-Zylinder-Reiseenduro<br />
stecken. Vielseitige Ergonomie, eine geschmeidige<br />
Leistungsentfaltung und innovative Technologie in einer<br />
komfortablen, leichten Maschine vereint – für alle, die<br />
mehr Abenteuer in ihren Alltag integrieren wollen.
INHALT<br />
<strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong><br />
im Oktober <strong>2020</strong><br />
COVERSTORY<br />
44 FREU<strong>DE</strong> AM SPIEL<br />
Filmstar Daniel Brühl erklärt,<br />
wie ihm die Balance zwischen<br />
Perfektionismus und<br />
Los lassen gelingt.<br />
ABENTEUER<br />
22 ALLES IM FLUSS<br />
Außergewöhnliche Wassersportler<br />
aus der ganzen Welt<br />
zeigen uns ihre Tricks.<br />
TV-SERIEN<br />
36 MEIN GUTES LEBEN<br />
Schauspielerin Jessica<br />
Schwarz verrät ihr Rezept<br />
für mehr Zufriedenheit.<br />
REISEN<br />
40 DIE WELTENBUMMLERIN<br />
Bloggerin Jessica Nabongo<br />
will dem organisierten Reisen<br />
neue Ziele eröffnen.<br />
SURFEN<br />
42 ERFOLGSWELLENREITER<br />
Wie ein Salzburger mit seinen<br />
hochwertigen Holzboards<br />
die Surfwelt begeistert.<br />
GAMING<br />
52 TRIUMPH <strong>DE</strong>S GUTEN<br />
Gaming-Streamerin Anne<br />
Munition erklärt ihre Strategie<br />
gegen Cyber-Mobbing.<br />
8 GALLERY<br />
14 ZAHLEN, BITTE!<br />
16 PLAYLIST<br />
18 FUNDSTÜCK<br />
20 CLUB <strong>DE</strong>R TOTEN <strong>DE</strong>NKER<br />
50 INNOVATOR<br />
SKATEBOAR<strong>DE</strong>N<br />
58 TRICKS MIT STYLE<br />
Zu Besuch bei Vladik Scholz,<br />
Deutschlands stilsicherstem<br />
Skateboard-Profi.<br />
DOKU<br />
66 INSI<strong>DE</strong> JAMAIKA<br />
Filmer Louis Josek über seine<br />
Zeit mit Karibik-Pionieren<br />
im Surfen, Skaten & Rappen.<br />
MOTORSPORT<br />
70 ASPHALT-JAHRE<br />
<strong>Red</strong> Bull Racing- Motorsport-<br />
Chef Helmut Marko über seine<br />
wilde Zeit mit Jochen Rindt.<br />
GUI<strong>DE</strong><br />
Tipps für ein Leben<br />
abseits des Alltäglichen<br />
77 TRAVEL. Benny Karl über den<br />
<strong>Red</strong> Bull Dolomitenmann in Osttirol<br />
81 OUTDOOR. Wie der Schuh Merrell<br />
MQM das Wandern verändert<br />
82 FITNESS. Eine Brille revolutioniert<br />
das Koordinationstraining.<br />
84 GAMING. Die stoischen Weisheiten<br />
aus dem Spiel „<strong>The</strong> Last of Us 2“<br />
86 LESESTOFF. Lee Child und<br />
sein Einzelkämpfer Jack Reacher<br />
88 MOUNTAINBIKEN. Kauftipps<br />
für die neuen Vollvisierhelme<br />
90 KALEN<strong>DE</strong>R. Was du in diesen<br />
Wochen nicht verpassen solltest.<br />
92 AUTOS. Bei diesen Neuheiten<br />
steht der Spaß im Vordergrund.<br />
96 IMPRESSUM<br />
98 PERFEKTER ABGANG<br />
22<br />
IM TUNNEL Wie Top-Athleten die Kraft des<br />
Wassers auf unterschiedlichste Art nutzen<br />
36<br />
IM GLEICHGEWICHT Wie Schauspielerin<br />
Jessica Schwarz ein gutes Leben gelingt<br />
52<br />
IM NETZ Wie die US-Gaming-Streamerin<br />
Anne Munition ihre Mobber entwaffnet<br />
BEN THOUARD/RED BULL CONTENT POOL, ELENA ZAUCKE, JOSH CAMPELL, CHRISTOPH VOY<br />
6 THE RED BULLETIN
58<br />
IM GLEIT-MODUS<br />
Wie Skateboard-Profi Vladik<br />
Scholz seinen Stil fand<br />
und warum er seine Kleidung<br />
selbst näht<br />
THE RED BULLETIN 7
MOJAVE-WÜSTE,<br />
KALIFORNIEN, USA<br />
Wüster<br />
Sprung<br />
Der Stunt geht so: Bradley „Slums“<br />
O’Neill nimmt mit seinem Motorrad<br />
mächtig Anlauf und rast eine Düne<br />
hinauf. Ganz oben hebt er ab und fliegt<br />
in hohem Bogen ins Nichts. Aber die<br />
Geschichte geht trotzdem gut aus,<br />
weil Slums zwei Fallschirme hat –<br />
einen für sein Bike und einen für sich.<br />
Moto-BASE-Jumping nennt er das. Der<br />
Amerikaner ist weltweit der Einzige,<br />
der sich so was traut. Fotograf Chris<br />
Tedesco, der das Manöver festhielt,<br />
wird heute noch schwindlig, wenn er<br />
an die Aktion denkt: „Wir hatten da<br />
draußen kein Handynetz und waren<br />
Stunden von der Zivilisation entfernt.“<br />
bradleyslums.com
CHRIS TE<strong>DE</strong>SCO/RED BULL ILLUME<br />
9
RIESENGEBIRGE,<br />
TSCHECHIEN<br />
Sie sind<br />
so frei<br />
Hier sehen wir das Flying Bulls Aerobatics<br />
Team beim Training über dem<br />
Riesengebirge an der tschechischpolnischen<br />
Grenze. Die in Tschechien<br />
beheimatete Truppe gilt als eine der<br />
besten Kunstflugstaffeln der Welt. Ihre<br />
Flugzeuge vom Typ XtremeAir XA42<br />
sind so sensibel, dass sie auf Kleinstbewegungen<br />
des Handgelenks reagieren.<br />
Einerseits sorgt das da oben<br />
für das Gefühl unendlicher Freiheit.<br />
Andererseits erfordert es beim Formationsflug<br />
eine ziemlich ruhige Hand.<br />
flyingbulls.at; Instagram: @danvojtech
DANIEL VOJTECH/RED BULL CONTENT POOL<br />
11
MATTEO PAVANA/RED BULL ILLUME
CASTELMEZZANO,<br />
ITALIEN<br />
Hochgefühl<br />
Der Südtiroler Highliner Benjamin<br />
Kofler, 31, ist dafür bekannt, seine<br />
Lines immer an malerischen Orten zu<br />
spannen – vom Kirchturm in Meran<br />
bis zum Eisberg in Grönland. Diesmal<br />
fiel die Wahl auf das süditalienische<br />
Dorf Castelmezzano. Prompt bildete<br />
sich auf der Piazza Emilio Caizzo<br />
unter dem Seiltänzer eine Menschentraube,<br />
die die Köpfe nach oben reckte<br />
und die Luft anhielt. „Eine Dame am<br />
Rand des Platzes“, erinnert sich Fotograf<br />
Matteo Pavana, „rief laut aus:<br />
Oh mein Gott, ich kann gar nicht hinschauen!“<br />
Was schade gewesen wäre.<br />
theverticaleye.com<br />
13
Z A H L E N , B I T T E !<br />
HOCH DIE TASSEN!<br />
Der Zauber von Woz<br />
Am 11. August feierte Apple-Mitgründer Steve Wozniak seinen 70. Geburtstag.<br />
Dass „Woz“ weit mehr ist als ein Computer-Pionier, zeigen die Zahlen:<br />
Segway-Polo-Spieler, Tetris-Rekordhalter – und unabsichtlicher „Satanist“.<br />
546.145<br />
Punkte brachten ihm 1991 den<br />
Tetris-Rekord. Woz hatte die Highscore-Liste<br />
des Nintendo-Magazins<br />
zu oft dominiert (er war auf dessen<br />
schwarzer Liste), sodass er den<br />
Rekord als Evets Kainzow (rückwärts<br />
lesen!) einreichen musste.<br />
13<br />
Jahre alt war Woz, als er seinen<br />
ersten Wissenschaftswettbewerb<br />
gewann. Seine Siegerarbeit:<br />
ein selbst gebauter Taschenrechner.<br />
1981<br />
schrieb er sich als „Rocky Raccoon Clark“<br />
(Woz war schon damals prominent)<br />
an der Uni ein. Dieser Name steht auch<br />
auf seinem Diplom.<br />
11<br />
Ehrendoktortitel wurden Woz<br />
im Lauf seiner Karriere verliehen.<br />
4.136.359<br />
lautet die Patentnummer,<br />
die ihm einen Platz in der<br />
National Inventors Hall of<br />
Fame bescherte. Als Erfinder<br />
der PCs Apple I und II.<br />
2<br />
Jahre nachdem er Apple 1985<br />
verlassen hatte, erfand er die<br />
Universalfernbedienung: CORE.<br />
1300<br />
Dollar betrug Apples Startkapital.<br />
Um an das Geld zu kommen,<br />
versetzte Steve Jobs seinen VW Bulli,<br />
Woz seinen Taschenrechner HP-65.<br />
2:2<br />
endete 2006 das erste Segway-<br />
Polo‐Weltcup-Finale (Woz-Cup)<br />
zwischen Silicon Valley und Auckland.<br />
Namensgeber Woz ist selbst<br />
Segway-Polo-Spieler.<br />
34.441.873<br />
Dollar spielte die Filmbiografie „Steve Jobs“ ein.<br />
Woz, im Film verkörpert von Seth Rogen, stand<br />
Regisseur Danny Boyle als Berater zur Seite.<br />
200<br />
Dollar Monatslohn erhält er heute<br />
von Apple. Eine symbolische Geste:<br />
Multimillionär ist er seit dem<br />
Apple-Börsengang 1980.<br />
666,66<br />
Dollar kostete der erste Apple-PC.<br />
„Ich mag Zahlenspielereien.<br />
Die satanistische Komponente<br />
fiel uns erst später auf“, so Woz.<br />
180<br />
Woz Way in San Jose ist die Adresse<br />
des Children’s Discovery Museum,<br />
eines der besten Wissenschaftszentren<br />
der Welt. Nach dem Stifter<br />
ist auch die Straße benannt.<br />
GETTY IMAGES FLORIAN OBKIRCHER CLAUDIA MEITERT<br />
14 THE RED BULLETIN
POC<br />
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SKIP MARLEY<br />
Opa hat<br />
die Welt<br />
verändert<br />
Reggae-Ikone Bob Marley wäre<br />
heuer 75 Jahre alt geworden.<br />
Sein Enkel Skip, 24, nennt vier<br />
unverzichtbare Songs aus<br />
dem Werk seines Großvaters.<br />
Wie viele Mitglieder seiner Familie<br />
hat Skip Marley eine Musikerkarriere<br />
eingeschlagen. 2015 tauchte<br />
der jamaikanische Singer-Songwriter<br />
erstmals in der Szene auf,<br />
mit den Singles „That’s Not True“<br />
und „Slow Down“ kehrte er im Vorjahr<br />
ins Rampenlicht zurück. Skips<br />
Großvater, der 1981 im Alter von<br />
nur 36 Jahren verstorbene Reggae-<br />
Titan Bob Marley, wäre dieses Jahr<br />
75 geworden. Der 24-Jährige weiß,<br />
wie prägend die Musik seines Opas<br />
war. „Sie hat die Menschen verändert.<br />
Seine Entschlossenheit hat<br />
die Welt inspiriert, nicht zuletzt<br />
mich und meine Musik.“ Wir haben<br />
Skip Marley nach seinen vier Lieblings-Bob-Marley-Songs<br />
gefragt.<br />
Jetzt erhältlich: Skip Marleys<br />
neue Single „Make Me Feel“<br />
mit Rick Ross und Ari Lennox<br />
Natty Dread (aus dem Album<br />
Natty Dread, 1974)<br />
„Mein Großvater hat mein<br />
Leben und mein Denken geprägt.<br />
Er hat mich auf eine<br />
Mission geschickt, deshalb<br />
mag ich ‚Natty Dread‘ so gern.<br />
Dieser Song ist wie eine Hymne<br />
für Rastas: ‚Egal was die Welt<br />
sagt, wir kommen nie vom<br />
rechten Weg ab.‘ Immer,<br />
wenn ich das höre, bestätigt<br />
es mich in meiner Mission.“<br />
Revolution (ebenfalls aus dem<br />
Album Natty Dread)<br />
„Wir machen mit der ‚Black<br />
Lives Matter‘-Bewegung gerade<br />
eine Revolution durch.<br />
Dieser Song ist hochaktuell,<br />
weil es darin um die Wahrheit<br />
geht. Er erinnert mich stets<br />
an das Feuer, das in meinem<br />
Großvater gelodert hat. Wir<br />
denken jeden Tag an ihn.<br />
Wir sind die Familie, wir leben<br />
die Liebe, wir sind er.“<br />
<strong>The</strong> Heathen (aus dem Album<br />
Exodus, 1977)<br />
„Mit diesem Song habe ich<br />
fast alles gelernt: Schlagzeug<br />
spielen, Gitarre, Klavier. ‚<strong>The</strong><br />
Heathen‘ zeigt den ungefilterten<br />
Kern der Kunst meines<br />
Opas. Leben heißt kämpfen –<br />
und im Moment sind wir mitten<br />
in einem Kampf. Da müssen<br />
wir stark bleiben und weitermachen<br />
und dem Allmächtigen<br />
unser Vertrauen schenken.“<br />
<strong>Red</strong>emption Song (aus dem<br />
Album Uprising, 1980)<br />
„‚Alte Piraten haben mich<br />
geraubt und an die Handelsschiffe<br />
verkauft‘: Es ist eine<br />
Geschichte von Überleben<br />
und Erlösung. Diese Hymne<br />
hat schlicht und ergreifend die<br />
Welt verändert. Eine meiner<br />
liebsten Kindheitserinnerungen<br />
ist, wie meine Familie und ich<br />
alle gemeinsam am Strand diesen<br />
Song gesungen haben.“<br />
JACK MCCAIN WILL LAVIN<br />
16 THE RED BULLETIN
Neu
F U N D S T Ü C K<br />
TOM HANKS’ „FILM-PARTNER“<br />
Mein Freund Wilson<br />
Zweckentfremdeter Volleyball, Requisite aus dem Film „Cast Away“, 2000<br />
Es ist auch schon wieder zwanzig Jahre her, dass ein Volleyball zum Hollywoodstar wurde.<br />
Im Film „Cast Away“, einer modernen Robinsonade, modelt ihn Hauptdarsteller Tom Hanks,<br />
um vor Einsamkeit nicht verrückt zu werden, zum Ansprechpartner um und nennt ihn<br />
– nach dem Hersteller – Wilson. Das legendäre Requisit schmückte nach seiner Film-Karriere<br />
das Büro von Tom Rothman, lange Jahre Vorstandsvorsitzender der Fox Filmed Entertainment.<br />
TOM SCHIERLITZ/TRUNK ARCHIVE, GETTY IMAGES<br />
18 THE RED BULLETIN
ALPHATAURI.COM
D E R C L U B D E R T O T E N D E N K E R<br />
JEAN-JACQUES ROUSSEAU<br />
Wie kann man heute eigentlich<br />
noch Urlaub machen?<br />
Die größten Denker aller Zeiten beantworten<br />
Fragen unserer Gegenwart, übermittelt<br />
durch den Philosophen Christoph Quarch.<br />
Diesmal: Jean-Jacques Rousseau erklärt,<br />
warum man am besten zu Fuß verreist.<br />
Très bien, meine Freunde, ich weiß, was euch<br />
umtreibt: Ihr scharrt wieder mit den Füßen.<br />
Es dürstet euch nach Reisen. Ihr wollt die Welt<br />
erkunden. Und dafür sind euch alle Mittel recht: Flugzeuge<br />
und Wohnmobile, Busse und Kreuzfahrtschiffe,<br />
Pkws und Eisenbahnen. Doch seit neuestem sind da<br />
diese Leute, die euch ins Gewissen reden und euch<br />
weismachen wollen, eure Reiselust sei nicht okay. Sie<br />
erzählen euch vom Klimawandel oder dem ökologischen<br />
Fußabdruck, den ihr zurücklasst. Sie verderben<br />
euch die Laune, o ihr Reiselustigen. Und als ob das<br />
nicht genügte, kommt dann auch noch<br />
dieses Virus und macht Fernreisen auf<br />
lange Sicht noch schwieriger. Oh, da<br />
seufzt ihr, meine Freunde, denn ihr<br />
seht eure Freiheit bedroht – und das<br />
wollt ihr nicht hinnehmen.<br />
Ich fühle mit euch, meine Freunde,<br />
war ich es doch, der einst die Freiheit<br />
in den höchsten Tönen pries – und der<br />
seine Stimme gegen alle jene erhob,<br />
die sie mit Füßen traten. „Der Mensch<br />
ist frei geboren, und überall liegt er in<br />
Ketten“: Das war mein Leitwort aus dem Jahre 1762,<br />
mit dem ich – ohne das zu wollen – die große Revolution<br />
einleitete. Wenn es einen Denker gibt, der<br />
euren Freiheitshunger teilt, dann bin ich das, meine<br />
Freunde. Aber, so muss ich euch dennoch fragen,<br />
wisst ihr eigentlich, was Freiheit ist?<br />
Da bin ich mir nicht ganz sicher. Denn ich hege den<br />
Verdacht, dass die Freiheit, die ihr für eure Reiselust<br />
in Anspruch nehmt, in Wahrheit keine Freiheit ist:<br />
dass ihr vielmehr Getriebene seid, die dem Irrsinn des<br />
alltäglichen Lebens entkommen wollen. Könnte es<br />
sein, dass ihr gar nicht auf Reisen seid, sondern auf<br />
der Flucht, wenn ihr eure Koffer packt und euch<br />
davonstehlt? Könnte es sein, dass ihr vor euch selbst<br />
flieht, ihr Ruhelosen – weil ihr euch durch euren<br />
Wohlstand, eure Technik, ja, auch eure „Bildung“<br />
„Könnte es<br />
sein, dass ihr<br />
gar nicht auf<br />
Reisen seid,<br />
sondern auf<br />
der Flucht?“<br />
von euch selbst entfremdet habt und nun nach einem<br />
besseren, gesünderen, natürlicheren Leben strebt?<br />
Um die Wahrheit zu sagen, mes amis charmants,<br />
ich bin mir sicher, dass es sich so verhält. Ich weiß,<br />
wovon ich rede. Ich war häufig auf der Flucht. Acht<br />
Jahre zog ich quer durch Europa, um den Verfolgungen<br />
zu entkommen, die ich mit meinen Schriften auf<br />
mich gezogen hatte. So dachte ich jedenfalls, bis ich<br />
begriff, dass es mir im Grunde nur darum ging, dieses<br />
elende bürgerliche Kleid abzuwerfen, diese falsche<br />
Maskerade des angepassten Intellektuellen und Familienvaters.<br />
Oh, wie mich das quälte. Ich, Jean-Jacques,<br />
wollte eintauchen in die Natur – zum Urmenschen<br />
werden, frei von allen ökonomischen und bürgerlichen<br />
Zwängen: ein Pilger auf dem Weg zu meinem<br />
wahren Selbst. „Man muss wissen, was sein soll, um<br />
das, was ist, recht beurteilen zu können“, schrieb ich<br />
einst. Und ich wusste, was sein soll: ein natürliches<br />
und individuelles Leben.<br />
Dahin aber, meine Freunde, kommt<br />
man nicht mit Flugzeugen oder Kreuzfahrtschiffen.<br />
Dahin kommt man nur<br />
auf Schusters Rappen. „Wer ans Ziel<br />
kommen will, kann mit der Postkutsche<br />
fahren, aber wer richtig reisen will, soll<br />
zu Fuß gehen“ – das ist mein Motto für<br />
gute Reisen. Und glaubt mir, ich habe<br />
es häufig erprobt, wenn ich quer durch<br />
Europa zog. Immer kam ich mir selbst<br />
am nächsten, wenn ich durch die Natur<br />
wandelte und die Städte hinter mir<br />
gelassen hatte. Von mir aus könnt ihr das auch mit dem<br />
Fahrrad machen, aber langsam – und ohne Motor.<br />
Nicht, weil ich ein Öko wäre, sondern weil ich möchte,<br />
dass ihr eure Ketten sprengt: die Ketten der Konsumzwänge,<br />
die ihr euch selber auferlegt. Macht euch frei<br />
davon, jetzt ist die Zeit dazu. Brecht aus aus dem Gefängnis<br />
eurer Konventionen! Bon voyage!<br />
JEAN-JACQUES ROUSSEAU (1712–1778)<br />
war ein Denker, an dem sich die Geister schieden. Die einen verehrten<br />
ihn als „Deuter des Lebens“ und „Helfer der Wahrheit“,<br />
die anderen verbrannten seine Bücher. Tatsächlich war er eine<br />
schillernde Figur; ein Autor, der in seinem pädagogischen Roman<br />
„Émile“ für eine ganzheitliche Erziehung des Menschen votierte,<br />
seine eigenen fünf Kinder aber ins Findelhaus gab, der die bürgerliche<br />
Freiheit schätzte und allen bürgerlichen Konventionen entkommen<br />
wollte. Kein Wunder, dass er überall aneckte und zuletzt<br />
sein Heil in einem zurückgezogenen und isolierten Leben suchte.<br />
DR. CHRISTOPH QUARCH BENE ROHLMANN<br />
20 THE RED BULLETIN
JEAN-JACQUES ROUSSEAU (1712–1778)<br />
Schweizerisch-französischer Denker, Pilger auf dem Weg<br />
zu sich selbst und ein „früher Öko-Tourist“ – sein Ziel:<br />
ein natürliches Leben zu führen.<br />
THE RED BULLETIN 21
WASSERKRAFT<br />
Einmal abgesehen davon, dass es die Voraussetzung für<br />
alles Leben auf diesem Planeten ist: Wasser ist auch<br />
die Grundlage für Spaß, Top-Leistungen und Happy Ends.<br />
Hier sind acht MEISTER IHRES SPORTS in ihrem Element.<br />
Text ANDREAS WOLLINGER
„Wann immer Sebastian<br />
mit Wasser in Berührung<br />
kommt, lächelt er glücklich<br />
und zeigt auch eine<br />
unfassbare Ausdauer.“<br />
Konstantin Reyer,<br />
Fotograf<br />
KONSTANTIN REYER<br />
SEBASTIAN STEUDTNER<br />
Wolfgangsee, Österreich<br />
An sich ist Steudtner, 35, dafür<br />
bekannt, mehr als 20 Meter hohe<br />
Riesenwellen im Ozean zu surfen.<br />
In seiner Heimat Oberösterreich<br />
versucht er sich einmal an einer<br />
anderen Disziplin – dem extrem<br />
angesagten Hydrofoil-Surfen: Ab<br />
einem bestimmten Tempo erhebt<br />
sich das Board aus dem Wasser,<br />
um dann auf einem Tragflügel fast<br />
widerstandsfrei dahinzuschweben.<br />
Instagram: @sebastiansurfs<br />
23
ZUZANA VRÁBLOVÁ<br />
Lençóis Maranhenses, Brasilien<br />
Spektakulärer kann Wasser kaum<br />
auftreten: In Brasiliens einziger Wüste<br />
im Bundesstaat Maranhão bilden sich<br />
zwischen den Dünen in der Regenzeit<br />
kleine Seen. Für Zuzana Vráblová, 30,<br />
mehrfache Wakeskate-Weltmeisterin<br />
aus der Slowakei, ein würdiger Rahmen<br />
für ihre Tricks, zumal im Licht eines<br />
epischen Sonnenuntergangs.<br />
Instagram: @zuzanavrablova<br />
DANIEL <strong>DE</strong>AK BARDOS/RED BULL CONTENT POOL<br />
24
„Seit ich diese Location<br />
das erste Mal gesehen<br />
hatte, bekam ich sie<br />
nicht mehr aus dem Kopf.<br />
Wasser in der Wüste –<br />
das sieht unwirklich aus.“<br />
Zuzana Vráblová,<br />
mehrfache Wakeskate-Weltmeisterin
LEO FRANCIS/RED BULL CONTENT POOL<br />
TOM BRIDGE<br />
Devon, Großbritannien<br />
Körperhaltung, Gesichtsausdruck,<br />
Dynamik der Bewegung: Hier ist<br />
einer erkennbar in seinem Element.<br />
Das ist bei Tom Bridge, 19, quasi<br />
angeboren: Mama Steph ist fünffache<br />
Weltmeisterin im Kitesurfen.<br />
Tom ist bereits mehrmaliger<br />
Junioren-Weltmeister, es scheint<br />
nur noch eine Frage der Zeit, bis er<br />
auch bei den Großen den Titel holt.<br />
Und was machen seine älteren<br />
Brüder Olly und Guy? Erraten!<br />
Instagram: @tom_rocco_bridge<br />
27
KSENIA MARICHEVA<br />
Moskau, Russland<br />
Moment: Irgendetwas stimmt<br />
bei diesem Bild nicht. Wie ist die<br />
amtierende russische Skateboard-<br />
Meisterin Ksenia Maricheva, 18,<br />
aufs Wasser gekommen? Nun,<br />
wenige Zentimeter unter der<br />
Wasseroberfläche befindet sich<br />
eine Plattform. Fotograf Denis Klero<br />
musste also nur warten, bis das<br />
Board in der Luft war – schon sieht<br />
das Ganze nach einem Wunder aus.<br />
Instagram: @maricheva_ksenia
„Liam ist auf dem Board<br />
gestanden, seit er drei Jahre<br />
alt war. Er hat vielleicht<br />
mehr Talent, als ich je hatte.“<br />
Bjørn Dunkerbeck,<br />
42-facher Windsurf-Champion<br />
<strong>DE</strong>NIS KLERO/RED BULL CONTENT POOL, GINEZ DIAS/RED BULL CONTENT POOL<br />
LIAM DUNKERBECK<br />
Gran Canaria, Spanien<br />
Der Nachname ist ein Begriff, seit<br />
das Windsurfen in den Siebzigerjahren<br />
erfunden wurde. Kunststück:<br />
Der Däne Bjørn Dunkerbeck, 51,<br />
ist 42-facher Champion. Sein<br />
Sohn Liam, 16, will nun ebenfalls<br />
hoch hinaus. So, wie es aussieht,<br />
wird er dafür sorgen, dass der Name<br />
Dunkerbeck in der Szene noch<br />
lange besonderen Klang hat.<br />
Instagram: @liamdm11<br />
THE RED BULLETIN 29
CARISSA MOORE<br />
Teahupoo, Tahiti<br />
Die Hawaiianerin Moore, 28, zählt<br />
zu den weiblichen Ikonen ihres<br />
Sports. Aufgewachsen am Waikiki<br />
Beach, dem Stadtstrand Honolulus,<br />
paddelte sie bereits im Alter von<br />
vier Jahren erstmals in die Wellen.<br />
Heute ist sie auf Weltklasse-Reviere<br />
spezialisiert, wie es sie vor Tahiti<br />
gibt – etwa in Teahupoo. Dieser<br />
Spot ist für seine kraftvollen<br />
Wellen berühmt, die zusätzlich<br />
bildschöne Hohlräume bilden.<br />
Instagram: @rissmoore10<br />
BEN THOUARD/RED BULL CONTENT POOL<br />
30
„Wir alle suchen nach etwas,<br />
das uns besonders macht.<br />
Wellenreiten ist meine Art,<br />
mich auszudrücken.“<br />
Carissa Moore,<br />
vierfache Surf-Weltmeisterin
JAN KASL/RED BULL CONTENT POOL<br />
VAVŘINEC HRADILEK<br />
Lake Tekapo, Neuseeland<br />
Wenn Wasser in Bewegung ist,<br />
kann es eine Menge unbändige<br />
Energie freisetzen. Einer, der mit<br />
dieser Naturgewalt besonders gut<br />
umgehen kann, ist der Tscheche<br />
Vavřinec „Vávra“ Hradilek, 33.<br />
Der dreifache Welt- und zweimalige<br />
Europameister gilt als<br />
„Wildwasser-Wunder“ – umso<br />
bemerkenswerter, zumal er<br />
seit Geburt an Asthma leidet.<br />
Instagram: @vavrinec_hradilek<br />
33
ULUALOHA NAPEAHI<br />
Oahu, Hawaii<br />
Die Welle hat ihren Reiter abgeworfen,<br />
was bei scharfkantigen<br />
Riffen unter Wasser mitunter<br />
lebens gefährlich sein kann. Vor allem<br />
hier: Die „Banzai Pipeline“ an<br />
der Nordküste von Oahu gilt als einer<br />
der gefährlichsten Spots der<br />
Welt. Hier stürzt der 23-jährige Hawaiianer<br />
Jimmy Ulualoha Napeahi,<br />
genannt „Uluboi“ – der 2013 schon<br />
einen Hai‐Angriff überlebte –, und<br />
blieb zum Glück ohne Verletzung.<br />
Instagram: @uluboi<br />
ZAK NOYLE/RED BULL CONTENT POOL<br />
34 THE RED BULLETIN
Copyright © <strong>2020</strong> MNA, Inc. All rights reserved.<br />
THE ENTIRE RI<strong>DE</strong> OUT,<br />
THERE WAS NEVER A SECOND THOUGHT.<br />
WHAT ARE YOU BUILDING FOR?<br />
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Jessica Schwarz<br />
„Ich will spüren,<br />
was wichtig<br />
für mich ist“<br />
Schmerz, Eis und Yoga: wie Netflix-Star Jessica Schwarz,<br />
43, den Mut fand, für ein gutes Leben zu kämpfen.<br />
Text RÜDIGER STURM<br />
Foto ELENA ZAUCKE<br />
Wie geht es weiter mit der Jessica-<br />
Schwarz-Wohlfühlstrategie?<br />
Zwei- bis dreimal die Woche treibe<br />
ich Sport, gehe joggen, reiten,<br />
schwimmen und mache Yoga- oder<br />
Pilates-Übungen. Es funktioniert<br />
jedes Mal, ich fühle mich direkt<br />
danach im Kopf frischer. Aber auch<br />
hier achte ich sehr darauf, nicht<br />
übers Ziel hinauszuschießen. Wenn<br />
ich mehr berufliche Termine habe<br />
oder mich lieber mit Freunden treffen<br />
will, lasse ich den Sport auch<br />
mal weg, ohne mich deswegen<br />
schlecht zu fühlen.<br />
Ein wenig sonderbar ist Jessica<br />
Schwarz’ Karriere schon. Seit knapp<br />
dreißig Jahren begleitet sie uns bereits,<br />
erst als Bravo-Girl 1993, dann<br />
als Model, als TV-Moderatorin und<br />
vor allem natürlich als Schauspielerin<br />
in Filmen und TV-Serien. Und<br />
obwohl sie seit so langer Zeit präsent<br />
ist, scheint sie sich kaum verändert<br />
zu haben. Während mancher Hollywoodstar<br />
permanent sein Image<br />
wechselt, wirkt Jessica Schwarz<br />
noch immer wie eine alte Bekannte,<br />
mit der man gerne ein Bier trinken<br />
gehen würde. Dabei hat sie in den<br />
letzten Jahren viel erlebt: Preise für<br />
ihre Rollen gewonnen, Trennungen<br />
überwunden, einen neuen Job als<br />
Hotelbetreiberin gestartet, ihren<br />
Vater verloren. Natürlich hat sie sich<br />
dabei weiterentwickelt, nur eben behutsam.<br />
Und dieser Weg scheint sich<br />
auszuzahlen: Jessica Schwarz wirkt,<br />
als wäre sie im Großen und Ganzen<br />
sehr einverstanden mit sich und der<br />
Welt. Wir wollten von ihr wissen,<br />
was genau ihr Rezept für ein gutes<br />
Leben ist.<br />
the red bulletin: Frau Schwarz,<br />
in der neuen Netflix-Serie „Biohackers“<br />
spielen Sie eine Wissenschaftlerin,<br />
die das Optimieren<br />
des menschlichen Körpers durch<br />
Technik auf die Spitze treibt.<br />
Könnte Biohacking auch Ihnen<br />
helfen?<br />
jessica schwarz: Ganz ehrlich,<br />
ich würde mir eher keine Technik<br />
unter die Haut pflanzen lassen, wie<br />
es die Serie zeigt. Schon allein deshalb<br />
nicht, weil ich so schlecht Blut<br />
sehen kann.<br />
Was tun Sie stattdessen, damit es<br />
Ihrem Körper gutgeht?<br />
Je besser ich mich ernähre, desto<br />
besser geht es mir. Deswegen vermeide<br />
ich Konservierungsstoffe,<br />
esse hauptsächlich frisches Gemüse,<br />
filtere mein Wasser und versuche<br />
nur Bio-Produkte zu kaufen. Für das<br />
eine oder andere Zipperlein habe<br />
ich auch einiges an Wissen über<br />
Arzneimittel, was vor allem daran<br />
liegt, dass meine Mutter früher in<br />
einer Apotheke gearbeitet hat.<br />
Klingt sehr vernünftig.<br />
Keine Sorge, ich trinke auch gerne<br />
mal ein Glas Wein und esse ein<br />
Stück Torte oder Eis. Das gehört<br />
zum Wohlbefinden dazu. Ich strebe<br />
keine völlige Enthaltsamkeit an, nur<br />
weil das vielleicht gut für meinen<br />
Körper wäre. Der Geist muss auch<br />
versorgt und milde gestimmt werden<br />
– zum Beispiel eben mit Genuss.<br />
Ärgern Sie sich nie über sich?<br />
Doch, doch. Letztes Jahr habe ich<br />
nach sieben Jahren leider wieder angefangen<br />
zu rauchen. Echt dämlich.<br />
Aber ich möchte unbedingt wieder<br />
aufhören.<br />
Ihre Figur in „Biohackers“ meint<br />
an einer Stelle, Glück bedeute<br />
für sie, immer neue Dinge auszuprobieren.<br />
Experimentieren Sie<br />
auch für Ihr Lebensglück?<br />
Ich würde es so ausdrücken: In<br />
den letzten Jahren stelle ich mir<br />
immer wieder bewusst die Frage,<br />
wo ich gerade im Leben stehe. Bin<br />
ich glücklich oder traurig, bin ich<br />
zufrieden oder frustriert? Wenn ich<br />
unglücklich bin, bin ich die einzige<br />
Person, die konkret etwas dagegen<br />
tun kann. Ich möchte mich aus problematischen<br />
Situationen befreien,<br />
das fordere ich von mir, und das<br />
ziehe ich auch durch.<br />
Wo haben Sie diese Konsequenz<br />
gelernt?<br />
Von meinen Eltern, sie haben mir<br />
diesen Charakterzug mit auf den<br />
Weg gegeben. Ich habe keine Angst<br />
vor Neuem und bin mutig, auch<br />
mal Schritte zu gehen, die wehtun<br />
können. Und dabei darf man auch<br />
Fehler machen.<br />
36 THE RED BULLETIN
„Bei Problemen<br />
überwinde ich<br />
mich schnell,<br />
darüber zu<br />
sprechen.“<br />
Dank ihrer anpackenden Art befreit<br />
sich Schwarz schnell aus Krisen.<br />
THE RED BULLETIN 37
Jessica Schwarz<br />
„Der Geist<br />
muss<br />
mit Genuss<br />
gnädig<br />
gestimmt<br />
werden.“<br />
Hier geht Schwarz ans Limit<br />
In „Biohackers“ treibt der Filmstar<br />
Selbstoptimierung auf die Spitze.<br />
Mit ein bisschen Genmanipulation könnten wir<br />
Menschen noch viel mehr erreichen: Mit dieser<br />
steilen <strong>The</strong>se experimentiert eine von Jessica<br />
Schwarz gespielte Forscherin an einer deutschen<br />
Uni mit ihren Probanden. Doch dabei kommt ihr<br />
eine Erstsemester-Studentin (Luna Wedler, re.) in<br />
die Quere, die den Tod ihres Bruders aufklären will.<br />
Sci-Fi-Serie, seit August auf Netflix<br />
Können Sie ein Beispiel nennen?<br />
Wenn ich in einer verfahrenen Situation<br />
feststecke, überwinde ich mich<br />
schnell dazu, mit Freunden, Familie<br />
oder auch Coaches und Psychologen<br />
darüber zu sprechen. Das hilft mir,<br />
Probleme zu verarbeiten und Lösungen<br />
zu finden. Außerdem ist es toll,<br />
zu spüren, dass die Menschen in<br />
meiner Nähe immer ein offenes Ohr<br />
für mich haben. Das kann ich nur<br />
allen Menschen wünschen und ans<br />
Herz legen.<br />
Wofür haben Sie Coaches schon<br />
um Rat gefragt?<br />
Als Schauspielerin hatte ich mit dem<br />
Hochstapler-Syndrom zu kämpfen.<br />
Das ist typisch für kreative, künstlerische<br />
Berufe und bedeutet in<br />
etwa, dass man fürchtet, man sei in<br />
Wahrheit überhaupt nicht für seinen<br />
Beruf geeignet und die Welt sei kurz<br />
davor, es rauszufinden. An diesem<br />
Komplex habe ich mit einem Coach<br />
gearbeitet.<br />
Was war sein Rat?<br />
Mich von der Vorstellung zu verabschieden,<br />
ich müsse jede Rolle<br />
nur aus meinem eigenen Gefühl<br />
heraus spielen. Stattdessen vertraue<br />
ich jetzt gerade in der Vorbereitung<br />
mehr auf bestimmte Schauspieltechniken.<br />
Dadurch fühle ich mich<br />
viel besser vorbereitet, wenn ich ans<br />
Set komme. Ich weiß, dass meine<br />
Figur steht und ich sie nicht allein<br />
erschaffen muss, sondern nur noch<br />
zu formen brauche. Auf diese Weise<br />
bin ich beim Drehstart viel weniger<br />
ängstlich und nervös.<br />
Hat Ihnen der Coach noch<br />
auf andere Weise geholfen?<br />
Ja, er hat mich ermutigt, meinen<br />
Weg bewusster in die eigene Hand<br />
zu nehmen und zum Beispiel keine<br />
Rollen zuzusagen, nur weil ich das<br />
Gefühl habe, ich müsste mal wieder<br />
„was machen“. Lieber warte ich<br />
ab, bis ein Projekt kommt, bei dem<br />
ich sage: Da stimmt alles – von der<br />
Besetzung über die Regie bis zu den<br />
Details der Figuren.<br />
In Ihrer persönlichen Entwicklung<br />
waren Sie auch mit privaten<br />
Schicksalsschlägen konfrontiert<br />
– wie dem Tod Ihres Vaters 2017.<br />
Wie hat Sie dieser Verlust geprägt?<br />
Auf so etwas kannst du dich nicht<br />
vorbereiten. Um so einen Verlust zu<br />
verarbeiten, musst du viel darüber<br />
sprechen und alle Gefühle zulassen.<br />
Dabei hilft mir, dass ich mich als<br />
Schauspielerin immer wieder mit<br />
solchen schwierigen <strong>The</strong>men aus<br />
einandersetzen muss. Wenn es um<br />
emotionale Schmerzen geht, bin ich<br />
wie ein Feuerwehrmann. Während<br />
alle aus dem brennenden Haus<br />
laufen, renne ich hinein. Die Alternative<br />
wäre, die Narben verschließen<br />
zu lassen. Doch ich lasse sie bewusst<br />
offen, um spüren zu können, was für<br />
mich als Mensch wichtig ist.<br />
Haben sich Ihre Prioritäten hier<br />
verschoben?<br />
Seit dieser Erfahrung versuche ich<br />
mehr denn je, jeden Augenblick<br />
bewusst zu erleben. Vor allem versuche<br />
ich mit meiner Zeit und mit<br />
den Menschen, die mir nahestehen,<br />
respektvoller umzugehen.<br />
Wie schaffen Sie das?<br />
Sehen Sie, ich liebe meinen Job,<br />
und ich will ihn bis an mein Lebensende<br />
ausüben. Aber ich will nicht<br />
365 Tage im Jahr arbeiten. Deswegen<br />
sage ich auch schon mal ein<br />
tolles Projekt ab, für das ich dann<br />
aber vielleicht zwei Monate unterwegs<br />
wäre. Schließlich könnte ich so<br />
lange keine Zeit mit den Menschen<br />
verbringen, die ich liebe. Ich könnte<br />
nicht mal eben kurz in den Urlaub<br />
fahren oder in den See springen und<br />
den Sommer genießen. Oder einfach<br />
aufwachen und richtig gut faul<br />
sein. Das sind aber alles Dinge, die<br />
mir wichtig geworden sind. Früher<br />
dachte ich, ich könnte doch noch<br />
viel mehr machen. Aber dieses Bedürfnis<br />
ist weg.<br />
Und wann wissen Sie, dass Sie<br />
wieder etwas anpacken wollen?<br />
Wenn mir das Schicksal ein Päckchen<br />
vor die Füße legt. Wenn es sich für<br />
mich richtig anfühlt, dann hebe ich<br />
das auf und packe es aus. Wenn es<br />
sich aber nicht richtig anfühlt, dann<br />
wird das Päckchen einfach weggegeben.<br />
NETFLIX<br />
38 THE RED BULLETIN
Jessica Nabongo<br />
Änderung<br />
der Reisepläne<br />
Sie hat alle Länder der Welt besucht und doch<br />
immer nur ein Ziel verfolgt: Jessica Nabongo, 36,<br />
will das Gesicht der Reiseindustrie verändern.<br />
Text JESSICA HOLLAND<br />
Foto ELTON AN<strong>DE</strong>RSON<br />
Seit letztem Oktober ist Jessica<br />
Nabongo die erste schwarze Frau<br />
der Geschichte, die jedes Land der<br />
Erde besucht hat. Die Seychellen,<br />
Nummer 195 auf ihrer Liste, bildeten<br />
den Abschluss einer zweieinhalbjährigen<br />
Expedition, die die 36-jährige<br />
Amerikanerin mit ugandischen<br />
Wurzeln quer über den gesamten<br />
Planeten führte – und auf der sie<br />
online 180.000 Follower begleiteten.<br />
Nabongos Instagram-Auftritt<br />
und Website dienen aber nicht nur<br />
der Präsentation ihrer Reisen. Ihre<br />
Arbeit soll auch typisch westliche<br />
Vorurteile sprengen, die nach wie<br />
vor bestimmen, welche Teile der<br />
Welt einen Besuch wert sind und<br />
welche nicht. Mit der Welttour und<br />
dem von ihr gegründeten Reisebüro<br />
Jet Black kämpft Nabongo gegen<br />
diese Ressentiments und für mehr<br />
Diversität in der weiß dominierten<br />
Reiseindustrie.<br />
the red bulletin: Wie bist du<br />
auf die Idee gekommen, jedes<br />
Land der Welt zu bereisen?<br />
jessica nabongo: Ich setzte mir<br />
dieses Ziel, als ich Anfang zwanzig<br />
war, 2017. Damals war ich schon in<br />
60 Ländern – ich habe mir dafür eine<br />
Frist bis zu meinem 35. Geburtstag<br />
gesetzt. Mit fünf Monaten Verspätung<br />
habe ich es dann geschafft.<br />
Und das als erste schwarze Frau<br />
der Geschichte. Warum war dir<br />
das so wichtig?<br />
Schwarze hatten nicht immer die<br />
gleichen Möglichkeiten zu reisen<br />
wie Weiße. Das liegt an der vielschichtigen<br />
Diskriminierung durch<br />
die Kolonialgeschichte, in manchen<br />
Ländern auch an innerstaatlichen<br />
Strukturen. Als ich mit amerikanischem<br />
und ugandischem Pass unterwegs<br />
war, hatte ich immer wieder<br />
Probleme. Da wurde mir klar, wie<br />
wichtig es mir ist, Grenzbeamten<br />
überall auf der Welt zu zeigen, dass<br />
hier die Inhaberin eines afrikanischen<br />
Passes aus rein touristischen<br />
Motiven unterwegs ist.<br />
Wie kam es zur Gründung deines<br />
eigenen Reisebüros?<br />
Ich habe Jet Black gegründet, um<br />
mehr Aufmerksamkeit auf Reisen in<br />
Afrika, Mittel- und Südamerika und<br />
der Karibik zu richten. In diesen Gegenden<br />
gibt es Orte, die perfekt für<br />
Tourismus sind, aber kaum Besucher<br />
haben – einfach weil sie niemand<br />
kennt. Alle wollen nach Paris, aber<br />
was ist mit Dakar, Accra, Lagos?<br />
Was war die wichtigste Lehre<br />
aus deinen Erlebnissen?<br />
Ich habe den Menschen in jedem<br />
Land eine Frage gestellt: „Was macht<br />
euch glücklich?“ Die Antwort war<br />
immer die gleiche: das Zusammensein<br />
mit ihren Lieben und das Wohlergehen<br />
ihrer Kinder. Unabhängig<br />
von Ethnie, Status, Geschlecht, Religion<br />
oder Nationalität sind wir alle<br />
einfach Menschen; es gibt nur sehr<br />
wenig, das uns trennt. Interessanterweise<br />
hat Covid-19 dieses Gefühl<br />
bestärkt. Weil es erkennen lässt, dass<br />
sich unser Handeln nicht nur auf<br />
unsere unmittelbaren Nachbarn auswirkt,<br />
sondern auf alle. Die ganze<br />
Welt ist unsere Nachbarschaft.<br />
Wie können wir uns die Neugier<br />
auf eine Welt erhalten, die wir<br />
aktuell nicht so ohne Weiteres<br />
erkunden dürfen?<br />
Wir haben jetzt die Gelegenheit,<br />
unsere eigene Umgebung zu erkunden.<br />
Ich kenne Kenianer, die jammern,<br />
dass sie mit ihrem Pass nicht<br />
weit kommen, also frage ich sie:<br />
„Wart ihr schon auf Lamu? In Mombasa?<br />
Am Mount Kenya?“ Es gibt so<br />
viel im eigenen Land zu entdecken.<br />
Zudem gibt es genug Möglich keiten,<br />
einen Ort zu erkunden, ohne physisch<br />
anwesend zu sein. Man kann<br />
sich Videos ansehen, darüber lesen.<br />
Und wenn man dann endlich hinreisen<br />
darf, ist man besser vorbereitet.<br />
Warum ist Reisen so wichtig?<br />
Weil wir dadurch aufhören, Pakistaner,<br />
Engländerinnen, Franzosen,<br />
Senegalesinnen und Ghanaer zu<br />
sehen – sondern den einzelnen Menschen<br />
dahinter. So entsteht nicht<br />
nur Toleranz, sondern auch Liebe,<br />
und unsere Menschlichkeit wächst.<br />
thecatchmeifyoucan.com<br />
Instagram: @thecatchmeifyoucan<br />
40 THE RED BULLETIN
„Alle wollen<br />
nach Paris,<br />
aber was ist<br />
mit Dakar<br />
oder Lagos?“<br />
THE RED BULLETIN 41
Willi Margreiter<br />
Auf dem<br />
Holzweg<br />
zum Erfolg<br />
Wie der Salzburger Willi<br />
Margreiter, 43, mit seinen<br />
Surfboards aus Holz die<br />
Ozeane erobert und dabei<br />
Inseldenken neu definiert.<br />
Text CHRISTIAN EBERLE-ABASOLO<br />
the red bulletin: Du bist Tischler<br />
in der dritten Generation. Gibt<br />
es in Grödig mehr Nachfrage nach<br />
Surfboards als nach Möbeln?<br />
willi margreiter: Die Möbel hat<br />
eh mein Vater gebaut (lacht). Mich<br />
haben aber immer schon Sportgeräte<br />
fasziniert. Nachdem ich einmal<br />
einen Gleitschirm geschenkt bekommen<br />
habe, wollte ich mit meinen<br />
Freunden ein Kiteboard dazu bauen.<br />
Woher wusstest du, wie man<br />
Boards baut?<br />
Wusste ich nicht. Aber ich habe<br />
analysiert, was es braucht: Statik,<br />
Stabilität, Wendigkeit. Ein Grundverständnis<br />
davon hatte ich durch<br />
meine Ausbildung (HTL für Holztechnologie<br />
und Architekturstudium;<br />
Anm.). Dann habe ich getüftelt und<br />
geschaut, wo ich Komponenten für<br />
das Board herbekomme. Und über<br />
die Monate ist aus meiner Idee ein<br />
Prototyp entstanden. Und aus einem<br />
Prototyp mehrere Sportgeräte.<br />
Wie kamen die Surfer auf dich?<br />
Seit 2010 gibt es eine stabile Welle<br />
im Salzburger Almkanal. Da übliche<br />
Boards an den Betonrändern dort<br />
leicht brechen, haben mich die<br />
Surfer gefragt, ob ich nicht etwas<br />
Stabileres bauen könne. Also habe<br />
ich mich an die Arbeit gemacht und<br />
bald erkannt, dass sich Holz gut<br />
dafür eignet – wenn man es richtig<br />
Das Gesicht hinter<br />
Wuux Surfboards:<br />
Shaper Wilhelm<br />
„Willi“ Margreiter<br />
bearbeitet. Bis zum aktuellen Design<br />
mit Holzummantelung hat es zwei<br />
Jahre gedauert. Diese Bauart ist<br />
weltweit einzigartig und war nur<br />
möglich, weil ich wie auf einer Insel<br />
auf mich allein gestellt war.<br />
Experten, die man konsultieren<br />
könnte, sind also ein Nachteil?<br />
Wenn man von allen abschauen und<br />
lernen kann, erreicht man relativ<br />
schnell ein hohes Niveau – auf dem<br />
sind die anderen aber schon. Man<br />
tut sich sehr schwer, aus ausgetretenen<br />
Pfaden auszubrechen und<br />
etwas Neues zu kreieren. Wenn in<br />
Portugal oder Frankreich ein Shaper<br />
beginnt, geht er in den nächsten<br />
Surfzubehör-Shop und kauft zehn<br />
Board-Rohlinge. Ich musste alles<br />
selbst machen. Dadurch hatte ich<br />
natürlich mehr Arbeit, konnte aber<br />
alles von Grund auf neu denken.<br />
Und jede Menge Fehler machen …<br />
Das gehört dazu. Von Beginn an. Wir<br />
bauen ein Board, wir testen es, wir<br />
Ex-Board-Schlager<br />
Seit 2014 stellt Willi Margreiter in<br />
Grödig unter dem Namen „Wuux<br />
Surfboards“ Surfbretter aus Holz<br />
her. Er wählt je nach Kundenwunsch<br />
aus 35 verschiedenen Holzarten,<br />
darunter schwere Hölzer wie Esche<br />
und Eiche. Möglich ist das durch<br />
eine spezielle Technik der Bearbeitung<br />
unter Beachtung von Luftdruck,<br />
Holzfeuchtigkeit und weiterer<br />
Parameter. Die Boards (ab ca. 1000<br />
Euro) werden individuell gefertigt<br />
und an Kunden von Spanien bis Hawaii<br />
geliefert. wuux-surfboards.com<br />
sehen, was nicht passt. Wir bauen<br />
das Board neu. So haben wir uns die<br />
letzten Jahre stets weiterentwickelt.<br />
Bis zur Perfektion?<br />
Nein. Perfektion gibt es nicht. Vor<br />
allem bei Holz. Unsere Kunden wissen,<br />
dass sie nichts Perfektes bekommen,<br />
dafür ein Board mit Charakter,<br />
mit Macken. Genau das schätzen sie.<br />
Mehr Naturtalente wie Willi findest du<br />
unter: organicsbyredbull.com/talent<br />
WUUX<br />
42 THE RED BULLETIN
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IM ZWEIFEL<br />
FÜR <strong>DE</strong>N ZWEIFEL<br />
Selbstkritik zieht<br />
Daniel Brühl der<br />
Selbstgefälligkeit vor.
„GROSSE<br />
AUFGABEN<br />
GENIESSE<br />
ICH<br />
BEWUSST“<br />
Mehr Spaß, weniger Selbstzerfleischung: Deutschlands Meister<br />
tiefgründiger Filmrollen DANIEL BRÜHL, 42, erklärt,<br />
wie er seinen inneren Kritiker in einen Unterstützer verwandelt.<br />
Interview RÜDIGER STURM<br />
Fotos JOSH SHINNER/TRUNK ARCHIVE<br />
THE RED BULLETIN 45
O<br />
Ob als fürsorglicher Sohn einer aus dem Koma<br />
erwachten Mutter in „Good Bye, Lenin!“, als<br />
Rennfahrer Niki Lauda in „Rush“ oder als kulturinteressierter<br />
Scharfschütze in Quentin Tarantinos<br />
„Inglourious Basterds“: Egal, welche Rolle Daniel<br />
Brühl spielt, mit seiner Präzision und seiner großen<br />
Ruhe verleiht er seinen Figuren eine faszinierende<br />
Tiefgründigkeit. Neben Tarantino hat das längst<br />
auch der Rest von Hollywood erkannt, deshalb<br />
durfte es Brühl unter anderem bereits im Marvel-<br />
Universum mit den Avengers aufnehmen.<br />
Aktuell spielt er im dritten Film des Agenten<br />
Franchise „<strong>The</strong> King’s Man – <strong>The</strong> Beginning“, sein<br />
Regiedebüt ist in Arbeit. Grund zur Freude hätte<br />
Brühl in den vergangenen Jahren also genug gehabt<br />
– doch in der Filmwelt eilt ihm ein anderer Ruf voraus:<br />
Er gilt als sein größter eigener Kritiker, manchmal<br />
sogar als überzogen verbissen. Muss, wer an die<br />
Spitze will, also wirklich gnadenlos mit sich selbst<br />
sein? Höchste Zeit für ein Gespräch.<br />
the red bulletin: Herr Brühl, stimmt es, dass<br />
Ihre Kollegin Dakota Fanning Sie während des<br />
Drehs der ersten Staffel der Netflix-Serie „<strong>The</strong><br />
Alienist“ zwischendurch „Negativus destructivus“<br />
genannt hat?<br />
daniel brühl: Das ist korrekt. Ich habe einen Hang<br />
zu gnadenloser Selbstkritik und kann sehr unzufrieden<br />
sein, was dann auch auf mein Umfeld abstrahlt.<br />
Abgesehen davon, dass Sie Ihre Kollegen<br />
runterziehen: Kann Selbstkritik nicht auch etwas<br />
Gesundes sein?<br />
Es ist mir auf jeden Fall lieber, einen Tacken mehr<br />
Selbstkritik zu üben, als sich zu toll zu feiern.<br />
Ich kenne einige Kandidaten, die Letzteres tun,<br />
und so etwas wäre mir sehr unangenehm.<br />
Dreh also nur zeitweise dabei. Sonst hätte es sicher<br />
mehr Möglichkeiten zum Nörgeln gegeben. Im<br />
Ernst, meine Haltung ist: Du musst versuchen, in<br />
deiner Rolle so viel wie möglich auszuprobieren und<br />
ihr deinen eigenen Stempel aufzudrücken, sonst<br />
macht es keine Freude. Damit das klappt, musst du<br />
gut vorbereitet sein, deine Leistung zeigen und alles<br />
aus dir rausholen.<br />
Klingt irgendwie nicht nach Spaß.<br />
Es ist eine schwierige Balance: Du darfst es eben<br />
auch nicht übertreiben mit der Selbstkritik, auch<br />
mit Blick auf das Team. Wenn ich als Schauspieler<br />
in einer kleinen Nebenrolle irren Perfektionismus<br />
raushängen lasse und mich so verhalte, als wäre ich<br />
die wichtigste Person am Set, ist das fehl am Platz.<br />
Das hält nur den Betrieb auf und nervt wahnsinnig.<br />
Passiert Ihnen das heute noch?<br />
Sagen wir mal so: Ich werde besser darin, das zu<br />
kaschieren und den Ball flacher zu halten. Und bei<br />
aller gesunden Selbstkritik brauchst du für diesen<br />
Job eines noch viel mehr: Spielfreude. Deswegen<br />
versuche ich auch, mich nie von der Größe einer<br />
Aufgabe einschüchtern zu lassen, sondern sie bewusst<br />
zu genießen.<br />
Wie schaffen Sie das?<br />
Ein wenig Übung gehört schon dazu. Das Gute ist:<br />
Die Freude steckt ohnehin in mir.<br />
Wie meinen Sie das?<br />
Das ist ein bisschen wie als Zwölfjähriger im Vergnügungspark:<br />
Erst freust du dich wahnsinnig<br />
Haben Sie diese Attitüde auch bei Ihrem aktuellen<br />
Film „<strong>The</strong> King’s Man – <strong>The</strong> Beginning“ eingebracht?<br />
Dazu hat mir ehrlich gesagt die Zeit gefehlt. Ich<br />
spiele in diesem Film eine Nebenfigur, war beim<br />
„ICH BEMÜHE MICH, DAS HIER UND JETZT BEWUSST<br />
WAHRZUNEHMEN. DAFÜR DREHE ICH <strong>DE</strong>N LAUTSTÄRKE-<br />
REGLER MEINER STIMMEN IM KOPF LEISER.“<br />
46 THE RED BULLETIN
„MEINE HALTUNG IST: DU MUSST VERSUCHEN, IN <strong>DE</strong>INER<br />
ROLLE SO VIEL WIE MÖGLICH AUSZUPROBIEREN<br />
UND IHR <strong>DE</strong>INEN EIGENEN STEMPEL AUFDRÜCKEN.“<br />
auf die Achterbahn, in der Schlange wird dir etwas<br />
mulmig, doch sobald die Fahrt dann losgeht, überwiegt<br />
wieder die Freude. So in etwa fühle ich mich<br />
auch bei großen Hollywood-Projekten wie „<strong>The</strong><br />
King’s Man“ oder den Marvel-Comicverfilmungen.<br />
Allein das Wissen, dass sich die Nervosität legt und<br />
die Freude wieder rauskommt, hilft.<br />
Was wirkt noch gegen die Aufregung?<br />
Ein Team, das darauf achtet. Gerade bei den<br />
Amerikanern und Engländern sorgen die Verantwortlichen<br />
von Anfang an für eine lockere, angstfreie<br />
Stimmung, in der du dich richtig willkommen fühlst.<br />
Da verschwindet die Nervosität quasi von allein.<br />
Machen Sie selbst auch Fortschritte in Sachen<br />
Entspannung?<br />
Zum Glück ja, das habe ich auch meiner Frau zu<br />
verdanken, sie ist Psychologin. Sie hat mir geholfen,<br />
mich nicht mehr in Denkschleifen zu verlieren,<br />
nach dem Motto „Hätte ich doch …!“. Ich mache mir<br />
heute bewusst, dass es reine Energieverschwendung<br />
ist, über abgeschlossene Sachen nachzugrübeln,<br />
und versuche, meine Aufmerksamkeit in die Zukunft<br />
zu lenken. Außerdem hat mir meine Frau<br />
beigebracht, achtsamer zu sein.<br />
Wie gelingt Ihnen das?<br />
Ich bemühe mich, das Hier und Jetzt bewusst wahrzunehmen,<br />
auch im Alltag genau hinzuschauen und<br />
zu beobachten. Dafür drehe ich den Lautstärkeregler<br />
meiner Stimmen im Kopf leiser.<br />
Und wo sind die Regler dafür zu finden?<br />
Ich bin nie tiefer in die Welt der Meditation eingestiegen,<br />
aber es reichen schon einfache Übungen,<br />
wo ich einfach nur mal die Augen schließe und<br />
versuche, alle Stimmen im Kopf abzuschalten. Das<br />
kann mir wahnsinnig guttun, und ich mache es<br />
immer häufiger.<br />
Sie sind Vater eines dreijährigen Sohnes. Hilft<br />
das ebenfalls, das Gleichgewicht zu finden?<br />
Nun gut, seine Lautstärke runterzupegeln ist nicht<br />
ganz so einfach. Aber tatsächlich hat mein Sohn<br />
ein paar Dinge in meinem Leben zurechtgerückt –<br />
nicht zuletzt auch, wie viel Druck ich mir beruflich<br />
mache. Da verschiebt sich deine Perspektive, du begreifst,<br />
da gibt es jemanden, der wichtiger ist als du<br />
selbst. Das ist eine fundamentale Erkenntnis, ein<br />
ganz großartiges Gefühl.<br />
Neben „<strong>The</strong> King’s Man“ arbeiten Sie gerade an<br />
Ihrem Regiedebüt. Wie angespannt waren Sie,<br />
als Sie die erste Rohfassung Ihres Films sahen?<br />
Na ja, ich war aufs Schlimmste gefasst. Ich hatte<br />
vorher mit vielen Regisseuren gesprochen und war<br />
auch als Schauspieler bei Rohschnitten dabei. Darum<br />
wusste ich, dass einen diese erste Sichtung in<br />
ein tiefes Tal stürzen kann und dass das dazugehört.<br />
Aber so weit ist es zum Glück gar nicht gekommen.<br />
Sondern?<br />
Einerseits habe ich natürlich gesehen, dass wir da<br />
ordentlich ranmüssen und die richtige Arbeit erst<br />
jetzt losgeht. Aber auf genau die hatte ich mich<br />
am meisten gefreut. Das war das erste Mal, dass<br />
ich Kapitän sein durfte und bestimmen konnte,<br />
hier wird geschnitten und hier nicht. Das ist meine<br />
FREU<strong>DE</strong> AM SPIEL.<br />
Vor der Kamera<br />
macht Daniel Brühl<br />
sich frei von seinen<br />
kritischen Stimmen.<br />
47
VIELSEITIG<br />
UNTERWEGS<br />
In Berlin betreibt<br />
Daniel Brühl auch<br />
eine Tapas-Bar.
<strong>2020</strong> TWENTIETH CENTURY FOX FILM CORPORATION. ALL RIGHTS RESERVED.<br />
Geschichte, und ich kann sie erzählen, wie ich will.<br />
Das war ein ganz beglückendes Gefühl, das sich<br />
durch den ganzen Prozess zog. Mit jeder Überarbeitung<br />
wurde der Film immer feiner und immer<br />
besser. Am Ende dieses Prozesses ist es am wichtigsten,<br />
dass du selbst zufrieden bist. Wenn die anderen<br />
es auch sind, umso besser.<br />
Klingt so, als könnten Sie nicht nur Selbstkritik.<br />
Na ja, ich rede jedenfalls lieber über meinen Hang<br />
zur Selbstkritik, als dass ich erzähle, wie glücklich<br />
ich mit anderen Sachen bin. Ich mag eben keine<br />
Eitelkeit, die finde ich furchtbar. Aber ich gebe zu,<br />
es gibt immer öfter Momente, wo ich Stolz für etwas<br />
empfinde, was ich geleistet habe – wie jetzt eben für<br />
meinen ersten eigenen Film. Es gibt zumindest Teile<br />
des Films, von denen ich behaupten würde, das war<br />
doch gar nicht so schlecht, das war gut. Wenn ich<br />
nur von Selbstkritik zerfressen wäre, hätte ich mich<br />
nicht so lange motivieren können, in diesem Beruf<br />
zu arbeiten.<br />
Was haben Sie bei Ihrem Regie-Debüt noch<br />
gelernt?<br />
Matthew Vaughn, der Regisseur von „<strong>The</strong> King’s<br />
Man“, riet mir: „Triff als Regisseur Entscheidungen.<br />
Selbst auf die Gefahr hin, dass es die falschen sind.<br />
Triff sie. Das ist besser als gar keine.“<br />
Und? Funktioniert das?<br />
Ja, er hatte total recht damit. Natürlich hoffe ich,<br />
dass ich nicht zu viele falsche Entscheidungen<br />
getroffen habe, aber es geht dabei noch um etwas<br />
anderes: Als Kapitän musst du nicht nur Autorität<br />
vermitteln, sondern für die Arbeit im Team ist es<br />
entscheidend, dass du eine klare Route vorgibst, an<br />
die sich alle zu halten haben, sonst kommst du nicht<br />
voran. Dafür musst du den Mut haben, dir auch<br />
Fehltritte zu erlauben.<br />
Bekommen Sie bei Fehlern ehrliches Feedback?<br />
Oder stimmt das Klischee, dass Ansprechpartner<br />
in Hollywood grundsätzlich alles „great“ finden?<br />
Da musst du dir das Lächeln zum „great“ näher<br />
anschauen und zwischen den Zeilen lesen. Mittlerweile<br />
gelingt es mir ganz gut, die Nuancen zwischen<br />
HIER IST BRÜHL EINMAL<br />
AUF <strong>DE</strong>R DUNKLEN SEITE<br />
AM 17. SEPTEMBER STARTET „THE<br />
KING’S MAN – THE BEGINNING“.<br />
Die finstersten<br />
Schurken des<br />
Planeten – darunter<br />
Daniel Brühl als diabolischer<br />
Astrologe<br />
– haben sich verbündet,<br />
um die Menschheit<br />
auszulöschen.<br />
Doch der weltweit<br />
erste unabhängige<br />
Geheimdienst unter<br />
der Leitung des<br />
Duke of Oxford<br />
(Ralph Fiennes) bietet<br />
ihnen die Stirn.<br />
Der dritte Teil der<br />
so unterhaltsamen<br />
wie actiongeladenen<br />
Agenten-Saga erzählt<br />
die Gründungsgeschichte<br />
des<br />
legendären Geheimdiensts<br />
namens<br />
Kingsman.<br />
„great“ und „GREAT“ herauszuhören, da bekommst<br />
du mit der Zeit ein Gefühl für. Abgesehen davon<br />
habe ich einen engen Kreis von Personen, die sich<br />
meine Arbeit genau anschauen und auf deren Ehrlichkeit<br />
ich vertrauen kann.<br />
Aus wem sollte so ein Kreis bestehen?<br />
Zunächst ist es wichtig, dass die Leute etwas von<br />
deinem Fach verstehen. In meinem Fall sind es deswegen<br />
Schauspielkollegen, Regisseure, Agenten, die<br />
ich mir über Jahre sorgfältig ausgesucht habe, dazu<br />
kommt der Partner in meiner Produktionsfirma.<br />
Worauf kommt es noch an?<br />
Dass Personen dabei sind, die dich als Mensch gut<br />
kennen. Bei mir sind das meine Mutter, meine Geschwister<br />
oder meine Frau – sie sehen etwa genau,<br />
wie es mir geht, und sagen mir immer die Wahrheit.<br />
Sieht so aus, als hätten Sie Ihren „Negativus<br />
destructivus“ inzwischen ganz gut im Griff.<br />
Hat Dakota Fanning Sie beim Dreh der zweiten<br />
Staffel von „<strong>The</strong> Alienist“ damit auch wieder<br />
aufgezogen?<br />
Ab und zu kam er schon noch raus, dann habe ich<br />
ihn aber schneller wieder eingefangen als bei der<br />
ersten Staffel. Mittlerweile gehorcht er mir auf jeden<br />
Fall besser.<br />
„AM EN<strong>DE</strong> <strong>DE</strong>S PROZESSES IST ES AM WICHTIGSTEN,<br />
DASS DU SELBST ZUFRIE<strong>DE</strong>N BIST. WENN DIE AN<strong>DE</strong>REN<br />
ES AUCH SIND – UMSO BESSER.“<br />
THE RED BULLETIN 49
INNOVATOR<br />
I<strong>DE</strong>EN<br />
FÜR EINE<br />
BESSERE<br />
ZUKUNFT<br />
Helfer in der Luft:<br />
Der Wingcopter liefert<br />
bereits jetzt Impfstoffe<br />
und Insulin in<br />
abgelegene Gebiete.<br />
Lieferdrohne<br />
Flotte<br />
Fracht<br />
Die Fluggeräte von Wingcopter<br />
könnten das heiß umkämpfte<br />
Rennen um die Zukunft der Luftfracht<br />
gewinnen. Schnell genug<br />
dafür sind sie auf jeden Fall.<br />
Transport von Insulin auf<br />
irische Atlantik inseln<br />
oder von Impfstoffen<br />
nach Vanuatu im Pazifik – der<br />
Wingcopter ist in den letzten<br />
Jahren ganz schön herumgekommen.<br />
Das Fluggerät<br />
(Spannweite: 1,78 Meter)<br />
des gleichnamigen Startups<br />
aus Darmstadt zeigt seit<br />
seiner Konzeption 2017 in<br />
der Praxis eindrucksvoll, wie<br />
schnelle Nahversorgung in<br />
Zukunft ablaufen könnte:<br />
mit einer Kombination aus<br />
Flächenflugzeug und Multicopter.<br />
Das Geheimnis ist der<br />
patentierte Schwenkrotor-<br />
Mechanismus. „Er ermöglicht<br />
senkrechtes Aufsteigen wie<br />
bei gewöhnlichen Drohnen<br />
und Vorwärtsbewegung im<br />
Stil eines Flugzeugs“, erklärt<br />
Co-Gründer Tom Plümmer.<br />
Das Ergebnis: Reichweiten<br />
von 45 Kilometern (mit der<br />
Maximallast von 6 kg) bis<br />
zu 100 Kilometern (bei 2 kg<br />
Beladung) sowie ein Rekordtempo<br />
von 240 km/h. Wenn<br />
sich doch nur die Regularien<br />
des Luftverkehrs auch so<br />
schnell ändern würden …<br />
wingcopter.com<br />
JETZT WEITERLESEN IM<br />
NEUEN INNOVATOR-MAGAZIN …<br />
Am 28. 9. erscheint die nächste<br />
Ausgabe mit Zukunftsthemen<br />
wie der ganzen Wingcopter-Story<br />
und vielen mehr. Infos und Abo:<br />
redbulletininnovator.com<br />
50 THE RED BULLETIN
IN ALLER KÜRZE<br />
SMARTE<br />
STARTHILFE<br />
Diese fünf Pioniere erleichtern<br />
Geflüchteten<br />
mit innovativen Ideen<br />
das Ankommen in<br />
Deutschland.<br />
ÜBERSETZUNG FÜR<br />
MEDIZINISCHE NOTFÄLLE<br />
Ob bei Fieber oder Infekt:<br />
Im Notfall kosten Sprachbarrieren<br />
zwischen Ärzten<br />
und Geflüchteten wertvolle<br />
Zeit. Deshalb hat Lisanne<br />
Knop, 33, einen telefonischen<br />
Übersetzungsdienst<br />
für Mediziner aufgebaut.<br />
triaphon.org<br />
Unterwasser-Atemgerät<br />
Wie ein Fisch im Wasser<br />
Ein innovatives Gadget aus Österreich ermöglicht<br />
Tauchgänge in bis zu fünf Meter Tiefe – ganz ohne<br />
Sauerstoff-Tanks oder Zeitlimits.<br />
Ex-US-Präsident George W. Bush<br />
meinte einmal in seiner unvergleichlichen<br />
Art, er glaube an die<br />
friedliche Koexistenz von Menschen und<br />
Fischen. Wie richtig er damit lag, beweist<br />
nun der österreichische Produktdesigner<br />
Jörg Tragatschnig, 64. Mit „Exolung“ hat<br />
er ein innovatives Tauchgerät entwickelt,<br />
das wie eine externe Lunge funktioniert<br />
und es Tauchern ermöglicht, unter Wasser<br />
zu atmen – ohne Druckluftflaschen<br />
und ohne zeitliche Beschränkung.<br />
„Exolung entstand aus einem Kindheitstraum<br />
von mir“, erzählt Traga tschnig.<br />
„Als Student habe ich dann begonnen,<br />
ernsthaft über das Konzept<br />
nachzudenken: Ziel war es, ein technisch<br />
möglichst reduziertes Atemgerät zu entwickeln,<br />
das die Lücke zwischen Schnorcheln<br />
und Scuba-Tauchen schließt.“<br />
CARTER DOW, LEONIE KOCK, LEONARD MÜHRING, EXOLUNG<br />
SCHNELLE ANTWORTEN<br />
AUF BRENNEN<strong>DE</strong> FRAGEN<br />
Wo kann ich Deutsch lernen?<br />
Wie Behörden kontaktieren?<br />
Damit Geflüchtete schneller<br />
Auskunft bekommen, haben<br />
Cornelia Röper (li.), 29, und<br />
Henriette Schmidt, 28, eine<br />
Frage-Antwort-Community<br />
ins Leben gerufen.<br />
wefugees.de<br />
ANSCHUBHILFE<br />
FÜRS STUDIUM<br />
Je besser die Bildung, desto<br />
größer die Chancen: Deshalb<br />
gründeten Markus Kreßler<br />
(li.) und Vincent Zimmer,<br />
beide 30, eine Plattform,<br />
die Geflüchtete weltweit<br />
in Online-Kursen an eine<br />
höhere Bildung heranführt.<br />
kiron.ngo<br />
Exolung: Die Luft kommt per Schlauch von oben.<br />
Das Grundprinzip: Exolung nützt<br />
mit einem Seilzug die Beinbewegungen<br />
des Tauchers, um durch einen Schlauch<br />
Atemluft von der Wasseroberfläche bis<br />
zu fünf Meter unter Wasser in eine Art<br />
Luftglocke zu pumpen, die der Taucher<br />
um die Brust geschnallt hat. Eine bewegliche<br />
Membran ermöglicht das Einund<br />
Ausatmen. Zusätzliche Sicherheit<br />
garantiert die permanente Verbindung<br />
mit einer Boje an der Wasseroberfläche.<br />
Die Vorteile: Das Gerät ist leicht und<br />
kompakt, kostengünstig, muss weder<br />
aufgeladen noch wiederbefüllt werden<br />
und erfordert im Gegensatz zum konventionellen<br />
Tauchen kaum Training.<br />
exolung.com<br />
Atmungsaktiv:<br />
Mit einem Gewicht<br />
von nur 3,5 kg und<br />
einem Packmaß von<br />
40 × 30 × 20 cm bietet<br />
Exolung eine geniale<br />
Low-Tech-Alternative<br />
zum Scuba-Tauchen.<br />
Der Einstiegspreis soll<br />
unter 300 Euro liegen.<br />
THE RED BULLETIN 51
GEHEIMWAFFE<br />
Die kalifornische Star-Streamerin ANNE MUNITION, 30,<br />
wird ihrem martialischen Namen gerecht: Sie lässt Online-<br />
Mobbern keine Chance und schlägt sie mit ihrer Nettigkeit.<br />
Text CHRISTINE FENNESSEY<br />
Fotos JOSH CAMPBELL<br />
Schon als Kind konnte sie nie genug Aufmerksamkeit<br />
bekommen. Ein „kleiner<br />
Möchtegern-Rockstar“ sei sie gewesen,<br />
das jüngste, aber lauteste von drei Kindern.<br />
Mit dreizehn habe sie jede Bühne<br />
erklommen, um bei „open mic“-Veranstaltungen<br />
Applaus zu ernten.<br />
Aufmerksamkeit und Applaus hat<br />
Anne Munition jetzt, mit dreißig, mehr<br />
als genug: Die Kalifornierin ist eine der<br />
berühmteren Streamer auf der Gamer-<br />
Plattform Twitch (natürlich heißt sie<br />
nicht wirklich so, der nach schwerer<br />
Bewaffnung klingende Kampfname<br />
soll ihre wahre Identität schützen).<br />
2014, ohnehin gelangweilt vom<br />
Job als Grafikdesignerin, entdeckte<br />
sie Twitch als mögliche Karriereleiter.<br />
Im Juni startete Anne Munition ihren<br />
ersten eigenen Stream und seit Mitte<br />
2015 ist sie Vollzeit-Streamerin. Heute<br />
hat sie mehr als 600.000 Follower<br />
und eine Partnerschaft mit <strong>Red</strong> Bull<br />
Gaming. Mehr noch: Sie nutzt ihre<br />
Popularität, um darüber zu sprechen,<br />
wie wir alle online ein bisschen netter<br />
sein könnten.<br />
the red bulletin: Du hast ein Tattoo<br />
von Sonne, Mond und Sternen, das<br />
dich und deine Geschwister repräsentieren<br />
soll – was davon bist du?<br />
anne munition: Ich bin natürlich<br />
der Star – das spielt mit der Rockstar-<br />
Attitüde meines Lebens.<br />
War dieses Motiv deine Idee?<br />
Nein, die stammt von meiner Mutter:<br />
Sie hat anstelle unserer Namen immer<br />
Sonne, Mond und Sterne auf unsere<br />
Weihnachtspakete gezeichnet. Sie sagte,<br />
wir seien ihr Universum.<br />
Deine Mutter hat dir auch eine<br />
Nintendo-Konsole geschenkt, als<br />
du sieben warst. Was genau hat dich<br />
am Spielen fasziniert?<br />
Ich mag es, Puzzles zu legen. Ich glaube,<br />
was mich wirklich reingezogen hat, war,<br />
dass es in Videogames immer darum<br />
ging, ein Problem zu lösen.<br />
Du warst elf, als du zum ersten Mal<br />
mit Online-Mobbing zu tun hattest.<br />
Hat dich das nicht abgeschreckt?<br />
Wenn du online spielst, musst du immer<br />
mit Leuten zurechtkommen, die nicht<br />
sehr nett sind. Ich war einfach dickköpfig,<br />
außerdem war ich schon als Kind eine<br />
52 THE RED BULLETIN
STAR VON<br />
NEBENAN<br />
Über 600.000 Fans<br />
folgen Anne Munition,<br />
wenn sie auf Twitch<br />
streamt. Warum?<br />
„Ich kann ziemlich<br />
unterhaltsam sein.“<br />
THE RED BULLETIN 53
Besserwisserin. Wenn Leute Sachen geschrieben<br />
haben, die mich vom Spielen<br />
abhalten sollten, war das für mich eher<br />
eine Herausforderung. So in der Art:<br />
„Okay, du willst nicht, dass ich das tue?<br />
Dann mache ich es erst recht.“<br />
Als du zum ersten Mal auf Twitch<br />
warst: Was fandest du so spannend<br />
daran, anderen Leuten beim Spielen<br />
zuzuschauen?<br />
Du musst dir nur Folgendes vorstellen:<br />
Da ist jemand online, der richtig gut<br />
in etwas ist, das du selbst gern machst.<br />
Du kannst mit ihm dein Hobby trainieren,<br />
du kannst ihm Fragen dazu stellen, und<br />
er antwortet in Echtzeit. Ich arbeitete<br />
damals Vollzeit, also hatte ich keine Zeit,<br />
selbst zu spielen, aber ich liebte diese<br />
Games. Also habe ich anderen beim<br />
Spielen zugeschaut und mit ihnen<br />
mitgelebt.<br />
Was hat dich dazu ermutigt,<br />
einen eigenen Stream zu starten?<br />
Ich glaube, du kommst da nicht rein,<br />
indem du denkst: „Ich werde beim<br />
Streamen Erfolg haben.“ Du denkst: „Das<br />
ist interessant, und ich möchte es versuchen.“<br />
Es stellte sich heraus, dass die<br />
Leute dachten, dass ich lustig bin. Das ist<br />
etwas, auf das ich stolz bin. Ich glaube,<br />
ich kann ziemlich unterhaltsam sein.<br />
Dazu hast du ein Umfeld aufgebaut,<br />
das für seine Nettigkeit bekannt ist.<br />
Ich streame jetzt seit sechs Jahren, und<br />
ich war immer ziemlich konsequent in<br />
dem Bestreben, eine Gemeinschaft zu<br />
schaffen, in der Menschen sich wohlfühlen<br />
können. Stell dir vor, du gehst<br />
jeden Tag zur Arbeit und hasst alle Kollegen<br />
oder die Kollegen sind gemein zu<br />
dir. Damit will ich nichts zu tun haben.<br />
Die Leute sagen, ich hätte eine der<br />
nettesten Communities bei Twitch,<br />
und darauf bin ich stolz.<br />
Du hast einmal gesagt, es wird gemeinhin<br />
unterschätzt, wie schlimm es<br />
für Frauen ist, online ausgegrenzt<br />
zu werden. Wie schlimm ist es denn?<br />
„Ich will keine Leute<br />
tolerieren, die mich<br />
oder andere<br />
respektlos behandeln.“<br />
Die Leute suchen alles, was dich von<br />
anderen unterscheidet, und trampeln<br />
dann darauf herum. Ich bin sicher, dass<br />
Sportler und andere Berühmtheiten das<br />
Gleiche durchmachen, aber die haben<br />
ja auch nicht jeden Tag direkten Kontakt<br />
mit ihren Fans. Wir Streamer versuchen<br />
ja, zum Publikum auf unseren Kanälen<br />
und im Chat eine Beziehung aufzubauen,<br />
deshalb sind vermutlich auch die Verletzungen<br />
tiefer. Die Wirkung, die all das<br />
auf meine Psyche hatte, war ziemlich arg.<br />
Es ist schwierig, die positiven Seiten des<br />
54 THE RED BULLETIN
RASEND<br />
REICH WER<strong>DE</strong>N?<br />
„Alle, die meinen,<br />
Streamen sei leicht<br />
verdientes Geld, sehen<br />
nicht den ganzen Hass,<br />
dem du dabei ausgeliefert<br />
bist“, sagt<br />
Streamerin Anne<br />
Munition.<br />
Jobs zu sehen, wenn du ständig dieser<br />
negativen Kraft ausgesetzt bist. Eine ganze<br />
Menge von Leuten sagt: „Na gut, du<br />
lebst vom Videospielen – das ist leicht verdientes<br />
Geld.“ Die sehen nicht den ganzen<br />
Hass, dem du dabei ausgesetzt bist.<br />
Wie hat sich das psychisch ausgewirkt?<br />
Ich wurde extrem paranoid, was meine<br />
Privatsphäre anlangt. Außerdem glaubst<br />
du, dass du deinen Wert an bestimmten<br />
Zahlen messen kannst – schließlich bestimmt<br />
die Anzahl der Abonnenten dein<br />
Einkommen, die Zahl deiner Zuschauer<br />
ist für das Ranking auf der Website verantwortlich.<br />
Diese Zahlen gehen rauf<br />
und runter, und manchmal zieht das deinen<br />
Selbstwert mit runter. Da ist immer<br />
diese Angst, dass es nur mehr runtergeht<br />
und dass du dir dann einen anderen Job<br />
suchen musst. Darüber hinaus ist da die<br />
Paranoia vor Angriffen anderer Streamer.<br />
Manchmal suchen sie dich auf, weil sie<br />
wissen, dass du ein gutes Publikum hast.<br />
Mitunter haben sie sich über gute Freunde<br />
von mir eingeschlichen, nur um an mich<br />
ranzukommen. Dann weiß ich nicht<br />
mehr, wem ich trauen kann. Ich weiß<br />
nicht mehr, wer wirklich mein Freund<br />
sein will und wer nur an meinem Channel<br />
interessiert ist.<br />
Was machst du, um sicherzustellen,<br />
dass dein Stream ein netter Ort ist?<br />
Ich glaube, eine Menge Streamer haben<br />
Angst davor, mit ihrem Publikum zu<br />
streng zu sein, die Leute zeitweise zu<br />
verjagen oder überhaupt von ihrem<br />
Channel zu verbannen. Ich hingegen bin<br />
da ziemlich skrupellos, weil ich keine<br />
Leute tolerieren will, die mich oder andere<br />
respektlos behandeln. Auch wenn<br />
jemand schon lange Zuschauer ist:<br />
Wenn er damit anfängt, garstige Dinge<br />
zu sagen, ist er weg.<br />
Kannst du uns vom Stress einer<br />
Vollzeit-Streamerin erzählen?<br />
Am Anfang habe ich acht bis zehn<br />
Stunden nonstop gestreamt. Das kann<br />
ich jetzt nicht mehr. Jetzt mache ich zwei<br />
Vier-Stunden-Schichten mit zwei Stunden<br />
Pause dazwischen – es ist nicht gesund,<br />
so lang zu sitzen. Dann gehe ich mit<br />
meinem Hund raus oder so. Das ist keine<br />
einfache Entscheidung, weil wenn du<br />
deinen Stream unterbrichst, sind auch<br />
die Zuschauer weg. Sogar wenn du<br />
zwischendurch aufs Klo gehst, verlierst<br />
du Leute. Es ist, wie wenn du ein Live-<br />
Konzert gibst. Da kannst du auch nicht<br />
sagen: „Also, ich muss jetzt dringend aufs<br />
Klo.“ Wenn du im Rampenlicht bleiben<br />
willst, musst du das aushalten.<br />
THE RED BULLETIN 55
Was machst du in Sachen Fitness und<br />
Ernährung, um mehr auszuhalten und<br />
eine bessere Streamerin zu werden?<br />
Früher hatte ich einen Personal Trainer,<br />
da war ich wahrscheinlich besser in<br />
Form als jemals zuvor. Ich habe mir eine<br />
Rudermaschine gekauft. Ich benutze sie<br />
immer noch, aber nicht so oft, wie<br />
ich sollte. Ernährung ist für Streamer<br />
ein schwieriges <strong>The</strong>ma. Wenn du zehn<br />
Stunden am Streamen bist, ist es das Einfachste,<br />
Essen telefonisch zu bestellen –<br />
aber das ist oft nicht das Gesündeste.<br />
Ich arbeite daran, mich gesünder zu<br />
ernähren. Ich möchte versuchen, Mahlzeiten<br />
vorzubereiten, die man dann in<br />
die Mikrowelle schieben kann. Also:<br />
schnelles Essen, ohne Fast Food zu sein.<br />
Wann hast du entschieden, deinen<br />
wahren Namen nicht zu verraten?<br />
Ich war mit diesem Usernamen schon<br />
unterwegs, bevor ich noch wusste, was<br />
Streaming ist – ich habe schon auf der<br />
Xbox Anne Munition geheißen.<br />
Was hat dich zu diesem Namen<br />
inspiriert?<br />
Roller Derby (eine sehr amerikanische<br />
Sportart, die auf Rollschuhen ausgetragen<br />
wird; Anm.). In diesem Sport verwenden<br />
sie wirklich super Namen. Ich versuchte,<br />
einen Namen zu finden, der vom Stil her<br />
vergleichbar ist, und weil ich ein großer<br />
Fan von Ego-Shootern bin, floss das<br />
ebenfalls mit ein. Es funktioniert außerdem<br />
als Vor- und Nachname. Die Leute<br />
sprechen mich auf Veranstaltungen an:<br />
„Ist dein Nachname wirklich Munition?“<br />
Darauf ich: „Ja klar!“ Die Wahrheit ist:<br />
Mein wirklicher Name ist ziemlich einzigartig.<br />
Und deshalb so gefährlich, weil es<br />
„Du weißt nie,<br />
ob jemand,<br />
der ganz<br />
normal wirkt,<br />
das auch<br />
wirklich ist.“<br />
so leicht ist, mehr über mich zu finden.<br />
Wenn du den Leuten drei Teile eines<br />
Puzzles gibst, dann finden sie auch alles<br />
andere heraus.<br />
Warum ist es dir so wichtig,<br />
deine Identität zu schützen?<br />
Ich glaube, Online-Persönlichkeiten,<br />
aber auch normale Internet-User sollten<br />
sich mehr über Datenschutz und Social<br />
Engineering (Online-Trickbetrug, um an<br />
sensible Daten zu gelangen; Anm.) informieren.<br />
Sie können deinen Wohnort finden,<br />
deine Telefonnummer, die Adressen<br />
deiner Familie und deiner Verwandten.<br />
Du weißt nie, ob jemand, der ganz normal<br />
wirkt, das auch ist. Bei einem persönlichen<br />
Treffen kannst du gewisse Zeichen<br />
erkennen, speziell als junge Frau. Online<br />
kannst du das nicht. Es ist schwierig,<br />
intuitiv abzuschätzen, ob jemand gute<br />
Absichten hat. Manchmal habe ich ein<br />
schlechtes Gewissen, weil ich Menschen,<br />
die vielleicht nur neugierig sind, anschnauze,<br />
wenn sie fragen: „Oh, wo bist<br />
du aufgewachsen?“ Und ich so: „Warum?<br />
Warum willst du das wissen?“ Das ist<br />
auf meine Paranoia zurückzuführen.<br />
Paranoia oder Vorsicht? Anne Munition will ihre wahre Identität nicht preisgeben.<br />
56 THE RED BULLETIN
Andererseits hast du deinen Beziehungsstatus<br />
mit deiner Community<br />
geteilt. Wie beurteilst du, was geteilt<br />
werden kann und was nicht?<br />
Das hängt davon ab, wer fragt. Und ob<br />
ich glaube, dass jemand bestimmte<br />
Informationen für andere Zwecke missbrauchen<br />
kann. Ich habe da eine rote<br />
Flagge in meinem Gehirn, die immer<br />
dann auftaucht, wenn ich das Gefühl<br />
habe, jemand fragt nach einem Detail,<br />
das weder meinen Channel interessanter<br />
macht noch sonstwie relevant ist.<br />
Fällt es dir manchmal schwer,<br />
zwischen deinen beiden Identitäten<br />
hin- und herzuschalten?<br />
Ja. Manchmal vergesse ich, wie ich wirklich<br />
heiße. Einmal hab ich fast eine Mail<br />
an meine Mutter mit Anne Munition<br />
unterschrieben, weil ich das von meinen<br />
anderen Mails so gewohnt bin.<br />
ZIEL IM BLICK<br />
„Ich war schon als Kind<br />
eine Besserwisserin“,<br />
sagt Anne. Das erklärt<br />
ihre Hartnäckigkeit.<br />
Wie geht es dir in dieser Zeit<br />
des „Social Distancing“?<br />
Na ja, die Tatsache, dass die Messen, die<br />
ich normalerweise besuche, zu Recht<br />
abgesagt worden sind, und all die Bleibdaheim-Einschränkungen<br />
haben meine<br />
mentale Gesundheit schon erheblich beschädigt.<br />
Ein Teil dessen, was das Streamen<br />
psychisch so schwierig macht, ist<br />
der Umstand, dass du mit einer lautstarken<br />
Minderheit von vergifteten Leuten<br />
leben musst, die sich in der Anonymität<br />
des Internets stark fühlen. Messen zu besuchen<br />
ist das komplette Gegenteil davon<br />
– dort triffst du hauptsächlich Menschen,<br />
die ehrlich begeistert sind, dich<br />
zu treffen. Diese Leute sind wirklich nett.<br />
Das stärkt mein Selbstvertrauen enorm,<br />
das sonst jeden Tag kleine Schläge einstecken<br />
muss. Andererseits hatte ich in<br />
letzter Zeit mit einer Menge Leute zu<br />
tun, die sich bei mir für mein konstantes<br />
Streamen in der Zeit der Quarantäne bedankt<br />
haben – das hätte ihnen im Sperrfeuer<br />
der schlechten Nachrichten eine<br />
kleine Atempause verschafft.<br />
Anne in Action: twitch.tv/annemunition<br />
THE RED BULLETIN 57
LÄSSIGER SCHNEI<strong>DE</strong>R.<br />
Profi-Skater Vladik<br />
Scholz entwirft seine<br />
Kleidung teilweise selbst<br />
– zum Beispiel die<br />
Leinenhose hier im Bild.<br />
DIESER<br />
SKATER FÄHRT ...<br />
58 THE RED BULLETIN
... SEINEN<br />
EIGENEN STIL<br />
SEINE TRICKS:<br />
LEICHTFÜSSIG.<br />
SEINE VI<strong>DE</strong>OS:<br />
EIN OPTISCHER<br />
GENUSS.<br />
SEINE KLEIDUNG:<br />
NÄHT ER SELBST.<br />
VLADIK SCHOLZ,<br />
32, IST DAS STIL-<br />
VORBILD UNTER<br />
<strong>DE</strong>UTSCHLANDS<br />
TOP-SKATE-<br />
BOAR<strong>DE</strong>RN.<br />
BESUCH BEI<br />
EINEM, <strong>DE</strong>R SICH<br />
MIT KREATIVITÄT<br />
NACH OBEN<br />
KÄMPFTE.<br />
Text<br />
ANNE WAAK<br />
Fotos<br />
CHRISTOPH VOY<br />
THE RED BULLETIN 59
V<br />
ladik Scholz ist nicht zufrieden mit seinem Kickflip.<br />
Wieder und wieder fährt er auf der Ebene vorm Eingang<br />
des Gebäudes mit den mintfarbenen Kacheln<br />
an, springt, das Skateboard vollführt eine komplette<br />
Drehung um die eigene Längsachse, bis es in der<br />
Luft parallel zum Boden schwebt. Vladik bringt das<br />
Brett noch im Flug wieder unter seine Füße, und<br />
beide, Skateboard und Skateboarder, landen auf der<br />
Erde. Aber so richtig glücklich ist er mit dem Trick<br />
nicht, er gelingt in Vladiks Augen nicht so gut, wie<br />
er sein könnte.<br />
„Zum Skaten ist für mich der frühe Abend<br />
am besten“, erklärt er. Warum das so ist, weiß der<br />
32-Jährige auch nicht so genau. Er steht vor dem<br />
ehemaligen Verwaltungsgebäude des Kölnisch-<br />
Wasser-Unternehmens 4711 in Köln-Ehrenfeld und<br />
blinzelt in die Nachmittagssonne. Er vermutet, dass<br />
der frühe Abend für ihn wegen der entspannteren<br />
Stimmung besser sei, wegen der dann schon aufgewärmten<br />
Muskeln und wegen der Sonne, die<br />
nicht mehr so grell vom Himmel brennt. Sagt’s und<br />
startet einen neuen Versuch, den Trick jetzt ordentlich<br />
hinzukriegen.<br />
Das ist typisch Vladik: Egal was er tut, er folgt<br />
seinem eigenen Rhythmus. Und das Skateboarden<br />
war für ihn schon immer ein Weg, sich mitzuteilen.<br />
Dank dem Sport hat er seinen ganz eigenen Stil gefunden<br />
und, mehr noch: eine neue Heimat. Heute<br />
ist er in der Szene weltweit bekannt, besonders für<br />
die Leichtfüßigkeit und Eleganz, die seinen Skate-<br />
Stil prägen, wie auch für seine Outfits. Letztere<br />
stellt er eigenhändig her; wahrscheinlich ist er der<br />
einzige Profi-Skater der Welt, der eine Industrie-<br />
Nähmaschine bedienen kann. Aber der Reihe nach.<br />
RETTUNGS-BOARD.<br />
Nach seiner Flucht<br />
aus Weißrussland<br />
half Vladik das Skaten,<br />
in Deutschland<br />
anzukommen.<br />
IN VLADIKS KINDHEIT<br />
GAB ES ZWEI SKATE-<br />
BOARDS, DIE SICH<br />
FÜNF JUNGS TEILTEN.<br />
60 THE RED BULLETIN
HOCH HINAUS.<br />
Vladik zeigt einen<br />
elegant ausgeführten<br />
„360 Kick Flip“<br />
vor der ehe maligen<br />
4711-Zentrale in Köln.<br />
Dass Skateboarden für Vladik eine ganze Zeitlang<br />
der einzige Weg war, sich auszudrücken, hat<br />
mit seiner Herkunft zu tun. Zur Welt kam er 1988 in<br />
der weißrussischen Trabantenstadt Nawapolazk, als<br />
Sohn einer alleinerziehenden Ingenieurin. Die Stadt<br />
im Norden des Landes war ursprünglich als Wohnstätte<br />
für die sozialistischen Arbeiterinnen und Arbeiter<br />
geplant worden, die in den Fabriken im Windschatten<br />
der Stadt Polazk arbeiteten. Vladik war<br />
gerade mal ein Schulkind, als seine Mutter beschloss,<br />
sich in Deutschland eine Arbeit als Haushaltshilfe<br />
zu suchen, um Vladik eine bessere Zukunft zu ermöglichen.<br />
Sieben Jahre lang pendelte sie zwischen<br />
Bielefeld und Nawapolazk, zwischen westdeutscher<br />
Beschaulichkeit und postsowjetischer Plattenbausiedlung,<br />
wo Vladik derweil bei seiner Oma lebte.<br />
Irgendwann dann wünschte er sich als Mitbringsel<br />
ein Skateboard von seiner Mutter, ein eigenes.<br />
Unter den Freunden, mit denen er seine Nachmittage<br />
verbrachte, gab es zwei Bretter, die sich<br />
fünf Jungen teilten. Die ersten Versuche waren recht<br />
hilflos; Skate-Magazine schafften es nicht bis nach<br />
Nawa polazk, viel Internet war nicht, sowieso sollte<br />
es bis zur Erfindung von YouTube noch ein paar<br />
Jahre dauern. Moskau, wo es um die Jahrtausendwende<br />
herum schon so etwas wie eine Szene gab,<br />
war mit mehr als 600 Kilometern unendlich weit<br />
entfernt.<br />
Irgendwann holte ihn seine Mutter nach Bielefeld.<br />
Vladik, mittlerweile 14 Jahre alt, war noch<br />
nie in Deutschland gewesen und sprach kein Wort<br />
dieser fremden, irre komplizierten Sprache, deren<br />
Schriftbild zu allem Überfluss auch rein gar nichts<br />
mit dem kyrillischen Alphabet des Russischen gemein<br />
hatte. Anfangs verwechselte er „Bitteschön“<br />
und „Dankeschön“, in der Schule lachten sie ihn<br />
aus. Wenn er von der Lehrerin aufgerufen wurde,<br />
sprach er seine Antwort vor lauter Scham eher in<br />
sich hinein als laut und deutlich aus. Nur zwei Jahre<br />
dauerte es, bis sein Deutsch flüssig war. Aber bis<br />
heute ist es manchmal etwas vernuschelt, während<br />
er behauptet, in seiner Muttersprache über eine sehr<br />
klare Aussprache zu verfügen.<br />
Skaten immerhin ging auch, ohne zu sprechen.<br />
Anfangs stand Vladik im Skatepark allerdings immer<br />
nur am Rand, schaute denen zu, die es besser konnten,<br />
und traute sich nicht, selbst zu fahren. Erst<br />
abends, wenn die anderen nach Hause gegangen<br />
THE RED BULLETIN 61
waren, kam seine Zeit. Dann fuhr er unbeobachtet<br />
und frei. Je selbstbewusster er wurde, desto mehr<br />
zeigte er beim Skaten, wer er eigentlich ist, und desto<br />
mehr Anschluss fand er, machte sich Freunde – und<br />
irgendwann war er in Deutschland angekommen,<br />
dem Sport sei Dank. Von da an dauerte es auch<br />
nicht mehr lang, bis sein überdurchschnittliches<br />
Talent auffiel und dass er einen unverwechselbaren<br />
Stil fährt. Sein erster Sponsor kam nach nur einem<br />
Jahr auf ihn zu, seitdem geht es karrieremäßig<br />
eigentlich nur noch bergauf. Vladik Scholz sagt:<br />
„Das Skaten war meine Rettung.“<br />
Heute fährt er nicht mehr im Skatepark,<br />
sondern ausschließlich auf der Straße,<br />
ob nun in Köln, wo er seit mehr als zehn<br />
Jahren lebt, oder in Spanien, Portugal,<br />
Rumänien oder China – wo auch immer es<br />
ihn hinzieht. Was seine Videos auszeichnet, ist zunächst<br />
ihre ungewöhnliche Gestaltung: Musik, Bildsprache,<br />
Schnitt – hier wirkt alles von vorn bis hinten<br />
durchdacht und sorgfältig aufeinander abgestimmt,<br />
unter Umgehung jeglicher Skater-Klischees.<br />
Und dann ist da noch diese Leichtfüßigkeit.<br />
Während andere Skater nach einem Trick mit der<br />
Wucht und der Geräuschentwicklung eines Zwölftonners<br />
wieder auf dem Boden aufkommen, spürt<br />
man bei Vladik nur einen Hauch. Jede Bewegung<br />
NEUES NETZTEIL.<br />
Dieses Einkaufsnetz<br />
hat Vladik<br />
in einen Rucksack<br />
verwandelt.<br />
sieht bei ihm ruhig und elegant aus, bei Sprüngen<br />
steht er praktisch in der Luft.<br />
Diese Eleganz spiegelt sich auch in seinem Kleidungsstil<br />
wider. An diesem Nachmittag trägt er eine<br />
anthrazitfarbene Wollmütze, ein einfaches Longsleeve<br />
und eine selbst genähte Leinenhose. Seine<br />
Outfits bieten ihm genügend Bewegungsfreiraum<br />
fürs Skaten, sind aber gleichzeitig so klassisch<br />
schlicht, dass er damit auch in, sagen wir, einem<br />
Restaurant in einem französischen Seebad nicht<br />
unangenehm auffiele. Im Gegenteil. Das liegt aber<br />
auch daran, dass Vladik ein überaus charmanter<br />
und freundlicher Typ ist, der Menschen mit der<br />
gleichen Aufmerksamkeit begegnet, die er auch dem<br />
Skaten, seinen Outfits und seinen extra-stylischen<br />
Videos schenkt. Diese Eigenschaften machen ihn<br />
zu einem Gestalter mit großem ästhetischen Verständnis,<br />
dem es immer auf das Gesamtergebnis<br />
ankommt. Unter Kollegen gilt er gar als Style-Gott<br />
und Ikone.<br />
Mitten in den 2010er-Jahren, als dicke, fette<br />
Logos auf T-Shirts, Caps und Beanies die Skate- Mode<br />
bestimmten, kaufte Vladik lieber in Secondhandläden<br />
ein statt in den einschlägigen Shops und trug<br />
dann eben eine Schiebermütze anstelle der üblichen<br />
Baseballkappen. Das lag daran, dass ihm schlicht<br />
das Geld fehlte für die gängigen Brands. Gleichzeitig<br />
hat er Mode auch schon immer als etwas begriffen,<br />
mit dem er kommunizieren konnte, wer er ist. Schon<br />
als seine Mutter ihm früher etwas zum Anziehen<br />
genäht hatte, hatte der kleine Vladik sehr genau<br />
gewusst, wo er noch einen Knopf haben wollte und<br />
wo nicht.<br />
Weil nun aber die Anzughosen aus dem Vintage-<br />
Shop entweder am Bund zu weit waren oder an den<br />
Beinen zu eng und weil er sich irgendwann fragte, ob<br />
er sich nicht nach dem Muster seiner Lieblings-Chino<br />
eine Hose aus einem Stoff seiner Wahl anferti gen<br />
könnte, kaufte er sich vor fünf Jahren kurzerhand<br />
eine Nähmaschine. Vier Tage und ungezählte You-<br />
Tube-Tutorials später hatte er sein erstes eigenes<br />
Modell gefertigt. Es liegt bis heute im Kleiderschrank<br />
seines Kölner WG-Zimmers. Er zieht es heraus, untersucht<br />
die Nähte und das Innenfutter. „Allein für die<br />
Paspeltasche“, sagt er und zeigt auf den verstärkten<br />
Eingriff, „habe ich einen Tag gebraucht.“ Mittlerweile<br />
würde er die ganze Hose sehr viel schneller<br />
hinkriegen. Nachdem er erst ein Praktikum bei<br />
einem Kölner Herrenschneider absolvierte, studiert<br />
MIT 14 KAM ER NACH<br />
<strong>DE</strong>UTSCHLAND. ER<br />
SAGT: „SKATEN HAT<br />
MICH GERETTET.“<br />
62 THE RED BULLETIN
JE<strong>DE</strong> MENGE STOFF.<br />
Vladiks Liebe zur<br />
Mode ist in seiner<br />
Wohnung sichtbar.<br />
MA<strong>DE</strong> IN JAPAN.<br />
Vladiks Industrie-<br />
Nähmaschine<br />
kommt aus Fernost.<br />
THE RED BULLETIN 63
SCHMALER GRAT.<br />
Vladik skatet heute<br />
hauptsächlich auf<br />
der Straße, selten<br />
in Skateparks.<br />
Vladik heute im siebten Semester Bekleidungstechnik.<br />
Er liebt es, einen Schnitt erst im Kopf und<br />
dann auf Papier oder im Computerprogramm zu<br />
konstruieren und dann ein Kleidungsstück entstehen<br />
zu lassen. Derzeit hat er sein Herz an Leinen verloren<br />
– einen Stoff, für dessen Fasern aus Flachs Weißrussland<br />
ein wichtiger Markt ist. Von einem Markt in<br />
Usbekistan hat er Stoffe im Ikat-Muster mitgebracht,<br />
ein immer etwas verwischt wirkendes buntes Streifenund-Zacken-Muster.<br />
Am liebsten setzt er sich nachts<br />
SICHERE SACHE.<br />
Zu Vladiks jüngsten<br />
Entwürfen zählen<br />
Masken mit<br />
speziellen Designs.<br />
64 THE RED BULLETIN
VLADIK WIRD<br />
ZUM KUGELBLITZ<br />
Hier siehst du den Profi-<br />
Skateboarder auf einer<br />
beweglichen Holzbahn.<br />
Eine einzigartige Kulisse,<br />
rasante Action und ein paar<br />
Stürze in die Tiefe: Für sein<br />
neues Videoprojekt skatet<br />
Vladik Scholz mit den Profis<br />
Madars Apse, Gustavo Ribeiro<br />
und Jost Arens durch ein<br />
überlebensgroßes Kugellabyrinth<br />
– samt kreativer<br />
Obstacles und jeder Menge<br />
Löcher. Eigens für den Dreh<br />
konstruiert, bewegen<br />
Hydraulikmotoren den Boden<br />
wie beim Kinderspiel auf und<br />
ab – mit den Kugeln rollen<br />
Vladik und Co durch den<br />
Parcours. Schau dir den Clip<br />
jetzt an auf: redbull.com<br />
an seine Nähmaschine und stellt seine Mode her:<br />
die schwarze Leinenhose, die er an diesem Kölner<br />
Hochsommertag trägt, eine einfache lederne Gürteltasche,<br />
Jacken, Mützen.<br />
ER IST VERMUTLICH <strong>DE</strong>R<br />
EINZIGE SKATER, <strong>DE</strong>R EINE<br />
INDUSTRIE-NÄHMASCHINE<br />
BEDIENEN KANN.<br />
Wie in vielen anderen Subkulturen auch<br />
gelten beim Skaten heute keine so<br />
strengen Codes mehr wie noch vor zwei,<br />
drei Jahrzehnten. Man muss nicht mehr<br />
Skatepunk oder Hip-Hop hören oder<br />
die Schuhe einer bestimmten Marke tragen, um Aufnahme<br />
in die maßgeblichen Zirkel zu finden. Und<br />
Vladik hat mit seinem eigenen ebenso unbeirrbaren<br />
wie klaren Stil einen Anteil an dieser Entwicklung.<br />
Es hat lange gedauert, bis er etwas gefunden hatte,<br />
das er mit genauso viel Leidenschaft verfolgt wie das<br />
Skaten – und das sich noch dazu damit verbinden<br />
lässt. Heute könnte er ohne Probleme eine Kollektion<br />
an Skateboard-Basics herausbringen: zwei Hosen,<br />
ein paar T-Shirts und Sweater aus strapazierfähigen<br />
Stoffen in gedeckten Farben, durchdacht geschnitten<br />
und mit pfiffigen Details wie einem schlauen Verschluss<br />
oder einem besonderen Kragen.<br />
Aber Vladik Scholz traut sich noch nicht so richtig<br />
und näht einstweilen nur für sich. „Mein Ziel ist es,<br />
irgendwann einen Kleiderschrank voller selbst gemachter<br />
Klamotten zu haben“, sagt er. In den vergangenen<br />
Monaten hat er immerhin an die hundert<br />
Mund-Nasen-Schutzmasken genäht und verkauft,<br />
natürlich nach einem eigenen Entwurf.<br />
Vielleicht war das der Probelauf, um zu sehen,<br />
ob seine modischen Ideen das Potenzial haben, auch<br />
andere zu begeistern. Kommt Zeit, kommt Kollektion.<br />
Vielleicht.<br />
Erst plant er ein anderes Projekt: Kommendes<br />
Jahr will er mit seinem Freund Patrik Wallner, der<br />
als Fotograf und Regisseur schon viele gemeinsame<br />
Skate-Trips begleitet hat, nach Weißrussland fahren<br />
– sofern es die politischen Umstände zulassen. Es<br />
wird das erste Mal seit mehr als 17 Jahren sein,<br />
dass Vladik Scholz zu seinen Wurzeln zurückkehrt.<br />
Es wird eine Reise an den Ort, an dem alles begann.<br />
Dorthin, wo Vladik das Skaten kennenlernte, das<br />
seitdem sein Leben bestimmt und das er stilistisch<br />
in jeglicher Hinsicht nach vorne bringt.<br />
Entdecke Vladiks Stil auf Instagram: @vladikscholz<br />
THE RED BULLETIN 65
Neue Welt im<br />
Blick: Regisseur<br />
Louis Josek<br />
reiste für seine<br />
Doku mehrfach<br />
nach Jamaika.<br />
DAS ABENTEUER<br />
DA DRAUSSEN<br />
Surfen, Skaten, Rappen: Der Kölner Dokumentarfilmer<br />
LOUIS JOSEK, 26, hat eine Nahaufnahme<br />
der Jugendkultur auf Jamaika gemacht. Und dabei<br />
auch eine Menge über sich selbst gelernt.<br />
Text RUTH McLEOD<br />
Eigentlich wollte Louis Josek<br />
auf Jamaika nur einen Freund<br />
besuchen. Aber dann verliebte<br />
sich der Kölner in<br />
das Land, und eine außergewöhnliche<br />
Geschichte<br />
nahm ihren Lauf. Während<br />
seines Besuchs lernte Josek<br />
drei junge Jamaikaner kennen – einen<br />
Rapper, einen Skateboarder und einen<br />
Surfer. Die drei faszinierten ihn: Sie<br />
steckten voller Energie, widersprachen<br />
ganz und gar dem Klischee der entspannten<br />
Reggae Kultur. Vor allem aber entdeckte<br />
Josek eine große Seelenverwandtschaft<br />
zwischen den jungen Männern<br />
und Gleichaltrigen in Europa. Hier wie<br />
dort stemmt sich eine junge Generation<br />
mit großer Lebenslust gegen Ängste<br />
vor einer unsicheren Zukunft. Josek<br />
be schloss, die drei Jamaikaner mit einer<br />
Doku zu begleiten. Nun ist „Outdeh – <strong>The</strong><br />
Youth of Jamaica“ auf <strong>Red</strong> Bull TV abrufbar,<br />
wobei „Outdeh“ im Jamaika Slang<br />
etwa „Da draußen“ bedeutet. Im Interview<br />
erklärt Josek, wie eine Urlaubsreise<br />
zum Abenteuer seines Lebens wurde.<br />
the red bulletin: Louis, bis zu deinem<br />
18. Lebensjahr warst du Profi-<br />
Surfer. Wie kam es, dass du hinter die<br />
Kamera gewechselt bist?<br />
louis josek: Zunächst mal liegt das<br />
wohl in unserer Familie. Mein Vater war<br />
Fotograf, wodurch ich von klein auf von<br />
Kameras umgeben war. Und schon während<br />
meiner Zeit als Surfer habe ich<br />
neben her gefilmt. Dann bin ich dazu<br />
übergangen, meine ehemaligen Kollegen<br />
mit der Kamera zu begleiten.<br />
Ausgangspunkt für „Outdeh“ war ein<br />
Besuch bei einem Freund auf Jamaika.<br />
Was hat dich dort fasziniert?<br />
OUT<strong>DE</strong>H – THE YOUTH OF JAMAICA<br />
66
„Die jungen<br />
Jamaikaner<br />
hatten einen Weg<br />
gefunden, das<br />
zu tun, was sie<br />
wirklich wollten.“
Vor allem die jungen Menschen – sie<br />
haben mich mit ihrer Energie und mit<br />
ihrem Durchhaltevermögen wahnsinnig<br />
inspiriert. Dabei wird ihnen von Geburt<br />
an gesagt: „Dieses und jenes kannst du<br />
nicht werden, das schaffst du nie.“ Das<br />
hat mich ein wenig an Köln erinnert,<br />
wo ich aufgewachsen bin.<br />
Warum denn das?<br />
Na ja, auch bei uns und eigentlich in<br />
ganz Europa wird von den meisten jungen<br />
Menschen der typische Weg erwartet:<br />
Du gehst zur Schule, dann studierst<br />
du, und dann gehst du in einem klassischen<br />
Beruf arbeiten. Deswegen war ich<br />
so fasziniert von diesen jungen Jamaikanern,<br />
die einen Weg gefunden hatten,<br />
ihre scheinbar vorbestimmten Pfade zu<br />
verlassen und das zu tun, was sie wirklich<br />
wollten. Sie hatten viele Träume –<br />
und die Leidenschaft und den Mut, diesen<br />
zu folgen. Ich habe eine große Verbundenheit<br />
zu ihnen gespürt. Sie haben<br />
mich dazu inspiriert, darüber nachzudenken,<br />
was ich eigentlich will.<br />
Was hat dich an den Träumen deiner<br />
drei Hauptdarsteller besonders<br />
interessiert?<br />
Dass sie bereit waren, diesen Träumen<br />
trotz teilweise großer Widrigkeiten zu<br />
folgen. Shama hatte sich dazu entschieden,<br />
ganz allein Jamaikas erster Profi-<br />
Surfer zu werden. Der Skater Romar<br />
lebte in Tivoli Garden in der Hauptstadt<br />
Kingston, einem der brutalsten Orte<br />
Jamaikas. Er hatte früh seine gesamte<br />
Familie verloren und war selbst jung<br />
Vater geworden. Baker steez wollte um<br />
jeden Preis Rapper werden, obwohl die<br />
Insel ja stark von Reggae dominiert wird.<br />
Woher nehmen diese jungen Männer<br />
ihre Kraft?<br />
Sie sind smart, bescheiden und großherzig.<br />
Vor allem beweisen sie, dass es<br />
sich auszahlt, an sich zu glauben. Sie haben<br />
zu sich gesagt „Ich schaffe das!“, obwohl<br />
ihr Umfeld das Gegenteil behauptete.<br />
Heute dienen sie der nachfolgenden<br />
Generation als Vorbilder. Früher gab es<br />
auf Jamaika keine Skater, jetzt wird<br />
schon der zweite Skatepark gebaut. Es<br />
tun sich immer mehr Surf-Talente hervor,<br />
und auch die Rap-Szene wächst.<br />
Du hast nicht nur die drei Männer<br />
auf ihren ersten Karriereschritten begleitet,<br />
auch für dich selbst war es<br />
das erste Filmprojekt.<br />
Dreharbeiten in der Karibik<br />
Rapper Bakersteez am Mikro<br />
„Meine<br />
wich tigste<br />
Erkennt nis:<br />
Du musst<br />
an deine Idee<br />
glauben.“<br />
Ja, und das hat uns miteinander verbunden.<br />
Wir kommen aus einer Generation,<br />
und in dieser Lebensphase hast du<br />
dieselben Fragen und dieselben Ängste –<br />
egal, ob du in Köln oder in Kingston aufgewachsen<br />
bist. Dadurch hatten wir einen<br />
besonderen Zugang zueinander und<br />
zur Story.<br />
Und wie bist du die Herausforderung<br />
angegangen?<br />
Ganz ehrlich: Ich hatte keine Ahnung,<br />
68 THE RED BULLETIN
„Sie sagten:<br />
‚Ich schaffe das!‘<br />
Heute sind sie<br />
Vorbilder.“<br />
Surfer Shama vor der Welle<br />
Als Bakersteez nach seinem Auftritt in<br />
Sendai, dem kleinsten Ort der Japan-<br />
Tour, von der Bühne kam. Das Konzert<br />
war in einem rammelvollen Underground-Club<br />
in einer finsteren Nebenstraße.<br />
Es war sein bester Auftritt, und<br />
nach dem letzten Song sangen die Zuschauer<br />
seine Lieder weiter. Da wurde<br />
mir bewusst, was für einen verrückten<br />
Weg wir hinter uns hatten. Nur drei Monate<br />
vorher hatten wir noch in Kingston<br />
gedreht, und die internationale Karriere<br />
war noch ein Traum.<br />
OUT<strong>DE</strong>H – THE YOUTH OF JAMAICA,<br />
MARIAMI KURTISHVILI, DONALD <strong>DE</strong> LA HAYE<br />
Das „Outdeh“-Kernteam posiert gemeinsam fürs Gruppenfoto (von links): Wellenreiter Elishama Beckford,<br />
genannt Shama, Skater Romar Rose, Regisseur Louis Josek und Daniel Simpson aka Bakersteez.<br />
was ich mir da antun würde. Als wir endlich<br />
das Geld zusammenhatten, riefen<br />
wir noch: „Juhu, ab nach Jamaika! Wir<br />
machen einen Film!“ Die erste Woche<br />
war dann schrecklich. Es gab Probleme<br />
beim Dreh, plötzlich werden dir die kulturellen<br />
Unterschiede vor Augen geführt,<br />
und die drei Jungs waren nicht mehr nur<br />
meine Freunde, sondern sozusagen Arbeitskollegen.<br />
Da habe ich gemerkt, dass<br />
ich zu nah an ihnen dran war – wir hatten<br />
ein sehr nahes, persönliches Verhältnis,<br />
und plötzlich musste ich die Richtung<br />
vorgeben. Auch sonst musste ich mich<br />
an meine Rolle gewöhnen: Wir haben in<br />
Kingston in sehr gefährlichen Vierteln<br />
gedreht. Da habe ich schlagartig die Verantwortung<br />
für die ganze Crew gespürt.<br />
Im Film folgst du Surfer Shama nach<br />
Hawaii und Rapper Bakersteez auf<br />
eine Tour nach Japan. Welcher Moment<br />
ist dir besonders in Erinnerung<br />
geblieben?<br />
Wie hat sich das angefühlt?<br />
Sehr aufregend. Dieser Moment hat für<br />
mich die Schönheit des dokumentarischen<br />
Filmens auf den Punkt gebracht:<br />
Du startest mit einer Idee und einem Gefühl<br />
für eine Geschichte. Während du<br />
deine Figuren begleitest, zweifelst du<br />
natürlich immer wieder an dir, aber du<br />
kommst auch an Orte, von denen du vorher<br />
nicht einmal geträumt hattest. Das<br />
ist meine wichtigste Erkenntnis aus dem<br />
Projekt: Du musst an die eigenen Ideen<br />
glauben und den Mut haben, der Story<br />
ihre natürliche Entwicklung zu lassen.<br />
Und wie merkt man, dass die Geschichte<br />
zu Ende ist?<br />
Bei mir stellte sich das Gefühl zwei Tage<br />
vor unserem geplanten Rückflug ein. An<br />
diesem Tag ging es um drei Uhr morgens<br />
los. In der Stadt gibt es ein großes beleuchtetes<br />
rotes Kreuz – das wollten wir<br />
im Bild haben. Wir baten Shama, von<br />
links nach rechts durchs Bild zu skaten,<br />
und drückten auf Aufnahme. Genau in<br />
dem Moment, als Shama rechts aus dem<br />
Bild fuhr, ging die Beleuchtung aus. Eine<br />
halbe Stunde später fing es zu regnen an.<br />
Das passiert sonst nie in Jamaika. Am<br />
nächsten Tag regnete es auch. Da habe<br />
ich gespürte, dass ich fertig war. Die Insel<br />
hatte gesagt: „So, passt – Licht aus,<br />
das war’s, ab nach Hause!“<br />
„Outdeh“ online sehen: redbull.com/outdeh<br />
THE RED BULLETIN 69
<strong>DE</strong>R ALTMEISTER<br />
Helmut Marko, 1971<br />
Le-Mans-Sieger, heute<br />
Talentescout von<br />
<strong>Red</strong> Bull Racing.
GEMEINSAM AM START<br />
Marko (re.) und Rindt bei einem Bergrennen in Stainz, Österreich, 1968:<br />
eines der ganz wenigen Fotos, die beide zeigen<br />
„MEINE<br />
WIL<strong>DE</strong> ZEIT MIT<br />
JOCHEN<br />
RINDT“<br />
PRIVATARCHIV<br />
Der <strong>Red</strong> Bull Motorsport-Chef erinnert sich:<br />
HELMUT MARKO, 77, verband eine enge Freund schaft<br />
mit Formel-1-Legende Jochen Rindt. Auf den Straßen<br />
der Steiermark lernte er mit ihm die hohe Kunst des<br />
Rennfahrens. Ohne Führerschein, aber mit Begeisterung.<br />
Text ANDREAS WOLLINGER<br />
Fotos KONSTANTIN REYER<br />
THE RED BULLETIN 71
SCHMUCKSTÜCK<br />
Marko am Steuer des Porsche<br />
356, der als weiter entwickelter<br />
Käfer durchgehen darf<br />
Helmut Marko steht in der österreichischen Steiermark<br />
in einer Parkbucht am Koppenpass, der den Ort Bad<br />
Aussee mit Obertraun am Hallstätter See verbindet,<br />
in seinem Rücken ein feuerwehrroter Porsche 356, und<br />
schaut angestrengt den Hang hinauf. „Irgendwo da oben<br />
muss die Straße gewesen sein“, sagt er, „die Strecke<br />
heute hat ja mit dem Verlauf von damals nicht sehr viel<br />
zu tun.“ Gut, von Obertraun herauf, auf der oberösterreichischen<br />
Seite des Passes, da ist alles noch genauso<br />
wild und selektiv wie damals, vor sechzig Jahren, aber<br />
auf der steirischen Seite ist praktisch kein Stein auf dem<br />
anderen geblieben. „Ja, so ist das: Alles wird nivelliert“,<br />
sagt Marko, halb zu sich, halb zu uns.<br />
Man mag es kaum glauben, aber Marko, den in der<br />
Formel 1 alle nur ehrfürchtig „den Doktor“ nennen,<br />
war seit den frühen Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts<br />
nicht mehr hier. Anlass der Rückkehr: <strong>The</strong> <strong>Red</strong><br />
<strong>Bulletin</strong> hat die graue Eminenz von <strong>Red</strong> Bull Racing<br />
gebeten, einen Roadtrip zu seinen Wurzeln zu unternehmen<br />
– in eine extrem wilde Zeit, die er mit seinem<br />
damals besten Freund Jochen Rindt verbrachte. Jochen<br />
Rindt: Urknall des österreichischen Rennsport-Universums,<br />
1970 in Monza tödlich verunglückte Formel‐1-<br />
Ikone, der einzige posthum zum Weltmeister erklärte<br />
Pilot der Geschichte. Ohne ihn gäbe es keine erfolgreichen<br />
österreichischen Grand-Prix-Piloten, keine<br />
Renn strecke in Spielberg, keine Formel-1 -Begeisterung<br />
in Rot-Weiß-Rot.<br />
Die beiden Säulenheiligen des österreichischen<br />
Motorsports hatten einander schon als Halbwüchsige<br />
in Graz kennengelernt. Basis der Freundschaft waren<br />
gemein same Interessen: zuerst Mopeds, dann Mädchen.<br />
„Wann immer die Eltern ein Wochenende weggefahren<br />
sind“, erzählt Marko, heute 77, „ist in deren Haus oder<br />
Wohnung eine Party organisiert worden. Da war der<br />
Jochen – er war ja ein Jahr älter – wirklich sehr, sehr gut:<br />
Er hat immer die tollsten Mädchen dahergebracht.“<br />
Ein Draufgänger, der auf Regeln pfiff<br />
Aber auch sonst hatte man mit Jochen viel Spaß – vor<br />
allem, weil er „unglaublich unternehmungslustig und<br />
immer gut aufgelegt war“. Ein Draufgänger, der sich<br />
um gesellschaftliche Regeln nicht viel scherte und nicht<br />
lang fragte, ob etwas erlaubt oder verboten ist. „Bei<br />
den anderen Eltern“, erinnert sich Marko schmunzelnd,<br />
„galten wir nicht unbedingt als die, mit denen man die<br />
eigenen Kinder sehen wollte.“<br />
Die unerschrockene Art hatte, glaubt Marko, mit<br />
Rindts persönlicher Geschichte zu tun: In Deutschland<br />
geboren, verlor er seine Eltern bei einem Bombenangriff<br />
gegen Kriegsende und kam als Baby zu den Großeltern<br />
nach Graz. „Die waren nicht so streng wie Eltern“,<br />
72 THE RED BULLETIN
meint Helmut Marko. „Jochen hat mehr Freiheiten gehabt<br />
als andere. Und er war, als Erbe einer Gewürzmühle<br />
in Mainz, finanziell recht gut gestellt.“<br />
Das Einzige, was unter diesen Rahmen bedingungen<br />
litt, war der schulische Erfolg. Als im Verlauf der siebten<br />
Klasse Gymnasium – Rindt und Marko waren inzwischen<br />
Klassen kameraden – ein Zeugnis zum Desaster zu werden<br />
drohte, boten die zwei ihren Lehrern einen Deal an:<br />
Gegen ein positives Zeugnis würden diese sich nie wieder<br />
mit ihnen herumärgern müssen.<br />
Gymnasium der letzten Hoffnung<br />
Es war nämlich so: Ein Freund hatte ihnen erzählt, dass<br />
es im Salzkammergut ein Internat gebe, das für junge<br />
Herren, die der Schule nicht den nötigen Ernst entgegenbrachten,<br />
ein wahres Paradies sei. Eine private Einrichtung,<br />
die den Ruf des „Gymnasiums der letzten Hoffnung“<br />
hatte. Hier würden sie ohne übermäßige Anstrengung<br />
die Matura, das österreichische Abitur, machen und<br />
nebenbei eine Menge Spaß haben. Ein paar prominente<br />
Namen aus der Liste der Schüler: Tausendsassa André<br />
Heller, der Industrielle Thomas Prinzhorn und die<br />
Rennfahrer Niki Lauda und Harald Ertl.<br />
So kamen Jochen Rindt und Helmut Marko nach Bad<br />
Aussee. Und wie kamen sie zu dem Auto, an dem sich<br />
ihre Leidenschaft zum Rennfahren entzündete? Marko:<br />
„Wir waren am Krippenstein Ski fahren. Und weil wir<br />
damals alles extrem machten, hat sich der Jochen den<br />
Oberschenkel gebrochen. Das Problem war, dass Internat<br />
und Schule eine halbe Stunde Fußweg auseinander<br />
lagen, das war mit einem Komplettgips natürlich nicht<br />
zu machen. Daraufhin hat Jochens Großvater einen VW<br />
Käfer mit Chauffeur organisiert. Der hätte Jochen jeden<br />
Tag in die Schule bringen sollen. Das hat er auch zwei,<br />
drei Tage gemacht. Bis wir dem Großvater gesagt haben:<br />
Wir brauchen den Fahrer nicht, wir haben eh einen Mitschüler<br />
mit Führerschein, dadurch sparen wir Kosten.“<br />
Lachend fügt der spätere Le-Mans-Sieger hinzu: „Wahrscheinlich<br />
hat auch irgendeiner einen Führerschein<br />
gehabt. Aber die, die gefahren sind, hatten jedenfalls<br />
keinen.“<br />
Während Rennfahrer von morgen heute ihre Sinne<br />
im Kindesalter gefahrlos im Gokart schärfen, entwickelten<br />
Rindt und Marko die Fähigkeit zur Fahrzeugbeherrschung<br />
als Teenies in freier Wildbahn, auf öffentlichen<br />
Straßen rund um Bad Aussee, zum Beispiel auf den<br />
zehn Kilometern über den<br />
Koppenpass nach Obertraun.<br />
„Das Auto ist immer<br />
am Limit bewegt worden“,<br />
erinnert sich der Doktor.<br />
Wobei man sich der Sache<br />
auf spielerische Weise näherte.<br />
Sie saßen zu viert<br />
im Auto; einer fuhr, die<br />
drei anderen bildeten die<br />
„JOCHENS<br />
GROSSVATER HAT<br />
EINEN VW KÄFER<br />
MIT CHAUFFEUR<br />
ORGANISIERT.“<br />
RECHT<br />
FREUNDLICH<br />
Helmut Marko auf<br />
den Spuren seiner<br />
Freundschaft mit<br />
Jochen Rindt auf<br />
dem Koppenpass<br />
THE RED BULLETIN 73
„AM NÜRBURGRING<br />
HAT JOCHEN<br />
PLÖTZLICH<br />
GESAGT: DAS WILL<br />
ICH AUCH MACHEN.<br />
ICH HAB IHN NUR<br />
VERWUN<strong>DE</strong>RT<br />
ANGESCHAUT.“<br />
„Jury“. Machte der Pilot<br />
einen Fehler oder fuhr zu<br />
schneidig in eine Kurve,<br />
folgte ein Fahrerwechsel.<br />
Der Käfer war eine<br />
Herausforderung für sich:<br />
30 PS, null Straßenlage,<br />
Seilzugbremsen. „Das<br />
heißt, dass jedes Rad<br />
anders gebremst hat“,<br />
sagt Marko, „einmal hat<br />
ein Rad blockiert, dann<br />
ein anderes.“ Kurz: Ein<br />
besseres Werkzeug für die<br />
Entwicklung von Gefühl<br />
im Hintern kannst du kaum finden. Detail am Rande:<br />
Damals gab es weder Sicherheitsgurte noch ein Tempolimit<br />
auf Landstraßen.<br />
Für die Erinnerungsfahrt <strong>2020</strong> hat Helmut Marko<br />
einen Porsche 356 ausgesucht. Aus drei Gründen ist das<br />
eine stimmige Wahl: Erstens stammt das Auto genau<br />
aus der Zeit Anfang der Sechzigerjahre, in der diese Geschichte<br />
spielt. Zweitens hatte er mit Ferdinand Porsche<br />
den gleichen Schöpfer sowie das gleiche Konstruktionsprinzip<br />
wie der alte Käfer, ist aber deutlich hübscher<br />
anzuschauen. Und drittens hatte der Kunstprofessor<br />
in der Schule einen besesseb – und darin immer die<br />
tollsten Frauen neben sich sitzen gehabt.<br />
Berufswahl am Nürburgring<br />
Der Plan mit dem nachgeschmissenen Abitur ging dann<br />
doch nicht auf. Kurz vorher wurde der Schule die Lizenz<br />
zur Durchführung entzogen, und die Reifeprüfung<br />
musste anderswo abgelegt werden. Das Resultat: Sowohl<br />
Marko als auch Rindt flogen durch. In Graz würde<br />
es deshalb nur unnötig Ärger geben. Also fuhren sie<br />
in Rindts neuem Auto, einem Simca, in die entgegengesetzte<br />
Richtung: zum Grand Prix auf den Nürburgring.<br />
„Wir haben in der Wiese neben dem Auto geschlafen“,<br />
erinnert sich Marko, „der infernalische Lärm der vorbeirasenden<br />
Rennautos hat uns geweckt. Da hat Jochen<br />
plötzlich gesagt: ‚Das will ich auch machen!‘ Ich hab ihn<br />
nur verwundert angeschaut, weil das für uns so unvorstellbar<br />
weit weg war.“<br />
Wie wir heute wissen, hat Jochen seinen Entschluss<br />
dann beinhart durchgezogen. Während Helmut Marko<br />
auf dringenden Wunsch seines Vaters Jura studierte,<br />
ging sein Freund nach ersten Rennen in Österreich nach<br />
England, um die internationale Racing Szene aufzumischen.<br />
Das ringt Helmut Marko noch heute Respekt<br />
ab: „Unser Schulenglisch hat ja grad mal gereicht, um<br />
etwas zu essen zu bestellen. Da brauchst du Mut, eine<br />
Vision. Und viel Selbstvertrauen.“<br />
Der schnelle Ruhm habe Jochen Rindt kaum verändert,<br />
sagt Marko. Nur sein Lebens stil war plötzlich ungleich<br />
glamouröser: „Er hat Geld gehabt, einen eigenen<br />
Flieger und unser Traumauto, einen Jaguar E – so was<br />
GUTE ALTE ZEIT<br />
Helmut Marko<br />
blättert in „Jochen<br />
Rindt – eine Bildbiografie“<br />
(Böhlau<br />
Verlag) und erinnert<br />
sich an das<br />
Bergrennen von<br />
Stainz 1968.<br />
AUS <strong>DE</strong>M BUCH: „JOCHEN RINDT-EINE BILDBIOGRAFIE“, BÖHLAU VERLAG, GETTY IMAGES<br />
74 THE RED BULLETIN
DIE RÜCKKEHR<br />
Marko auf der Zufahrt zum<br />
Internat. Kaum zu glauben, aber<br />
er war sechzig Jahre lang nicht da.<br />
hat man ja nur von Filmstars gekannt. Doch wenn er<br />
nach Graz gekommen ist, hat es die gleichen Partys<br />
gegeben wie immer.“ Rasend schnell wurde aus dem<br />
unerschrockenen Buben mit der schiefen Nase „der erste<br />
Popstar des Rennsports“, wie Marko einmal konstatierte.<br />
Weil er seine Eigen heiten zu Markenzeichen erhob: die<br />
ständig im Mundwinkel hängende Zigarette; der Gang<br />
mit stark nach innen gerichteten Schuhspitzen; die extravagante<br />
Kleidung. „Er ist mit seinem ganzen Auftreten<br />
herausgeragt aus der Masse“, sagt Marko.<br />
Angebot beim Begräbnis<br />
Und dann: das Ende, mitten in einer Phase der größten<br />
Triumphe. „Unser Zugang zum Tod war: Wenn’s passiert,<br />
dann passiert’s eben“, schildert Marko Jochen Rindts<br />
tödlichen Unfall Anfang <strong>September</strong> 1970, von dem er<br />
im Radio in der Wohnung eines Freundes erfuhr. „Aber<br />
als es dann wirklich passiert ist, konnten wir das überhaupt<br />
nicht ver arbeiten. Und auch nicht akzeptieren.<br />
Wir haben uns dann mit Alkohol betäubt. Dieser Abend<br />
ist mir bis heute in Erinnerung.“<br />
Beim Begräbnis ist er dann von einem Rennsport-<br />
Manager angesprochen worden. „Der hat mir ein irrsinnig<br />
tolles Angebot gemacht für die folgende Saison.“<br />
Ernsthaft, beim Begräbnis? „Ja“, sagt Marko, „ich<br />
hab eh geglaubt, ich bin im falschen Film. Das war kein<br />
Österreicher, der hatte keine so starke emotionale Verbindung<br />
zu Jochen. Und wie gesagt: Tote waren damals<br />
im Motorsport an der Tagesordnung.“<br />
Seltenes Bilddokument<br />
Erstaunlich ist, dass es kaum Bilder gibt, die Marko und<br />
Rindt gemeinsam zeigen. Eines dieser raren Fotos stammt<br />
von einem Bergrennen in Stainz nahe Graz 1968. Rindt,<br />
damals schon ein etablierter Formel-1-Fahrer, kam<br />
mit einem privaten Brabham-Formel-2-Boliden in die<br />
Provinz, um vor 20.000 begeisterten<br />
Zuschauern den Streckenrekord<br />
um eine halbe Minute<br />
zu verbessern. Helmut Marko,<br />
fuhr Formel V und belegte Rang<br />
zehn. Und ein gewisser Nikolaus<br />
Andreas Lauda wurde auf einem<br />
Porsche 911 Neunter. Markos Erinnerungen<br />
an das Er eignis sind<br />
etwas lückenhaft.<br />
Er entsinnt sich bloß des gleichen<br />
Bergrennens 1970, bei dem<br />
Rindt Zweiter ge worden war und<br />
beteuerte, er habe aus Rücksicht<br />
auf die Formel-1-WM nicht das<br />
Letzte aus seinem Auto herausgeholt.<br />
„In Wahrheit“, erzählt<br />
Helmut Marko schmunzelnd,<br />
„war unser Abendprogramm<br />
schuld, dass wir am Tag darauf<br />
nicht die Fittesten waren.“<br />
Das Video zum Roadtrip<br />
auf <strong>Red</strong> Bull TV<br />
Markos Comeback<br />
in Deutschland<br />
Im Oktober kehrt die Formel 1<br />
auf den Nürburgring zurück.<br />
Brüllende Motoren, spektakuläre Überholmanöver,<br />
spannende Boxenstopps:<br />
Vom 9. bis 11. Oktober gibt es wieder<br />
Formel-1-Action auf dem Nürburgring<br />
– zum ersten Mal seit sieben Jahren.<br />
In der Eifel fordern Max Verstappen<br />
und Alex Albon von <strong>Red</strong> Bull Racing sowie<br />
die Scuderia AlphaTauri unter den<br />
Augen von <strong>Red</strong> Bull Motorsport-Chef<br />
Dr. Helmut Marko Weltmeister Lewis<br />
Hamilton heraus. Infos: redbull.com<br />
THE RED BULLETIN 75
A N Z E I G E<br />
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2<br />
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76 THE RED BULLETIN
GUI<strong>DE</strong><br />
Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen<br />
MIRJA GEH/RED BULL CONTENT POOL<br />
AB AUF DIE STRECKE!<br />
Snowboard-Profi Benjamin<br />
Karl, 34, geht beim <strong>Red</strong> Bull<br />
Dolomitenmann als Mountainbiker<br />
an den Start. Hier erzählt<br />
er, wie sich die 1700 wilden<br />
Höhenmeter anfühlen.<br />
Plus: drei spannende Bike-<br />
Trails in den Lienzer Dolomiten.<br />
THE RED BULLETIN 77
GUI<strong>DE</strong><br />
Travel<br />
„Raus aus dem Stadion,<br />
zwei Stunden volle Tube<br />
bergauf und bergab.<br />
Du übernimmst dich<br />
fürchterlich.“<br />
Benny Karl über seine Erfahrung<br />
beim <strong>Red</strong> Bull Dolomitenmann<br />
A<br />
m Morgen des Rennens gönne<br />
ich mir ein kleines Frühstück,<br />
fahre mit meinem Stadtrad, dem mit dem<br />
Körbchen und den Blumen, gemütlich<br />
zum Start und plaudere mit den Teamkollegen.<br />
Wenn die Bergläufer starten,<br />
kann ich noch chillen. Zwei Stunden, bis<br />
bei mir die Schmerzen beginnen.<br />
Beim <strong>Red</strong> Bull Dolomitenmann, dem<br />
härtesten Teambewerb der Welt, bin ich<br />
als Dritter der Wings for Life-Staffel an<br />
der Reihe. Ich stehe im Lienzer Stadion,<br />
die Fans rund um mich sorgen für grandiose<br />
Stimmung. Ich sehe unseren Paragleiter<br />
zu mir herunterschweben. Jetzt<br />
ist volle Konzentration angesagt: Sein<br />
Schirm darf sich beim Abklatschen nicht<br />
in meinem Bike verheddern. Es geht los!<br />
Raus aus dem Stadion, zwei Stunden<br />
volle Tube bergauf und bergab. 16 Kilometer<br />
Uphill, 14 Kilometer Downhill,<br />
1700 Höhenmeter. Wir starten flach über<br />
Wiesen, Schotter und Asphalt zum ersten<br />
Anstieg, hinauf zu jenem Punkt, wo sich<br />
im Winter die Ski-Damen in die Abfahrt<br />
stürzen. Hier merkst du schnell, dass du<br />
den 40er-Schnitt nicht halten wirst. Wenn<br />
du auf diesem Abschnitt auf 8 Stundenkilometer<br />
kommst, ist das schon viel.<br />
Denn es ist richtig steil, 25 bis 30 Prozent.<br />
Und es tut richtig weh.<br />
Seit 2007 bin ich jedes Jahr am Start.<br />
Auch weil ich mittlerweile hier Heimvorteil<br />
Nach dem Abklatsch ist vor dem Aufstieg: Paragleiter Wendelin Ortner übergibt an Benny Karl.<br />
genieße – ich wohne ja in Lienz. Unten<br />
stehen die Leute an der Strecke und<br />
feuern dich an. Auch weiter oben, in den<br />
Kehren: „Geht scho’, Benny, geht scho’!“<br />
Du übernimmst dich fürchterlich – bis<br />
dich niemand mehr sieht. Du hast das<br />
Gefühl, es zerfetzt dir die Lunge. Die<br />
Qualen kann man nicht mit denen beim<br />
Snowboarden vergleichen.<br />
Zur Moosalm hinunter spiele ich meine<br />
Downhill-Qualitäten aus. Bei den richtig<br />
hohen Holzstufen steigen einige Kollegen<br />
ab und tragen ihr Bike. Ich nicht. Need for<br />
Speed liegt mir im Blut.<br />
Das Rennen hat mein Schwiegervater<br />
Werner Grissmann vor mittlerweile mehr<br />
als 30 Jahren erfunden. Und die gesamte<br />
Familie ist im Einsatz: Meine Frau Nina<br />
betreut die VIPs an der Strecke. Meine<br />
Mama versorgt mich am zweiten An stieg<br />
mit Getränken. Es geht über eine Schotterstraße<br />
1100 Höhenmeter hinauf, elendslang,<br />
aber oben mit einem schönen Blick<br />
hinein ins Tal. Und dann noch zusätzliche<br />
150 Höhenmeter mit dem Rad auf den<br />
Schultern durch die Latschen zum Hochsteinkreuz.<br />
Apropos Rad: Ich nehme meistens<br />
das nur vorn gefederte Hardtail. Es ist<br />
leichter, und ich mache lieber bergauf<br />
zwei Minuten gut, als dass ich bergab<br />
eine halbe Minute schneller bin.<br />
Das Mittelstück der Abfahrt ist eine<br />
schnurgerade Herausforderung mit<br />
78 THE RED BULLETIN
GUI<strong>DE</strong><br />
Travel<br />
Wien<br />
Österreich<br />
Anreise<br />
Lienz liegt in Osttirol an der<br />
Grenze der Zentralalpen<br />
zu den Südlichen Kalkalpen.<br />
Südlich der Drau erstrecken<br />
sich hier die Lienzer Dolomiten.<br />
Am Kreuzungspunkt<br />
von Drau-, Isel- und Pustertal<br />
laufen wichtige Verkehrsverbindungen<br />
wie die Drau-<br />
Lienz<br />
talstraße und die Felbertauernstraße<br />
zusammen.<br />
Die nächstgelegenen internationalen<br />
Flughäfen befinden<br />
sich in Salzburg,<br />
Ljubljana (Slowenien) und<br />
Venedig (Italien).<br />
Hochgefühl: Die Paragleiter dürfen sich nicht vom Panorama ablenken lassen.<br />
MIRJA GEH/RED BULL CONTENT POOL (2), CHRISTOPHER KELEMAN/<br />
RED BULL CONTENT POOL HANNES KROPIK<br />
Beinarbeit: Vor und nach dem Flug muss der Gleitschirm getragen werden.<br />
Der Event<br />
Der <strong>Red</strong> Bull Dolomitenmann wurde<br />
vom ehemaligen Skistar Werner<br />
Grissmann erdacht. Seit 1988 fighten<br />
Bergläufer, Paragleiter, Mountain biker<br />
und Wildwasser-Kajakfahrer in der<br />
Staffel um den Sieg beim härtesten<br />
Teamwettbewerb der Welt. Das<br />
Starter feld ist auf 125 Teams limitiert.<br />
500 Freiwillige und 150 Helfer von<br />
Bergrettung, Feuerwehr, Polizei und<br />
Rotem Kreuz sorgen für die Sicherheit.<br />
Im Jahr 2019 gewann das Team<br />
Kolland Topsport Professional in einer<br />
Gesamtzeit von 3:47:02 Stunden. Die<br />
33. Auflage des <strong>Red</strong> Bull Dolo mitenmannes<br />
geht am 12. <strong>September</strong><br />
in und um Lienz über die Bühne.<br />
Infos: redbulldolomitenmann.com<br />
THE RED BULLETIN 79
GUI<strong>DE</strong><br />
Travel<br />
Die Bergläufer starten den Staffelbewerb. Stille Bewunderer im Hintergrund: die Lienzer Dolomiten<br />
30 Prozent Gefälle. Dafür habe ich meine<br />
eigene Technik entwickelt: Ich blockiere<br />
das Hinterrad permanent, vorn bremse<br />
ich nur hin und wieder. Es ist schon passiert,<br />
dass ich die Bremse so überhitzt<br />
habe, dass ich Kurven einlegen musste,<br />
um das Tempo in den Griff zu bekommen.<br />
Früher ging es einfach bergab ins Ziel,<br />
einmal habe ich die Strecke in 15 Minuten<br />
geschafft. Jetzt haben sie den Kurs verschärft,<br />
nach der Abfahrt geht es in den<br />
neuen Alban-Lakata-Trail mit gefühlt hundert<br />
Anliegerkurven. Du musst hoch konzentriert<br />
sein, sonst schlägt es dir den<br />
Lenker aus den Händen. Zum Schluss ist<br />
der Weg hinüber nach Leisach gespickt<br />
mit kleinen Anstiegen. Vor lauter Krämpfen<br />
in Waden und Oberschenkeln weißt<br />
du nicht, wie du es ins Ziel schaffst.<br />
Für mich ist das Rennen vorbei, wenn<br />
ich mit Gebrüll an meinen Kajakfahrer<br />
übergebe. Ich lasse mich fallen und<br />
schnappe nach Luft. Lasst mich einfach<br />
ein paar Minuten liegen. Dann rolle ich<br />
langsam hinüber zum Ziel und nehme mit<br />
meinen Staffelkollegen unseren Schlussmann<br />
am Hauptplatz von Lienz in Empfang.<br />
Wir fallen uns in die Arme, wir haben<br />
es geschafft. Wieder einmal.<br />
Besser ein Ende mit Schmerzen als Schmerzen ohne Ende:<br />
Die Kanuten müssen den finalen Sprint mit dem Boot<br />
ab solvieren (im Bild Harald Hudetz beim Zieleinlauf 2017).<br />
„Nichts ist<br />
hier leicht“<br />
Benjamin Karl stellt drei<br />
Bike-Touren rund um Lienz vor.<br />
Moosalm:<br />
GEMÜTLICH STEIL<br />
(300 Höhenmeter). „In Osttirol gibt<br />
es nichts Leichtes. Auf die Moosalm<br />
sind es aber nur 300 Höhenmeter,<br />
oben kannst du gut essen,<br />
und der Ausblick ist wunderbar.“<br />
Karlsbader Hütte:<br />
SCHÖN ANSPRUCHSVOLL<br />
(1600 Höhenmeter): „Wenn du<br />
versierter bist, empfehle ich den<br />
Schotterweg hinauf zur Karlsbader<br />
Hütte, mitten im Herzen der Lienzer<br />
Dolomiten. Auf der schönsten Tour<br />
im hochalpinen Gelände kannst du<br />
dir für die letzten 600 Höhenmeter<br />
auf der Dolomitenhütte auch ein<br />
E‐Bike ausborgen.“<br />
Lesachtal-Runde:<br />
HERRLICH AUTOFREI<br />
(1600 Höhenmeter): „Auf der<br />
112 Kilometer langen Runde wird<br />
auch die Dolomiten-Rundfahrt ausgetragen.<br />
Mit dem Rennrad fährst<br />
du auf schmalen, verwinkelten<br />
Straßen, auf denen keine Autos<br />
unterwegs sind.“<br />
MIRJA GEH/RED BULL CONTENT POOL, MARKUS BERGER/RED BULL CONTENT POOL HANNES KROPIK<br />
80 THE RED BULLETIN
GUI<strong>DE</strong><br />
Ausrüstung<br />
OUTDOOR<br />
Wandern,<br />
next Level<br />
Dieser Schuh für Bergwanderer<br />
glänzt mit Trailrunning-Qualitäten.<br />
Untenrum stark:<br />
Die Sohle des MQM<br />
dämpft Stöße und<br />
stabilisiert den Fuß<br />
des Wanderers.<br />
TIM KENT<br />
Lange Zeit galt: Bergwanderer tragen Stiefel, Bergläufer tragen Trailrunning-Schuhe. Doch seit einigen Jahren lässt sich<br />
das Schuhwerk der beiden Gruppen immer schwerer unterscheiden. Der Grund: Auch die Wanderer sind auf die leichten<br />
und dennoch stabilen Halbschuhe der Trailrunner gekommen. Deshalb hat Hersteller Merrell einen eigenen Trailrunning-<br />
Schuh für Wanderer entwickelt. Der MQM – abgekürzt für „Move Quickly in the Mountains“ – versucht nun schon in zweiter<br />
Generation die Vorteile von Wander- und Lauf-Modellen zu vereinen. Eine flexible, gepolsterte Zwischensohle trifft auf eine<br />
gebirgstaugliche Laufsohle. Das Obermaterial ist reißfest, eine Kappe schützt die Fersenpartie. Dank neuartiger Technologie<br />
ist die GORE-TEX Waterproof Membran außergewöhnlich atmungsaktiv, eine durchgehende Zunge verhindert das<br />
Eindringen von Schmutz. 140 Euro, merrell.com<br />
THE RED BULLETIN 81
GUI<strong>DE</strong><br />
Fitness<br />
STROBOSKOP-BRILLE<br />
Wer weniger<br />
sieht,<br />
hat mehr<br />
Durchblick<br />
Diese Brille schränkt die Sicht ein<br />
– und hilft damit Top-Athleten und<br />
Astronauten, ihre Koordinationsfähigkeiten<br />
zu verbessern.<br />
Tempo, Präzision und Power<br />
sind die wichtigsten Elemente<br />
beim Rugby. Denn ständig<br />
versucht der Gegner, dich<br />
zu stören und zu Boden zu<br />
reißen. Für den perfekten<br />
Catch darfst du dich nicht aus<br />
der Ruhe bringen lassen. Eine<br />
„Stroboskop“-Brille soll Spitzensportlern<br />
genau dabei helfen.<br />
Sie wurde entwickelt, um<br />
die Verbindungen zwischen<br />
Augen, Gehirn und Körper zu<br />
optimieren. Sie simuliert eine<br />
Stroboskop-Beleuchtung, das<br />
heißt, die Gläser flimmern in<br />
rasender Geschwindigkeit:<br />
Für einen Moment sind sie<br />
durchsichtig, dann komplett<br />
blickdicht. Dadurch fehlen den<br />
Augen entscheidende visuelle<br />
Reize. Das Gehirn muss diese<br />
Lücken durch eine effizientere<br />
Verarbeitung der vorhandenen<br />
Informationen kompensieren.<br />
Die „blinde Phase“ kann je<br />
nach Einstellung nur 100 Millisekunden<br />
oder länger als eine<br />
Per App stellst du die Zeit der<br />
blinden Phasen und den Schwierigkeitsgrad<br />
der Session ein.<br />
Sekunde dauern. Je länger du<br />
nichts siehst, desto größer<br />
wird die Herausforderung.<br />
Der US-Rugby-Profi Carlin<br />
Isles trainiert seit 2013 mehrmals<br />
die Woche mit der<br />
420 Euro teuren Spezialbrille<br />
des Marktführers Senaptec.<br />
Während der 15-minütigen<br />
Sessions soll er beispielsweise<br />
Tennis- oder Rugbybälle fangen.<br />
„Seitdem hat sich meine<br />
Hand-Auge-Koordination<br />
extrem verbessert. Es fühlt<br />
sich im Spiel fast so an, als<br />
käme der Ball jetzt in Zeitlupe<br />
angeflogen“, sagt der 30-Jährige.<br />
Den Effekt der Brille<br />
machen sich übrigens<br />
nicht nur Rugbyspieler<br />
zunutze. Der Schweizer<br />
Fußballnationaltorhüter<br />
Yann Sommer,<br />
die New York Yankees und<br />
selbst die NASA bedienen<br />
sich der Methode.<br />
senaptec.com<br />
„Jetzt fühlt es sich fast<br />
so an, als käme der Ball<br />
in Zeitlupe angeflogen.“<br />
Carlin Isles, 30, Rugby-Profi<br />
So geht’s<br />
ohne Brille<br />
Senaptec-CEO Joe<br />
Bingold verrät, wie du<br />
auch ohne Hightech-<br />
Brille deine Koordina tion<br />
verbessern kannst.<br />
SCHNELLE DREHUNG<br />
Wende deinem Partner<br />
den Rücken zu und stellt<br />
euch fünf Meter auseinander.<br />
Sobald er wirft, ruft er<br />
„Go!“ – erst dann drehst<br />
du dich um und versuchst<br />
den Ball zu fangen.<br />
BLIN<strong>DE</strong> DREHUNG<br />
Um die Übung noch schwieriger<br />
zu machen, verringere<br />
die Distanz, verwende einen<br />
besonders kleinen Ball oder<br />
schließ die Augen, bevor du<br />
dich umdrehst.<br />
EINÄUGIGE BRILLE<br />
Kleb ein Glas deiner<br />
Sonnenbrille mit Kreppband<br />
ab und absolvier<br />
damit traditionelle Laufübungen.<br />
Der frühere Sprinter, der seit 2012 als Flügelspieler beim US-<br />
Nationalteam aktiv ist, gilt als schnellster Rugbyspieler der Welt.<br />
MARV WATSON/RED BULL CONTENT POOL, SENAPTEC.COM FLORIAN STURM TOM MACKINGER<br />
82 THE RED BULLETIN
JAHRESABO<br />
getredbulletin.com<br />
€ 25,90<br />
BEYOND THE ORDINARY<br />
Erhältlich am Kiosk, im Abo, als E-Paper, auf theredbulletin.com oder als Beilage in einer Teilauflage von:<br />
JAANUS REE / RED BULL CONTENT POOL
GUI<strong>DE</strong><br />
Gaming<br />
DIGITALE GELASSENHEIT<br />
Gedankenspiel<br />
Der Philosoph John Sellars erklärt<br />
uns, welche stoischen Lebensweisheiten<br />
im Gaming-Meisterwerk<br />
„<strong>The</strong> Last of Us 2“ stecken.<br />
Social Distancing, Isolation,<br />
Quarantäne: Das Jahr <strong>2020</strong><br />
stellt das soziale Wesen<br />
Mensch auf eine harte Probe.<br />
Videospiele bieten da eine<br />
gewisse Erleichterung. Sogar<br />
die WHO – die bisher eher vor<br />
Computerspielsucht gewarnt<br />
hat – empfiehlt sie für den<br />
Umgang mit dem Lockdown.<br />
In einem der Top-Games<br />
des Jahres, „<strong>The</strong> Last of Us 2“,<br />
geht es darum, mit der Katastrophe<br />
umzugehen. Das Survival-Horror-Abenteuer<br />
ist in<br />
einer postpandemischen Welt<br />
angesiedelt. Hauptfigur Ellie<br />
muss Ruhe, Resilienz und<br />
Eigenständigkeit beweisen –<br />
Eigenschaften, von denen wir<br />
alle profitieren können, und<br />
zentrale Merkmale der stoischen<br />
Philosophie.<br />
„Der Stoizismus geht von<br />
dem Gedanken aus, dass das<br />
Wohlbefinden vom Geisteszustand<br />
abhängt“, erklärt der<br />
Philosoph John Sellars. Statt<br />
sich wegen äußerer Faktoren,<br />
die man nicht kontrollieren<br />
kann, die Haare zu raufen,<br />
sollte man ein klareres Bild<br />
davon erlangen, was man<br />
beeinflussen kann – und dann<br />
rational begründete Handlungen<br />
setzen. Kurz: Es geht<br />
nicht um dein Schicksal, sondern<br />
wie du damit umgehst.<br />
Hier findest du vier stoische<br />
Lehren aus dem Game, die<br />
dich gegen die Herausforderungen<br />
des Alltags wappnen.<br />
Die innere Burg bauen<br />
Ein häufiges Motiv in postapokalyptischen<br />
Games ist<br />
der unverwüstliche Held, der<br />
eine innere Quelle des Mutes<br />
anzapft. Auch das ist stoisch,<br />
wie Sellars erklärt.<br />
„In seinen ‚Selbstbetrachtungen‘<br />
schreibt der römische<br />
Kaiser Mark Aurel von seiner<br />
‚inneren Burg‘. Das ist der Teil<br />
seines Bewusstseins, den<br />
nichts zerstören kann, es sei<br />
denn, man ließe dasjenige hinein.<br />
Wenn man eine Lage als<br />
schrecklich bewertet, erzeugt<br />
das Angst, die wiederum zu<br />
falschen Entscheidungen verleiten<br />
kann.“ Stattdessen solle<br />
man er kennen, dass man zwar<br />
die Umstände nicht kontrollieren<br />
kann, wohl aber die eigene<br />
Reaktion darauf.<br />
Tugend entdecken<br />
Schier ausweglose Situationen<br />
durchzustehen erfordert Optimismus.<br />
Hierbei verweist Sellars auf<br />
den römischen Stoiker Seneca<br />
den Jüngeren: „Er sagt, das<br />
Unheil ist die Gelegenheit der<br />
Tugend. Aktuell feiern viele<br />
Menschen die Systemerhalter<br />
als Helden des Alltags und<br />
kümmern sich um gefährdete<br />
Nachbarn. Unter widrigen<br />
Umständen entdeckt man,<br />
Innere Ruhe ist eine der Stärken von Protagonistin Ellie im Game „<strong>The</strong> Last of Us 2“.<br />
wie Menschen wirklich sind. Es<br />
gibt immer positive Seiten.“<br />
Die Welt mitdenken<br />
In „<strong>The</strong> Last of Us 2“ hat sich<br />
Ellie mit ihrem Vater zerstritten,<br />
dem Protagonisten des<br />
Original-Games von 2013.<br />
In Zeiten reduzierter sozialer<br />
Freiräume kämpfen viele Menschen<br />
mit derartigen familiären<br />
Entfremdungen. Die stoische<br />
Philosophie ortet unsere<br />
John Sellars<br />
unterrichtet Philosophie<br />
am Royal Holloway College und<br />
forscht am King’s College, die<br />
beide zur Londoner Universität<br />
gehören. Er widmet sich der<br />
stoischen Philo sophie, aktuell<br />
im Buch „Lessons in Stoicism“.<br />
johnsellars.org.uk<br />
Vernetzung allerdings auf<br />
einer umfassenderen Ebene.<br />
„Es gibt dieses Konzept<br />
des Weltbürgertums, wonach<br />
wir alle Teil einer einzigen globalen<br />
Gemeinschaft sind“, so<br />
Sellars. „Triviale Unterschiede<br />
wie Standesdünkel oder Nationalitäten<br />
rücken in den Hintergrund.<br />
Wichtig ist, dass wir<br />
alle Gesellschaftswesen mit<br />
einer gemeinsamen Vernunftbasis<br />
sind.“<br />
Bewusster leben<br />
Anders als die meisten Videospiele<br />
vermittelt „<strong>The</strong> Last of<br />
Us 2“ eine reflektierte Sicht<br />
auf den Tod, selbst auf jenen<br />
der sogenannten Feinde. „Wir<br />
sollten uns unserer Sterblichkeit<br />
stets bewusst sein“, sagt<br />
Sellars.<br />
„Dazu gehört schlicht und<br />
einfach, realistisch zu sein,<br />
aber auch unserer eigenen<br />
Zeit mehr Bedeutung beizumessen.<br />
Wir haben nur ein<br />
begrenztes Ausmaß davon,<br />
und je eher wir das begreifen,<br />
desto besser können wir die<br />
richtigen Prioritäten im Leben<br />
setzen.“<br />
SONY INTERACTIVE ENTERTAINMENT MATT RAY<br />
84 THE RED BULLETIN
Für alle, die für uns durchs Feuer gehen.<br />
Die nicht viel bekommen, aber alles geben.<br />
Tobias, Feuerwehrmann
GUI<strong>DE</strong><br />
Lesestoff<br />
THRILLER-INSTINKT<br />
Der härteste Hund<br />
Mit Jack Reacher hat der britische Thriller-Autor Lee Child eine Figur<br />
erschaffen, die keine Kompromisse kennt – und bewiesen, dass trivial<br />
und genial keine Gegensätze sind.<br />
Dass sich ausgerechnet<br />
Tom Cruise, vom Scheitel<br />
bis zur aufgedoppelten<br />
Sohle knappe 170<br />
Zentimeter hoch, die Filmrechte<br />
an „Jack Reacher“<br />
sicherte, lässt sich eigentlich<br />
nur auf zwei Arten erklären:<br />
Entweder pflegt Mr. Cruise<br />
ein sehr elastisches Verhältnis<br />
zum Begriff „Hollywoodgröße“,<br />
oder er besitzt einen<br />
ausgeprägten Sinn für Ironie.<br />
Denn die Romanvorlage zu<br />
dieser Figur ist 1,95 Meter<br />
groß, wiegt satte 110 Kilogramm<br />
und sieht aus wie „ein<br />
mit Walnüssen vollgestopftes<br />
Kondom“. Erschaffen hat sie<br />
der britische Autor Lee Child<br />
bereits im Jahre 1997 – und<br />
zwar, wie er unverblümt zugibt,<br />
am kommerziellen Reißbrett.<br />
Child, der 1954 in Coventry<br />
geboren wurde, in<br />
Wahrheit James Grant heißt<br />
und bis dahin erfolgreich<br />
als TV-Produzent tätig war,<br />
brauchte nach einer heftigen<br />
Meinungsverschiedenheit mit<br />
seinem Arbeitgeber schlichtweg<br />
einen neuen Job. Und<br />
er entschied sich für „internationaler<br />
Bestsellerautor“.<br />
Wunderbar ins Bild passt<br />
da auch der deutsche Titel<br />
des ersten Reacher-Romans:<br />
„Größenwahn“. Child, der<br />
mittlerweile in die USA ausgewandert<br />
war, ließ mit diesem<br />
Thriller einen Serienhelden<br />
von der Leine, der auf den<br />
ersten Blick wirkt wie die Inkarnation<br />
eines Chuck-Norris-<br />
Witzes: Jack Reacher, kein<br />
zweiter Vorname, kein fester<br />
Wohnsitz, hochdekorierter<br />
Ex-Militärpolizist der U. S.<br />
Army im Rang eines Majors,<br />
Koryphäe im nachhaltig letalen<br />
Umgang mit Waffen aller<br />
Art, Nahkampfexperte mit<br />
den dreckigen Instinkten<br />
eines Streetfighters, gesegnet<br />
mit einem messerscharfen<br />
86 THE RED BULLETIN
GUI<strong>DE</strong><br />
Lesestoff<br />
Erster Absatz aus „Der Bluthund“<br />
„Jack Reacher und Michelle Chang verbrachten drei Tage in Milwaukee.<br />
Am vierten Morgen war sie fort. Als Reacher mit Kaffee<br />
ins Zimmer zurückkam, fand er auf seinem Kopfkissen ein paar<br />
Zeilen. Solche kurzen Abschiedsbriefe hatte er schon mehrmals<br />
gesehen. Direkt oder indirekt besagten sie alle das Gleiche.<br />
Changs Zeilen waren indirekt. Und eleganter als die meisten.<br />
Aber nicht, was die Präsentation betraf: mit Kugelschreiber<br />
auf ein von Feuchtigkeit gewelltes Blatt Motelpapier gekritzelt.<br />
Aber elegant im Ausdruck. Sie hatte eine Metapher gewählt,<br />
um zu erklären und zu schmeicheln und sich zu entschuldigen –<br />
alles gleichzeitig. Sie hatte geschrieben: ‚Du bist wie New York.<br />
Ich besuche es liebend gern, aber ich könnte nicht dort leben.‘“<br />
LESETIPPS<br />
Einzelkämpfer<br />
in Serie<br />
Vier Romanfiguren, mit denen man sich<br />
nur im Lesesessel anlegen sollte.<br />
JAKOB HÜBNER VINZ SCHWARZBAUER<br />
analytischen Verstand und<br />
getrieben von einem unbeugsamen<br />
Gerechtigkeitssinn,<br />
der nur einen Gesetzgeber<br />
kennt: Jack Reacher.<br />
Dass es Lee Child gelungen<br />
ist, aus dieser Ausgeburt an<br />
himmelschreiender Trivialität<br />
den aktuell vielleicht konsistentesten<br />
Charakter des gepflegten<br />
Suspense mit einer<br />
weltweiten Auflage von über<br />
60 Millionen Exemplaren zu<br />
formen, grenzt an ein Wunder.<br />
Das Setting der Serie, die<br />
in deutscher Übersetzung<br />
mittlerweile 22 Romane umfasst,<br />
ist – mit Ausnahme<br />
dreier Prequels aus Reachers<br />
aktiver Militärzeit – stets ein<br />
ähnliches: Reacher, ziellos<br />
per Anhalter unterwegs und<br />
bewaffnet lediglich mit einer<br />
Klappzahnbürste, strandet<br />
zufällig irgendwo zwischen<br />
Nebraska und Nirgendwo,<br />
wird in einen Konflikt hineingezogen,<br />
der ihn eigentlich<br />
nichts angeht, leckt Blut und<br />
räumt auf. Konsequent, kompromisslos<br />
und knallhart.<br />
Was Lee Child jedoch von<br />
all seinen Kollegen aus der<br />
belletristischen Kriegerzunft<br />
unterscheidet, ist sein wirklich<br />
einzigartiger, ganz und gar<br />
pragmatischer Stil: Das ist<br />
Präzision und <strong>Red</strong>uktion in<br />
Perfektion. Die Plots sind am<br />
Punkt, die Charaktere sind<br />
am Punkt, die Dialoge sind am<br />
Punkt. Child schreibt so, wie<br />
Reacher reist: ohne Gepäck.<br />
Das gilt auch für den<br />
Reacher-Jahrgang <strong>2020</strong>, der<br />
uns Mitte Juli „Der Bluthund“<br />
bescherte. Den Startschuss<br />
liefert diesmal der Abschlussring<br />
einer Absolventin der<br />
Militärakademie West Point,<br />
den Reacher in der Auslage<br />
eines Pfandleihers entdeckt.<br />
Zunächst möchte er bloß<br />
herausfinden, wie und warum<br />
dieser dort gelandet ist. Aber<br />
schon recht bald ist neben<br />
dem Abschluss- auch ein<br />
Drogenring im Spiel. Und<br />
dann will es Reacher so richtig<br />
wissen …<br />
Vermutlich wird dies – und<br />
alle Fans müssen jetzt ganz,<br />
ganz stark sein – aber einer<br />
der letzten Reacher-Romane<br />
aus der Feder von Lee Child<br />
sein. Denn der hat angekündigt,<br />
die Figur schleichend –<br />
zunächst als Koautor und<br />
dann vollständig – an seinen<br />
jüngeren Bruder Andrew zu<br />
übergeben. Der ist zwar auch<br />
kein Genre-Frischling, ob er<br />
jedoch dieses schwere Erbe<br />
stemmen kann …? Abwarten<br />
und Reacher lesen.<br />
LEE CHILD,<br />
„<strong>DE</strong>R BLUTHUND“<br />
Ein Jack-Reacher-Roman (22),<br />
Deutsch von Wulf Bergnert.<br />
Blanvalet Verlag<br />
JASON BOURNE<br />
Alle 22 Bücher, die Robert<br />
Ludlum zu Lebzeiten veröffentlichte,<br />
landeten verlässlich<br />
auf Platz 1 der „New York<br />
Times“-Bestsellerliste – darunter<br />
auch jene drei, in denen<br />
der US-amerikanische Thrillmeister<br />
seine – nicht zuletzt<br />
dank der Verfilmungen mit<br />
Matt Damon – bekannteste<br />
Figur in Stellung brachte:<br />
Jason Bourne. Die Erfolgsserie<br />
rund um den Agenten<br />
ohne Gedächtnis wurde nach<br />
Ludlums Tod im Jahr 2001<br />
von Eric Van Lustbader artgerecht<br />
fortgesetzt und hält<br />
mittlerweile bei 14 Bänden.<br />
EVAN SMOAK<br />
Einst gehörte Evan Smoak<br />
zu einem streng geheimen<br />
US‐Regierungsprogramm<br />
namens Orphan, das Waisenkinder<br />
zu perfekten Killermaschinen<br />
hochzüchtet. Als<br />
dieses beendet wird, sucht<br />
Evan Buße für seine früheren<br />
Taten und wird zu einer Art<br />
tödlichem Samariter für Menschen<br />
in Not. Aber dann eröffnet<br />
sein ehemaliger Arbeitgeber<br />
die Jagd auf Evan – und<br />
liefert Gregg Hurwitz damit<br />
die Munition für ein großkalibriges<br />
Feuerwerk, das aktuell<br />
vier Bände ohne nennenswerte<br />
Atempause umfasst.<br />
VICTOR<br />
Auf bisher acht Bände<br />
hat es die „Victor“-Serie des<br />
britischen Autors Tom Wood<br />
gebracht – was angesichts<br />
des Lebenswandels der Titelfigur<br />
eine beachtliche Leistung<br />
ist. Denn Victor ist ein<br />
eiskalter, hochbezahlter<br />
Profikiller, der permanent<br />
im Fadenkreuz mächtiger<br />
Gegner agiert. Wood beweist<br />
in diesem mörderischen Katzund-Maus-Spiel<br />
ein feines Gespür<br />
fürs richtige Timing und<br />
kostet dabei eine sehr seltene<br />
erzählerische Freiheit genüsslich<br />
aus: Sein Held muss<br />
kein Sympathieträger sein.<br />
HARRY HOLE<br />
Alkoholkrank, alleinstehend,<br />
obrigkeitsresistent … Mit<br />
Harry Hole hat der norwegische<br />
Ausnahmekönner<br />
Jo Nesbø ein oft bemühtes<br />
Stereotyp des Hardboiled-<br />
Genres auf ein ungewohnt<br />
hohes Niveau gehievt. Die<br />
ebenso intelligent wie komplex<br />
strukturierten Plots der<br />
bisher zwölfteiligen Romanserie<br />
entstammen eher<br />
dem klassischen Krimifach,<br />
die Art und Weise, wie Harry<br />
Hole seine Fälle löst, lassen<br />
das literarische Getriebe<br />
aber in einer deutlich härteren<br />
Gangart krachen.<br />
THE RED BULLETIN 87
GUI<strong>DE</strong><br />
Ausrüstung<br />
HELME<br />
Biken mit<br />
Köpfchen<br />
Die besten Vollvisierhelme.<br />
Wer rasant mit dem<br />
Fahrrad unterwegs ist,<br />
trägt Helm, klar. Wer<br />
rasant mit dem Fahrrad<br />
Abhänge hinunterjagt,<br />
dem sei ein Vollvisierhelm<br />
empfohlen. Damit<br />
der so gut schützt, wie<br />
er soll, kannst du neben<br />
ausreichender Belüftung<br />
etwa auf diese Punkte<br />
achten: Der Helm sollte<br />
eng anliegen, wobei für<br />
gute Sicht zwischen<br />
Augenbraue und oberer<br />
Kante zwei Zentimeter<br />
liegen dürfen. Manche<br />
Modelle verfügen über<br />
ein Visier, das bei einem<br />
Sturz abreißt und so die<br />
auf den Nacken des Fahrers<br />
übertragenen Kräfte<br />
minimiert. Von oben im<br />
Uhrzeigersinn: Scott<br />
Nero Plus, 230 Euro,<br />
scott-sports.com;<br />
POC Coron Air Spin,<br />
290 Euro, pocsports.<br />
com; TSG Squad Grafic<br />
Design, 165 Euro, ridetsg.<br />
com; Bell Full-9 Fusion<br />
MIPS MTB, 280 Euro,<br />
bellbikehelmets.co.uk<br />
Frischer Wind: Der<br />
POC Coron Air SPIN<br />
bietet ein innovatives<br />
Belüftungs- und<br />
Ventilationsdesign<br />
sowie ein Abreißvisier.<br />
Neue Sehkraft<br />
Goggle für ideale Kontraste<br />
So erkennst du auch bei hohem<br />
Tempo jede Wurzel: Die POC<br />
Ora Clarity Goggle intensiviert<br />
Farbe und Kontrast, indem sie<br />
präzise Lichtmengen durchlässt.<br />
90 Euro, pocsports.com<br />
TIM KENT<br />
88 THE RED BULLETIN
ANZEIGE<br />
Auf dem richtigen Weg:<br />
Der deutsche Extrem-<br />
Radfahrer Jonas<br />
Deichmann vertraut<br />
der Navigations-App<br />
komoot.<br />
UNBEKANNTE<br />
WELTEN<br />
ENT<strong>DE</strong>CKEN<br />
Abenteuer leicht gemacht<br />
mit komoot<br />
Eine Reise mit dem Rad ist eine der<br />
besten Möglichkeiten, die Welt zu<br />
entdecken und hinterlässt Erinnerungen,<br />
die ein Leben lang bleiben.<br />
Auf der Suche nach unbekanntem<br />
Gelände besteht allerdings stets die<br />
Gefahr, sich meilenweit zu verlieren<br />
und die Erinnerung, die bleibt, ist<br />
die Suche nach dem Weg.<br />
Nicht so mit komoot – die Routenplanungs-<br />
und Navigations-App erobert<br />
die Welt im Sturm und begleitet<br />
dich zuverlässig auf der Suche<br />
nach neuen Erfahrungen in unbekanntem<br />
Gelände.<br />
Wie funktioniert’s? Der sportspezifische<br />
Routenplaner von<br />
komoot liefert dir Trails, Gravel- oder<br />
Rennradstrecken ganz nach deinem<br />
Geschmack. Der Algorithmus räumt<br />
beliebten Strecken Priorität ein und<br />
vorgeschlagene Routen basieren auf<br />
Empfehlungen anderer Nutzer. So<br />
überzeugt komoot mit Geheimtipps,<br />
die einen Umweg wert sind.<br />
Der deutsche Extremradfahrer<br />
und mehrfache Weltrekordhalter auf<br />
Ultralangdistanzen Jonas Deichmann<br />
ist immer offen für Neues und<br />
verlässt dafür nur allzu gern seine<br />
Komfortzone. „In Städten, die ich<br />
nicht kenne, finde ich dank komoot<br />
immer interessante Strecken“,<br />
so Deichmann, der kürzlich in nur<br />
73 Tagen und damit in neuer Rekordzeit<br />
die 18.000 Kilometer lange<br />
Strecke vom Nordkap nach Kapstadt<br />
auf dem Rad zurücklegte.<br />
Derzeit lebt er mit seiner Familie in<br />
der Schweiz. Seine Rad- und Laufstrecken<br />
plant er mit komoot und<br />
entdeckt neue Spots, sobald er das<br />
Haus verlässt. „Ich gehe gern im Wald<br />
ohne konkretes Ziel laufen und folge<br />
einfach irgendeinem Trail, der mich<br />
anspricht. Zurück nach Hause lasse<br />
ich mich dann von komoot leiten.“<br />
An ambitionierten Zielen mangelt<br />
es Deichmann nicht. Sein neues<br />
Projekt ist ein Mega-Triathlon um die<br />
Welt. Sein Ziel wird er mithilfe von<br />
komoot erreichen. „Nachdem ich<br />
nun alle großen Kontinentalstrecken<br />
in Rekordzeit bewältigt habe, brauche<br />
ich eine neue Herausforderung.<br />
Start- und Zielpunkt soll München<br />
sein. In 10 bis 11 Monaten werde<br />
ich 120-mal die Ironman-Distanz<br />
zurücklegen. Den Pazifik und den<br />
Atlantik überquere ich mit dem<br />
Segelboot.“<br />
Folge Jonas<br />
auf seiner Reise<br />
um den Globus
GUI<strong>DE</strong><br />
Kalender<br />
ab<br />
28<br />
8<strong>September</strong><br />
AUF <strong>DE</strong>R INSEL<br />
<strong>DE</strong>R FRAUEN<br />
Zwei Snowboard-Stars<br />
machen sich auf, um ein<br />
besonderes Land zu erkunden:<br />
Island, das seit<br />
neun Jahren in Folge von<br />
den Vereinten Nationen<br />
in Gleichstellungsfragen<br />
top gerankt wird. Für die<br />
Doku „A Land Shaped<br />
by Women“ verbringen<br />
Anne-Flore Marxer, 36,<br />
und Aline Bock, 38,<br />
einen Winter im fortschrittlichen<br />
Inselstaat.<br />
Auf: redbull.com<br />
<strong>September</strong><br />
HIER ENT<strong>DE</strong>CKST DU DAS LAUFEN NEU<br />
538 Kilometer, 8580 Höhenmeter, eine Woche Zeit: Mit diesen Vorgaben packt Ultra-Läufer Florian<br />
Neuschwander sein neues Abenteuer an. Nach dem Motto „Von Laufen nach Laufen laufen“ startet<br />
er vom Ort Laufen bei Basel in der Schweiz und bahnt sich seinen Weg über Deutschland bis nach<br />
Laufen bei Salzburg in Österreich. Dabei kannst du seinen Updates auf Instagram und Strava folgen,<br />
oder du begleitest ihn gleich persönlich auf einem der Streckenabschnitte. Alle Infos: redbull.com<br />
18<br />
bis 20. <strong>September</strong><br />
SIE KICKEN<br />
WIE<strong>DE</strong>R<br />
Wer bietet den spektakulärsten<br />
Fußball? Mit<br />
dieser Frage startet die<br />
Fußball-Bundesliga in<br />
ihre neue Saison. Neben<br />
dem FC Bayern München<br />
und Borussia Dortmund<br />
gehört auch RB Leipzig<br />
(li.: Dayot Upamecano<br />
gegen Dortmunds Erling<br />
Haaland) wieder zu den<br />
Teams, die besonders<br />
viel Spielfreude versprechen.<br />
Am ersten Spieltag<br />
treffen die Roten Bullen<br />
daheim auf Mainz. Infos:<br />
dierotenbullen.com<br />
ab<br />
8<strong>September</strong><br />
EIN LEBEN AUF<br />
<strong>DE</strong>M SPRUNG<br />
1998 war Jimmy LeVan<br />
24 – und wurde zur BMX-<br />
Legende: Er sprang von<br />
der Treppe der St. Mary’s<br />
Church in Austin, Texas,<br />
auf den Gehsteig der<br />
anderen Straßen seite,<br />
niemand hat das je wieder<br />
geschafft. Später<br />
sang er in der Band Zig<br />
Zag Way (Bild). Die Doku<br />
„Go Fast Pull Up: <strong>The</strong><br />
Jimmy LeVan Story“<br />
zeichnet sein Leben<br />
nach. Auf: redbull.com<br />
FLO HAGENA FOR WINGS FOR LIFE WORLD RUN, PICTURE<strong>DE</strong>SK.COM, NICK PUMPHREY<br />
90 THE RED BULLETIN
GUI<strong>DE</strong><br />
Kalender<br />
14<br />
<strong>September</strong><br />
STEILE ZEITEN<br />
Es ist ihre bisher schwierigste<br />
Route: In Tokio<br />
sollte Klettern <strong>2020</strong> erstmals<br />
olympisch sein, und<br />
die Weltmeister Jessica<br />
Pilz und Jakob Schuster<br />
träumten von einem Antreten<br />
– doch dann kam<br />
alles anders. Eine Doku<br />
begleitet ihr abenteuerliches<br />
Jahr: „Bergwelten:<br />
schneller, höher, stärker<br />
– Sportklettern wird<br />
olympisch“, 21.15 Uhr,<br />
Infos: servustv.de<br />
7Oktober<br />
DAS EIS RUFT<br />
Nach rund sieben Monaten<br />
Pflichtspielpause<br />
werden die Münchner<br />
Eishockey-Fans erlöst:<br />
Der EHC <strong>Red</strong> Bull München<br />
spielt in der ersten<br />
Runde der Champions<br />
Hockey League gegen<br />
das finnische Top-Team<br />
Ilves Tampere. Am 7. 10.<br />
spielen die Münchner<br />
in Tampere, am 13. steigt<br />
die Revanche dahoam.<br />
Übertragungs-Infos:<br />
redbullmuenchen.de<br />
SERVUS TV/JOHANNES MAIR/ALPSOLUT PICTURES, PICTURE<strong>DE</strong>SK.COM, CHRIS RYE<br />
bis<br />
25<br />
Oktober<br />
HIER KÖNNEN I<strong>DE</strong>EN ABHEBEN<br />
Studierende sprudeln ja oft über vor Einfällen: Bei <strong>Red</strong> Bull<br />
Basement können sie ihre Idee für eine bessere Welt vorstellen<br />
und erhalten die Chance auf umfassende Unterstützung<br />
– durch Mentoren oder Möglichkeiten zum Netzwerken.<br />
Studenten können ihre Idee bis zum 25. 10. in einem<br />
Video hochladen. User und Jury küren die Finalisten für den<br />
Global Workshop. Alle Infos unter: redbullbasement.com<br />
THE RED BULLETIN<br />
PRO SOUND.<br />
PERFEKTE<br />
PASSFORM.<br />
FIN<strong>DE</strong> <strong>DE</strong>N FLOW<br />
UND ZEIGE<br />
<strong>DE</strong>INEN STYLE.<br />
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TRUE WIRELESS KOPFHÖRER<br />
JBL.COM
Ob Elektro oder Benziner: Bei diesen neuen Autos<br />
steht der Spaß im Vordergrund – egal ob für<br />
Abenteurer, Langstrecken-Fahrer oder Sportler.<br />
Text FABRICE BRAUN<br />
Die neuen<br />
Straßenfeger<br />
Der Kraftprotz<br />
Audi e-tron<br />
S Sportback<br />
Darf’s ein bisschen<br />
mehr sein? Also eigentlich<br />
viel mehr? Das<br />
SUV-Coupé hat gleich<br />
drei Elektromotoren,<br />
zwei davon im Heck, die<br />
ihre Leistung in Kurven<br />
elektronisch auf die<br />
Räder verteilen – eine<br />
Art Quattro-de-luxe-<br />
Antrieb. Die Motoren<br />
haben zusammen<br />
320 kW Leistung und<br />
664 Nm Drehmoment.<br />
Für den völligen Exzess<br />
lässt sich die Power auf<br />
Knopfdruck und gegen<br />
Aufpreis per Boost<br />
sogar auf 370 kW und<br />
fast 1000 Nm erhöhen.<br />
Ab 96.050 Euro; audi.de
Der Übermütige<br />
Hyundai i30 N<br />
Performance<br />
Hyundai ist bekannt<br />
für sehr vernünftige,<br />
aber eher – nun ja –<br />
alltagstaugliche Autos.<br />
Mit dem i30N Performance<br />
wollen die<br />
Koreaner nun auch<br />
Freunde des flotteren<br />
Fahrens ansprechen.<br />
Der Kompaktsportler<br />
legt sich direkt mit<br />
dem VW GTI an und<br />
bringt dafür alles mit:<br />
ein Sportfahrwerk mit<br />
adaptiven Stoßdämpfern,<br />
elektronische<br />
Differenzialsperre und<br />
einen 2,0-Liter-4-Zylinder-Turbomotor<br />
mit<br />
202 kW / 275 PS. Vernünftig?<br />
Vernünftig<br />
ist hier nur der Preis.<br />
Ab 33.435 Euro<br />
hyundai.de<br />
Für Sportler<br />
Bitte anschnallen: Diese Kraftpakete<br />
machen wirklich jede<br />
Kurve zum Genuss.<br />
Es lebe der Sport<br />
Cupra Formentor e-Hybrid<br />
Seat macht aus seinen<br />
Sport-Modellen Cupra<br />
eine eigene Marke. Der<br />
erste eigenständige<br />
Cupra ist das auffällige<br />
SUV-Coupé Formentor,<br />
das im Oktober auf<br />
den Markt kommt. Der<br />
sportliche Fünfsitzer<br />
Für alle, die schon<br />
immer das Gefühl des<br />
Surfens im Auto spüren<br />
wollten. Dieser kompakte<br />
Allrad-Kraftprotz<br />
hat im Kofferraum<br />
erstaunlich viel<br />
Platz (bis zu 1430 Liter<br />
bieten theoretisch<br />
Stauraum für gleich<br />
mehrere Bretter) und<br />
Leistung bis zum Abist<br />
ein Raumwunder mit<br />
450 Liter Kofferraumvolumen<br />
und wird von<br />
einem 245 PS / 180 kW<br />
starken Plug-in- Hybrid-<br />
Motor an getrieben, mit<br />
dem er bis zu 50 Kilometer<br />
rein elektrisch<br />
fahren kann.<br />
Preis: noch nicht<br />
bekannt<br />
cupraofficial.de<br />
Wellenreiter<br />
Mercedes-AMG GLA 45 4MATIC+<br />
winken: Sein 2,0-Liter-<br />
4-Zylinder-Turbo leistet<br />
285 kW / 387 PS<br />
und 480 Nm – auf dieser<br />
Drehmomentwelle<br />
lässt es sich völlig<br />
entspannt durch den<br />
Alltag surfen.<br />
Ab 61.190 Euro<br />
mercedes-benz.de<br />
THE RED BULLETIN 93
Für die Langstrecke<br />
Ob Urlaub oder Business-Trip:<br />
In diesen Autos vergeht die<br />
längste Reise wie im Flug.<br />
Goldstück<br />
Volvo V60 Polestar Engineered<br />
Der V60 ist schon<br />
von Haus aus ein dynamischer<br />
Kombi, in dem<br />
eine Fahrt von München<br />
nach Paderborn wie im<br />
Fluge vergeht – in der<br />
Version des Volvo-Veredlers<br />
Polestar wird<br />
daraus ein sportlicher<br />
Hingucker mit goldenen<br />
Bremssätteln und<br />
Sportfahrwerk von<br />
Öhlins (mit goldenen<br />
Stoßdämpfern). Auch<br />
der Antrieb glänzt: Der<br />
Plug-in-Hybrid bringt<br />
jetzt 298 kW / 405 PS<br />
und 670 Nm Drehmoment<br />
auf die Straße.<br />
Ab 67.748 Euro<br />
volvocars.com<br />
Raumfahrt für alle<br />
Kia ProCeed GT<br />
Bis zu 203 Einkaufstaschen<br />
passen angeblich<br />
in den riesigen<br />
Kofferraum des stylishen<br />
Shooting Brakes.<br />
Die ungewöhnliche<br />
Mischung aus Kombi<br />
und Coupé dürfte wird<br />
aber auch mit dem<br />
Transport von Wasserkästen<br />
(6 Stück) oder<br />
Kinderwagen (3 Stück)<br />
fertig – mit den<br />
150 kW / 204 PS Leistung<br />
seines 1,6-Liter-<br />
4-Zylinder-Benziners<br />
auch zügig und bequem<br />
über weite Strecken.<br />
Der neue Mild-Hybrid-<br />
Diesel bringt es auf<br />
100 kW / 136 PS.<br />
Ab 30.891 Euro<br />
kia.com<br />
Sattelfest<br />
Ford Mustang<br />
Mach-E<br />
Wer bei „Mustang“<br />
an ein Sportcoupé mit<br />
V8‐Motor denkt, das<br />
beim Sprint von Ampel<br />
zu Ampel die Schnauze<br />
vorn hat, der muss<br />
demnächst umdenken:<br />
Der neue Mustang<br />
Mach-E (ab 2021)<br />
ist ein geräumiges,<br />
vollelektrisches SUV,<br />
das zwar auch schnell<br />
beschleunigt (unter<br />
5 Sekunden von 0 auf<br />
100 km/h), aber seine<br />
größte Qualität ist die<br />
Langstrecke: Bis zu<br />
600 Kilometer Reichweite<br />
soll er schaffen.<br />
Ab 46.900 Euro<br />
ford.de
Waldmeister<br />
Jeep Renegade<br />
Jeep-Fahrer galten<br />
schon immer als besonders<br />
geländegängig.<br />
Mit dem neuen Plug-in-<br />
Hybrid Renegade 4xe<br />
können sie jetzt auch<br />
mit reinem Gewissen<br />
durch die Natur pflügen<br />
– ohne Abgase und<br />
Motorenlärm: In dem<br />
Mini-SUV arbeitet vorn<br />
ein Benzinmotor mit<br />
70 kW / 96 PS, an der<br />
Hinterachse ein Elektromotor<br />
mit 44 kW / 60 PS.<br />
Bis zu 50 Kilometer<br />
kann der 4xe rein elektrisch<br />
fahren, genug für<br />
die meisten Waldwege.<br />
Ab 37.237 Euro<br />
jeep.de<br />
Für Abenteurer<br />
Neue Welten entdecken: Diese<br />
Modelle sind immer für außergewöhnliche<br />
Erlebnisse gut.<br />
Elektropop<br />
Mazda MX-30<br />
Landadel<br />
MINI Countryman<br />
Ende <strong>September</strong> bringt<br />
Mazda in Deutschland<br />
sein erstes allein elektrisch<br />
betriebenes<br />
Modell auf die Straße.<br />
Die Japaner haben die<br />
Zeit für clevere Details<br />
genutzt: So schwenken<br />
die hinteren Türen<br />
nach hinten auf, die<br />
Mittelkonsole ist mit<br />
Kork verkleidet, und<br />
der Elektromotor<br />
(107 kW / 145 PS) erzeugt<br />
beim Fahren<br />
einen dezenten, künstlichen<br />
Sound. Sich abseits<br />
ausgetretener<br />
Pfade zu bewegen ist<br />
manchmal nur eine<br />
Frage der Einstellung.<br />
Ab 23.166 Euro<br />
(inklusive Umweltbonus)<br />
madza.de<br />
Die meisten Minis<br />
dürften eher Häuserals<br />
Bergschluchten<br />
kennenlernen, der<br />
Countryman eignet<br />
sich hingegen ideal<br />
für einen Ausflug aufs<br />
Land – vor allem in der<br />
Version mit Plug-in-<br />
Hybrid: viel Stauraum<br />
und gute Traktion dank<br />
dem Allradantrieb mit<br />
den beiden Motoren,<br />
die zusammen beeindruckende<br />
162 kW /<br />
220 PS leisten. Und<br />
als Extra gibt’s gegen<br />
Aufpreis Romantik in<br />
Form einer speziellen<br />
Picknick-Bank für den<br />
Kofferraum.<br />
Ab 38.017 Euro<br />
mini.de<br />
THE RED BULLETIN 95
Impressum<br />
GLOBAL TEAM<br />
THE RED<br />
BULLETIN<br />
WELTWEIT<br />
Aktuell erscheint<br />
<strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong><br />
in sechs Ländern. Vom<br />
Cover unserer Großbritannien-Ausgabe<br />
blickt dir Rugby-Star<br />
Jack Nowell entgegen.<br />
In der Story erklärt er,<br />
wie es ihm seit Jahren<br />
gelingt, gerade unter<br />
Druck seine beste<br />
Leistung abzurufen.<br />
Mehr Storys abseits des<br />
Alltäglichen gibt’s auf:<br />
redbulletin.com<br />
Chefredakteur<br />
Alexander Macheck<br />
Stv. Chefredakteur<br />
Andreas Rottenschlager<br />
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Deputy Head of Photography<br />
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Managing Editor<br />
Ulrich Corazza<br />
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Fotoredaktion<br />
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Herstellung Veronika Felder<br />
Produktion Friedrich Indich, Walter O. Sádaba,<br />
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Deutschland, ISSN 2079-4258<br />
Länderredaktion<br />
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THE RED BULLETIN<br />
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bei Deutschland<br />
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96 THE RED BULLETIN
„LESEN WIE ICH WILL“<br />
DU ENTSCHEI<strong>DE</strong>ST, WIE DU<br />
<strong>DE</strong>INE ZEITSCHRIFT LESEN<br />
MÖCHTEST. OB EINE EINZELNE<br />
AUSGABE O<strong>DE</strong>R IM ABO –<br />
OB GEDRUCKT O<strong>DE</strong>R DIGITAL.<br />
DAS IST BEQUEM, ZUVER-<br />
LÄSSIG UND GÜNSTIG.<br />
Foto © Skyshot/Greber<br />
BIKE – Europas größtes Mountainbike-Magazin – zeigt 12x im Jahr, worauf die<br />
Bike-Szene abfährt: Test und Technik, Touren und Routen, Fitness und Fahrtechnik,<br />
Rennen und Events – dazu spannende Reportagen und spektakuläre Fotos.<br />
Ganz einfach online informieren unter<br />
www.delius-klasing.de/bike-lesen-wie-ich-will<br />
EMTB, das Magazin für E-Mountainbiker, vermittelt die Faszination des E-Mountainbikens,<br />
beantwortet die wichtigsten Fragen zur Technik und sorgt mit kompetenten Vergleichstests<br />
für Orientierung im Markt.<br />
Ganz einfach online informieren unter<br />
www.delius-klasing.de/emtb-lesen-wie-ich-will<br />
Das Gravity-Magazin zeigt 4x im Jahr mehr als nur radikales Mountainbiken. Typen<br />
und Sprünge in sensationellen Bildern und spannenden Reportagen, viel Service<br />
durch kompetente Tests, Technik-Tipps, Infos zu Events, Freeride-Parks und -Spots.<br />
FREERI<strong>DE</strong> steht für Individualität, Fahrspaß und Lust aufs Abenteuer.<br />
Ganz einfach online informieren unter<br />
www.delius-klasing.de/freeride-lesen-wie-ich-will
Perfekter Abgang<br />
Flug über den Flügel<br />
Wie Adrian Guggemos Mobilität definiert? Zum Beispiel so. In seinem neuesten<br />
Video „Night at the Museum“ springt der 26-Jährige mit seiner GasGas TXT<br />
Racing 300 über den Flügel einer Concorde. Was man als Trial-Freestyle-Ass<br />
eben macht, wenn man eine Nacht im Technik Museum Sinsheim verbringt.<br />
Den Clip mit allen Stunts gibt’s unter: redbull.com<br />
Die nächste<br />
Ausgabe des<br />
RED BULLETIN<br />
erscheint am<br />
13. Oktober<br />
<strong>2020</strong>.<br />
DANIEL WAGNER/RED BULL CONTENT POOL<br />
98 THE RED BULLETIN
3 TIPPS<br />
VON JE<strong>DE</strong>M GAST<br />
FÜR <strong>DE</strong>INEN ALLTAG<br />
Pioniere unserer Zeit sprechen über<br />
die innovativen Rezepte hinter ihrem Erfolg.<br />
Jeden Montag – überall, wo es Podcasts gibt.<br />
Jetzt abonnieren und keine Session verpassen!<br />
Die Welt von INNOVATOR by <strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong> täglich erleben:<br />
innovatorbytheredbulletin innovatorbytheredbulletin redbulletininnovator<br />
redbulletininnovator.com
Quelle: van-of-the-year.com 11/19<br />
FORD RANGER<br />
JETZT 3 AUSSTATTUNGSOPTIONEN GESCHENKT. 1<br />
Ob Arbeit oder Freizeit – mit dem meistverkauften Pick-up<br />
Deutschlands 2 gibt es keine Grenzen, dafür pure Kraft,<br />
Fahrspaß und jetzt sogar noch drei Highlights geschenkt.<br />
Beispielfoto eines Fahrzeugs der Baureihe. Gültig für alle Ford Ranger Limited-/Wildtrak-/Raptor-Modelle bei verbindlichen Kaufverträgen und Zulassung auf den<br />
privaten Endkunden (außer Werkangehörige) und gewerbliche Kunden (außer Autovermieter, Behörden, Kommunen sowie gewerbliche Abnehmer mit gültigem<br />
Ford-Werke Rahmenabkommen). Die Prämie ist nicht mit anderen „Ab-Lager-Programmen“ kombinierbar. Details bei allen teilnehmenden Ford Partnern.<br />
1<br />
Im Rahmen des Angebotes sind 3 Wunschausstattungen (gemäß gültiger Preisliste) beliebig wählbar, ausgenommen ist Ford Zubehör. 2 Quelle: www.kba.de