ADAC Urlaub November-Ausgabe 2020 Nordrhein
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Ein paar Schritte noch, dann bin ich<br />
oben. Ganz oben! Auf 3715 Metern!<br />
Dem Himmel so nah! Geschafft!<br />
Ganz leise dringt der Wind in mein<br />
Ohr. Er pfeift nicht, er weht nur sanft.<br />
Aber wenn man dieses Lüftchen<br />
hören kann, wenn nur wenige Menschen<br />
zu sehen sind, wenn man die<br />
Erde riechen und den Boden trotz<br />
dicker Wanderschuhe fühlen kann,<br />
und wenn dann auch noch die<br />
Brotzeit aus dem Rucksack besser<br />
schmeckt als jedes Sterne-Gericht,<br />
dann läuft etwas richtig. Jetzt verweilen.<br />
Jetzt genießen.<br />
Humboldt brauchte fünf Tage<br />
Der Weltreisende und Wissenschaftler<br />
Alexander von Humboldt<br />
brauchte fünf Tage, um Vater Teide<br />
zu besteigen. Schritt für Schritt. Blick<br />
für Blick. Damals, 1799, fand Humboldt<br />
nicht einmal einen Führer, was<br />
ihn aber nicht sonderlich verwunderte:<br />
Schließlich kenne er Bewohner<br />
der Stadt Schaffhausen, die den<br />
Rheinfall auch noch nie aus der Nähe<br />
gesehen hätten. Soll er gesagt haben.<br />
Bis auf wenige moderne Errungenschaften,<br />
wie Straße, Seilbahn oder<br />
Parador, hat Humboldts Beschreibung<br />
des Teide und seiner Umgebung<br />
bis heute Bestand. Das alles geht<br />
mir durch den Kopf und immer<br />
wieder mein Schnippchen: einen<br />
Fast-Viertausender bestiegen<br />
zu haben, ohne Bergsteiger zu<br />
sein. Wo gibt es das schon auf<br />
der Welt? Auch wenn die Seilbahn<br />
die Kernarbeit geleistet<br />
hat – deshalb: Berg besteigen<br />
statt Bergsteigen –, ist<br />
das Gefühl grandios! Und<br />
die Aussicht erst recht: Der<br />
Blick auf die Mondlandschaft<br />
der Caldera von Las Cañadas<br />
ist sensationell. Bis zu 500<br />
Meter tief fallen die<br />
Mondlandschaft<br />
Ausblick vom Pico<br />
del Teide auf die<br />
karge Vulkanlandschaft<br />
des Teide-<br />
Nationalparks<br />
Felsskulpturen<br />
Die Formation<br />
der Roques de<br />
García unterhalb<br />
des Teide-Gipfels<br />
ist eine berühmte<br />
Sehenswürdigkeit<br />
Wände ab. Der Teide ist auf 17 Kilometer<br />
Länge komplett von der Caldera<br />
umschlossen. Bizarre Felsformationen<br />
und – abgesehen von den<br />
Roten Natternköpfen – ein äußerst<br />
spärlicher Bewuchs kennzeichnen<br />
diese karge Landschaft, die vor rund<br />
500.000 Jahren entstanden ist. Die<br />
Montaña Blanca ist zu sehen, die<br />
merkwürdigen Gesteinsformationen<br />
und Felsnadeln von Los Roques<br />
und gleich daneben Los Azulejos<br />
mit grünlich gefärbtem Gestein.<br />
Weitblicke über den Atlantik<br />
Auf Teneriffa ist der Teide fast von<br />
jedem Flecken Erde aus zu sehen.<br />
Und so sieht man von oben auf fast<br />
jedes Fleckchen Teneriffa. Mein Blick<br />
geht aber noch weiter: hinaus auf<br />
das endlos weite Meer und auf<br />
die Nachbarinseln. Im Westen<br />
mache ich die Schwesterinseln<br />
La Palma, El Hierro und<br />
La Gomera aus, im Osten<br />
Gran Canaria und im Dunst<br />
der Ferne die Silhouetten von<br />
Fuerteventura und Lanzarote.<br />
Unvergleichlich! Das kann<br />
kein Alpengipfel bieten. Und<br />
nicht einmal ein Gleitschirmflug,<br />
denn der höchste Startplatz<br />
der Insel liegt auf gerade<br />
mal 2300 Meter Höhe. Aber die<br />
Alpen waren nötig, damit der<br />
Teleférico del Teide überhaupt ge-<br />
baut wurde. Ein gewisser Andrés de<br />
Arroyo y González de Chávez war<br />
bei seinen Reisen nach Deutschland<br />
und in die Schweiz besonders<br />
von den Seilbahnen und den wunderbaren<br />
Ausblicken beeindruckt.<br />
Nach seiner Rückkehr setzte er sich<br />
nachdrücklich dafür ein, auch am<br />
Teide eine Seilbahn zu bauen, die<br />
allen Besuchern den Aufstieg möglich<br />
machen konnte. Das war im Jahr<br />
1929. Auch wenn die Jungfernfahrt<br />
nach achtjähriger Bauzeit letztlich<br />
erst am 18. Juli 1971 stattfand, gilt<br />
Andrés de Arroyo y González de<br />
Chávez als Vater des Teleférico del<br />
Teide. Und genau dieser bringt mich<br />
am Nachmittag in acht Minuten<br />
wieder hinunter zu meinem Auto<br />
– bequemer geht es wirklich nicht.<br />
Weitere Informationen unter:<br />
adacreisen.de/teneriffa<br />
„<strong>ADAC</strong> <strong>Urlaub</strong>“-Autor Jochen Müssig<br />
Glücklich und fasziniert auf dem Gipfel<br />
des Vulkanbergs Pico del Teide<br />
38 <strong>ADAC</strong> URLAUB 6/<strong>2020</strong>