26.11.2020 Aufrufe

Spengler Cup Davos - Jahrbuch 2020 (60-er Jahre)

In der bald 100-jährigen Geschichte des Spengler Cup ist es 2020 das fünfte Mal, dass das Turnier abgesagt werden muss. Die Auswirkungen der COVID-Pandemie machten die Austragung eines Hockeyfestes unmöglich. Im 5. Jahrbuch des Spengler Cup Davos schauen wir aber trotzdem zurück auf die 1960er-Jahre. Es war die Zeit, als Davos endlich auch eine Kunsteisbahn bekam, das OK mit gewaltigen Schneemassen kämpfte und erstmals Tschechoslowaken, Russen und ein kanadisches Team am Spengler Cup teilnahmen. Auch die politische Lage in Europa hatte in den 60ern grosse Auswirkungen auf das Turnier. So wurde Vorjahressieger Lokomotive Moskau aus politischen Gründen 1968 nicht mehr eingeladen, sechs Jahre zuvor verhalf der Davoser Landammann einem Spieler aus Prag sogar zum Absprung in den Westen.

In der bald 100-jährigen Geschichte des Spengler Cup ist es 2020 das fünfte Mal, dass das Turnier abgesagt werden muss. Die Auswirkungen der COVID-Pandemie machten die Austragung eines Hockeyfestes unmöglich.
Im 5. Jahrbuch des Spengler Cup Davos schauen wir aber trotzdem zurück auf die 1960er-Jahre. Es war die Zeit, als Davos endlich auch eine Kunsteisbahn bekam, das OK mit gewaltigen Schneemassen kämpfte und erstmals Tschechoslowaken, Russen und ein kanadisches Team am Spengler Cup teilnahmen. Auch die politische Lage in Europa hatte in den 60ern grosse Auswirkungen auf das Turnier. So wurde Vorjahressieger Lokomotive Moskau aus politischen Gründen 1968 nicht mehr eingeladen, sechs Jahre zuvor verhalf der Davoser Landammann einem Spieler aus Prag sogar zum Absprung in den Westen.

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19<strong>60</strong> – 1969: ZEIT DES UMBRUCHS<br />

15<br />

Als 15-Jährig<strong>er</strong> absolvi<strong>er</strong>te Kradolf<strong>er</strong><br />

seine <strong>er</strong>sten Juniorenspiele und kam<br />

vi<strong>er</strong> <strong>Jahre</strong> spät<strong>er</strong>, 19<strong>60</strong>, zu sein<strong>er</strong> Premi<strong>er</strong>e<br />

in d<strong>er</strong> <strong>er</strong>sten Mannschaft des<br />

Hockey Club <strong>Davos</strong>. Diese bestritt <strong>er</strong><br />

mit ein<strong>er</strong> Schult<strong>er</strong>v<strong>er</strong>letzung, die <strong>er</strong><br />

seinem Train<strong>er</strong> v<strong>er</strong>schwieg, da <strong>er</strong> seinen<br />

Einsatz auf keinen Fall v<strong>er</strong>passen wollte.<br />

Zusammen mit Stu Rob<strong>er</strong>tson spielte<br />

<strong>er</strong> in d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>teidigung. Obwohl <strong>er</strong><br />

kaum schiessen konnte, gelang ihm das<br />

3 : 5, was in ein<strong>er</strong> Zeitung mit folgenden<br />

Worten beschrieben wurde: «Kradolf<strong>er</strong><br />

wühlte weit<strong>er</strong>, und durch seinen Treff<strong>er</strong><br />

gab <strong>er</strong> d<strong>er</strong> Mannschaft d<strong>er</strong>art Schwung,<br />

dass inn<strong>er</strong>t fünf Minuten d<strong>er</strong> Gleichstand<br />

<strong>er</strong>zielt wurde.» Damit sich<strong>er</strong>te<br />

sich Kradolf<strong>er</strong> einen Stammplatz in d<strong>er</strong><br />

<strong>er</strong>sten Mannschaft, den <strong>er</strong> bis zu seinem<br />

Rücktritt behielt.<br />

Leben wie die Profis<br />

Die 19<strong>60</strong><strong>er</strong>-<strong>Jahre</strong> waren eine Durststrecke<br />

für den Hockey Club <strong>Davos</strong>.<br />

Beim <strong>Spengl<strong>er</strong></strong> <strong>Cup</strong> schaffte es das<br />

Team letztmals 19<strong>60</strong> bis ins Finale. Mit<br />

dem Hockey Club <strong>Davos</strong> und d<strong>er</strong> Nationalmannschaft<br />

spielte Kradolf<strong>er</strong> insgesamt<br />

neun Mal bei diesem Traditionsturni<strong>er</strong>.<br />

Er hatte Freude am Eishockey<br />

und v<strong>er</strong>suchte seine Leistung stets zu<br />

v<strong>er</strong>bess<strong>er</strong>n. Für die Freizeitsportl<strong>er</strong><br />

gehörten die Trainingslag<strong>er</strong> bei Dukla<br />

Jihlava zu den schönsten Erlebnissen:<br />

«Während dies<strong>er</strong> zwei Wochen lebten<br />

wir wie Profis mit zwei Trainings pro Tag<br />

und Spielen gegen starke Gegn<strong>er</strong>.» Die<br />

<strong>Davos</strong><strong>er</strong> konnten von den tschechoslowakischen<br />

Spiel<strong>er</strong>n l<strong>er</strong>nen und sich auch<br />

gedanklich optimal auf die Saison vorb<strong>er</strong>eiten:<br />

«Wir wohnten in den besten<br />

Hotels und wurden vorzüglich bekocht.»<br />

Als sie ein Geschäft sahen, das Fischköpfe<br />

v<strong>er</strong>kaufte, staunten sie: «Uns<strong>er</strong>e<br />

tschechischen Kollegen <strong>er</strong>klärten uns,<br />

dass diese nicht wie bei uns weggeworfen<br />

w<strong>er</strong>den, sond<strong>er</strong>n dass daraus Suppe<br />

gekocht w<strong>er</strong>de.» Es entstanden gute<br />

Kontakte. Zum Beispiel zu den Brüd<strong>er</strong>n<br />

Holík und zu Jan Suchý.<br />

Imm<strong>er</strong> unt<strong>er</strong> Beobachtung<br />

Allein unt<strong>er</strong>halten konnten sich die<br />

Spiel<strong>er</strong> ab<strong>er</strong> nie, sie standen imm<strong>er</strong><br />

unt<strong>er</strong> Beobachtung des Militärs. Mit<br />

ein<strong>er</strong> Ausnahme. Pet<strong>er</strong> Kradolf<strong>er</strong> <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t<br />

sich, als wäre es gest<strong>er</strong>n gewesen:<br />

«Jaroslav Holík und ich v<strong>er</strong>abredeten<br />

uns an einem Somm<strong>er</strong>tag zu einem<br />

Marsch vom Flüelapass auf das Flüela<br />

Schwarzhorn. Wir liefen zügig. Uns<strong>er</strong><br />

Begleit<strong>er</strong> konnte nicht lange mithalten.»<br />

Die Tour wurde ausgedehnt. Die<br />

beiden Captains genossen schliesslich<br />

die Aussicht vom Schwarzhorn, dem mit<br />

3146 Met<strong>er</strong>n höchsten B<strong>er</strong>ggipfel üb<strong>er</strong><br />

<strong>Davos</strong>. Gemeinsam genossen die Kollegen<br />

die Natur. Das Ganze hatte nur<br />

einen Haken. «Jaroslav war so gut traini<strong>er</strong>t,<br />

dass ihm diese Wand<strong>er</strong>ung nichts<br />

ausmachte. Bei mir ab<strong>er</strong> war die Kraft<br />

beim Freundschaftsspiel am Abend<br />

weg», <strong>er</strong>zählte Kradolf<strong>er</strong>.<br />

Auch ein weit<strong>er</strong>es Erlebnis in Tschechien<br />

bleibt unv<strong>er</strong>gessen: «Marco Torriani<br />

und ich mussten früh<strong>er</strong> aus einem<br />

Trainingslag<strong>er</strong> abreisen.» D<strong>er</strong> Zug, d<strong>er</strong><br />

die Schweiz<strong>er</strong> nach Prag brachte, war<br />

üb<strong>er</strong>füllt und blieb un<strong>er</strong>wartet einige<br />

Stunden stehen. Als sie in Prag ankamen,<br />

war das Flugzeug b<strong>er</strong>eits weg.<br />

Schliesslich brachte ein Kleinflugzeug<br />

Pet<strong>er</strong> Kradolf<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> mit d<strong>er</strong> Nationalmannschaft<br />

in ein Trainingslag<strong>er</strong> nach<br />

Schweden reisen sollte, nach Zürich.<br />

Marco Torriani, d<strong>er</strong> ins Militär einrücken<br />

musste, wartete unt<strong>er</strong>dessen auf den<br />

nächsten Linienflug.<br />

1000 Franken <strong>Jahre</strong>slohn,<br />

Nachtruhe um 23 Uhr<br />

Es waren Erlebnisse wie diese, die den<br />

Reiz am Eishockey ausmachten. Reich<br />

wurden die Spiel<strong>er</strong> damals nicht. «Wir<br />

<strong>er</strong>hielten 1000 Franken, minus Sozialleistungen<br />

und Bussen – schliesslich<br />

blieben pro Saison <strong>60</strong>0 bis 700 Franken<br />

übrig.» Die V<strong>er</strong>träge beinhalteten viele<br />

Vorgaben. Zum Beispiel war die Nachtruhe<br />

um 23 Uhr vorgeschrieben. Ob sich<br />

die Spiel<strong>er</strong> auch daran hielten? «Äh,<br />

nein. Es ist doch sportwissenschaftlich<br />

<strong>er</strong>wiesen, dass man nach sportlichen<br />

Leistungen am Abend einige Stunden<br />

benötigt, um den Durst zu löschen und<br />

um h<strong>er</strong>unt<strong>er</strong>zufahren, bevor man schlafen<br />

kann», lächelt Kradolf<strong>er</strong>.<br />

Nach dem Eishockey in die B<strong>er</strong>ge<br />

Im Anschluss an seine Karri<strong>er</strong>e traini<strong>er</strong>te<br />

Pet<strong>er</strong> Kradolf<strong>er</strong> die <strong>Davos</strong><strong>er</strong> Novizen.<br />

Obwohl sein Training hart war, v<strong>er</strong>gröss<strong>er</strong>te<br />

sich die Anzahl sein<strong>er</strong> Spiel<strong>er</strong><br />

ständig. Als Pet<strong>er</strong> Kradolf<strong>er</strong> 1975 dieses<br />

Amt abgab und sich vom Eishockeysport<br />

zurückziehen wollte, kamen die<br />

V<strong>er</strong>antwortlichen mit d<strong>er</strong> Bitte auf ihn<br />

zu, das Coaching d<strong>er</strong> <strong>er</strong>sten Mannschaft<br />

zu üb<strong>er</strong>nehmen. Kradolf<strong>er</strong> konnte<br />

nicht Nein sagen. Aus familiären<br />

Gründen dau<strong>er</strong>te diese Aufgabe ab<strong>er</strong><br />

nur eine halbe Saison. Als <strong>er</strong> sich definitiv<br />

vom Eishockey zurückgezogen hatte,<br />

widmete <strong>er</strong> sich dem Laufsport. Er finishte<br />

fünfmal beim Swissalpine Marathon<br />

<strong>Davos</strong> und 18-mal beim Engadin<br />

Skimarathon. Kradolf<strong>er</strong> wand<strong>er</strong>t oft, ist<br />

Mitglied des SAC, macht Skitouren sowie<br />

Aquafit und spielt Badminton: «D<strong>er</strong><br />

Sport gibt und hilft mir viel.» Im Eisstadion<br />

<strong>Davos</strong> trifft man ihn, d<strong>er</strong> 13 <strong>Jahre</strong><br />

in d<strong>er</strong> <strong>er</strong>sten Mannschaft spielte, nicht<br />

mehr an: «Doch ich <strong>er</strong>halte oft Grüsse,<br />

worüb<strong>er</strong> ich mich sehr freue.»

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