HUK 333 November 2020
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Das Hamburger<br />
Straßenmagazin<br />
Seit 1993<br />
N O <strong>333</strong><br />
Nov.20<br />
2,20 Euro<br />
Davon 1,10 Euro für<br />
unsere Verkäufer*innen<br />
„Ich war<br />
ein Neonazi“<br />
Der Aussteiger: Oliver Riek war jahrelang<br />
rechtsradikal. Heute warnt er vor der Szene.
Rainer<br />
Zeitungsverkäufer<br />
Kenner der Straße<br />
Foto-Künztler<br />
Neu:<br />
Hamburger Foto-Kalender<br />
von Hinz&Kunzt<br />
Kalender<br />
2021<br />
6,80 Euro<br />
Davon 3,40 Euro für<br />
unsere Verkäufer*innen
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Inhalt<br />
TITELBILD: MAURICIO BUSTAMANTE; FOTO OBEN: ANDREAS HORNOFF<br />
Inhalt<br />
Stadtgespräch<br />
04 Gut&Schön<br />
06 Wie Oliver Riek aus der rechten<br />
Szene ausstieg<br />
14 Zahlen des Monats: Corona ist<br />
„Brandbeschleuniger“ für den Hunger<br />
16 Rüdiger Nehbergs Angehörige wollen<br />
sein Lebenswerk fortführen<br />
38 Kein Lebensplatz für Michi: Obdachloser<br />
stirbt auf dem Großneumarkt<br />
42 Psychisch kranke Obdachlose:<br />
„Die Situation ist dramatisch.“<br />
Tod, Elend und eine Hoffnung<br />
75 Jahre nach Kriegsende: Der ukrainisch-amerikanische<br />
Fotograf Sasha Maslov hat weltweit Veteran*innen fotografiert. (S. 28)<br />
Östro 430:<br />
Nach 40 Jahren<br />
will Martina Weith<br />
mit ihrer Punkband<br />
wieder auf die<br />
Bühne. (S. 48)<br />
Mikrowohnungen<br />
20 Hamburger macht aus Schiffscontainern<br />
Wohnungen<br />
24 Mikrowohnen-Beispiele aus aller Welt<br />
26 Interview: Stadtentwicklungsexperte<br />
Bernd Kniess über Mikrowohnungen<br />
Fotoreportage<br />
28 Veteran*innen blicken 75 Jahre nach<br />
Kriegsende auf ihr Leben zurück<br />
Freunde<br />
44 Renate Mayer näht Masken – und<br />
spendet den Erlös an Hinz&Kunzt<br />
Kunzt&Kult<br />
48 Frauen-Punk: Östro 430<br />
52 Tipps für den <strong>November</strong><br />
56 Hamburger Geschichte(n)<br />
58 Momentaufnahme<br />
Zuversichtlich trotz harter<br />
Themen: Nach dem Tod<br />
von Rüdiger Nehberg im<br />
April wollen seine Witwe<br />
Annette Nehberg-Weber<br />
(Zweite von rechts), ihre<br />
Tochter Sophie und ihr<br />
Sohn Roman das Lebenswerk<br />
des Abenteurers und<br />
Menschenrechtlers weiterführen.<br />
Chefredakteurin<br />
Birgit Müller traf die<br />
drei zum Interview.<br />
Acht Menschen sind in den vergangenen sechs Monaten<br />
auf der Straße gestorben. Acht! Und die Straßen<br />
sind voller Obdachloser. Die Verelendung<br />
nimmt immer mehr zu. Und immer öfter hören wir<br />
Geschichten, dass Menschen Hilfe brauchten und sie<br />
nicht bekamen. Wie Michi, der auf dem Großneumarkt<br />
gestorben ist (Seite 38). Das ist alarmierend,<br />
weil wir uns coronabedingt auf noch schwerere Zeiten<br />
einstellen müssen.<br />
Kurz vor Redaktionsschluss erreichte uns noch<br />
eine Nachricht: Laut NDR eröffnet die Stadt noch<br />
eine Unterkunft für 250 Obdachlose und eine Tagesaufenthaltsstätte<br />
in der City, wo sonst gefeiert wird:<br />
in der Markhalle. Die Details waren bis Redaktionsschluss<br />
noch unklar, unsere Nachfragen hat die Sozialbehörde<br />
nicht beantwortet. Ob die Angebote ausreichen,<br />
ist derzeit nicht absehbar. Die Linke fordert<br />
deshalb einen Runden Tisch (siehe Seite 13) – wir<br />
würden das sehr begrüßen.<br />
Toll fänden wir, wenn die Stadt Obdach lose in<br />
Einzelzimmern unterbringen würde – womöglich in<br />
leer stehenden Hotels. Wir haben das ja für ein paar<br />
Monate dank einer Spende machen können. Eine<br />
Win-win-Situation, weil sowohl Obdachlose als<br />
auch Hotels die Coronazeit so besser überstehen.<br />
Das ist nur ein Traum, aber die Hoffnung stirbt ja<br />
bekanntlich zuletzt. •<br />
Ihre Birgit Müller Chefredakteurin<br />
(Schreiben Sie uns doch an info@hinzundkunzt.de)<br />
Rubriken<br />
12 Meldungen<br />
46 Buh&Beifall<br />
57 Rätsel, Impressum<br />
Wir unterstützen Hinz&Kunzt. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk
Neuer Job<br />
Schild-Bürger<br />
Als er durch Corona seine Arbeit<br />
im Supermarkt verlor, kam der<br />
Südafrikaner Lusindiso Malgas<br />
auf eine neue Geschäftsidee.<br />
Wie die „Süddeutsche Zeitung“<br />
berichtete, stellte er sich mit selbst<br />
bemalten Schildern mit lustigen<br />
Botschaften („Lass uns mittagessen<br />
gehen – du zahlst“), aber<br />
auch politischen an den Straßenrand<br />
und bat Autofahrer*innen<br />
um Spenden. Das kam hervorragend<br />
an, jetzt gibt es sogar ein<br />
Crowdfunding für Malgas. JOC<br />
•
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Gut&Schön<br />
Nach Hilfe der Stadt<br />
Kunstdomizil<br />
„Dose“ bleibt!<br />
Sprecherin der Dosenfabrik:<br />
Künstlerin Marianne Janze<br />
FOTOS: ANNIQUE BESTER / YES AND PHOTOS (S. 4), MARKUS SCHWER / VIVA CON AGUA (OBEN),<br />
RADIO FRANCE / NICOLAS OLIVIER (UNTEN LINKS), MAURICIO BUSTAMANTE (UNTEN RECHTS), INGEBORG SCHLÖMER<br />
Preisverleihung am 6. Dezember<br />
Geldregen für Viva con Agua<br />
„Wertschätzung für unsere weltweiten Trinkwasserund<br />
Hygieneprojekte“: So freut sich Viva-con-Agua-<br />
Geschäftsführerin Carolin Stüdemann über die<br />
Verleihung des mit 20.000 Euro dotierten Marion-<br />
Dönhoff-Förderpreises. Prämiert wird das große<br />
Engagement (im Bild: Pfandsammler*innen für VcA) für<br />
internationale Verständigung und Versöhnung. JOC<br />
•<br />
Ein echter Hauptgewinn<br />
Glückstag für vier Obdachlose in<br />
der französischen Küstenstadt Brest:<br />
Mit einem geschenkten Rubbellos<br />
gewannen sie den Höchstbetrag von<br />
50.000 Euro. Obdachlose würden<br />
sich regelmäßig vor seinem Geschäft<br />
aufhalten, sagte der Ladeninhaber<br />
gegenüber der bretonischen Lokalzeitung<br />
Ouest-France. „Oft spenden<br />
unsere Kunden eine Münze oder<br />
ein Rubbellos.“ Die Obdachlosen –<br />
drei Männer und eine Frau – seien<br />
überglücklich gewesen und hätten<br />
sich den Gewinn gerecht geteilt. JOF<br />
•<br />
Moderator & guter Mensch<br />
Für sein soziales Engagement<br />
ist NDR-Moderator Carlo von<br />
Tiedemann mit der Verdienstmedaille<br />
zum Verdienstorden der<br />
Bundesrepublik ausgezeichnet<br />
worden. Der 76-Jährige (Im Bild<br />
2017 gemeinsam mit Hinz&Künztler<br />
Chris) unterstützt das Hamburger<br />
Kinderhospiz „Sternenbrücke“,<br />
den Verein „Quickborn hilft“ für<br />
in Not geratene Kinder und bereits<br />
seit 2007 die Norderstedter Tagesaufenthaltsstätte<br />
für Obdachlose.<br />
JOC<br />
•<br />
Sie nennen ihre künstlerische<br />
Heimat liebevoll nur „die<br />
Dose“ – und nun ist endlich<br />
der Deckel drauf: Mit dem<br />
Ankauf der alten Dosenfabrik<br />
in der Stresemannstraße 374<br />
für 13 Millionen Euro durch<br />
die Stadt Hamburg, sind die<br />
33 dortigen Künstler*innen<br />
und etwa 60 Autor*innen des<br />
„Writer’s Room“ in ihrem zukünftigen<br />
kreativen Schaffen<br />
abgesichert. Damit endet der<br />
mehr als zehnjährige Kampf<br />
um den Erhalt der „Dose“ als<br />
Kunststandort.<br />
„Wir sind alle dankbar“,<br />
sagt Sprecherin Marianne<br />
Janze, seit 1999 selbst in der<br />
„Dose“ dabei. „Zwischendurch<br />
war die Gefahr doch<br />
ganz, ganz groß, dass es nach<br />
2022 hier nicht mehr weitergegangen<br />
wäre.“<br />
Vor allem für die vielen,<br />
oft nur mit kleinem Einkommen<br />
lebenden älteren Kunstschaffenden<br />
in den insgesamt<br />
28 Ateliers, gibt es jetzt überlebenswichtige<br />
Planungssicherheit.<br />
Auch Malerin und<br />
Zeichnerin Janze selbst hat<br />
„kein Auto, kein iPad und<br />
keinen Urlaub“, weil sie sich<br />
nach einem Geschichtsstudium<br />
„lieber der Kunst verschrieben“<br />
hat. Im Frühjahr<br />
2021 wird das 25-jährige Jubiläum<br />
der „Dose“ nachgefeiert.<br />
Kultursenator Carsten<br />
Brosda will dabei sein. JOC •<br />
Mehr Infos unter:<br />
www.dosenfabrik-hamburg.de<br />
5
„Ich war ein<br />
Neonazi“<br />
Viele Jahre war Oliver Riek ein Rechtsradikaler.<br />
Heute warnt der 39-jährige Hamburger andere vor der<br />
Szene. Hier erzählt er seine Geschichte.<br />
PROTOKOLL: ULRICH JONAS<br />
FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE
Oliver Riek wurde in eine Burschenschaft eingeladen und fühlte sich von den Mitgliedern<br />
verstanden. Dadurch sympathisierte er immer stärker mit der rechten Szene, sagt er.<br />
I<br />
ch war immer ein Einzelgänger,<br />
schon als Jugendlicher. Habe viel<br />
gelesen, viel gegrübelt. Mit 17<br />
begann ich mir Fragen zu stellen:<br />
Warum sprechen wir Deutsch? Was ist<br />
Deutschland überhaupt? Und was<br />
ist Schwarz-Rot-Gold? Ich fing an, Geschichtsbücher<br />
zu lesen.<br />
Mein Opa war kurz vor meiner Geburt<br />
gestorben und hatte ein Fotoalbum<br />
hinterlassen. Während des Krieges war<br />
er Unteroffizier im Fernmelderegiment<br />
gewesen und überall herumgekommen:<br />
Polen, Russland, Nordafrika. Und er<br />
wurde mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet.<br />
„Der muss richtig was geleistet<br />
haben, ein richtiger Krieger gewesen<br />
sein“, dachte ich damals. Ich habe<br />
ihn glorifiziert – vielleicht auch, weil<br />
mein Vater auf Nimmerwiedersehen<br />
verschwunden war, als ich zwei war.<br />
Was ich in der Schule hörte, reichte<br />
mir nicht. Mein Elternhaus war sozialdemokratisch<br />
geprägt. Aber das<br />
ging nie in die Tiefe. In der Familie<br />
sprachen wir nicht über Politik und das<br />
„Dritte Reich“. Ich bastelte mir mein<br />
eigenes Bild von Deutschland und seiner<br />
Geschichte: dass wir nur ein<br />
Rumpfstaat sind, ohne Identität und<br />
Tradition, ein besetztes Land, bevormundet<br />
von fremden Mächten wie den<br />
USA und Israel.<br />
„Wir waren<br />
Täter. Geistige<br />
Brandstifter.“<br />
8<br />
Nach der Schule begann ich eine Bäckerlehre<br />
und freundete mich mit dem<br />
Konditor an. Wir stellten fest, dass wir<br />
uns beide für Geschichte interessierten<br />
und in der Vergangenheit lebten. Bald<br />
hörten wir stundenlang Reden von<br />
Hitler und Goebbels. Ein Freund des<br />
Konditors lud uns zu einem Burschenschaftsabend<br />
ein. Ich wusste damals<br />
nicht, was studentische Verbindungen<br />
sind. Aber ich fand das spannend.<br />
Die Burschenschaft war die Chattia<br />
Friedberg zu Hamburg (siehe Seite 11).<br />
Sie feierte die Sonnenwende auf einem<br />
großen Grundstück irgendwo in<br />
Schleswig-Holstein. Ein riesiges Lagerfeuer<br />
brannte, das war spektakulär. Die<br />
Menschen waren nett und kultiviert:<br />
Ärzte, Juristen, Bankfilialleiter in Anzügen,<br />
die sich für mich, den Lehrling, interessierten.<br />
Noch am selben Abend<br />
wurde ich aufgenommen.<br />
Ich hatte endlich das Gefühl, verstanden<br />
zu werden. Mit Auserwählten<br />
zusammen zu sein, die von Geschichte<br />
Ahnung hatten wie ich. Und das waren<br />
keine plumpen Neonazis. Da drohte dir<br />
keiner Schläge an, wenn du Gerhard<br />
Schröder gut fandest. Die sagten: „Ja,<br />
der ist schon nicht schlecht. Aber …“<br />
Die schauen erst mal, wie weit sie gehen<br />
können. Wie empfänglich du bist für<br />
rechtes Gedankengut. Und dann rutscht
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
du langsam immer weiter rein. Und<br />
später ziehst du selbst andere hinein.<br />
In der Burschenschaft gibt es einen<br />
starken Ehrenkodex. Wenn du Hilfe<br />
brauchst, bekommst du Hilfe. Und<br />
zwar von allen. Ich, der Einzelgänger,<br />
war auf einmal nicht mehr nur der kleine<br />
Bäckerlehrling. Sondern Teil einer<br />
Gruppe von Menschen, die mich mochten<br />
und die ich mochte. Das war toll.<br />
Du fühlst dich nicht mehr angreifbar.<br />
Wir waren nicht gewalttätig, das<br />
war nicht mein Ding und auch nicht<br />
das der Burschenschaft. An Publicity<br />
war die nicht interessiert. Aber wir sahen<br />
uns zum Beispiel den Film „Schindlers<br />
Liste“ an, und bei jedem Juden, der<br />
erschossen wurde, stießen wir mit einem<br />
Schnaps an. Und wenn Rechtsradikale<br />
mal wieder ein Flüchtlingsheim<br />
in Brand gesetzt hatten, freuten wir uns.<br />
Wenn ich heute daran zurückdenke,<br />
könnte ich über mich selbst kotzen. Wir<br />
waren Täter. Geistige Brandstifter.<br />
Selbstverständlich gab es enge Kontakte<br />
zu anderen rechtsradikalen Gruppen.<br />
Führende Leute waren Mitglieder<br />
der NPD, ehemalige SS-Offiziere wurden<br />
zu Vortragsabenden geladen und<br />
vermeintliche Wissenschaftler erklärten<br />
uns, warum es den Holocaust nie gegeben<br />
habe. Die Idee war, die Gesellschaft<br />
still und heimlich zu unterwandern.<br />
Einflussreiche Menschen sollten als Mitglieder<br />
gewonnen werden und helfen,<br />
die Demokratie zu zerstören. „Hitler<br />
hat lange genug geschlafen!“, hieß es<br />
oft. Oder: „Der Umsturz wird kommen,<br />
es dauert nicht mehr lange …“<br />
Ich lebte in einer Blase. Mit der Familie<br />
gab es viel Stress. Ich wiegelte ab,<br />
sagte: „Die sind alle nett, wir machen<br />
nichts Schlimmes. Und ich bin der Meinung,<br />
dass in Deutschland zu viel Pack<br />
herumläuft. Dass wir nicht das Sozialamt<br />
der Welt sind!“ Versuch mal, mit so<br />
jemandem zu diskutieren – da kannst<br />
du nur verlieren. Meine Familie gab auf.<br />
Dachte sich: „Solange er nicht im Knast<br />
landet, soll er mal machen …“<br />
Nach der Lehre beschloss ich, zur<br />
Bundeswehr zu gehen. Die war für die<br />
„Ich habe<br />
gelernt, dass<br />
Hassen anstrengend<br />
ist.“<br />
Verbindung jedoch nicht mehr als eine<br />
von den Amerikanern eingesetzte Hilfsarmee.<br />
Die Konsequenz: Ich wurde aus<br />
der Verbindung rausgeschmissen. Von<br />
einem Tag auf den anderen, so mein<br />
Gefühl, hatte ich niemanden mehr. Das<br />
war hart. Meine Gesinnung aber änderte<br />
sich nicht.<br />
Vier Jahre war ich bei der Bundeswehr.<br />
Der Grat zwischen Patriotismus,<br />
Nationalismus und Rechtsradikalismus<br />
ist schmal: Wenn du nicht mit erhobenem<br />
Arm durch die Kaserne läufst und<br />
deine Einstellung geschickt verkleidest,<br />
hast du da keine Probleme. Ich fand bald<br />
meine Zuhörer. Einmal jedoch feierte eine<br />
Gruppe Gebirgsjäger auf der Stube.<br />
Ihr Trinkspruch war „Ski heil!“. Ein Kamerad<br />
aber hatte „Sieg Heil!“ verstanden<br />
und alarmierte den Militärischen<br />
Abschirmdienst. Die wurden dann so<br />
richtig in die Mangel genommen. Da<br />
dachte ich: „Du musst aufpassen!“ Andererseits:<br />
Jeder meiner Kameraden<br />
wusste, was ich für eine Einstellung hatte<br />
– gemeldet hat das keiner.<br />
Anschließend wollte ich Restaurantfachmann<br />
lernen. Ein Freund der Familie<br />
empfahl mir ein Hotel, das sich Integration<br />
und Inklusion auf die Fahnen<br />
geschrieben hatte. Ich wusste das damals<br />
nicht und war froh, dass ich nicht<br />
selbst auf die Suche gehen musste. Und<br />
er hoffte, meine Einstellung könnte sich<br />
dort ändern. Über die sprach ich beim<br />
Bewerbungsgespräch natürlich nicht –<br />
und bekam die Lehrstelle.<br />
Auf einmal kam ich in Kontakt mit<br />
Ausländern. Darunter waren auch solche,<br />
die auf dem Arbeitsmarkt meist<br />
9<br />
wenig Chancen haben. Eine Kollegin<br />
war eine junge Afghanin, die Traumatisches<br />
erlebt haben muss und deshalb<br />
nicht so leistungsfähig war wie andere.<br />
Zu einem Kollegen sagte ich eines Tages:<br />
„Was macht die eigentlich hier?<br />
Die hat hier nichts zu suchen! Die kann<br />
den Job nicht, und richtig Deutsch<br />
spricht sie auch nicht!“<br />
Solche Bemerkungen machte ich<br />
nur gegenüber anderen Auszubildenden.<br />
Oft waren die stinksauer. Doch keiner<br />
hat den Hoteldirektor informiert –<br />
vielleicht weil ich die nicht deutschen<br />
Kollegen nie persönlich angriff. Vielleicht<br />
auch, weil die anderen Azubis<br />
sich so etwas dachten wie: „In der Beziehung<br />
hat er einen an der Klatsche –<br />
aber sonst ist er eigentlich ganz nett.“<br />
Eines Abends, auf dem Heimweg,<br />
fragte mich ein Pakistani nach dem<br />
Weg. Kurz überlegte ich, ob ich überhaupt<br />
antworten sollte. Dann erklärte<br />
ich ihm, wo er lang musste. Er fing an<br />
zu erzählen: dass er hier studiert, sich<br />
was aufbauen will. Wir freundeten uns<br />
an, weil er einfach nett war. Aber er<br />
blieb die Ausnahme: Alle anderen Ausländer<br />
fand ich weiterhin scheiße.<br />
Es folgten weitere Erlebnisse, die<br />
wie kleine Trigger wirkten. Einmal hatten<br />
wir eine Außer-Haus-Veranstaltung.<br />
An der Spüle stand ein Schwarzer, den<br />
alle Smiley nannten, weil er immer gut<br />
gelaunt war. Der arbeitete 16 Stunden<br />
am Stück und beschwerte sich nicht ein<br />
einziges Mal – obwohl er den ranzigsten<br />
Job machte, den es in der Gastronomie<br />
gibt. Für diesen Menschen spürte<br />
ich auf einmal Respekt.<br />
Mit der Zeit fing ich an, meine Vorstellungen<br />
zu hinterfragen. „Eigentlich<br />
tut mir ja keiner von den Ausländern<br />
was“, dachte ich. „Sie machen ihren<br />
Job gut und wir verstehen uns.“ Ich fing<br />
an, mich zu fragen: „Was bringt dir das,<br />
so zu denken?“ In dieser Zeit habe ich<br />
gelernt, dass Hassen anstrengend ist.<br />
Du gehst durch die Straßen und suchst<br />
permanent die Fehler der anderen. Ein<br />
Beispiel: Du siehst einen türkisch aussehenden<br />
Mann, der ausspuckt. Da
Stadtgespräch<br />
Als Oliver Riek Migrant*innen<br />
kennenlernte, begann er, sein<br />
Weltbild zu hinterfragen.<br />
dachte ich früher: „Das ist ein Kanake,<br />
der auf deutschen Boden rotzt – das<br />
geht gar nicht! Aber von dem erwarte<br />
ich ja nichts anderes!“ Heute denke ich:<br />
„Ferkel. Aber wer so etwas macht, ist<br />
mir egal.“<br />
Kurz bevor ich mich 2015 in einer<br />
Zeitung öffentlich als ehemaliger Neonazi<br />
geoutet habe, hatte ich ein weiteres<br />
Schlüsselerlebnis: In der Nachbarschaft<br />
wohnte eine Familie aus Syrien. Eines<br />
Abends stand die Tochter vor der Tür,<br />
in der Hand einen Teller mit Selbstgebackenem.<br />
Sie sagte: „Frohe Weihnachten!“<br />
Da sagte ich mir: „Jetzt mach ich<br />
Schluss mit dem ganzen Dreck!“<br />
Ich habe mich selbst entradikalisiert.<br />
Eines Abends habe ich mich zum Beispiel<br />
ins Auto gesetzt, bin durch die<br />
Gegend gefahren und habe mich gefragt:<br />
„Wieso eigentlich hasse ich Juden?<br />
Warum lehne ich Menschen ab,<br />
die ich nicht kenne, und eine Religion,<br />
mit der ich mich noch nie beschäftigt<br />
habe?“ So ein Ausstieg ist ein langer,<br />
zäher, schmerzlicher Prozess: Du<br />
musst lernen, dich von dem zu verabschieden,<br />
was dir lange Sicherheit gegeben<br />
hat.<br />
Heute bin ich an Schulen und Unis<br />
unterwegs und kläre auf. Sage denen,<br />
die sich von der rechten Szene und ihrem<br />
Gedankengut angezogen fühlen:<br />
„Wenn du dir dein Leben und das deiner<br />
Familie und Freunde nicht kaputtmachen<br />
willst, lass es! Weil das verschenkte<br />
Lebenszeit ist. Weil Hass nicht<br />
der Lebensinhalt eines Menschen sein<br />
sollte – denn er macht dich kaputt.“ •<br />
Kontakt: ulrich.jonas@hinzundkunzt.de<br />
„In die Opfer hineinversetzen“<br />
Marius Dietrich begleitet Menschen bei ihrem Ausstieg aus der rechten Szene.<br />
Hinz&Kunzt-Autor Ulrich Jonas hat mit ihm über seine Arbeit gesprochen.<br />
Hinz&Kunzt: Die Geschichte von<br />
Oliver ist keine typische, oder?<br />
Das Besondere bei Oliver ist, dass er<br />
den Ausstieg aus eigener Kraft geschafft<br />
hat. Das ist außergewöhnlich. In<br />
aller Regel ist das Umfeld ja Teil der<br />
Szene. Wir raten dann zum langsamen,<br />
leisen Ausstieg. Das schützt auch vor<br />
An fein dungen.<br />
Wie kommen Sie an die<br />
Menschen ran?<br />
Manche melden sich selbst. In anderen<br />
Fällen sind es Angehörige, Sozialarbeiter*innen<br />
oder Lehrer*innen. Unser<br />
Gesprächsangebot ist immer freiwillig.<br />
Denn mit Menschen, die ein geschlossenes<br />
Weltbild haben, brauchst du<br />
nicht zu diskutieren. Wir sehen uns nicht<br />
als Nazi-Versteher*innen. Wir sind da<br />
für Menschen, die ein ernsthaftes Interesse<br />
haben, sich mit ihrer Geschichte<br />
und Ideologie zu beschäftigen.<br />
Wie sieht diese Beschäftigung<br />
konkret aus?<br />
Aussteiger*innen müssen erkennen,<br />
dass sie eine menschenverachtende<br />
Ideologie haben. Und begreifen: Sie<br />
sind Täter*in gewesen. Täter*in bist du<br />
nicht nur, wenn du körperliche Gewalt<br />
ausübst. Sondern auch, wenn du rassistische<br />
Texte schreibst. Selbst mit<br />
Blicken kannst du Täter*in werden. Mit<br />
diesen Menschen muss sich jemand<br />
auseinandersetzen. Einen Zugang<br />
finden. Sie unterstützen. Im schlimmsten<br />
Fall brauchen sie eine neue Wohnung,<br />
einen neuen Job, und, das<br />
Schwierigste: neue Freund*innen.<br />
10<br />
Was ist das Ziel Ihrer Beratung?<br />
Irgendwann muss der Perspektivenwechsel<br />
gelingen. Die Täter*innen müssen<br />
sich in die Opfer hineinversetzen:<br />
Wie geht es Menschen, die ich verletzt<br />
und abgewertet habe? Und zu was kann<br />
das führen, was ich gemacht habe, zu<br />
was hat es geführt in der Geschichte?<br />
Wir sprechen übrigens lieber von Betroffenen,<br />
weil der Begriff Opfer unter<br />
anderem oft abwertend benutzt wird.<br />
Sind Aussteiger*innen automatisch gute<br />
Aufklärer*innen?<br />
Manche Ex-Täter*innen sind sehr laut.<br />
Ich finde es befremdlich, wenn solche<br />
Menschen mit der Verbreitung ihrer<br />
Geschichten auf YouTube-Kanälen<br />
Geld verdienen. Wer erzählt, wie toll<br />
das war, hat sich nicht eine Minute in
Stadtgespräch<br />
Anmerkung der Redaktion, die Chattia Friedberg zu Hamburg<br />
erklärte auf Nachfrage (Auszüge): „Jegliche Unterstellung<br />
der Heroisierung nationalsozialistischen Gedanken gutes weisen<br />
wir scharf von uns. Die Gruselgeschichte mit dem Trinkspiel<br />
beim Ansehen des Filmes ,Schindlers Liste‘ ist eine<br />
ebenso abstruse Behauptung. Nie haben wir auf<br />
so eine Weise den Holocaust verhöhnt. … Herr Riek wurde<br />
dereinst tatsächlich aus unserer Gemeinschaft ausgeschlossen.<br />
Allerdings nicht wegen seiner Tätigkeit als Soldat.<br />
Die Gründe für diesen Ausschluss ergaben sich aus<br />
seinen hetzerischen Aussagen gegenüber Ausländern und<br />
Juden, als auch seinem untragbaren Verhalten unter<br />
Alkoholeinfluss.“<br />
Die Pennale Burschenschaft Chattia Friedberg zu Hamburg<br />
wird seit Langem vom Hamburger Verfassungsschutz<br />
beobachtet. „Seit ihrer Gründung … sind in der PB! Chattia<br />
Personen aktiv, die Beziehungen in die rechtsextremistische<br />
Szene unterhalten, unter anderem für die NPD aktiv waren<br />
und die deutliche Sympathien für den National sozialismus zu<br />
erkennen geben“, heißt es im 2018er-Bericht der Behörde.<br />
Im neuesten Bericht wird die „zurückhaltende Außendarstellung“<br />
der Burschenschaft erklärt: Diese „dürfte in<br />
erster Linie taktisch begründet sein, um für den Vorwurf des<br />
Rechtsextremismus keine Angriffsfläche zu bieten“.<br />
Solidarisch<br />
anlegen!<br />
WENN MEIN GELD<br />
PERSPEKTIVEN FÜR<br />
VIELE SCHAFFT. DANN<br />
IST ES GUTES GELD.<br />
INFORMATIONEN UNTER 040-94362800<br />
NORDDEUTSCHLAND.OIKOCREDIT.DE<br />
NACHHALTIGE GELDANLAGE SEIT 1975.<br />
die von rechter Gewalt Betroffenen hineinversetzt.<br />
Solche Aussteiger*innen behaupten gerne, dass sie da<br />
reingerutscht sind. Das ist Quatsch: Sie haben selbst<br />
entschieden.<br />
Was kann jede*r Einzelne gegen Rechtsradikalismus tun?<br />
Das Wichtigste: Werte vermitteln und Grenzen aufzeigen.<br />
Wenn jemand in meinem Umfeld Menschen abwertet<br />
oder diskriminiert, muss ich sagen: „Das<br />
sehe ich anders – und damit bin ich nicht alleine.“ •<br />
Kontakt: ulrich.jonas@hinzundkunzt.de<br />
Beratungsstellen:<br />
Kontakt: Kurswechsel, Telefon 0800/565 78 00 56,<br />
www.kurswechsel-hamburg.de<br />
Weitere Beratungsstellen, auch für Betroffene rechter<br />
Gewalt, unter www.huklink.de/gegen-rechts<br />
11<br />
Damit Sie auch in<br />
Zukunft lächeln:<br />
Unsere Beratung schützt Sie vor den<br />
Folgen sozialer Härte – ob Altersarmut,<br />
Krankheit, Pflegefall,<br />
Unfall oder Arbeitslosigkeit.<br />
Auch in Ihrer Nähe!<br />
Jetzt Mitglied werden:<br />
www.sovd-hh.de<br />
oder anrufen:<br />
040 / 611 60 70<br />
Sozialverband Deutschland<br />
Landesverband Hamburg
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>333</strong>/NOVEMBER <strong>2020</strong><br />
Meldungen<br />
Politik & Soziales<br />
Im Oktober erhielt<br />
Esther Bejarano<br />
den Hermann-<br />
Maas-Preis der<br />
evangelischen Kirche.<br />
Die 95-jährige<br />
Zeitzeugin wurde<br />
für ihren Einsatz<br />
gegen Rassismus<br />
und Ausgrenzung<br />
ausgezeichnet.<br />
Neues Insolvenzrecht<br />
Schuldnerberatungen erhalten Zulauf<br />
Die vom Bund geplante Verkürzung des Insolvenzverfahrens von sechs auf drei<br />
Jahre lässt auf sich warten. Es gebe noch Gesprächsbedarf, hieß es aus dem Justizausschuss.<br />
Bei einer Anhörung übten Expert*innen deutliche Kritik: So soll das<br />
verkürzte Verfahren für Privatschuldner*innen zunächst nur bis 2025 möglich<br />
sein. „Darin zeigt sich ein unangebrachtes Misstrauen“, sagt Matthias Butenob<br />
von der Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung Hamburg. Er bemängelt<br />
zudem, dass Auskunfteien Insolvenzdaten drei Jahre lang speichern dürfen sollen<br />
und nicht wie ursprünglich vorgesehen ein Jahr. Derweil werden die wirtschaftlichen<br />
Folgen der Coronapandemie sichtbar: Jede dritte Beratungsstelle erlebe in<br />
diesem Herbst mehr Zulauf als im vergangenen Jahr, so das Ergebnis einer<br />
bundesweiten Umfrage der Caritas. Auch die Hamburger Verbraucherzentrale<br />
meldet steigende Zahlen, so Beraterin Kerstin Föller: „Die Anfragen haben stark<br />
zugenommen.“ In der Folge sei die Wartezeit von drei auf fünf Monate gestiegen.<br />
Inwieweit die Coronakrise zu einer steigenden Zahl von Insolvenzen führen wird,<br />
ist noch unklar. UJO<br />
•<br />
Minijobs<br />
Streit um höhere Verdienstgrenzen<br />
Die Union will die Verdienstgrenze bei Minijobs von 450 auf 530 Euro monatlich<br />
erhöhen. Einen entsprechenden Vorschlag brachte das CDU-geführte Nordrhein-<br />
Westfalen in den Bundesrat ein. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD)<br />
lehnte den Vorstoß ab: „In den vergangenen Monaten mussten viele geringfügig<br />
Beschäftigte schmerzhaft erfahren, dass sie keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld<br />
haben und bei Jobverlust kein Arbeitslosengeld erhalten“, so ein Sprecher.<br />
Die Minijob-Zentrale meldete zuletzt 837.000 geringfügig Beschäftigte (12 Prozent)<br />
weniger als im Vorjahr. UJO<br />
•<br />
Immobilienhandel<br />
Saga verkauft an Investor<br />
Obwohl die Saga eigentlich keine<br />
Wohnungen mehr verkauft und<br />
wenn, dann nur an Selbstnut zer<br />
*innen, hat das städtische Unternehmen<br />
nach Hinz&Kunzt-Informationen<br />
vor wenigen Wochen eine alte<br />
Stadtvilla mit drei Wohnungen an<br />
eine Immobiliengesellschaft veräußert.<br />
In der September-Ausgabe von<br />
Hinz&Kunzt hatte eine Nachbarin<br />
noch gewarnt: „Was hier passiert,<br />
stinkt nach Spekula tion.“ Gegenüber<br />
Hinz&Kunzt wollte der Käufer keine<br />
Angaben zur weiteren Nutzung machen.<br />
Die Saga wiederum hatte offenbar<br />
keine Bedenken beim Verkauf.<br />
Das Haus passe nicht „in das Bestandsportfolio<br />
des Unternehmens“,<br />
so ein Sprecher. Deswegen habe der<br />
Verkauf „im Vordergrund“ gestanden<br />
– und nicht die weitere Nutzung.<br />
Den Bewohner *innen des benachbarten<br />
Wohnprojektes wiederum wirft<br />
die Saga vor, dass sie lediglich zur<br />
„privaten Wohnnutzung“ ein Interesse<br />
an dem Haus gezeigt hätten. JOF<br />
•<br />
Mietenpolitik<br />
Erfolgreiche Volksbegehren<br />
Dauerhaft bezahlbare Mieten: Das ist<br />
das Ziel zweier Volksinitiativen, mit<br />
denen sich die Bürgerschaft befassen<br />
muss, nachdem ein Bündnis aus<br />
Mietervereinen und Initiativen je<br />
14.200 Unterschriften gesammelt hat.<br />
Die Forderungen: Die Stadt soll ihre<br />
Grundstücke nicht mehr verkaufen,<br />
sondern nur noch per Erbbaurecht<br />
verpachten. Und auf städtischen<br />
Grundstücken sollen nur noch Wohnungen<br />
entstehen, deren Miete Sozial<br />
wohnungsniveau nicht überschreitet.<br />
Macht sich die Bürgerschaft die<br />
Anliegen nicht innerhalb von vier<br />
Monaten zu eigen, kann das Bündnis<br />
ein Volksbegehren beantragen. BELA<br />
•<br />
FOTO: DMITRIJ LELTSC<strong>HUK</strong><br />
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Stadtgespräch<br />
Landgericht<br />
Prozessauftakt nach<br />
Tötung eines Obdachlosen<br />
in Rothenburgsort<br />
Vor dem Hamburger Landgericht<br />
muss sich seit Oktober ein 37-Jähriger<br />
wegen des Totschlags an dem<br />
Obdachlosen Mariusz verantworten.<br />
Die Staatsanwaltschaft wirft Arunas<br />
B. vor, den 45-Jährigen im April in<br />
Rothenburgsort mit „mindestens sieben<br />
wuchtigen Stichen“ mit einem<br />
Küchenmesser vorsätzlich getötet zu<br />
haben – „aus ungeklärtem Anlass“,<br />
wie es in der Anklageverlesung hieß.<br />
Auf die Spur des Angeklagten kam<br />
die Polizei mit Bildern einer Überwachungskamera.<br />
Drei der sieben<br />
Messerstiche trafen den Bauch und<br />
sollen das Opfer tödlich verletzt haben.<br />
Vor der Tat sollen sich Arunas<br />
und Mariusz ein Zimmer im Winternotprogramm<br />
geteilt haben. Bis Redaktionsschluss<br />
hatte der Angeklagte<br />
sich noch nicht zu den Vorwürfen<br />
geäußert. Zunächst waren fünf<br />
Verhandlungstage angesetzt, der letzte<br />
für den 30. <strong>November</strong>. BELA<br />
•<br />
Energiearmut<br />
Etwas weniger Stromsperren<br />
2176 Haushalten wurde im dritten<br />
Quartal der Strom gesperrt, so Stromnetz<br />
Hamburg auf H&K-Nachfrage.<br />
Im Vergleichszeitraum des Vorjahres<br />
lag die Zahl bei 2317. Der Trend entspricht<br />
Zahlen, die die Bundesnetzagentur<br />
veröffentlichte. Demnach<br />
wurde 2019 bundesweit 289.000<br />
Haushalte den Strom abgeklemmt,<br />
zwei Prozent weniger als 2018.<br />
Der Paritätische Wohlfahrtsverband<br />
forderte trotzdem erneut eine Reform<br />
von Hartz IV: Stromkosten müssten<br />
in tatsächlicher Höhe über nommen<br />
werden. Derzeit zahlen die Ämter<br />
pro Person höchstens eine Pauschale<br />
von 33,31 Euro monatlich. UJO<br />
•<br />
Stadt öffnet weitere Notunterkunft<br />
Obdachlosenhilfe in der kalten Jahreszeit<br />
Die Stadt eröffnet im <strong>November</strong> eine dritte Notunterkunft für Obdachlose.<br />
Damit erhöht sich die Zahl der Plätze im Winternotprogramm auf mehr als<br />
1000. Das berichtet der NDR. Allerdings müssen die Obdachlosen morgens raus<br />
und dürfen erst um 17 Uhr wiederkommen. Und das, obwohl die Tagesaufenthaltsstätten<br />
coronabedingt nicht voll funktionsfähig sind. Dafür eröffnet die Stadt<br />
allerdings in der City eine neue Tagesaufenthaltsstätte – und zwar in der Markthalle.<br />
Auch fürs Essen soll gesorgt sein: Die Obdachlosen sollen in den Unterkünften<br />
ein Abendessen und in den Tagesaufenthaltsstätten auch ein Frühstück und<br />
ein Mittagessen erhalten.<br />
Die Behörde gibt an, ein Pandemiekonzept zu haben und hat auch Quarantänestationen<br />
eingerichtet. Unsere Nachfragen zur Unterbringung und zum<br />
Pandemiekonzept wurden allerdings nicht beantwortet.<br />
Wegen der vielen Todesfälle unter Obdachlosen und Versorgungslücken im<br />
Hilfesystem fordert die Linksfraktion jetzt einen Runden Tisch. Hinz&Kunzt<br />
hofft, dass der Vorschlag aufgegriffen wird.<br />
Und eine gute Nachricht: Seit dem 25. Oktober ist der Kältebus wieder zwischen<br />
19 und 24 Uhr auf Hamburgs Straßen unterwegs. Bei Bedarf werden hilflose<br />
Obdachlose sogar in eine Notunterkunft gefahren. Im vergangenen Winter zählten<br />
die Ehrenamtlichen insgesamt 511 dieser Transporte. Der Kältebus ist eine<br />
Ini tiative der Alimaus. Die Rufnummer lautet: 0151/65 68 33 68. JOF/BIM<br />
•<br />
Europäischer Gerichtshof<br />
Rechte von EU-Zuwander*innen gestärkt<br />
Verlieren EU-Zuwander*innen ihren Job, haben sie und ihre Familien<br />
Anspruch auf staatliche Hilfe, wenn die Kinder hier zur Schule gehen.<br />
Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden (AZ: C-181/19). Die Begründung:<br />
Den Betroffenen stehe „das Recht auf Gleichbehandlung“ zu. Im strittigen<br />
Fall hatte ein polnischer Staatsbürger geklagt. Er wohnte seit 2013 mit seinen<br />
beiden Töchtern in Deutschland, hatte ab 2015 in mehreren Jobs gearbeitet und<br />
war 2016 arbeitslos geworden. Zunächst zahlte das Jobcenter der Familie<br />
Hilfe, lehnte die Weiter bewilligung im Juni 2017 aber ab. Argument des Amtes:<br />
Der Mann befinde sich „zum Zweck der Arbeitssuche in Deutschland“.<br />
Der Fall landete schließlich vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen,<br />
das den Europäischen Gerichtshof anrief. Der wies darauf hin, dass die<br />
Entscheidung auch andere nationale Gerichte binde, „die mit einem ähnlichen<br />
Problem befasst werden“. Der Paritätische Gesamtverband sprach von „einem<br />
äußerst praxisrelevanten Urteil“.<br />
Das Bundesarbeitsministerium teilte auf Nachfrage mit, es werde die zuständige<br />
Bundesagentur für Arbeit auffordern, „entsprechend dem Urteil zu verfahren<br />
und Unionsbürger*innen mit einem aus dem Schulbesuch abgeleiteten Aufenthaltsrecht<br />
Leistungen zu gewähren“.<br />
Und: „Etwaige weitere Auswirkungen<br />
des Urteils bedürfen einer eingehenden<br />
Prüfung.“ UJO<br />
•<br />
Mehr Infos und Nachrichten unter:<br />
www.hinzundkunzt.de<br />
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Zahlen des Monats<br />
Corona als Krisenverstärker<br />
Hunger weltweit besiegen:<br />
Ziel in Gefahr!<br />
Mehr als 690.000.000<br />
Menschen weltweit leiden aktuell unter chronischem Hunger – das ist schon jede*r elfte<br />
Erdenbürger*in. Allein 144 Millionen Kinder sind aufgrund chronischer Unterernährung zu klein für ihr<br />
Alter. „Dabei wirkt die Coronakrise beim Thema Hunger wie ein Brandbeschleuniger“, sagt der<br />
Vorstandsvorsitzende der Deutschen Welthungerhilfe, Mathias Mogge, auf Anfrage von Hinz&Kunzt.<br />
Unabsehbare negative Folgen durch die Globalität der Krankheit befürchtet auch das<br />
„World Food Programme“ (WFP) der Vereinten Nationen: „Die Covid-19-Pandemie zerstört<br />
die Welt, wie wir sie kannten. Die rasche weltweite Ausbreitung droht Millionen von Menschen zu treffen,<br />
die bereits jetzt unter Hunger, Mangelernährung und den Auswirkungen von Konflikten und<br />
Katastrophen leiden.“ Auch, um den durch Corona dramatisch erschwerten Kampf gegen<br />
den weltweiten Hunger möglichst aufmerksamkeitsstark und effektiv fortführen zu können, wird das<br />
WFP am 10. Dezember mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.<br />
138 Millionen hungernde Menschen will das WFP dieses Jahr trotz der widrigen Umstände für<br />
Helfende und Betroffene erreichen. Das im Dezember 1961 gegründete Hilfswerk ist heute die weltweit<br />
größte humanitäre Organisation im Kampf gegen den Hunger und arbeitet seit 1996 auch mit der<br />
Deutschen Welthungerhilfe zusammen. Besonders betroffen: viele afrikanische Länder südlich der<br />
Sahara. Laut des gerade veröffentlichten aktuellen „Welthungerindex“ der Welthungerhilfe rechnen die<br />
Vereinten Nationen als Folge der Coronapandemie, „dass für jeden Prozentpunkt, um den das globale<br />
Bruttoinlandsprodukt sinkt, für weitere 700.000 Kinder Wachstumsverzögerungen die Folge sein<br />
werden, und es zu fast 130.000 zusätzlichen Todesfällen bei Kindern führen könnte“.<br />
Das selbstverpflichtende Ziel der internationalen Staatengemeinschaft mit der<br />
„Agenda2030“ – in zehn Jahren soll Hunger weltweit besiegt sein – gerät nun in Gefahr.<br />
„Wenn wir bei der Hungerbekämpfung so weitermachen wie bisher, werden es 37 Länder bis 2030 nicht<br />
schaffen, ein niedriges Hungerniveau zu erreichen“, sagt Welthungerhilfe-Präsidentin Marlehn Thieme.<br />
Auf der Homepage des WFP (de.wfp.org) finden Interessierte einen Link zur neuen, interaktiven<br />
„Welthungerseite“. Sie zeigt fast in Echtzeit aktuelle Daten zur Ernährungssituation in mehr als<br />
90 Ländern und trifft auch Prognosen für Orte, für die nur begrenzt Daten verfügbar sind. •<br />
TEXT: JOCHEN HARBERG<br />
ILLUSTRATION: ESTHER CZAYA<br />
Mehr Infos im Internet unter www.welthungerhilfe.de<br />
15
Annette Nehberg-Weber, Tochter<br />
Sophie und Sohn Roman<br />
wollen das Vermächtnis des<br />
Abenteurers und Menschenrechtlers<br />
Rüdiger Nehberg weiterführen.
Stadtgespräch<br />
„Niemand ist<br />
zu gering, die<br />
Welt zu verändern“<br />
Das sagte einst Rüdiger Nehberg (Foto rechts). Er setzte sich für den Regenwald, indigene Völker und gegen<br />
die weibliche Genitalverstümmelung ein. Nehbergs Frau Annette, ihr Sohn Roman und ihre Tochter Sophie wollen<br />
die Ideen und Projekte des verstorbenen Abenteurers und Menschenrechtlers in seinem Sinne weiterführen.<br />
TEXT: BIRGIT MÜLLER<br />
FOTOS: ANDREAS HORNOFF (LINKS) UND TARGET-NEHBERG<br />
Sommerferien 2003. Sophie ist<br />
13 Jahre alt und sitzt mit ihren<br />
Eltern im Helikopter über dem<br />
Urwald von Brasilien. Schon<br />
das klingt nicht gerade nach einem<br />
normalen Urlaub. Aber was ist schon<br />
normal, wenn es sich beim Stiefvater<br />
um den Abenteurer und Menschenrechtler<br />
Rüdiger Nehberg handelt?<br />
„Und plötzlich war der Rüdiger weg“,<br />
erinnert sie sich. Erst allmählich dämmerte<br />
ihr, dass er sich gerade abgeseilt<br />
hatte. Irgendwie hatten die Erwachsenen<br />
wohl vergessen, ihr das mitzuteilen.<br />
Aber so richtig Angst hatte sie nicht.<br />
„Er war ja schließlich Sir Vival.“<br />
Am 1. April <strong>2020</strong> ist Rüdiger Nehberg<br />
gestorben, kurz vor seinem<br />
85. Geburtstag starb er in seinem Zuhause<br />
in Rausdorf, einer alten Mühle,<br />
umgeben von einem Überlebenscamp.<br />
Ohne Corona wäre die Familie vermutlich<br />
in alle Winde zerstreut gewesen:<br />
Rüdiger Nehberg, seine zweite<br />
Frau Annette Weber (60) und ihre<br />
Kinder Sophie (heute 30) und Roman<br />
(35). „So konnten wir noch als Familie<br />
zusammen sein“, sagt Roman.<br />
Auf dem Grundstück zündeten sie<br />
„ein letztes Lagerfeuer für Rüdiger“ an,<br />
erzählt Roman. „Kurze Zeit später<br />
kam auch schon der Erste, der mit<br />
dem Rucksack losgelaufen ist von<br />
Norderstedt bis Rausdorf und dann mit<br />
uns am Feuer saß.“<br />
Wochenlang bekam die Familie<br />
Besuch. Einige Fans hätten sogar<br />
Rüdigers Deutschlandmarsch gemacht,<br />
aber verkehrt rum – vom Süden in den<br />
Norden – und seien auch vorbeigekommen<br />
„und haben Abschied genommen.<br />
Da haben wir uns sehr gehalten<br />
gefühlt.“<br />
„Viele haben gesagt: ‚Rüdiger, du<br />
hast mein Leben verändert!‘“, sagt<br />
Sophie. Obwohl sie ihn vielleicht nur<br />
aus Büchern oder von einem einzigen<br />
Vortrag kannten.<br />
Eine einzige Begegnung hat ja auch<br />
dem Leben der Familie Weber eine neue<br />
Wendung gegeben. 1997 war das, da<br />
lebte Annette Weber mit Roman (damals<br />
12) und Sophie (7) noch in Offenburg.<br />
Eines Tages kam ihr Sohn aufgeregt<br />
nach Hause: Rüdiger Nehberg sei<br />
in der Stadt und er wolle unbedingt zu<br />
seinem Diavortrag. Annette Weber wunderte<br />
sich noch: „Seit wann interessierst<br />
du dich denn für Indianer?“ Denn sie<br />
hatte just Nehbergs Buch über die Yanomami<br />
in Brasilien gelesen. „Seit ich elf<br />
Jahre alt bin, wollte ich den Indianern<br />
medizinisch helfen“, sagt die gelernte<br />
Arzthelferin. Roman wiederum hatte<br />
damals mit „Indianern“ gar nichts am<br />
Hut: Er wollte die Abenteuergeschichten<br />
hören und wissen, wie man draußen<br />
überlebt. Abends dann war Roman<br />
gleich hin und weg von Rüdiger Nehberg,<br />
der wiederum war begeistert von<br />
seiner Mutter – und lud Mutter und<br />
Sohn noch auf einen Drink ein, etwas<br />
später zu sich ins Überlebenscamp. „Das<br />
hätte Roman mir ja nie verziehen, wenn<br />
ich das abgelehnt hätte“, sagt Annette<br />
Nehberg-Weber.<br />
Drei Jahre später zogen die drei<br />
nach Rausdorf. Es sollte der „Auftakt für<br />
ein spannendes, abenteuerliches Leben<br />
sein“, wie Roman sagt. Spielen wie<br />
andere Kinder und Jugendliche? „Klar<br />
haben wir auch mal was Normales<br />
gespielt wie … Schach“, sagt Sophie.<br />
Aber meist war es eher eine Survival-<br />
Ausbildung: „An Winterabenden saßen<br />
wir manchmal auf dem Sofa und haben<br />
Knoten geübt. Könnte man ja mal<br />
Eröffnung der kleinen Urwaldklinik für die Wai pi 2012 im brasilianischen Regenwald.
Roman und Sophie Weber mit ihrer Mutter Annette bei den Wai pi. 706.000 Hektar meist unberührter<br />
Regenwald gehören zu dem Gebiet der 2500 Wai pi. Sie sehen es als ihre Aufgabe, den Urwald zu schützen.<br />
gebrauchen“, sagt Sophie. Oder einen<br />
Brand im Haus simuliert. „Samstagmorgens<br />
um 8 Uhr, da seilten wir uns dann<br />
alle aus dem Dachfenster ab.“<br />
Es blieb nicht bei den Trockenübungen.<br />
Sophie war elf und Roman<br />
16, als sie mit Rüdiger und Annette<br />
zum ersten Mal in den Urwald gingen.<br />
„Rüdiger hat mir gezeigt, was man beachten<br />
muss, damit keine Schlangen<br />
kommen: Man muss stark auftreten,<br />
weil sie ja nicht hören, sondern die Vibration<br />
spüren.“ Das war für sie als Jugendliche<br />
eine „unglaublich reiche Erfahrung“.<br />
Und bei den Wai pi, einem<br />
Nomadenvolk in Brasilien, lernte Sophie<br />
eine ihrer besten Freundinnen kennen,<br />
die Tochter des Häuptlings.<br />
Auch für Roman war es eine<br />
„komplett neue Welt: Die ursprüngliche<br />
Lebensweise, das Zusammenleben in<br />
und mit der Natur, das war so faszinierend<br />
für mich, dass ich relativ früh<br />
gesagt habe: ‚Ich möchte mich für<br />
Indigene und den Regenwald einsetzen,<br />
Zeit meines Lebens.‘“<br />
Ihre Mutter Annette hatte da schon<br />
ihr erstes Projekt gestartet: Als Dankeschön<br />
für ihre Unterstützung bei einem<br />
Projekt hatte Rüdiger Nehberg sie im<br />
Jahr 2000 erstmalig mit zu den Wai pi<br />
genommen. Für sie sei sofort klar gewesen,<br />
dass sie helfen wollte. „Aber wir entscheiden<br />
so etwas ja nie alleine, sondern<br />
machen das, was die Menschen vor Ort<br />
brauchen und wollen“, sagt sie. Das<br />
wurde dann auf einer Versammlung der<br />
Häuptlinge tief im Wald besprochen<br />
und beschlossen: „Sie bräuchten eine<br />
Krankenstation, weil sie durch den Kontakt<br />
zu den Weißen mit ihren mitgebrachten<br />
Krankheiten zu tun hätten,<br />
gegen die sie im Urwald keine Medizin<br />
haben“, sagt Annette. „Das war im Jahr<br />
2000, und im Jahr 2002 haben wir die<br />
Einweihung der ersten Krankenstation<br />
gefeiert – und da waren Roman und<br />
Sophie auch schon mit dabei.“<br />
Etwa zur gleichen Zeit las Annette<br />
Nehberg-Weber ein Buch ihres Mannes:<br />
„Überleben in der Wüste Danakil“.<br />
Unter anderem wird dort die Begegnung<br />
mit Aischa beschrieben, einer<br />
jungen Frau vom Stamm der Afar.<br />
Aischa war genital verstümmelt worden<br />
und litt Höllenqualen.<br />
200 Millionen Frauen sind davon<br />
betroffen, recherchierten sie. 85 Prozent<br />
von ihnen sind Muslimas.<br />
Sie wollten unbedingt etwas dagegen<br />
tun, und Rüdiger wusste auch<br />
schon wie: „Ich möchte mit dem Islam<br />
18<br />
gemeinsam die Mädchen schützen, weil<br />
die Genitalverstümmelung immer religiös<br />
begründet wird, aber was den Mädchen<br />
angetan wird, ist keine religiöse<br />
Pflicht und ist eigentlich gegen die<br />
Religion.“<br />
Im Jahr 2000 gründeten sie deshalb<br />
ihren Verein Target, was man mit<br />
„Ziel“ übersetzen könnte. Unfassbar:<br />
„Ich möchte<br />
mich dafür<br />
ein setzen, Zeit<br />
meines Lebens.“<br />
ROMAN WEBER<br />
Rüdiger Nehberg und seine Frau schafften<br />
es tatsächlich, dass hochrangige religiöse<br />
Führer zu Konferenzen kamen,<br />
die sie initiiert hatten. Und unfassbar,<br />
dass es in vielen Ländern inzwischen eine<br />
Fatwa (religiöses Gutachten) gibt, die die<br />
Verstümmelung verbietet. Aber eine<br />
jahrhundertealte Tradition abzuschaffen,<br />
wird noch Jahrzehnte dauern, das<br />
ist den Nehberg-Webers klar.
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
Aber gerne wollten sie den Mädchen<br />
und Frauen, die in der Folge der Verstümmelung<br />
beim Urinieren, bei der<br />
Regel, beim Geschlechtsverkehr und<br />
bei der Geburt furchtbare Schmerzen<br />
leiden, auch praktisch helfen: 2010 begannen<br />
sie mit dem Bau einer Geburtsklinik<br />
mitten in der Danakilwüste in<br />
Äthiopien. Erst mal ging alles schief,<br />
wie sie feststellten, als sie gemeinsam<br />
mit Roman nach Äthiopien reisten.<br />
„Wir saßen einen Abend zusammen,<br />
und Rüdiger hat mir das Projekt<br />
gezeigt, und es war uns eigentlich klar:<br />
Das Projekt könnte total nach hinten<br />
losgehen“, erinnert sich Roman. „Die<br />
Wüste war sehr steinig, weit abgelegen,<br />
selbst die Bauunternehmer wollten<br />
nicht mit ihren Geräten in die Region<br />
kommen, und der Bauunternehmer,<br />
der tatsächlich vor Ort war, war komplett<br />
überfordert“, so Roman. „Die<br />
Wasserleitung war höchstens fünf<br />
Zentimeter unter der Erde verbuddelt,<br />
das Wasser spritzte nur so raus, die<br />
elektrischen Leitungen, an denen die<br />
ganze Klinik dranhing, waren nicht geerdet.<br />
Wir wussten: Wenn wir nicht aufpassen,<br />
scheitert das ganze Projekt.“<br />
Roman überlegte nicht lange, rief<br />
einen Freund an: ein Allroundtalent in<br />
Sachen Bau. „Der sagte nur trocken:<br />
,Wie sind die Koordinaten? Ich komme.‘“<br />
Eine ganze Gruppe von Freunden<br />
und Ehrenamtlichen kam in die<br />
Wüste, und zusammen mit einheimischen<br />
Helfern stellten sie eine kleine<br />
Klinik mit zwei OP-Räumen hin.<br />
Allerdings: Statt drei bis sechs Monate<br />
– wie Roman dachte – brauchten<br />
sie noch drei Jahre. „Es war ein Knochenjob“,<br />
sagt er: Alleine für die Wasserleitung<br />
brauchten sie mit 150 Männern,<br />
ausgerüstet nur mit Spitzhacke<br />
und Schaufel zwei Monate. „Da waren<br />
teilweise riesige Felsen, da musste<br />
nachts Feuer drunter gemacht werden,<br />
dann musste tags mit den Hämmern<br />
gearbeitet werden“, sagt Roman. 2015<br />
wurde die Klinik eröffnet: „Es wurde<br />
ein großes gemeinsames Herzensprojekt,<br />
es soll so ein Leuchtfeuer in der<br />
Wüste sein.“<br />
Auch Sophie liebt es, dieses Anpacken<br />
und Selbermachen. In den vergangenen<br />
fünf Jahren lebte sie in Brasilien<br />
und hat sich um Projekte bei den<br />
Direkte Hilfe: In der<br />
Danakilwüste in<br />
Äthiopien bauten<br />
Rüdiger Nehberg<br />
und Target eine<br />
moderne Geburtsklinik<br />
für genitalverstümmelte<br />
Frauen.<br />
Target verpflichtet<br />
sich, die Krankenstationen<br />
in Schuss<br />
zu halten. Wichtig:<br />
Es sollen in den<br />
Projekten immer<br />
auch Indigene<br />
arbeiten. Unten: In<br />
der Urwaldklinik im<br />
brasilianischen<br />
Regenwald werden<br />
Wai pi auch<br />
zu Laborarbeiter<br />
*innen ausgebildet.<br />
19<br />
Wai pi gekümmert. Denn längst sind<br />
zwei weitere Krankenstationen dazugekommen,<br />
und aus der ersten Krankenstation<br />
ist eine Urwaldklinik geworden:<br />
„Patienten können jetzt auch über<br />
Nacht bleiben, und es gibt ein kleines<br />
Labor, wo Indigene zu Laborarbeitern<br />
ausgebildet werden.“<br />
Aber es geht nicht nur um Krankenstationen,<br />
es geht auch um die Zukunft<br />
der 2500 Wai pi. „Solange sie<br />
hier leben, gehört das Gebiet ihnen“,<br />
sagt Roman: 706.000 Hektar Regenwald,<br />
der noch relativ unberührt ist und<br />
den die Wai pi als Ranger schützen<br />
wollen. Jetzt unterstützt Target sie mit<br />
Messern, Gummistiefeln und GPS-Geräten.<br />
„Auch die Wai pi müssen zukunftsfähig<br />
sein und am Weltgeschehen<br />
teilnehmen“, sagt Sophie. „Letztes Jahr<br />
hat Roman hier eine Internetstation gebaut,<br />
das war ein großer Wunsch der<br />
Wai pi.“ Jetzt in Coronazeiten sei die<br />
Internetstation ein Segen: Alle Informationen<br />
liefen darüber, und sie konnten<br />
Telefonkonferenzen abhalten.<br />
Nicht nur bei den Wai pi geht es<br />
um die Zukunft, auch bei Annette,<br />
Roman und Sophie. Inzwischen sind sie<br />
hauptberuflich bei Target. Jetzt in<br />
Coronazeiten leben sie gemeinsam auf<br />
dem Gelände in Rausdorf. So lange, bis<br />
es wieder losgeht mit den Reisen in den<br />
Urwald und in die Wüste zu den Projekten,<br />
die sie zusammen mit Rüdiger<br />
Nehberg angeschoben hatten – und die<br />
sie jetzt ohne ihn gemeinsam weiterführen<br />
wollen. •<br />
Kontakt: birgit.mueller@hinzundkunzt.de<br />
Die Nehbergs und Target:<br />
Der Verein engagiert sich für indigene<br />
Völker wie die Wai pi, den Regenwald<br />
und gegen Genitalverstümmelung.<br />
Mehr Infos unter www.target-nehberg.de
Klein, ja.<br />
Aber oho?<br />
Mikrowohnungen liegen voll im Trend. Es gibt sie<br />
als Luxusvariante zu Mondpreisen – mancherorts<br />
werden sie aber auch für Arme gebaut, als Maßnahme<br />
gegen die grassierende Wohnungsnot. Beispiele<br />
aus Hamburg und der Welt.
Zwölf Mikrowohnungen<br />
in Seecontainern für<br />
Menschen in Wohnungsnot<br />
entstehen gerade in<br />
Harburg.
Mikrowohnungen<br />
Dass hinter den<br />
Wandverkleidungen<br />
aus Holz ein<br />
Container steckt,<br />
sieht man nicht.<br />
Die Wohnungen<br />
sind zwar schmal,<br />
für Bauherrn<br />
Christoph Deneke<br />
(36) aber dennoch<br />
ein Zukunftsmodell.<br />
„Der Bedarf ist riesig“<br />
Für Menschen in Wohnungsnot gibt es in Hamburg viel zu wenig Wohnungen –<br />
und trotzdem entstehen zu wenig neue. Projektentwickler Christoph Deneke stellt<br />
sich gegen den Trend und peppt alte Schiffscontainer zu Mikrowohnungen auf.<br />
TEXT: BENJAMIN LAUFER<br />
FOTOS: DMITRIJ LELTSC<strong>HUK</strong><br />
Sind ausrangierte Schiffscontainer<br />
die Lösung für ein großes<br />
Problem auf dem Hamburger<br />
Wohnungsmarkt? Zumindest<br />
können sie ein Teil davon sein, ist der<br />
Projektentwickler Christoph Deneke<br />
überzeugt. Er lässt die Container mit<br />
seiner Firma C2PD zu Mikrowohnungen<br />
ausbauen und vermietet sie an<br />
Menschen, die sonst kaum eine Chance<br />
auf dem Wohnungsmarkt haben.<br />
„Es bringt Spaß, die Mieter sind freudig<br />
und dankbar, der Bedarf ist riesig“,<br />
sagt er.<br />
Dass er auf Mikroapartments in<br />
Schiffscontainern setzt, hat für Deneke<br />
vor allem praktische Gründe: Den Innenausbau<br />
lässt er komplett außerhalb<br />
fertigen. Wenn die Wohnungen mit<br />
dem Kran auf die Baustelle gehievt<br />
werden, müssen sie nur noch ans<br />
Strom- und Wassernetz angeschlossen<br />
22<br />
werden. Für Deneke ist das einfacher,<br />
als auf der Baustelle ein Haus bauen zu<br />
lassen. Und günstiger ist es auch.<br />
Das neueste Projekt von C2PD<br />
steht in Harburg, kurz vor der Grenze<br />
zu Niedersachsen. Noch sieht es hier<br />
nach Baustelle aus, die meisten Container<br />
sind bei unserem Besuch Mitte Oktober<br />
noch leer. Die Wohnungen darin<br />
sind naturgemäß schmal, dank der großen<br />
Fensterfronten vorne und hinten
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
aber einigermaßen hell. Das eingebaute<br />
Bad in der Mitte kann sich sehen lassen,<br />
die Wärme kommt überall aus der Fußbodenheizung.<br />
Die äußere Containeroptik<br />
soll bald hinter einer Verkleidung<br />
aus Holz verschwinden, so wie auch<br />
schon bei Denekes „Jugendbuden“ genanntem<br />
Projekt in Bergedorf.<br />
In einige der Harburger Wohnungen<br />
könnten bald Hinz&Künztler*innen<br />
einziehen, die anderen werden über<br />
den gemeinnützigen Träger Lawaetzwohnen&leben<br />
an junge Erwachsene<br />
vermittelt. Alle brauchen einen sogenannten<br />
Dringlichkeitsschein von den<br />
Behörden, sind also amtlich in Wohnungsnot.<br />
Die Miete bekommt Deneke<br />
dann zunächst vom Amt, er hat sie exakt<br />
so hoch angesetzt, wie es die Höchstsätze<br />
der Sozialbehörde hergeben: 501,50 Euro<br />
warm für 25 Quadratmeter, das sind<br />
15 Euro kalt pro Quadratmeter. „Es ist<br />
eine stolze Miete“, räumt der Bauherr<br />
ein, versichert aber gleichzeitig, dass seine<br />
Rendite nicht besonders hoch ausfällt.<br />
„Schön wär’s!“ Zumindest bei dem<br />
Harburger Projekt wäre das Ergebnis<br />
„mit Glück eine schwarze Null.“<br />
Er hätte es auch anders machen<br />
können, Eigentumswohnungen bauen<br />
und teuer verkaufen, wie viele andere<br />
Investor*innen es machen würden. Das<br />
aber ist seine Sache nicht. „Ich finde es<br />
richtig, für solche Leute Wohnungen zu<br />
bauen“, sagt er. „Und wenn ich damit<br />
noch ein bisschen Geld verdienen kann:<br />
umso besser!“ Dafür nimmt er dann<br />
auch in Kauf, dass die Mieter*innen<br />
ihm manchmal etwas mehr Arbeit machen.<br />
Zum Beispiel, wenn das Jobcenter<br />
ihnen die Leistungen kürzt. „Im härtesten<br />
Fall würde das bedeuten, dass die<br />
Person die Wohnung verliert. Das finde<br />
ich aber falsch“, sagt Deneke. Lieber<br />
warte er ein paar Monate auf die Miete<br />
oder ziehe auch schon mal einen Rechtsanwalt<br />
hinzu – für eine*n Mieter*in.<br />
So viel Toleranz und Engagement<br />
sucht man bei vielen Vermieter*innen<br />
vergeblich, weiß man in der Abteilung<br />
Jugend & Wohnen der Lawaetz. Dort<br />
ist man froh über die Projekte von<br />
Christoph Deneke. „Es gibt keine anderen<br />
Eigentümer, die so was machen“,<br />
sagt Leiter Olaf Schumacher. Etwa 300<br />
Mikrowohnungen<br />
23<br />
junge Erwachsene, die vorher in betreuten<br />
Jugendwohnungen gelebt haben,<br />
vermittelt sein Projekt jährlich in reguläre<br />
Wohnungen. Wenn es genügend<br />
Wohnungen dafür gäbe, könnten es<br />
doppelt so viele sein, sagt Schumacher:<br />
„Für diese Zielgruppe wird einfach viel<br />
zu wenig gebaut.“ Sowohl nach Bergedorf<br />
als auch nach Harburg hat Jugend<br />
& Wohnen Mieter*innen vermittelt.<br />
Trotzdem seien Denekes Containerwohnungen<br />
nicht für jeden das Richtige:<br />
Zu abgelegen, um von dort zum<br />
Ausbildungsplatz zu pendeln, und zu<br />
teuer, um irgendwann die Miete aus eigener<br />
Tasche zu bezahlen. „Die jungen<br />
Menschen sollen und wollen sich ja<br />
„Für diese<br />
Zielgruppe wird<br />
viel zu wenig<br />
gebaut.“ OLAF SCHUMACHER<br />
vom Jobcenter lösen“, sagt Schumacher.<br />
„Und im Verhältnis zur Wohnfläche<br />
ist das für viele eine Menge Geld.“<br />
Eigentlich wünscht er sich richtige,<br />
ganz normale Wohnungen für seine<br />
Klient*innen, allein: die gibt es kaum.<br />
Da sei eine solche Mikrowohnung immer<br />
noch „viel besser als ein Platz im Doppelzimmer<br />
in einer Wohnunterkunft“.<br />
Auch Christoph Deneke weiß, dass<br />
das Containerimage bei vielen nicht gut<br />
ankommt. Zu naheliegend ist der Vergleich<br />
mit den Wohncontainern in städtischen<br />
Unterkünften. Im nächsten Jahr<br />
will er sein Konzept weiterentwickeln:<br />
Dann sollen die Mikrowohnungen<br />
aus Holz gebaut werden. Er findet<br />
übrigens, dass andere es ihm nachtun<br />
und ebenfalls Wohnungen für Hartz-<br />
IV-Empfänger*innen bauen sollten:<br />
„Dann verdient man halt nicht 150,<br />
sondern nur 100 Prozent. Das ist ja<br />
nicht schlimm.“ •<br />
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Mikrowohnungen<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>333</strong>/NOVEMBER <strong>2020</strong><br />
Platz ist in der kleinsten Hütte<br />
Sogenanntes Mikrowohnen gilt in Großstädten als Trend. Manche Projekte schließen Lücken<br />
auf dem Wohnungsmarkt. Bei anderen geht es vor allem ums Geldverdienen.<br />
TEXT: ULRICH JONAS<br />
Sprungbrett in die Wohnung<br />
Diese Container sind extrem begehrt: „Wir bekommen täglich<br />
Anfragen“, sagt Ulrich Magdeburg (Foto oben), Geschäftsführer<br />
der Neue Wohnung. Die gemeinnützige GmbH begleitet seit 1996<br />
Obdach lose in Hamburg auf dem Weg in eigene vier Wände – auch<br />
indem sie sie übergangsweise in umgebauten Schiffscontainern<br />
unterbringt. Wer auf der Straße gelebt hat, schätzt die besondere<br />
Wohnform oft, so Magdeburg: „Man wohnt ebenerdig, kann nachts<br />
die Tür offen lassen und bekommt nicht das Gefühl, eingesperrt zu<br />
sein.“ Klar ist aber auch: „Eine Dauerlösung ist das für uns nicht.“<br />
Je 18 der Zwölf-Quadratmeter-Heime stehen an zwei Standorten in<br />
Altona und Barmbek. Jede*r Bewohner*in hat einen Container für<br />
sich, Küche, Dusche und Waschküche werden gemeinsam genutzt,<br />
„auch damit Gemeinschaft entsteht“, sagt der Geschäftsführer.<br />
Ein*e Sozialarbeiter*in und ein*e Haustechniker*in pro Platz sorgen<br />
dafür, dass es den Menschen an nichts fehlt. „Sechs bis 14 Monate“<br />
wohnen die in den Containern, dann greift die nächste Stufe des<br />
Projekts: Dank einer Kooperation mit der städtischen Wohnungsgesellschaft<br />
Saga ziehen die ehemals Obdachlosen in ganz normale<br />
Wohnungen. Mehr als 60 haben auf diese Weise in den vergangenen<br />
drei Jahren den Sprung in eine eigene Wohnung geschafft.<br />
Ein Erfolgsgeheimnis: Eine Sozialarbeiterin begleitet sie auch in<br />
der Zeit nach dem Umzug aus dem Container. „94 Prozent der Mietverhältnisse<br />
laufen störungsfrei“, sagt Magdeburg. In den anderen<br />
Fällen, etwa wenn es zu Mietschulden kommt, „helfen wir“.<br />
•<br />
24
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Mikrowohnungen<br />
FOTOS HONGKONG: INSP / REUTERS / TYRONE SIU<br />
FOTOS S. 24 UND LINKS: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
Gefühlter Luxus<br />
Mehr als 200.000 Menschen<br />
in Hongkong nennen nur ein<br />
Zimmer ihr Zuhause – die Wohnungsnot<br />
in der asiatischen<br />
Millionenmetropole ist dramatisch.<br />
Lau Kai Fai, seine Frau<br />
und ihr Sohn, ein Teenager,<br />
mussten bis vor Kurzem auf so<br />
wenig Raum leben, dass sie nie<br />
gemeinsam, sondern nur nacheinander<br />
essen konnten. Nun<br />
sind sie in ein von der Stadt neu<br />
errichtetes Modulhaus umgezogen.<br />
Die 27 Quadrat meter<br />
in dem vierstöckigen Gebäude<br />
aus übereinandergestapelten<br />
Schiffscontainern fühlten sich<br />
an „wie ein Lotto gewinn“, sagt<br />
der 70-jährige Familienvater.<br />
Für die Errichtung des Blocks<br />
hat die Stadt nicht mal die Hälfte<br />
dessen ausgegeben, was der<br />
Bau neuer Wohnungen gekostet<br />
hätte – die Miete ist dementsprechend<br />
gering. Zwei Jahre<br />
dürfen Lau Kai Fai und seine<br />
Familie im Containerapartment<br />
leben. In dieser Zeit hoffen sie<br />
eine Sozialwohnung zu finden,<br />
sagt Lau. „Sonst müssen wir<br />
wieder ein Zimmer suchen.“ •
Stylish und teuer<br />
Das „Woodie“, Hamburgs größtes in Modulbauweise errichtetes Holzhaus, wurde vielfach<br />
gelobt wegen seines innovativen Konzepts. Wer in einem der 371 Ein-Zimmer-Apartments<br />
lebt, wohnt nachhaltig und stylish. Der Preis dafür ist allerdings happig: 488 Euro kalt<br />
pro Monat kosten 19,2 Quadratmeter inklusive Küchenzeile und Duschbad, hinzu kommen<br />
91 Euro an Nebenkosten. Hochpreisige Apartments für Studierende zu bauen, gilt als<br />
besonders renditeträchtig, geht aber am Bedarf vorbei, sagt Jürgen Allemeyer, Geschäftsführer<br />
des Studierendenwerks Hamburg: „Diese überhöhten Mieten sind schlicht<br />
zu teuer und können auf dem Markt eine Spirale auslösen, die sich an der überdurchschnittlichen<br />
Entwicklung von Mieten für Apartments und WG-Zimmer zeigt.“<br />
•<br />
FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
„Städte müssen neue Modelle entwickeln“<br />
Stadtentwicklungsexperte Bernd Kniess im Interview.<br />
INTERVIEW: ULRICH JONAS; FOTO: DMITRIJ LELTSC<strong>HUK</strong><br />
Professor Bernd Kniess (59)<br />
lehrt Urban Design an der<br />
HafenCity Universität Hamburg.<br />
Hinz&Kunzt: Herr Professor Kniess, ist<br />
Mikrowohnen ein neuer Trend in Großstädten?<br />
BERND KNIESS: Absolut, insbesondere in Metropolen<br />
wie London. Ein Beispiel wäre<br />
das sogenannte Co-Living, ein Hybrid zwischen<br />
Hotel und Wohngemeinschaft. Dort<br />
haben Sie ein neun Quadratmeter großes<br />
Zimmer und dazu Gemeinschaftsbereiche<br />
und Serviceangebote. Das ist aber nicht<br />
wirklich günstig: In London zahlen Sie<br />
dafür je nach Ausstattung ab 230 Pfund<br />
(254 Euro, die Red.) die Woche aufwärts.<br />
26<br />
In Hamburg gibt es ähnliche Angebote, etwa für<br />
Studierende – mit beispielsweise knapp 500 Euro<br />
Kaltmiete monatlich ebenfalls nicht preiswert.<br />
Bauen, auch der Wohnungsbau, ist ein Geschäft.<br />
Es geht darum, Rendite zu erzielen.<br />
In Ihrem Beispiel des Studentenwohnens ist<br />
die Schmerzgrenze das, was manche Studierende<br />
sich monatlich leisten können. Die<br />
Einheiten sind minimiert – was im Ergebnis<br />
zu einem hohen Quadratmeterpreis führt.<br />
Für Menschen mit wenig Geld bedeutet<br />
Mikrowohnen zum Beispiel ein Leben im<br />
Container. Kann das eine Lösung sein?<br />
Angesichts des überspannten Marktes ist<br />
erst mal jedes Projekt gut, das günstigen<br />
Wohnraum schafft. Dass Container nachhaltig<br />
sind, bezweifle ich allerdings, zumal<br />
es sich oft nicht um ausgemusterte Seecontainer<br />
handelt. Wichtig ist mir beim Mikrowohnen<br />
aber noch ein anderer Aspekt: Es<br />
sollte immer auch Gemeinschaftsbereiche<br />
geben – Räume, wie es früher das Wohnzimmer<br />
war.<br />
Welche Formen des Wohnens halten Sie für<br />
zukunftsweisend?
Die kleinste Wohnung Deutschlands<br />
Auch Menschen mit wenig Geld sollen in Großstädten leben<br />
können, meint der Berliner Architekt Van Bo Le-Mentzel.<br />
Möglich machen soll das die „100-Euro-Wohnung“: 6,4 Quadratmeter<br />
Fläche, die alle Grundbedürfnisse abdecken, weil<br />
die Deckenhöhe 3,60 Meter beträgt – und die nicht mehr als<br />
100 Euro Miete im Monat kosten sollen. Le-Mentzel sieht<br />
seinen Entwurf als Element von Mehrgenerationenhäusern,<br />
in denen Menschen unabhängig von Herkunft und Status in<br />
sozialen Nachbarschaften zusammenleben. Einen Prototypen<br />
der „100-Euro-Wohnung“ als Tiny House gibt es bereits.<br />
•<br />
FOTO: CCBYSA / TINYFOUNDATION<br />
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Für Städte wie Hamburg, bei denen es darum geht, den<br />
Flächenverbrauch zu senken, zum Beispiel das sogenannte<br />
Co-Housing: Gemischte Wohnprojekte mit großen Gemeinschaftsräumen,<br />
die unterschiedliche Eigentumsformen<br />
ermöglichen und dabei preiswerten Wohnraum<br />
schaffen, indem sie dessen Kosten querfinanzieren. Das<br />
Projekt „Wohnvielfalt“ am Grasbrookpark ist ein Beispiel<br />
dafür, ebenso das IBEB in Berlin.<br />
Wie kann generell mehr Wohnraum für Menschen mit<br />
wenig Geld entstehen?<br />
Die Kosten explodieren vor allem deshalb, weil die<br />
Bodenpreise so stark ansteigen. Da müssen die Städte<br />
handeln und neue Modelle entwickeln.<br />
Zum Beispiel?<br />
Indem sie Grundstücke per Erbpacht vergeben und dort<br />
dauerhaft günstige Mieten als Bedingung festschreiben.<br />
Das ist ja das Ziel der Volksinitiative „Keine Profite mit<br />
Boden und Miete“, die die Mietervereine gestartet haben<br />
– und in Hamburg noch keine Praxis. •<br />
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Das Projekt Wohnvielfalt am Grasbrookpark<br />
FOTO: THOMAS HAMPEL<br />
Hinz&Kunzt bietet obdachlosen Menschen Halt. Eine Art Anker<br />
für diejenigen, deren Leben aus dem Ruder gelaufen ist. Möchten<br />
Sie uns dabei unterstützen und gleichzeitig den Menschen, die<br />
bei Hinz&Kunzt Heimat und Arbeit gefunden haben, helfen? Dann<br />
hinterlassen Sie etwas Bleibendes – berücksichtigen Sie uns<br />
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Wunsch auf unseren Gedenk-Anker in der Hafencity graviert. Ein<br />
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mit Ihrer Spende geben.
Weltkriegs-<br />
Veteranen<br />
Der ukrainisch-amerikanische Fotograf<br />
Sasha Maslov reiste rund um den Globus,<br />
um Menschen zu treffen, die im<br />
Zweiten Weltkrieg gekämpft haben.<br />
Annette Woywode hat mit ihm geskypt.<br />
28
Fotoreportage<br />
A<br />
ls Sasha Maslov noch in der<br />
Ukraine lebte und dort zur<br />
Schule ging, kamen immer<br />
mal wieder Veteran*innen<br />
in den Unterricht. Männer und Frauen,<br />
die von ihrem Kampf im Zweiten<br />
Weltkrieg berichteten, dem „Großen<br />
Vaterländischen Krieg“, wie er in der<br />
Sowjetunion und auch zu postsowjetischen<br />
Zeiten genannt wurde. „Die ganzen<br />
Erzählungen waren immer sehr<br />
patriotisch und überhöht“, erzählt der<br />
36-Jährige via Skype aus seiner New<br />
Yorker Wohnung.<br />
Schon immer haben ihn historische<br />
Zusammenhänge fasziniert. Doch erst<br />
nach seinem Umzug in die USA vor elf<br />
Jahren sah sich der Fotograf etliche<br />
Dokumentationen über den Zweiten<br />
Weltkrieg an. „Da wurde mir klar: Je<br />
nachdem, aus welchem Land die Leute<br />
kommen, erzählen sie eine andere Geschichte.<br />
Und sie malen das Ergebnis<br />
dieses globalen Ereignisses in den<br />
Farben, die für ihre Interpretation der<br />
Geschichte besser geeignet sind.“<br />
Etwa zur gleichen Zeit wollte Maslov<br />
seinen beruflichen Schwerpunkt ändern,<br />
weg vom reinen Fotojournalismus<br />
und hin zum Geschichtenerzählen mittels<br />
Porträtfotografie. „Ich war auf der<br />
Suche nach einem Projekt, das mir<br />
beim Übergang helfen würde“, sagt er.<br />
So kam er auf die Idee, Welt kriegsveteran*innen<br />
in unterschiedlichen<br />
Län dern zu besuchen. Herausgekommen<br />
sind Fotos von Menschen in ihrer<br />
Alltagskleidung oder gar in ihren alten<br />
Uniformen, inmitten ihrer Wohnzimmer,<br />
in denen sich ihr ganzes Leben<br />
widerzuspiegeln scheint.<br />
JAPAN: Kikuchi Tsukuba-Shi, Jahrgang 1929, hatte „keine<br />
Angst vor dem Tod. Wir alle sind einer Gehirnwäsche unterzogen worden“,<br />
sagte er im Interview. „Wir hielten es für edel, für Japan zu sterben. Deshalb bewarb<br />
ich mich mit 14 Jahren als Pilot. Einmal flogen so viele B-51-Bomber über<br />
uns hinweg, dass ich den Himmel nicht mehr sehen konnte. Da hatte ich dann<br />
doch Angst.“ Nach dem Krieg sei die Armut im Land groß gewesen. Nur die Starken<br />
hätten überlebt, und so schloss er sich der Yakuza (japanische Mafia) an. Später<br />
schwor er der Organisation ab und arbeitete für einen Regierungspolitiker. •<br />
29
30
Fotoreportage<br />
„Die ganzen<br />
Erzählungen<br />
waren immer<br />
überhöht.“<br />
Maslov macht es für die Betrachter*innen<br />
spannend: Sofort steht die<br />
Frage im Raum, aus welchem Land die<br />
Veteran*innen stammen. Wie ist ihr<br />
kultureller Hintergrund, wie ihre soziale<br />
Stellung? Und wie werden diese älteren<br />
Menschen, Täter oder Opfer, mit<br />
ihren oft traumatischen Kriegserfahrungen<br />
von der Gesellschaft, in der sie<br />
leben, behandelt? Nichts an den Bildern<br />
ist inszeniert. Maslov hat seine<br />
Protagonist*innen auch nie darum gebeten,<br />
ihre alte Uniform aus dem<br />
Schrank zu holen. „Die Leute sind<br />
selbst auf die Idee gekommen“, sagt er.<br />
Am Anfang seines Projektes plante<br />
Sasha Maslov, fünf oder sechs der am<br />
stärksten in den Zweiten Weltkrieg verwickelten<br />
Länder zu besuchen. Doch<br />
immer mehr Menschen wurden auf seine<br />
Arbeit aufmerksam und meldeten<br />
sich bei ihm, sogar Veteranenorganisationen<br />
empfahlen ihm Gesprächspartner*innen.<br />
Am Ende bereiste der Fotograf 23<br />
Länder. Immer auf eigene Kosten. Und<br />
trotz aller Empfehlungen musste er teilweise<br />
dicke Bretter bohren, auch weil in<br />
fernen Ländern manchmal ungewohn<br />
UKRAINE: Dmytro Verholjak, Jahrgang 1928, schloss sich schon als Teenager der ukrainischen Aufstandsarmee<br />
an, um gegen die russischen „Befreier“ zu kämpfen. Im Wald wurde er von der sowjetischen Geheimpolizei aufgespürt und<br />
verwundet. Er konnte entkommen, aber um die Wunde kümmerte sich niemand. „Als eine Krankenschwester den Verband abnahm,<br />
wimmelte es darunter vor Insekten. Danach wurden wir darin ausgebildet, uns gegenseitig zu behandeln. Auch nach Kriegsende<br />
kämpften wir weiter gegen die Sowjets. Sie waren genauso schlimm wie die Deutschen, wenn nicht schlimmer.“ 1952 wurde Verholjak<br />
verraten und verhaftet. „Erst 1980 kam ich in die Ukraine zurück.“ Aber er blieb unter Arrest: Er durfte sein Dorf nicht verlassen und<br />
nach 22 Uhr nicht mal vor die Tür. Erst die Unabhängigkeit des Landes 1991 brachte ihm echte Freiheit – und eine kleine Rente. •<br />
31
32
Fotoreportage<br />
te Umgangs- und Höflichkeitsformen<br />
gelten, die ihm die Arbeit erschwerten.<br />
Vor allem in Japan sei es schwierig gewesen.<br />
„Wenn ich mich da an Leute gewandt<br />
habe, bekam ich Antwort von<br />
Verwandten: , Ja, wir würden Sie gerne<br />
kennenlernen, aber zuerst müssen Sie<br />
kommen, Sie müssen sich zu uns setzen,<br />
mit uns Tee trinken, und dann entscheiden<br />
wir, ob wir mit Ihnen sprechen wollen<br />
oder nicht‘“, erzählt er. „Dann habe<br />
ich versucht zu erklären, dass ich es mir<br />
nicht leisten kann, so oft hin- und herzufliegen,<br />
und dass ich eine feste Zusage<br />
brauche.“<br />
„Für manche<br />
war es die letzte<br />
Chance, etwas<br />
zu erzählen.“<br />
Immer wieder kam es zu Begegnungen,<br />
die den Fotografen zutiefst berührten.<br />
Wie die mit einem Ukrainer, der die<br />
Hälfte seines Lebens in Kriegsgefangenschaft<br />
verbracht hatte (siehe Seite 31). Er<br />
hatte an der Seite von Partisan*innen<br />
sowohl gegen die Wehrmacht als auch<br />
gegen die Rote Armee gekämpft, die für<br />
sie gleichermaßen Besatzungstruppen<br />
waren. Erst in den 1980er-Jahren entließen<br />
ihn die Sowjets aus einem Gulag.<br />
Oder einem Österreicher, der mit<br />
15 Jahren in die Hitlerjugend eintrat<br />
INDIEN: Surjan Singh, Jahrgang 1921, meldete sich mit 18 Jahren freiwillig bei<br />
der Armee, weil im gesamten Land Hunger herrschte. „Bei der Armee zahlten sie 15 Rupien pro<br />
Monat – für meine Familie ein lebenswichtiges Einkommen“, erzählte er. „Wir Inder waren die rangniedrigsten<br />
in den gesamten alliierten Streitkräften. Unser Regiment wurde nach Burma entsandt, war aber<br />
auf die japanische Taktik nicht vorbereitet. Die meiste Zeit verbrachten wir damit, uns in den Bergen<br />
und Wäldern vor Angriffen aus der Luft zu verstecken. Als wir 1945 die Nachricht von der Kapitulation<br />
Japans hörten, waren wir ekstatisch. Zurück in Indien konnte ich ohne Ausbildung keine anständige<br />
Arbeit finden. Ich ging zurück zu meiner Familie und lebte von meiner Rente der indischen Armee.“ •<br />
33
Fotoreportage<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>333</strong>/NOVEMBER <strong>2020</strong><br />
UDSSR: Anna Nho wurde 1927 in Wladiwostok geboren. „Meine Familie kommt aus Korea.<br />
Ich war der Partei immer treu ergeben, obwohl wir und andere Koreaner von Stalin und der Kommunistischen<br />
Partei einfach herumgeschleudert und ständig umgesiedelt wurden. Ich habe immer geglaubt, dass meine<br />
Arbeit dazu dient, Gutes für die Gesellschaft zu tun.“ 1941 hörte sie im Radio vom Ausbruch des Krieges. „Ich<br />
meldete mich als Freiwillige und als Tochter meines Mutterlandes und wurde Komsomol-Mitglied an der<br />
Nordkaukasus-Front. Damals mussten wir hauptsächlich Gräben ausheben. Abends belegte ich medizinische<br />
Kurse. Ich wurde Feldschwester und leistete erste Hilfe für unsere Soldaten. An der Front war ich, bis Stalin im<br />
<strong>November</strong> 1943 allen minderjährigen Freiwilligen befahl, zu ihren Studien zurückzukehren. Nach dem Krieg<br />
war ich glücklich verheiratet. Aber mein Mann wurde im Dienst für die Regierung getötet. Meine beiden Söhne<br />
sind ebenfalls tot. Das Leben war hart. Aber ich habe viele Erinnerungen, die mir Freude machen.“<br />
•<br />
und gestand, die Bilder von Konzentrationslagern<br />
noch lange nach Kriegsende<br />
für billige Propaganda der Amerikaner*innen<br />
gehalten zu haben.<br />
Ein Schlüsselerlebnis für sein Projekt<br />
hatte Maslov mit einer Krankenschwester,<br />
die kurz nach dem Krieg einen<br />
„hochrangigen Offizier der Roten<br />
Armee geheiratet hat, nachdem der ihr<br />
den Hof gemacht hatte“, erzählt er.<br />
Plötzlich begann die Frau zu weinen.<br />
Erzählte, dass sie damals eigentlich<br />
in einen anderen Mann verliebt gewesen<br />
war, aber in der Hoffnung auf eine<br />
34<br />
gute Zukunft an der Seite des Offiziers<br />
habe sie diesem das Jawort gegeben.<br />
„Ich hätte etwas anderes mit meinem<br />
Leben machen sollen“, gestand sie dem<br />
Fotografen. Und: „Ich habe niemals jemandem<br />
davon erzählt.“ Sasha Maslov<br />
verließ die Frau mit einem „Knoten im
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Fotoreportage<br />
ENGLAND: Sidney Owen Kendrick wurde 1917 geboren. Als der Krieg ausbrach, beschloss er,<br />
zu den Royal Marines zu gehen. Gleich zu Beginn war er an der Besetzung Islands beteiligt. „Wir konnten die<br />
Insel kontrollieren, und wenn wir das nicht getan hätten, dann hätten die Nordatlantikkonvois, die Lebensmittel<br />
und Munition aus Amerika und Kanada brachten, nicht funktionieren können. Die Menschen in England<br />
wären also wahrscheinlich verhungert.“ Ende 1940 lag sein Bataillon in Freetown vor Anker, bereit für einen<br />
möglichen Angriff auf die Kapverdischen Inseln. Sein Vater war in der Handelsmarine und „ich erkannte sein<br />
Schiff beim Einlaufen in den Hafen“. Welch Überraschung! „Beim Abschied stand er an Deck und winkte mir<br />
zu. Das war das letzte Mal, dass ich ihn sah. Sein Schiff wurde kurz vor Irland von deutschen Flugzeugen<br />
bombardiert.“ Später wurde der Major Ausbilder, „wie man navigiert und wie man Truppen an Land bringt. Viele<br />
Leute, die ich ausgebildet habe, waren beim D-Day. Einige wurden getötet, andere kehrten zurück.“<br />
•<br />
Hals“. Denn: „Mir wurde klar, dass meine<br />
Interviews für manche eine Art letzte<br />
Chance waren, etwas zu erzählen. Was<br />
sie erst jetzt, in der letzten Phase ihres<br />
Lebens, teilen können oder wollen.“<br />
Es gab lustige, es gab traurige Gespräche<br />
und eine Menge dazwischen.<br />
Viele Geschichten ähnelten sich. „Und<br />
manche Leute habe ich irgendwie …<br />
verachtet für das, was sie getan haben“,<br />
sagt der Fotograf.<br />
Doch Sasha Maslov hebt nicht den<br />
Zeigefinger. Ihm ging es nicht um Täter*<br />
innen oder Opfer, um Schuld oder<br />
35<br />
Unschuld oder darum, Menschen für<br />
ihre Vergangenheit zu feiern oder zu<br />
verurteilen. Kamen Emotionen hoch,<br />
konnte er sich hinter seiner Kamera<br />
verstecken. •<br />
Kontakt: annette.woywode@hinzundkunzt.de
Fotoreportage<br />
FRANKREICH: Jean-Jacques Auduc, Jahrgang 1931, und seine Eltern<br />
waren im Widerstand. Eine seiner Missionen: Aufklärungsfotos zeigten in Le Mans<br />
stationierte Flugzeuge, die den Briten Sorgen machten. Also ging der Teenager dorthin<br />
und tat, als würde er spielen. „Mir wurde klar, dass die Flugzeuge aus Holz waren. Es waren<br />
Fälschungen. Die Briten warfen daraufhin aus Holz geschnitzte Bomben ab. Wie ein<br />
Witz, der aber auch eine Einschüchterungstaktik war. Die Deutschen sollten wissen, dass<br />
sie keine vollständige Kontrolle hatten.“ Auducs Eltern wurden Ende 1943 von der Gestapo<br />
verhaftet. Er floh nach Paris. „Meine Mutter wurde für Experimente an ein Labor verkauft.“<br />
Sie starb mit 41 Jahren an den Folgen. •<br />
DEUTSCHLAND: Uli John wurde 1922 im Schwarzwald geboren.<br />
1940 ging er als Freiwilliger zur Armee. Er kämpfte in Polen, Russland, Frankreich, Italien<br />
und 1944 in Belgien, wo er seinen linken Arm verlor. Im selben Jahr sei er aufgefordert<br />
worden, in die NSDAP einzutreten. Sein Bruder, Offizier wie er, habe ihm abgeraten.<br />
„Er schrieb mir: ,Werde nicht Mitglied, denn wir wissen nicht, wie der Krieg enden wird.‘“<br />
Nach 1945 knüpfte der Forstwirt viele Kontakte ins Ausland: „Ich habe aus ehemaligen<br />
Feinden Freunde gemacht.“ •<br />
36
USA: Richard Overton war mit 108<br />
Jahren der älteste noch lebende<br />
US-Veteran, als Sasha Maslov ihn traf.<br />
Freundlich war er trotzdem nicht : „Er war sehr<br />
mürrisch und meinte: ,Was zum Teufel geht hier<br />
vor? Warum tue ich das? Ich werde nicht mal<br />
dafür bezahlt!‘“, erzählt der Fotograf. Overton<br />
wurde in Texas geboren. „Ich wollte nicht in den<br />
Krieg ziehen“, sagte er im Interview. „Ich hatte<br />
Sasha Maslov<br />
keine andere Wahl. Viele kamen nicht heil zurück,<br />
viele kamen überhaupt nicht zurück. Ich<br />
Buch zusammengeführt:<br />
hat die Fotos und Interviews in einem<br />
habe viele Freunde verloren. Ich fuhr die Offiziere,<br />
wurde gut behandelt. Ich liebte das Schie-<br />
zu bestellen im Buchhandel unter<br />
„Veterans – Faces of the World War II“,<br />
ßen. Ich kann das immer noch. Man muss wissen,<br />
wie man seine Waffe hält. Zurück nach<br />
Hardcover, Englisch, ab 21,99 Euro<br />
ISBN-13: 978-1616895785, 144 Seiten,<br />
Hause zu kommen, ist die schönste Erinnerung,<br />
Mehr Infos über den Fotografen unter<br />
die ich an den Krieg habe.“ Richard Overton ist<br />
www.sashamaslov.com<br />
2018 im Alter von 112 Jahren gestorben. •<br />
37
Im Karoviertel soll Michi<br />
früher mit seiner Mutter<br />
gewohnt haben. Mehr<br />
als ein Jahr lang schlief<br />
er hier am Straßenrand.<br />
Nach seinem Tod haben<br />
Nachbar*innen eine<br />
Gedenkstätte errichtet.
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
Kein Lebensplatz<br />
für Michi<br />
Zwei Jahre lang versuchen Profis und Ehrenamtliche,<br />
eine passende Bleibe für einen Obdachlosen mit Messie-Syndrom<br />
zu finden. Jetzt ist er gestorben – auf der Straße.<br />
TEXT: BENJAMIN LAUFER<br />
FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
M<br />
ichi ist nicht kalt! Darauf<br />
besteht der Obdachlose,<br />
der auf seinem<br />
Stuhl vor drei<br />
Weinflaschen am Straßenrand sitzt. Obwohl<br />
es an diesem Abend im Januar<br />
2019 Minus 5 Grad sind, friert er nicht.<br />
Das kommt aber auch nicht von ungefähr,<br />
denn unter seiner Jeans hat er noch<br />
eine Hose an und darunter eine weitere.<br />
Er schläft schon seit Monaten hier im<br />
Karoviertel zwischen einer Parkbucht<br />
und der U3, die hinter ihm aus dem<br />
Tunnel kommt. Aber jetzt, wo es kalt ist,<br />
machen die Leute sich Sorgen um ihn.<br />
Michael Siassi aus der Nachbarschaft ist<br />
da und Julien Thiele, Straßensozialarbeiter<br />
bei der Caritas. Sie wollen, dass<br />
Michi sich das Winternotprogramm wenigstens<br />
einmal anschaut, und haben ihre<br />
Mühe, ihn zu überzeugen.<br />
Siassi kennt Michi seit dem vorherigen<br />
Sommer, da tauchte er plötzlich<br />
auf und richtete es sich hinter der Parkbucht<br />
ein. Mit der Zeit wurde der Haufen<br />
der Dinge, die Michi um seinen<br />
Schlafplatz herum lagerte und die andere<br />
dazustellten, immer größer. Seine<br />
Bekanntschaften mit Nachbar*innen<br />
wurden immer zahlreicher.<br />
Von seinem Balkon blickt Michael<br />
Siassi auf Michi und seinen „Haufen“,<br />
wie die Nachbar*innen seine gesammelten<br />
Sachen nennen, herunter. Silvester<br />
saß Michi hier oben mit am<br />
Tisch. Er hatte sich extra ein neues<br />
Hemd gekauft, erzählt Siassi, neben der<br />
Couch habe er mit den Kindern getanzt.<br />
„Eigentlich war er ein ganz normaler<br />
Gast“, sagt er. „Nur halt einer<br />
mit ein paar mehr Hosen an.“ Und<br />
einer, der nach der Feier nicht nach<br />
Hause in seine Wohnung geht, sondern<br />
runter auf die Straße, um sich auf dem<br />
Boden schlafen zu legen.<br />
Im neuen Jahr ging dann der Ärger<br />
los. Die Polizei will, dass Michi seine<br />
Platte räumt, weil es kalt geworden ist<br />
und damit gefährlich für ihn. Und auch<br />
das Bezirksamt Mitte will räumen, weil<br />
es Beschwerden über den vielen Müll<br />
gegeben habe. Für den Obdachlosen<br />
zahlen sich jetzt die guten Kontakte in<br />
die Nachbarschaft aus, er kommt in einem<br />
Kellerraum unter. Acht Nachbar <br />
*innen gründen eine Whatsapp-Gruppe,<br />
„Eine Bleibe für Michael“ heißt sie<br />
und darum geht es auch: Irgendwas finden,<br />
wo er unterkommen kann. Eine<br />
Wohnung oder auch erst mal einen<br />
Platz für ein Zelt.<br />
„Michi sitzt im Taxi zum WNP!!“,<br />
schreibt Michael Siassi am 22. Januar<br />
2019 um 17.17 Uhr in die Gruppe und<br />
die Freude im Karoviertel ist groß.<br />
Aber sie währt nicht lang, schon um<br />
18.25 Uhr kommt die Nachricht, dass<br />
In der Rindermarkthalle<br />
hat<br />
Michi oft<br />
gesessen und<br />
Zeitung gelesen.<br />
39<br />
Michi nicht ins Winternotprogramm<br />
will und schon wieder auf dem Weg zurück<br />
zu seinem Haufen ist. Sozialarbeiter<br />
Thiele erzählt, dass es unter den<br />
Wartenden vor dem Winternotprogramm<br />
in der Friesenstraße Streit gegeben<br />
habe. „Da hat er dann ganz ehrlich<br />
gesagt: ‚Das schaffe ich nicht‘“, erinnert<br />
sich Thiele. Eine Unterkunft mit mehreren<br />
Hundert Menschen auf engem<br />
Raum – kein Modell für Michi. Also<br />
geht es für ihn zurück ins Karoviertel,<br />
dorthin, wo er bis zum Tod seiner Mutter<br />
noch in einer Wohnung gelebt haben<br />
soll. Da passt der Mann mit dem<br />
Rauschebart und der roten Wollmütze<br />
auch gut hin, mit seiner Vorliebe für<br />
Konzerte und guten Wein, den er stets<br />
aus Gläsern trank, gerne auch beim<br />
Zeitunglesen in der Rindermarkthalle.<br />
In den kommenden Monaten wird<br />
Michi immer wieder zum Fall für die<br />
Behörden. Einmal schickt eine Nachbarin<br />
ein Foto in die Whatsapp-Gruppe,<br />
auf dem man sieht, wie ein Polizist
Stadtgespräch<br />
Michi festhält, während die Müllwerker<br />
seine angehäuften Sachen entsorgen.<br />
Das Messie-Syndrom geht oft mit<br />
psychischen Erkrankungen wie Depressionen,<br />
Persönlichkeitsstörungen oder<br />
ADHS einher, auch deshalb zieht das<br />
Bezirksamt Mitte den sozialpsychiatrischen<br />
Dienst und den Sozialarbeiter<br />
Thiele hinzu, der auf Obdachlose mit<br />
psychischen Erkrankungen spezialisiert<br />
ist. „Er hat immer wieder die Erfahrung<br />
gemacht, dass er an seiner Krankheit<br />
scheitert“, sagt der über Michi.<br />
Monatelang versuchen die Nachbar*innen<br />
aus dem Karoviertel, Kontakt<br />
zu Bezirksamt, Polizei und dem Sozialarbeiter<br />
zu halten und eine Lösung<br />
Auf dem Großneumarkt<br />
traf er sich oft<br />
mit Anwohner*innen<br />
auf ein Glas Wein.<br />
Sein Zimmer im Pik<br />
As hatte er verloren.<br />
für Michi zu finden – erfolglos. Manchmal<br />
ist ihm das Aufheben um seine<br />
Person nicht ganz geheuer, fühlt er sich<br />
unter Druck gesetzt. Auch eine Bericht -<br />
erstattung über ihn in Hinz&Kunzt<br />
lehnt er damals deswegen ab. „Aber der<br />
Kontakt zu den Anwohnern hat auch<br />
dazu geführt, dass er es noch mal probiert“,<br />
sagt Julien Thiele.<br />
Und tatsächlich: Im regenreichen<br />
<strong>November</strong> 2019 steigen die beiden wieder<br />
zusammen in ein Taxi. Es geht in<br />
die Notunterkunft Pik As, wo Michi in<br />
ein Einzelzimmer ziehen kann. „Großartig!“,<br />
schreibt eine Nachbarin aus<br />
dem Karoviertel in die Gruppe. Doch<br />
Michi bleibt skeptisch: „Irgendwann<br />
schmeißen die mich eh wieder raus“,<br />
hat er gesagt, so erinnert es Thiele.<br />
Im Frühjahr dieses Jahres landet<br />
Michi dann tatsächlich wieder auf der<br />
Straße. Er siedelt sich auf dem Großneumarkt<br />
in der Neustadt an. Manche<br />
Anwohner*innen stören sich an seinem<br />
Haufen, der verlässlich wächst, und<br />
scheuchen ihn von einer Ecke in die andere.<br />
Mit anderen freundet Michi sich<br />
an, unterhält sich regelmäßig mit ihnen<br />
bei einem Glas guten Wein. Hier wird<br />
er auch wieder ein Fall für Ordnungsamt<br />
und Stadtreinigung. Seinem Sozialarbeiter<br />
erzählt Michi, dass er sein Einzelzimmer<br />
im Pik As wegen seines<br />
Messie-Syndroms verloren hätte. Das<br />
angebotene Mehrbettzimmer – keine<br />
Alternative für ihn.<br />
Eine Sprecherin von fördern und<br />
wohnen, dem Betreiber des Pik As, will<br />
sich zum konkreten Fall nicht äußern.<br />
Allgemein sagt Susanne Schwendtke<br />
aber, dass dort niemand wegen des Anhäufens<br />
von Unrat sein Zimmer verliere.<br />
„Es kommt allerdings vor, dass ein<br />
Zimmer aufgrund der Auswirkungen<br />
des Messie-Syndroms saniert werden<br />
muss, um Gefahr abzuwenden. Zu diesem<br />
Zweck muss der Bewohner oder<br />
die Bewohnerin das Zimmer dann vorübergehend<br />
verlassen.“<br />
Wieso Michi mit 69 Jahren erneut<br />
obdachlos wurde, ist also nicht ganz<br />
klar. Fest steht: Das städtische Hilfssystem<br />
und der Hilfsbedürftige fanden nie<br />
so recht zusammen. „Es darf nicht die<br />
Aufgabe des Obdachlosen sein, sich an<br />
die Regeln der Unterkunft anzupassen“,<br />
meint Julien Thiele. Vielmehr müsste<br />
das Hilfssystem alles versuchen, damit<br />
jeder obdachlose Mensch das Angebot<br />
auch annehmen könne. „Stattdessen<br />
werden immer die höchsten Anforderungen<br />
an die Menschen gestellt, denen<br />
es am schwersten fällt, sie zu erfüllen.“<br />
Thiele glaubt, für Michi wäre ein<br />
sogenannter Lebensplatz die ideale Lösung<br />
gewesen – eine Unterkunft, in der<br />
er so hätte sein dürfen, wie er eben war.<br />
Nur gibt es solche in Hamburg noch<br />
nicht. Die Idee ist aber nicht neu: Lebensplätze<br />
sind bereits im Konzept des<br />
Senats zur Wohnungslosenhilfe aus dem<br />
Jahr 2012 vorgesehen. Sie sind für Menschen<br />
gedacht, die aus psychischen oder<br />
physischen Gründen dauerhaft nicht<br />
40
mehr in normalen Wohnungen leben<br />
können. „Diese Menschen haben einen<br />
Anspruch auf eine menschenwürdige<br />
und ihren Bedürfnissen angepasste<br />
Form des Wohnens“, erkannte man bereits<br />
vor acht Jahren im Rathaus. Mit<br />
der richtigen Betreuung sollten sie hier<br />
dauerhaft zur Ruhe kommen können.<br />
Ursprünglich sollte 2019 eine Einrichtung<br />
mit 20 solcher Plätze im Bezirk Altona<br />
eröffnet werden.<br />
„Er ist immer<br />
wieder an seiner<br />
Krankheit<br />
gescheitert.“<br />
JULIEN THIELE<br />
Unterdessen versucht die Politik, kurzund<br />
mittelfristige Hilfen für Obdachlose<br />
mit psychischen Erkrankungen auszubauen.<br />
So heißt es in einem Be hördenpapier<br />
aus dem Jahr 2019, „gerade<br />
bei individuell stark belasteten Persönlichkeiten“<br />
würden „mehr Möglichkeiten<br />
zur Einzelzimmerbelegung<br />
benötigt“.<br />
Im Januar beschloss die Bürgerschaft<br />
auf Antrag von SPD und Grünen<br />
dann, „die Unterbringungssituation<br />
für Menschen mit psychischen Erkrankungen<br />
in der öffentlich-recht lichen<br />
Unterbringung stetig zu verbessern“,<br />
zum Beispiel mit Einzelzimmern. Und<br />
im Koalitionsvertrag vereinbarten die<br />
Trauriges Ende:<br />
Hier starb<br />
Michi in der<br />
Nacht zum<br />
29. September.<br />
Stadtgespräch<br />
Regierungsparteien daraufhin im Frühjahr,<br />
eine Unterkunft speziell auf die<br />
Bedürfnisse Wohnungsloser mit psychischen<br />
Erkrankungen auszurichten, da<br />
sie „in regulären Wohnunterkünften<br />
schwer adäquat zu versorgen“ seien.<br />
Klingt vielversprechend, aber haben<br />
diese Pläne inzwischen Gestalt angenommen?<br />
Die zuständige Sozialbehörde<br />
beantwortete diese Frage trotz einer<br />
ganzen Woche Vorlauf nicht.<br />
Sozialarbeiter Julien Thiele sprach<br />
noch im September mit Michi über einen<br />
erneuten Anlauf für eine dauerhafte<br />
Unterbringung. Am 15. September<br />
redeten sie zuletzt darüber, eine Einzelfalllösung<br />
für Michi bei der Sozialbehörde<br />
zu beantragen. Doch dazu kam<br />
es nicht mehr: Er starb am 29. September<br />
auf dem Großneumarkt, wohl an<br />
einer Herzerkrankung. Am Abend zuvor<br />
traf er sich noch mit einem Nachbarn<br />
– auf ein Glas Wein natürlich.<br />
Das Problem, dass das Hilfesystem<br />
für Menschen wie Michi keine Lösungen<br />
hat, besteht fort. Zwei Wochen nach<br />
seinem Tod rückt die Stadtreinigung zusammen<br />
mit der Polizei am Schlafplatz<br />
eines Obdachlosen an, dieses Mal in<br />
Wilhelmsburg. 2,2 Tonnen Unrat hatte<br />
er angehäuft, zwölf Einkaufswagen voll.<br />
„Das Problem ist nicht, dass er dort lebt,<br />
sondern sein Verhalten“, erklärt eine<br />
Polizeisprecherin. Der Obdachlose dürfe<br />
vorerst weiter dort wohnen, weil eine<br />
Lösung für ihn nicht in Sicht sei. Bis auf<br />
Weiteres übernachtet er in einem<br />
Wohnwagen. •<br />
Kontakt: benjamin.laufer@hinzundkunzt.de<br />
Totensonntag<br />
Gedenken an<br />
Obdachlose<br />
Mitte Oktober starb erneut<br />
ein Mensch auf der Straße.<br />
Passanten entdeckten die<br />
63-jährige Obdachlose leblos<br />
auf einer Wiese im Alten<br />
Elbpark. Ein Fremdverschulden<br />
schließt die Polizei aus.<br />
Die Gerichtsmedizin soll die<br />
genaue Todesursache klären.<br />
Seit Mai wurden bereits<br />
acht Obdachlose tot auf der<br />
Straße oder in leer stehenden<br />
Häusern entdeckt. „Die Fälle<br />
häufen sich und das ist erschreckend“,<br />
warnt Sozialarbeiter<br />
Stephan Karrenbauer<br />
von Hinz&Kunzt. Bedingt<br />
durch die Coronapandemie<br />
sind die Aufenthaltsstätten<br />
nur eingeschränkt geöffnet.<br />
Auf der Straße würden die<br />
Menschen zunehmend verelenden,<br />
beklagt Karrenbauer.<br />
Es sei Aufgabe des Senats,<br />
die Hilfsangebote so auszubauen,<br />
dass sie angenommen<br />
werden.<br />
Damit wiederum die toten<br />
Obdachlosen nicht vergessen<br />
werden, wird ihnen<br />
traditionell am Totensonntag<br />
gedacht. Am 22. <strong>November</strong><br />
veranstaltet Hinz&Kunzt auf<br />
dem Öjendorfer Friedhof eine<br />
Gedenkfeier für verstorbene<br />
Verkäufer*innen und Obdachlose<br />
– unter Einhaltung<br />
der Abstandsregeln.<br />
Treffpunkt ist um 14 Uhr<br />
an der Bushaltestation „Feierraum<br />
Nord“. Von dort geht<br />
es zur Trauerfeier am Gedenkbaum<br />
von Hinz&Kunzt,<br />
wo den verstorbenen Verkäufer<br />
*innen gedacht wird.<br />
Nicht nur Hinz&Kunzt<br />
trauert um die Verstorbenen:<br />
Am Totensonntag findet um<br />
15 Uhr ein Gottesdienst in<br />
der Hauptkirche St. Petri<br />
statt. Und in der Kirche St.<br />
Bonifatius in Eimsbüttel gibt<br />
es um 18 Uhr einen ökumenischen<br />
Gottesdienst. JOF<br />
•<br />
41
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>333</strong>/NOVEMBER <strong>2020</strong><br />
„Die Situation<br />
ist dramatisch“<br />
Immer wieder müssen psychisch kranke Obdachlose aus der Psychiatrie<br />
auf die Straße entlassen werden, weil es keine geeigneten Plätze für sie gibt.<br />
Das beklagt Professor Matthias Nagel im Interview mit Hinz&Kunzt.<br />
TEXT: LUKAS GILBERT<br />
FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
Hinz&Kunzt: Herr Professor Nagel, wie<br />
gut sind psychisch kranke Obdachlose in<br />
Hamburg versorgt?<br />
MATTHIAS NAGEL: Die Situation in Hamburg<br />
ist dramatisch. Es fehlen geeignete Einrichtungen<br />
für psychisch kranke Menschen<br />
zur Verhinderung von Obdachlosigkeit.<br />
Wir brauchen geeignete<br />
Einrichtungen der Eingliederungshilfe,<br />
also Wohnplätze und betreutes Wohnen<br />
in WGs. Und wir brauchen geschlossene<br />
beziehungsweise hochstrukturierte<br />
Formen der Unterbringung, in denen<br />
die Patienten intensiv betreut werden<br />
können.<br />
Solche Einrichtungen gibt es bislang<br />
überhaupt nicht?<br />
Die einzige solche Einrichtung, die in<br />
Hamburg existiert, ist das Wohnprojekt<br />
„Lütt Huus“ auf dem Gelände der<br />
As klepios Klinik Nord-Ochsenzoll, dessen<br />
Kapazitäten aber bei Weitem nicht<br />
ausreichen. Wir sind deshalb momentan<br />
gezwungen, psychisch kranke Obdachlose,<br />
die zu uns kommen, wieder in<br />
die Obdachlosigkeit zu entlassen.<br />
Was heißt das, wie läuft das ab?<br />
Der Ablauf ist folgender: Richter und<br />
Betreuer weisen Obdachlose in geschlossene<br />
psychiatrische Einrichtungen<br />
ein. Diese Menschen kommen dann zu<br />
uns in die Klinik. Weil in Hamburg<br />
aber Unterbringungsmöglichkeiten feh-<br />
Matthias Nagel ist Chefarzt der<br />
Klinik für Psychiatrie und<br />
Psychotherapie an der Askle pios<br />
Klinik Nord in Wandsbek.
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
len, bleibt uns keine andere Möglichkeit,<br />
als die richterlichen Beschlüsse aufheben<br />
zu lassen und die Menschen<br />
zurück in die Obdachlosigkeit zu schicken.<br />
Die Patienten kommen dann zügig<br />
zurück, weil sich die soziale Situation<br />
nicht verbessert hat.<br />
Was habe ich mir unter einer solchen<br />
geschlossenen Einrichtung vorzustellen?<br />
Der Begriff „geschlossen“ bedeutet, dass<br />
die Menschen dort mit einem richterlichen<br />
Beschluss untergebracht werden,<br />
aber keineswegs „weggesperrt“ werden.<br />
Mit den Betroffenen wird die Eingliederung<br />
vorangebracht, sodass die Menschen<br />
nach dem Aufenthalt wieder ein<br />
selbstständiges, autonomes Leben führen<br />
können, zum Beispiel durch regelmäßige<br />
Einnahme von Medikamenten,<br />
Psychotherapie, Arbeit und Ähnliches.<br />
Die Einrichtungen werden „Einrichtungen<br />
der Eingliederungshilfe“ genannt.<br />
„Wir erleben<br />
eine Psychia trie<br />
der 50er-Jahre.“<br />
Wie ist die Situation in den<br />
Nachbarbundesländern?<br />
In Schleswig-Holstein und Niedersachsen<br />
gibt es geeignete Einrichtungen, die<br />
aber mittlerweile Hamburger Patienten<br />
verweigern. Es sind einfach zu viele Betroffene.<br />
Diese Situation ist schrecklich.<br />
Wir erleben in Hamburg eine Psychiatrie<br />
der 50er-Jahre. Das heißt, immer<br />
mehr Menschen kommen unter Zwang<br />
zu uns. Dabei wollen wir das nicht. Wir<br />
wollen eine offene Form der Psychiatrie<br />
anbieten, die auf Freiwilligkeit basiert<br />
und wo die therapeutische Allianz, trialogische<br />
Arbeit – also Ärzte, Angehörige<br />
und Betroffene zusammen – und Psychotherapie<br />
im Vordergrund stehen.<br />
Doch wegen mangelnder Kapazitäten<br />
ist das nicht möglich. Die Lage in Hamburg<br />
spitzt sich so immer weiter zu. Wir<br />
haben auch den Eindruck, dass die ambulante<br />
Sozialpsychiatrie sich weniger<br />
um die schwer erkrankten Menschen<br />
kümmert, dass Pflegeheime zu schnell<br />
einweisen, dann Heimplätze kündigen<br />
und wir dann nicht wissen, wie die Menschen<br />
versorgt werden sollen. Heimplätze<br />
für ältere Menschen stehen auch nur<br />
sehr begrenzt zur Verfügung. Die zwangsweise<br />
Unterbringung in der Psychiatrie<br />
wird meines Erachtens oft als Weg genutzt,<br />
um unliebsame Menschen loszuwerden.<br />
Fördern und wohnen betreibt immerhin<br />
mehrere sozial psychiatrische Einrichtungen.<br />
Aber die decken die Bedarfe der Patienten<br />
nicht ab. Wir bekommen jeden Tag<br />
ganz viele Schwerkranke, die eine Intensivbetreuung<br />
benötigen. Natürlich<br />
helfen wir ihnen so gut und so lange es<br />
geht. Aber als Gesellschaft müssen wir<br />
es doch schaffen, dass diese Menschen<br />
nicht gleich wieder auf der Straße landen.<br />
Leider hat sich die Beantragung<br />
von Leistungen für Patienten zuletzt<br />
durch neue Gesetze sogar noch verschlechtert.<br />
Die Verfahren sind sehr<br />
kompliziert und langwierig, wodurch<br />
Hilfe verzögert und verhindert wird.<br />
Welche Auswirkungen hat die Coronakrise?<br />
Mein Eindruck ist, dass sich die Situation<br />
durch Corona nochmals verschärft<br />
hat und noch mal mehr Obdachlose<br />
beziehungsweise Menschen, die von<br />
Obdachlosigkeit bedroht sind, auf unsere<br />
Akutstationen kommen. Momentan<br />
spielt bei etwa 50 Prozent der Menschen,<br />
die zu uns kommen, Corona eine<br />
Rolle. Viele psychisch Kranke mit<br />
Psychosen oder Schizophrenie leiden<br />
sehr unter fehlenden Sozialkontakten.<br />
Auch das Tragen von Masken ist für<br />
viele ein riesiges Problem. Sie sind<br />
durch solche eigentlich kleinen Änderungen<br />
im Alltag stärker betroffen. Dadurch,<br />
dass viele Tagesaufenthaltsstätten<br />
geschlossen haben, verschärft sich<br />
die Situation nochmals. Das ist schwer<br />
auszuhalten.<br />
43<br />
Rot-Grün hat zum Ende der vergangenen<br />
Legislatur immerhin ein Maßnahmenpaket<br />
auf den Weg gebracht, das auch mehr<br />
Einzelunterbringung für psychisch kranke<br />
Obdachlose und eine bessere medizinische<br />
Versorgung fordert. Wäre das also ein erster<br />
richtiger Schritt?<br />
Ja, denn wir brauchen dringend mehr<br />
außerklinische Unterstützung für<br />
„Die Kapazitäten<br />
reichen bei Weitem<br />
nicht aus.“<br />
schwer psychisch kranke Menschen, also<br />
Menschen mit Psychosen, Demenz,<br />
auch traumatisierte Flüchtlinge. Insbesondere<br />
aufsuchende Hilfen müssen<br />
verstärkt angeboten werden, damit die<br />
Menschen ihre Wohnungen nicht erst<br />
verlieren. Dadurch könnten wir eine<br />
Menge Plätze in allen möglichen „Einrichtungen“<br />
einsparen. Vor einigen<br />
Jahren gab es noch die sogenannten<br />
PPM-Maßnahmen. Durch diese wurden<br />
aufsuchende Angebote finanziert. Das<br />
hat sich aber leider verändert. •<br />
Kontakt: lukas.gilbert@hinzundkunzt.de<br />
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ist die halbe<br />
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Freunde<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>333</strong>/NOVEMBER <strong>2020</strong><br />
Kreatives Hilfsprojekt:<br />
Etwa eine Stunde<br />
braucht Renate Mayer,<br />
um eine der bunten<br />
Masken zu besticken.<br />
„Helfen kann jeder“<br />
Einfach nur still sitzen, wenn andere Hilfe brauchen? Das kommt für Renate Mayer<br />
nicht infrage. Deshalb näht sie seit dem Coronalockdown individuelle Alltagsmasken<br />
und gibt sie gegen eine Spende ab – auch zugunsten von Hinz&Kunzt.<br />
TEXT: MISHA LEUSCHEN<br />
FOTO: MIGUEL FERRAZ<br />
Renate Mayer hat wieder für<br />
Nachschub gesorgt. Auf<br />
dem Tisch ihrer Wohnung<br />
stapeln sich Alltagsmasken,<br />
alle individuell mit Handstickerei versehen.<br />
Die Renner sind Masken aus<br />
dunkler Baumwolle, verziert mit einem<br />
eleganten Rotweinglas oder dem Koffeinmolekül.<br />
„Daran sticke ich eine<br />
Stunde“, sagt die 49-Jährige.<br />
Den Motiven sind keine Grenzen<br />
gesetzt: Ob eine Kamera für einen<br />
Fotografen, ein Stück Käse für den<br />
Fachverkäufer im benachbarten Supermarkt,<br />
niedliche Katzen oder ein Sportmotiv<br />
mit einem aufgesetzten Mini-<br />
Fußball – „Ich mache fast alles“, sagt<br />
sie. Im Backofen werden die guten<br />
Stücke bei 80 °C für eine halbe Stunde<br />
sterilisiert. „Das kann man gut zu Hause<br />
machen, dann muss man sie nicht so<br />
heiß waschen und die Masken halten<br />
länger“, ist ihr Tipp.<br />
Ihre Kreativität ist ihr Kapital. Die<br />
Spezialistin für Arbeitssicherheit gibt<br />
Humorseminare und nutzt bei ihrer<br />
Tätigkeit als Moderatorin, Trainerin<br />
und Beraterin von Unternehmen gern<br />
Theatermethoden. Sie ist Kabarettistin,<br />
Schauspielerin, Autorin, zeichnet auch<br />
44<br />
Comics – und scheut sich nicht anzupacken,<br />
wenn Hilfe gebraucht wird. Als<br />
zu Beginn der Coronapandemie im<br />
Freundes- und Familienkreis Masken<br />
fehlten, holte sie ihre Nähmaschine heraus<br />
und legte los. Die individuellen<br />
Masken fallen auf und fanden rege<br />
Nachfrage. Deshalb näht und stickt sie<br />
bis heute immer dann, wenn sie die Zeit<br />
findet, und gibt die Alltagsmasken gegen<br />
eine Spende ab.<br />
Die gebürtige Ingolstädterin hat in<br />
München studiert und gearbeitet, lebte<br />
in Ulm und nun seit zwei Jahren in der<br />
Hansestadt. Mit der Anonymität und
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Härte der Großstadt Hamburg tut sie<br />
sich schwer. Vor allem die sichtbare Armut<br />
auf den Straßen berührt sie. „Die<br />
Menschen gehen an vielem einfach vorbei“,<br />
sagt sie kopfschüttelnd. „Wie kann<br />
man nur? Was hier normal ist, ist erschreckend.“<br />
Manchmal versucht sie<br />
selbst zu helfen, spricht mit Menschen<br />
auf der Straße und fragt, was sie tun<br />
kann. Manchmal ruft sie professionelle<br />
Hilfe – und fühlt sich doch hilflos.<br />
Warum sie das so anfasst? „Das<br />
liegt an meiner katholischen Grundausbildung“,<br />
sagt sie und lacht. Nächstenliebe,<br />
Barmherzigkeit, Interesse an anderen<br />
seien Selbstverständlichkeiten,<br />
findet sie. Doch sie weiß auch, dass sie<br />
nicht die Welt retten kann. „St. Martin<br />
hat seinen Mantel mit einem Bettler<br />
auch nur geteilt und nicht ganz hergegeben,<br />
um selbst warm zu bleiben. Man<br />
muss beim Helfen seine eigenen Grenzen<br />
kennen.“<br />
So macht sie, was für sie möglich<br />
ist. Eine Nachbarin, die im Restaurant<br />
Freunde<br />
„Heldenplatz“ arbeitet, brachte sie auf<br />
die Idee, Masken für die Mitarbeiter<br />
*innen zu nähen. Renate Mayers Masken<br />
mit den Weingläsern kommen bei<br />
den Gästen so gut an, dass am Tresen<br />
mittlerweile eine Box mit verschiedenen<br />
Modellen steht, die Gäste gegen eine<br />
Spende mitnehmen können. 1600 Euro<br />
sind bisher zusammengekommen, die<br />
sie hälftig zwischen Hinz&Kunzt und<br />
der Hamburger Tafel teilt.<br />
Dass sie mit den Masken Geld für<br />
eine sinnvolle Sache einnehmen kann,<br />
freut Renate Mayer. Wenn sie neben ihrem<br />
Fulltime-Job die Zeit für die Produktion<br />
findet, füllt sich die Maskenbox,<br />
aber nicht immer kann sie die<br />
Nachfrage schnell erfüllen. Am meisten<br />
würde es sie freuen, wenn sie mit ihrem<br />
Engagement andere Menschen inspirieren<br />
könnte, selbst Ideen zu entwickeln<br />
und umzusetzen. „Helfen kann<br />
jeder“, findet sie. •<br />
Kontakt: redaktion@hinzundkunzt.de<br />
JA,<br />
ICH WERDE MITGLIED<br />
IM HINZ&KUNZT-<br />
FREUNDESKREIS.<br />
Damit unterstütze ich die<br />
Arbeit von Hinz&Kunzt.<br />
Meine Jahresspende beträgt:<br />
60 Euro (Mindestbeitrag für<br />
Schüler*innen/Student*innen/<br />
Senior*innen)<br />
100 Euro<br />
Euro<br />
Datum, Unterschrift<br />
Ich möchte eine Bestätigung<br />
für meine Jahresspende erhalten.<br />
(Sie wird im Februar des Folgejahres zugeschickt.)<br />
Meine Adresse:<br />
Name, Vorname<br />
Straße, Nr.<br />
PLZ, Ort<br />
Telefon<br />
E-Mail<br />
Einzugsermächtigung:<br />
Dankeschön<br />
Ich erteile eine Ermächtigung zum<br />
Bankeinzug meiner Jahresspende.<br />
Ich zahle: halbjährlich jährlich<br />
Wir danken allen, die uns im Oktober<br />
unterstützt haben, sowie allen Mitgliedern im<br />
Freundeskreis von Hinz&Kunzt!<br />
DANKESCHÖN EBENFALLS AN:<br />
• IPHH • wk it services<br />
• Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />
• Hamburger Tafel • Axel Ruepp Rätselservice<br />
• Hamburger Kunsthalle<br />
• bildarchiv-hamburg.de<br />
• AutoNova GmbH Glinde<br />
• Anke Horbach und ihre Geburtstagsgäste<br />
• Brigitte von Hammerstein<br />
und ihre Geburtstagsgäste<br />
• die Gäste der Trauerfeier für<br />
Dr. Fritz G. Ries<br />
• Marita und Wulf Denecke,<br />
sie haben diamantene Hochzeit gefeiert und<br />
Spenden gesammelt für Hinz&Kunzt<br />
• Einwegmasken werden permanent<br />
für die Hinz&Künztler*innen benötigt.<br />
Geholfen haben die Firmen:<br />
About You GmbH, BdV Behrens GmbH<br />
• Desinfektionsspray haben wir von der Firma<br />
Aries Umweltproukte erhalten.<br />
NEUE FREUNDE:<br />
• Svea Blechert • Jan-Niklas Decker<br />
• Christiane Hoyer • Milena Kaute-Heß<br />
• Nina Knauerhase • Sven Krüger<br />
• Sabine Laffrenzen<br />
• Florian Moldenhauer<br />
• Marianne Olbrich • Brigitte Rosemann<br />
• Veronika Schopka • Hanna Skowron<br />
• Thomas Thiel • Laura Sophie Weise<br />
• Christina Wenzel<br />
IBAN<br />
BIC<br />
Bankinstitut<br />
Ich bin damit einverstanden, dass mein Name in<br />
der Rubrik „Dankeschön“ in einer Ausgabe des<br />
Hamburger Straßenmagazins veröffentlicht wird:<br />
Ja<br />
Nein<br />
Wir garantieren einen absolut vertraulichen<br />
Umgang mit den von Ihnen gemachten Angaben.<br />
Die übermittelten Daten werden nur zu internen<br />
Zwecken im Rahmen der Spendenverwaltung<br />
genutzt. Die Mitgliedschaft im Freundeskreis ist<br />
jederzeit kündbar. Wenn Sie keine Informationen<br />
mehr von uns bekommen möchten, können<br />
Sie jederzeit bei uns der Verwendung Ihrer<br />
personenbezogenen Daten widersprechen.<br />
Unsere Datenschutzerklärung können Sie<br />
einsehen unter www.huklink.de/datenschutz<br />
Bitte Coupon ausschneiden und senden an:<br />
Hinz&Kunzt-Freundeskreis<br />
Altstädter Twiete 1-5, 20095 Hamburg<br />
Wir unterstützen Hinz&Kunzt. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk<br />
45<br />
HK <strong>333</strong>
Buh&Beifall<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>333</strong>/NOVEMBER <strong>2020</strong><br />
Was unsere Leser*innen meinen<br />
„Es ist entsetzlich. Wann hört das auf?“<br />
Entsetzlicher Fund<br />
H&K online und S. 41, Passanten entdecken<br />
tote Obdachlose<br />
Es ist entsetzlich. Wann hört das auf?<br />
Wieso schafft es eine Stadt wie<br />
Hamburg nicht, allen Obdachlosen<br />
Wohnmöglichkeiten anzubieten?<br />
GITTE DUBBICK VIA FACEBOOK<br />
Kleiner Nachtrag<br />
H&K 332, 125 Jahre Bahnhofsmission<br />
Wir bleiben in Bahnhofsnähe, ziehen<br />
aber in einen Neubau parallel zum<br />
Glockengießerwall. Außerdem ist<br />
hoffnungsorte hamburg / Verein<br />
Stadtmission der geschäftsführende<br />
Träger der Bahnhofsmission. Seit 1906<br />
besteht eine ökumenische Kooperation<br />
mit der Caritas und seit einigen Jahren<br />
mit dem Evangelisch-Lutherischen<br />
Kirchenkreisverband.<br />
DR. EVA LINDEMANN / HOFFNUNGSORTE HAMBURG<br />
Herrliche Kanzler-Kunst<br />
H&K 332, Kanzlers Kunst<br />
Mit dem Artikel „Kanzlers Kunst“ ist<br />
Ihnen ein sehr lesenswerter Artikel gelungen!<br />
Ebenso mit den verschiedenen<br />
Bildern und Fotos. Andächtig stehen<br />
Helmut und Erich vor dem schwebenden<br />
Engel im Güstrower Dom. Einfach<br />
herrlich!<br />
PETER HARTMANN VIA MAIL<br />
Danke für die Offenheit<br />
H&K 331, Meine neue Heimat<br />
Sagt bitte Zahra und Maroof herzlichen<br />
Dank für ihre Offenheit, es ist ein<br />
Geschenk, dass unbekannte Leser an<br />
ihren Schicksalswegen Anteil nehmen<br />
dürfen, solche Menschen braucht unsere<br />
Welt.<br />
ANGELIKA SIEGBURG VIA MAIL<br />
Reichskanzler schöngefärbt?<br />
H&K 330 und Leserbrief in Ausgabe 332<br />
Der Streit um die zukünftige (Um-)<br />
Gestaltung des Bismarck-Denkmals<br />
wird noch einige Zeit die Stadt beschäftigen.<br />
Tatsache ist, dass Bismarck 1884<br />
die Berliner Kongo-Konferenz einberufen<br />
hat, um den afrikanischen Kontinent<br />
unter den Kolonialmächten aufzuteilen.<br />
Dass Bismarck für Deutschland<br />
das spätere Namibia „reservierte“ und<br />
damit die Rahmenbedingungen für den<br />
späteren Völkermord an den Herero<br />
und Nama schuf. Dass Bismarck und<br />
sein Kaiser mit den Kriegen gegen<br />
Dänemark, Österreich und dann vor<br />
allem Frankreich das zweite deutsche<br />
Reich begründeten. Dass das Sozialversicherungssystem<br />
von Bismarck ein<br />
Zugeständnis an die starke Arbeiterbewegung<br />
war. ULRICH HENTSCHEL VIA MAIL<br />
Leser*innenbriefe geben die Meinung der<br />
Verfasser*innen wieder, nicht die der Redaktion.<br />
Wir behalten uns vor, Briefe zu kürzen.<br />
HAMBURGER NEBENSCHAUPLÄTZE<br />
DER ETWAS<br />
ANDERE<br />
STADTRUNDGANG<br />
100Jahre<br />
Wenn die Welt<br />
auf einmal<br />
stillsteht.<br />
Zuverlässige und<br />
persönliche Hilfe im<br />
Trauerfall – jederzeit.<br />
Wollen Sie Hamburgs City einmal mit anderen Augen sehen?<br />
Abseits der teuren Fassaden zeigt Hinz&Kunzt Orte, die in<br />
keinem Reiseführer stehen: Bahnhofs mission statt Rathausmarkt,<br />
Drogenberatungsstelle statt Alsterpavillon, Tages aufent halts stätte<br />
statt Einkaufspassage.<br />
Anmeldung: bequem online buchen unter<br />
www.hinzundkunzt.de oder Telefon 040/32 10 83 11<br />
Kostenbeitrag: 10/5 Euro<br />
Nächster Termin: 20.12.<strong>2020</strong>, 15 Uhr<br />
Immer für Sie da.<br />
040 - 24 84 00<br />
www.gbi-hamburg.de
Kunzt&Kult<br />
Punkerin: Martina Weith kehrt nach 40 Jahren mit ihrer Band Östro 430 auf die Bühne zurück (S. 48).<br />
Straftäter*innen: Bei den Aktionstagen Gefängnis geht es in Film und Ausstellung ums Knastleben (S. 52).<br />
Kämpferin: Obwohl Hinz&Künztlerin Angie krank ist und im Zelt schläft, will sie kein Geld vom Amt (S. 58).<br />
Die Geschichte Südafrikas,<br />
Kolonialismus, Flucht und Vertreibung<br />
sind Themen, die William Kentridge in<br />
seiner Kunst bearbeitet. In der<br />
Ausstellung „Why Should I Hesitate:<br />
Putting Drawings to Work“ zeigen die<br />
Deichtorhallen bis zum 18. April 2021<br />
einen umfassenden Überblick über das<br />
Werk des südafrikanischen Künstlers.<br />
Deichtorstraße 1–2, Di–So, 11–18 Uhr,<br />
15/6 Euro, unter 18 Jahren Eintritt frei<br />
FOTO: STUDIO HANS WILSCHUT
Die Punkerinnen von<br />
Östro 430 knöpften sich in<br />
ihren rotzig-provokanten<br />
Texten ab Ende der<br />
1970er-Jahre immer<br />
wieder Tabuthemen vor.<br />
Sängerin damals wie<br />
heute: Martina Weith.
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Kunzt&Kult<br />
„Die Hosen waren<br />
unser Vorprogramm“<br />
Einst rockte sie zusammen mit den Toten Hosen und Fehlfarben durch das Rheinland.<br />
Anschließend ließ sich Martina Weith auf St. Pauli nieder. 40 Jahre später zieht es<br />
die Musikerin mit ihrer Frauen-Punkband Östro 430 zurück auf die Bühnen der Republik.<br />
TEXT: JONAS FÜLLNER<br />
FOTOS: ANDREAS HORNOFF, PRIVAT/TAPETE RECORDS<br />
A<br />
ls Ende der 1970er-Jahre<br />
die Punkwelle aus Großbritannien<br />
und Amerika<br />
rüberschwappte, war<br />
Martina Weith mittendrin.<br />
Östro 430 hieß ihre Band – die<br />
vermutlich erste reine Frauen-Punkband<br />
Deutschlands. „Die Hosen waren<br />
unser Vorprogramm“, erinnert sich die<br />
60-Jährige an ihren ersten Auftritt und<br />
schmunzelt. Das war im Mai 1980. Die<br />
Toten Hosen hießen noch ZK, Campino<br />
und Kuddel waren nicht einmal<br />
volljährig und deswegen auf Mitfahrgelegenheiten<br />
bei älteren Punkern<br />
an ge wiesen.<br />
An deren Auftritt erinnert sich<br />
Campino noch gut: „Vier junge Frauen<br />
standen auf der Bühne und ballerten<br />
einfach los“, schreibt er auf der Homepage<br />
des Hamburger Plattenlabels<br />
Tapete Records. Das hat im Frühjahr<br />
alte Östro-430-Songs neu auf Vinyl gepresst.<br />
Ein Re-Release, zu dem die Idee<br />
vor ein paar Jahren backstage bei<br />
den Fehlfarben aufkam. Dass aus der<br />
Schnapsidee mal Ernst werden würde,<br />
hätte sie damals nicht geglaubt, sagt<br />
Weith.<br />
Seit ein paar Monaten hängt sich<br />
Weith nun also wieder das Saxofon um<br />
den Hals, greift nach dem Mikrofon<br />
und singt wie früher von „Randale und<br />
Bier“ und dem „quietschenden Bett“.<br />
Bislang allerdings im Proberaum.<br />
Ihr Bühnen-Comeback<br />
wurde durch Corona ausgebremst,<br />
ansonsten hätten sie<br />
Pfingsten ein großes Wiedersehen<br />
im Düsseldorfer Haus der<br />
Jugend mit Male, den Toten<br />
Hosen und Fehlfarben gefeiert.<br />
Sie alle stammen wie Östro<br />
430 aus Düsseldorf. Hausbesetzungen,<br />
Punk und ein<br />
bisschen Anarchie, das verbinden<br />
die meisten wohl eher mit<br />
der Hafenstraße und Berlin-<br />
Kreuzberg. Aber das musikalische<br />
Zentrum der Bewegung<br />
lag damals tatsächlich<br />
in Düsseldorf – im Ratinger<br />
Hof zwischen Altstadt und<br />
Kunstakademie, beliebter<br />
Treffpunkt auch für Künstler<br />
wie Jörg Immendorff, Christof<br />
Kohlhöfer oder auch Joseph<br />
Beuys. „In dieser Kneipe<br />
hatte praktisch jeder<br />
Gast eine Band. Das gehörte<br />
einfach zum guten Ton“,<br />
erinnert sich Martina Weith an<br />
ihre damalige Stammkneipe. „Wir haben<br />
da abgehangen und Bands, die wir<br />
gut fanden, spielen sehen.“<br />
Selbstverständlich griffen auch die<br />
Frauen zum Instrument. „Ich konnte<br />
nur Blockflöte und Akkordeon spielen,<br />
49<br />
Die vermutlich erste reine Frauen-<br />
Punkband Deutschlands: oben<br />
Martina Weith, unten Bettina<br />
Flörchinger und rechts die erste<br />
Schlagzeugerin Marita Welling.
habe mir dann aber ein Saxofon geholt“,<br />
sagt Weith. Dazu kamen zwei<br />
Frauen an Bass und Schlagzeug sowie<br />
Keyboarderin Bettina Flörchinger, die<br />
jetzt auch in der neuformierten Reunion<br />
mitwirkt. Wie es zu der noch heute<br />
ungewöhnlichen Besetzung kam? „Wir<br />
haben einfach keine Gitarristin gefunden“,<br />
erinnert sich Weith lachend und<br />
führt im besten rheinischen Singsang<br />
aus: „Entweder waren die aus der Wanderklampfen-Fraktion<br />
und hatten die<br />
Joan-Baez-Platten zu Hause, was als<br />
Punker gar nicht ging. Oder aber die<br />
sahen nach Brett aus, wussten aber<br />
nicht, wie rum man das Ding hält.“<br />
Gespielt wurde gegen Eintritt, gerne<br />
auch gegen Freibier. „Eine tolle<br />
Zeit“, erinnert sich Weith. Niemand<br />
war sich zu schade, Plakate zu kleben,<br />
die Bühne aufzubauen und den Ton zu<br />
mischen. „Du wolltest damals einfach<br />
nicht mehr diese Musikvirtuosen sehen.<br />
Genesis, Deep Purple und wie sie alle<br />
heißen. Unser Motto war: Das kannst<br />
auch du.“<br />
Gepaart wurde die Musik mit einer<br />
ordentlichen Prise sozialem Engagement.<br />
„Ein Punk steht auf, wenn jemand<br />
anderes scheiße behandelt wird“,<br />
sagt Weith. Es habe sie selber überrascht,<br />
wie aktuell die alten Songtexte<br />
noch sind. Bei „S-Bahn“ ging es beispielsweise<br />
um einen ausgegrenzten<br />
Punker. „Ersetze doch mal Punk mit<br />
„Wir hatten<br />
Hausverbot im<br />
Frauencafé.”<br />
MARTINA WEITH<br />
Flüchtling. Da hat sich überhaupt nix<br />
getan“, sagt Weith kopfschüttelnd.<br />
Während den Toten Hosen, Fehlfarben<br />
und Jürgen Engler von Male<br />
schon bald der kommerzielle Durchbruch<br />
gelang, ging es bei Östro 430<br />
nicht weiter voran. „Ende der 1980er<br />
war ich von der Musikszene gefrustet<br />
und dachte mir, in Düsseldorf werde<br />
ich nur noch alt“, sagt die gebürtige<br />
Gladbacherin rückblickend.<br />
Kurzerhand zog sie nach Hamburg,<br />
wo sie in vielen anderen Bands<br />
mitwirkte – unter anderem bei der<br />
Hardrock-Band Prollhead. „In Hamburg<br />
kann ich mich auch noch im<br />
Greisenalter auf die Bühne stellen und<br />
50<br />
Anfang der 1980er-<br />
Jahre (oben, von links):<br />
Bettina Flörchinger<br />
(Keyboard), Marita<br />
Welling (Drums) –<br />
und Martina Weith<br />
(Gesang/Sax), die<br />
anfangs nur Block flöte<br />
spielen konnte. Im<br />
Bild unten steht<br />
rechts am Bass<br />
Gisela Hottenroth.<br />
,Anarchy in the UK‘ brüllen“, sagt<br />
Weith und lacht. „Hier sagt keiner:<br />
,Die hat sie doch nicht mehr alle.‘“<br />
Während einige ihrer alten Weggefährt*innen<br />
noch heute von der Musik<br />
leben, arbeitete Weith als Journalistin,<br />
später als Erzieherin. Dass sie jetzt<br />
plötzlich mit ihrem ersten Musikprojekt<br />
noch einmal solch eine große Resonanz<br />
erfährt, überrascht sie selbst. „Wir haben<br />
gedacht, dass unsere Musik vielleicht<br />
noch ein paar alte Fans von früher<br />
interessiert, deren Schallplatten in<br />
einem ähnlich zerkratzten Zustand wie<br />
unsere waren“, erzählt Weith. „Aber<br />
das Ding läuft. Die erste Pressung ist<br />
schon ausverkauft.“<br />
Woran das liegt? Da ist auf der einen<br />
Seite die reduzierte und zugleich<br />
ungewöhnlich instrumentierte Punkmusik<br />
mit starken Neue-Deutsche-Welle-Einflüssen,<br />
die bis heute ihresgleichen<br />
sucht. Auf der anderen Seite die<br />
rotzig-provokanten Texte: „Mit den Typen<br />
ist heute nichts mehr los. Jedes Mal<br />
die gleiche Pein. Sie ficken wie Kaninchen<br />
bloß. Und pennen nach’m Orgas-
Kunzt&Kult<br />
mus ein“, heißt es beispielsweise in dem Stück „Sexueller<br />
Notstand“.<br />
Was damals noch einem Tabubruch gleichkam,<br />
wurde tatsächlich erst Mitte der 1990er-Jahre massenkompatibel,<br />
als Tic Tac Toe an die Männerwelt<br />
gerichtet ihr „Ich find dich scheisse“ schleuderten.<br />
Östro 430 also als feministische Vorreiterinnen?<br />
Martina Weith sagt: „Als in Düsseldorf das erste<br />
Frauencafé eröffnete, hatten wir gleich am ersten<br />
Abend Hausverbot. Ich wollte ein Bier bestellen,<br />
aber die hatten nur Tee und Kuchen.“ Nach einer<br />
kurzen Pause fügt sie an: „Und dann waren wir denen<br />
offenbar zu laut.“<br />
Laut und ordentlich nach vorne geht es jetzt für<br />
Östro 430 auch in neuer Konstellation. Zwei Songs<br />
hat die Band frisch eingespielt. „Keine Krise kann<br />
mich schocken“, heißt einer davon. Darin macht die<br />
Band die Coronapandemie in diesem Jahr zum<br />
Thema. Ob der Schock wirklich ausbleibt, hängt<br />
allerdings von den Infektionszahlen ab. Denn nur<br />
wenn die wieder sinken, besteht echte Hoffnung auf<br />
den ersten Bühnenauftritt von Östro 430 seit fast<br />
40 Jahren, am 4. Dezember im Hafenklang.<br />
Bis dahin heißt es abwarten. Wer auf solch eine<br />
lange Musikkarriere zurückblickt, den kann eh nicht<br />
mehr viel überraschen. „Neulich saß ich mit meinem<br />
Mann in der Tortuga Bar und da lief im Hintergrund<br />
,Zonenzombie‘ von Abwärts“, sagt Martina<br />
Weith. „Und ich höre plötzlich meine Stimme.<br />
Denkste, ich hätte noch gewusst, dass ich da im Background<br />
für die gesungen habe?“ •<br />
RITA WILL<br />
DAT WETEN<br />
KOMÖDIE VON WILLIAM RUSSELL<br />
1.11. – 1.12.<strong>2020</strong><br />
Foto: Sinje Hasheider<br />
Kontakt: jonas.fuellner@hinzundkunzt.de<br />
Punk auf Tonträger, live und im Buch:<br />
Die Doppel-LP/CD „Östro 430: Keine Krise kann mich<br />
schocken“ kann man online unter www.tapeterecords.de<br />
für 18,99 Euro kaufen.<br />
Ob das Östro-430-Konzert im Hafenklang am<br />
4. Dezember tatsächlich stattfindet, hängt vom<br />
Verlauf des Infektionsgeschehens in Hamburg ab.<br />
Weitere Infos unter www.hafenklang.com<br />
Der Hamburger Punkszene Ende der 1970er-Jahre<br />
wiederum widmet sich das gerade erst veröffentlichte<br />
Buch „Hamburg Calling“ mit Bildern der Grafikerin<br />
Sabine Schwabroh, damals bei allen wichtigen<br />
Konzerten dabei, der Fotografin Ilse Ruppert sowie<br />
zahlreichen Amateurfotografien „von den spannendsten<br />
Jahren im musikalischen Untergrund der Stadt“. Die<br />
Düsseldorfer Band Östro 430 kommt darin nicht vor.<br />
„Hamburg Calling. Punk, Underground & Avantgarde<br />
1977–1985“, von Alf Burchardt und Bernd Jonkmanns,<br />
Junius Verlag, 29,90 Euro<br />
51<br />
Unwiderstehlich –<br />
unser Adventskalender<br />
Paco tut alles für sein Herrchen Nils – auch geduldig Modell<br />
sitzen. Seit zwei Jahren sind die beiden unzertrennlich.<br />
Hier bewacht er 24 Türchen mit leckerer Bio-Fair-Trade-<br />
Schokolade von Gepa, Inlay aus Ökokarton, recycelbar.<br />
Preis: 11,90 Euro<br />
Schnell bestellen unter www.hinzundkunzt.de/shop<br />
Fotograf: Mauricio Bustamante, Gestaltung: amelie.krahl@amelico.de
Kult<br />
Tipps für den<br />
<strong>November</strong>, subjektiv<br />
und einladend, aber<br />
ohne Gewähr<br />
Aktionstage<br />
Blick hinter die Gefängnismauern<br />
„Weißt du wie schlimm das ist, wenn<br />
die ganze Zeit jemand zu dir kommt<br />
und dich einsperrt?“ Intensivstraftäterin<br />
Kübra weiß es. In der Doku „Meine<br />
Freiheit, deine Freiheit“ berichtet sie<br />
vom Alltag im Gefängnis, was sie hinter<br />
Gitter brachte, worauf sie hofft. Auch<br />
Salema erzählt darin ihre Geschichte:<br />
vom Leben und Überleben auf der<br />
Straße, von Gewalt und den Drogen,<br />
die sie nimmt, um die Wut in ihrem<br />
Innern nicht mehr spüren zu müssen.<br />
Filmemacherin Diana Näcke sendet<br />
Botschaften aus dem Knast in eine<br />
Gesellschaft, in der viel über härtere<br />
Strafen gesprochen wird und wenig<br />
über die Bestraften. Dabei gehören<br />
auch sie dazu – spätestens dann, wenn<br />
52<br />
Von der Straße in den Knast: „Ich will nicht mehr!“, ruft die<br />
41-jährige Salema im Film „Meine Freiheit, deine Freiheit“.<br />
sie freikommen. Die „Aktionstage<br />
Gefängnis“ machen das deutlich mit<br />
der Ausstellung „Knastleben“ und<br />
einem Vortrag in der Zentralbibliothek,<br />
dem Filmscreening im Schanzenkino 73<br />
und einem Poetry-Slam. •<br />
Aktionstage Gefängnis, Hühnerposten 1<br />
und Schulterblatt 73, 2.–7.11., Eintritt frei,<br />
Infos: www.aktionstage-gefaengnis.de
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Kunzt&Kult<br />
Bilder wie<br />
„Schlachtfeld<br />
Deutschland“<br />
wirken<br />
heute so<br />
aktuell<br />
wie in den<br />
1970er-<br />
Jahren.<br />
Festival<br />
Bühnenkunst für Kinder<br />
Der Mann, der auf der Bühne<br />
schläft, hat kein Zuhause. Wieso,<br />
fragt sich das Publikum. Da steht der<br />
Mann auf und erzählt. So beginnt<br />
das Theaterstück „Nebensache“, das<br />
neben weiteren erstklassigen Stücken<br />
und Konzerten beim Festival<br />
„KinderKinder“ zu sehen ist. •<br />
KinderKinder, diverse Spielorte,<br />
bis 22.11., Eintritt 11/7 Euro,<br />
Programm unter: www.kinderkinder.de<br />
FOTOS: MARLENE FULDE (S. 52), KLAUS METTIG (OBEN), NATALYA REZNIK<br />
Ausstellung<br />
Statements zur Lage der Nation<br />
Mit plakativer Fotokunst kommentiert die Künstlerin Katharina Sieverding<br />
seit mehr als 50 Jahren die großen Debatten der deutschen Gesellschaft – von<br />
der Jagd auf die RAF-Terrorist*innen über den aufkeimenden Rassismus<br />
der Nachwendezeit bis zu Genderfragen und Coronakrise heute. „Es geht<br />
mir immer auch um die Verantwortung des Einzelnen, wie er sich im Ganzen<br />
der Gesellschaft verhält“, erklärt die Fotografin. Ihre Werke werden weltweit<br />
aus gestellt, nun ist die bisher größte Einzelausstellung von Katharina Sieverding<br />
in Harburg zu sehen: Auf vier Stockwerken zeigt die Sammlung Falckenberg<br />
„Fotografien, Projektionen, Installationen <strong>2020</strong>–1966“. •<br />
Sammlung Falckenberg, Wilstorfer Straße 71, ab 7.11., jeweils So, 12–17 Uhr,<br />
Eintritt 5/3 Euro, www.deichtorhallen.de<br />
Ausstellung<br />
Ostkreuz-Meisterklasse stellt aus<br />
Wie werden wir im Jahr 2050 leben?<br />
Wie verändert sich die Welt und wie<br />
verändern wir uns in ihr? In ihrer Ausstellung<br />
„True Stories“ erforschen zwölf<br />
Absolvent*innen der vierten Meisterklasse<br />
der Ostkreuzschule für Fotografie<br />
ihre persönlichen Fragen an die Zukunft.<br />
Ihre Bilder rekonstruieren Lebensgeschichten,<br />
dekonstruieren Rollenbilder<br />
und dokumentieren den Wandel<br />
von Heimat. Trotz aller Vielfalt an Themen<br />
und Darstellungsformen verbindet<br />
die Werke etwas: ihr philosophischer<br />
Blick auf die Frage nach Sinn, die<br />
Menschen auf der ganzen Welt auf die<br />
eine oder andere Art zu beantworten<br />
versuchen. Zur Vernissage kommen die<br />
Künst ler*innen nach Hamburg.<br />
•<br />
Frappant Galerie, Zeiseweg 9,<br />
14.–22.11., Fr–So, 14–19 Uhr,<br />
Eintritt frei, www.frappant.org<br />
„The Old World“ von Natalya Reznik zeigt,<br />
wie sich Frauenbilder verändern könnten.<br />
Theater<br />
Kiezmärchen mit Soulsänger<br />
Tag für Tag hat Illustratorin Jutta<br />
Bauer die Pandemie in Bildern festgehalten<br />
– mal rührend, mal witzig,<br />
immer alltagsnah und doch tiefsinnig.<br />
Die Ausstellung ihrer „Corona<br />
Diaries“ lässt die Momente, als alles<br />
anders wurde, Revue passieren. •<br />
Kunstklinik, Martinistraße 44a,<br />
bis 27.11., Mo–Fr, 11–18 Uhr,<br />
Eintritt frei, www.kunstklinik.hamburg<br />
Konzert<br />
Die Hymne als „Lovesong“<br />
Die deutsche Nationalhymne – ein<br />
schwieriges Thema. Die einen singen<br />
inbrünstig mit, die anderen hören lieber<br />
weg. Aber lässt sich daraus nicht<br />
noch was machen? Komponist Daniel<br />
Dominguez Teruel experimentiert<br />
mit der Melodie, mischt sie mit Elektrogesang,<br />
Barockposaunen und Pop<br />
und lässt dazu Fahnen schwingen. •<br />
Kraftwerk Bille, Kesselhalle, Anton-Ree-<br />
Weg 50, Mi–So, 4.–8.11., 20 Uhr, Eintritt<br />
15/9 Euro, www.love-song.eu<br />
Theater<br />
Ost-West-Perspektiven<br />
Ein Jahr nach den „interkulturellen<br />
Trainings“ von Bürger*innen aus<br />
Hamburg und Halle wird aus der<br />
Begegnung Theater: „Rübermachen“<br />
spielt mit Wendezeit und Erinnerungskultur.<br />
•<br />
Lichthof Theater, Mendelssohnstraße 15,<br />
6. –15.11., Eintritt 8–24 Euro,<br />
www.lichthof-theater.de<br />
53
Kinder<br />
Konzert mit Überraschungen<br />
Wer sagt, dass beim Klassikkonzert das<br />
Publikum schweigend lauschen muss?<br />
Dass niemand auf der Bühne herumlaufen<br />
darf und dass man das Cello mit<br />
dem Hals nach oben zu spielen hat?<br />
Das „Funkelkonzert“ des Ensemble<br />
Resonanz räumt auf mit diesen<br />
Irrtümern und zeigt, was Klassik alles<br />
kann. Da werden Streichinstrumente<br />
zu summenden Plagegeistern, die im<br />
54<br />
Musikalische Expeditionen in fremde Welten: Die „Funkelkonzerte“<br />
des Ensemble Resonanz bieten tolle Klangerlebnisse.<br />
Sommer um den Liegestuhl herumschwirren,<br />
oder es wird auf einmal<br />
ganz kalt im Konzertsaal. Dabei zeigt<br />
sich dann: Auch mit Regenjacken und<br />
Reißverschlüssen lässt sich ein guter<br />
Groove erzeugen! Das „Funkelkonzert<br />
L / Sonne, Mond und Streicher“ ist<br />
konzipiert für ein junges Publikum<br />
ab 6 Jahren, lohnt sich aber auch<br />
für Ältere, die Freude an guter experimenteller<br />
Musik und Action auf der<br />
Konzertbühne haben. Die Freude der<br />
Musiker*innen am Effekt der Klänge<br />
wirkt ansteckend im besten Sinne –<br />
denn auch in den Rängen muss<br />
niemand still sitzen bleiben. Applaus<br />
gibt es am Ende für alle. •<br />
Elbphilharmonie, Platz der Deutschen<br />
Einheit 4, Sa, 21.11., mehrere Termine,<br />
Eintritt 5 Euro, www.elbphilharmonie.de
Kunzt&Kult<br />
Kinotipp des Monats<br />
Schule vor der<br />
Leinwand<br />
FOTOS: CLAUDIA HÖHNE (S. 54), MAJESTIC FILM (OBEN), PRIVAT<br />
Film<br />
Kämpferin mit Herz<br />
Ausstellung<br />
Neonazis sind keine Einzelfälle<br />
Anschläge gegen Menschen anderer<br />
Herkunft mehren sich, rechte Gewalttaten<br />
bleiben ungeklärt und gleichzeitig<br />
muss die Zahl der in Behörden<br />
aufgedeckten Rechtsextremist*innen<br />
immer wieder nach oben korrigiert<br />
werden. Kann da noch von Einzeltäter*innen<br />
die Rede sein? Die Ausstellung<br />
„Kein ‚Einzelfall‘. Rechtsradikale<br />
Realitäten in Deutschland“ zeigt<br />
auf, wie unterschwellige Strukturen<br />
wirken und wie eine Kultur des Wegschauens<br />
dazu führt, dass die Gefahr<br />
von rechts unterschätzt wird. Zu sehen<br />
sind Raum- und Videoinstallationen,<br />
die das Problem aus alltäglicher<br />
Perspektive zeigen und deutlich machen:<br />
Wer etwas gegen Neonazis hat,<br />
muss auch etwas unternehmen – hier<br />
und jetzt. •<br />
Kampnagel, Foyer, Jarrestraße 20,<br />
ab Mi, 18.11., 18 Uhr, Eintritt frei,<br />
www.kampnagel.de<br />
Als Romni, Frau und alleinstehende<br />
Mutter hat Ali gelernt,<br />
sich durchzuboxen.<br />
Mit einem Herz voller Hoffnung kommt Ali aus Rumänien nach Hamburg.<br />
Deutschland wird ihr und ihren Kindern eine Chance geben, davon ist sie überzeugt,<br />
auch wenn sie sich durchschlagen muss. Als sie bei einem Putzjob in der<br />
„Ritze“ den Boxring entdeckt, zeigt sich ihr wahres Talent. Das „Spelunkenkino“<br />
zeigt „Gipsy Queen“ als Hommage an alle, die um Anerkennung kämpfen. •<br />
Hafenklang, Große Elbstraße 84, Mi, 18.11., 20 Uhr, Eintritt frei, Anmeldung:<br />
www.hafenklang.de<br />
Ausstellung<br />
Kommunenleben neu gedacht<br />
Wohnraum wird knapp und teuer,<br />
doch es gibt Ideen dagegen: Auf der<br />
ganzen Welt entwickeln Architekt-<br />
* innen Lösungen für gemeinschaftliches<br />
Wohnen. Wie die aussehen und<br />
wie sie sich anfühlen, lässt sich im<br />
Museum für Kunst und Gewerbe<br />
ausprobieren. Modelle, Filmbeiträge<br />
und eine nachgebaute Cluster-<br />
Wohnung zeigen, wie das Zusammenleben<br />
funktioniert. Die Gastausstellung<br />
„Together“ des Vitra Design<br />
Museums wird ergänzt durch<br />
Beiträge zum genossenschaftlichen<br />
Wohnen in Hamburg. •<br />
MK&G, Steintorplatz, ab Fr, 20.11., Di–So,<br />
10–18 Uhr, Do bis 20 Uhr, Eintritt 12/8<br />
Euro, www.mkg-hamburg.de<br />
Über Tipps für Dezember freut sich<br />
Annabel Trautwein. Bitte bis zum<br />
10.11. an redaktion@hinzundkunzt.de<br />
Wenn Lehrer früher ihre Ruhe<br />
haben wollten, schaute die<br />
Klasse einen Film. Glaubten<br />
wir. Schließlich mussten sie<br />
da nicht mehr machen, als<br />
den Videorekorder anzustellen.<br />
Und so schauten wir allerlei<br />
Streifen, für die wir uns<br />
meist viel zu alt fühlten:<br />
„Krieg der Knöpfe“ und andere<br />
pädagogische Kost, die<br />
wir danach im Unterricht<br />
durchsprachen. Was hätte<br />
ich mir damals gewünscht,<br />
nach einem Internetcheck<br />
sauber die Analogien und tieferen<br />
Botschaften dieser Filme<br />
zitieren zu können!<br />
Dass Kino eben doch ein<br />
wenig mehr ist als der runtergespulte<br />
Film, propagiert das<br />
3001 Kino mit einem entsprechenden<br />
Angebot. Gegen<br />
eine Kostenpauschale<br />
pro Schüler, für die man<br />
in einem der Main streamkinos<br />
nicht mal eine Portion<br />
Popcorn erhält, zeigen die<br />
Schanzencineasten Wunschfilme<br />
am Vormittag und<br />
vermitteln damit nicht nur<br />
Filminhalte, sondern auch<br />
eine Kinowelt, wie es sie vielleicht<br />
bald nicht mehr gibt.<br />
Jetzt macht das Ganze<br />
Schule: In der Hamburger<br />
Schulkinowoche vom 16. bis<br />
zum 20. <strong>November</strong> zeigen<br />
das 3001 Kino und 15 weitere<br />
Lichtspielhäuser kindgerechte<br />
Filme zu Politik, Umwelt,<br />
Gesinnung, Freiheit<br />
und Freundschaft. Dazu gibt<br />
es Unterrichtsmaterialien, es<br />
wird diskutiert und manchmal<br />
auch einfach nur großartige<br />
Kinokost genossen. •<br />
André Schmidt<br />
geht seit<br />
Jahren für uns<br />
ins Kino.<br />
Er arbeitet in der<br />
PR-Branche.<br />
55
Hamburger<br />
Geschichte(n)<br />
Kunzt&Kult<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>333</strong>/NOVEMBER <strong>2020</strong><br />
#8 Derzeit wird die Lombardsbrücke aufwendig restauriert.<br />
Auch die Kandelaber, die auf dem historischen Foto aus<br />
dem Jahr 1895 zu sehen sind, werden wieder leuchten.<br />
Die Lombardsbrücke<br />
Sie gehört zu Hamburgs beliebtesten Fotomotiven und zeigt die<br />
Stadt von ihrer besten Seite. Doch die Geschichte der Lombardsbrücke<br />
erzählt auch von der Kehrseite des Wohlstands.<br />
Verzierte Kandelaber, ehrwürdiges<br />
Mauerwerk und von der Brüstung aus<br />
der Blick auf Hamburgs schönste Stadtsilhouette<br />
– so hat Jürgen Jobsen die<br />
Lombardsbrücke verinnerlicht. Doch<br />
nun ist von der ganzen Pracht kaum etwas<br />
zu sehen: Baugerüste und rot-weiße<br />
Straßensperren säumen die Brücke, von<br />
den Kandelabern keine Spur. „Wie<br />
schade“, meint Jürgen. „Ich stand schon<br />
oft davor und hab sie mir angeguckt.“<br />
Die Engelsfiguren, die Reliefe …, „da<br />
sind auch Geschichten mit verbunden.“<br />
Besonders spannend findet Spurensucher<br />
Jürgen allerdings, was sich<br />
gerade nicht im Prunk widerspiegelt,<br />
sondern im Namen der Brücke: „Lombard“<br />
wurde früher das benachbarte<br />
Pfandhaus genannt. Fast 200 Jahre<br />
lang, von 1651 bis 1827, stand es auf<br />
dem Wall am Westufer zwischen Binnen-<br />
und Außenalster. „Da sind die<br />
Hamburger hingegangen, wenn sie sich<br />
Geld leihen mussten“, erklärt Jürgen.<br />
Er sieht sie regelrecht vor sich, wie sie<br />
TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN<br />
FOTOS: ANDREAS HORNOFF (2), HAMBURG BILDARCHIV<br />
über die Brücke Richtung Dammtor<br />
laufen, um ihre Habe zu verpfänden.<br />
Glanz und Laternenschein kommen in<br />
diesen Szenen nicht vor. „Die Leute haben<br />
es vorgezogen, erst bei Dämmerung<br />
über die Brücke zu gehen, damit<br />
sie nicht erkannt werden“, sagt Jürgen.<br />
So hat er es gelesen, er versteht das<br />
auch. „Zum Pfandleiher zu gehen, war<br />
ja auch damals eine unangenehme Sache.“<br />
Was ihn vor allem umtreibt: Ging<br />
es fair zu in diesem Pfandhaus? Gab der<br />
„Lombard“ den Leuten eine Chance?<br />
„Der war bestimmt nicht arm“, vermutet<br />
der Hinz&Kunzt-Mitarbeiter.<br />
Ein Blick in die Quellen bestätigt<br />
das. Allerdings bereicherte sich im<br />
„Lombard“ kein Privatmann. Das<br />
Pfandhaus war städtisch. Zinsen, die<br />
die Schuldner abzudrücken hatten, flossen<br />
weiter in den Stadtsäckel. Kassiert<br />
wurden sie von zwei Staatsdienern: Verwalter<br />
und Schreiber lebten im Pfandhaus<br />
und hatten „gemäß ihrem geleisteten<br />
Eide“ die Leihhaus-Ordnung des<br />
Senats „aufs Genaueste und Gewissenhafteste<br />
zu befolgen“. In einer Novelle<br />
vom 26. Juli 1833 ist nachzulesen, was<br />
die Ratsherren da runter auch verstanden:<br />
„Sie haben das mit ihnen verkehrende<br />
Publicum mit Anstand und Bescheidenheit<br />
zu behandeln, und dabei<br />
nicht aus den Augen zu verlieren, daß<br />
es in der Regel Mitleid verdienende<br />
Unglückliche sind, welche die Hülfe des<br />
Leihhauses nachsuchen.“ Wucher?<br />
„Auf das Ernstlichste und bei nachdrücklicher<br />
Strafe untersagt.“ Gute<br />
Nachrichten für Jürgen – ebenso wie<br />
die Auskunft, dass die Brücke denkmalgerecht<br />
restauriert wird. Auch die schönen<br />
Kandelaber sollen zurückkommen.<br />
Laut Verkehrsbehörde ist ein<br />
Lichtkonzept geplant, das nicht nur die<br />
sanierten Laternen umfasst, sondern<br />
auch Nachbauten ihrer früheren Gegenstücke<br />
auf der Außenalsterseite.<br />
Von den Armen, die im Dunkeln zum<br />
Pfandhaus schlichen, werden dann nur<br />
noch die wissen, die genauer nachlesen –<br />
so wie Jürgen Jobsen. •<br />
Kontakt: annabel.trautwein@hinzundkunzt.de<br />
Jürgen Jobsen (64)<br />
war früher<br />
Hinz&Künztler und<br />
arbeitet seit Jahren<br />
im Vertrieb.<br />
Rätselfrage: Wie hieß das Bollwerk<br />
im Stadtwall, an dessen Fuß sich das<br />
frühere Hamburger Leihhaus befand?<br />
Schreiben Sie uns! (Siehe rechts)<br />
56
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Rätsel<br />
ILLUSTRATION (BLEISTIFT IM IMPRESSUM): BERND MÖLCK-TASSEL<br />
organ.<br />
Stickstoffverb.<br />
Großvater<br />
(Koseform)<br />
Gebäck<br />
weidmänn.:<br />
schieße<br />
hoch!<br />
kleinste<br />
Stadt<br />
Deutschlands<br />
Mischsprache<br />
in eh.<br />
Kolonien<br />
Departement<br />
in Frankreich<br />
Wallberge<br />
(Geologie)<br />
Stadt<br />
östlich<br />
von<br />
Berlin<br />
Stadt<br />
im<br />
Sauerland<br />
veraltet:<br />
Lappen,<br />
Lumpen<br />
Stadt<br />
auf<br />
Honshu<br />
(Japan)<br />
1<br />
7<br />
8<br />
4<br />
1<br />
9<br />
3<br />
7<br />
Freund<br />
des<br />
Achill<br />
Essigbaum<br />
2<br />
5<br />
4<br />
2<br />
ugs.:<br />
altes,<br />
schlechtes<br />
Auto<br />
2<br />
9<br />
5<br />
3<br />
4<br />
Gesichtsfeldmesser<br />
Figur in<br />
der Oper<br />
„Turandot“<br />
Fulda-<br />
Zufluss<br />
3<br />
6<br />
4<br />
7<br />
7<br />
5<br />
4<br />
Moldau-<br />
Zufluss<br />
geziert,<br />
widerspenstig<br />
10<br />
Währung<br />
in<br />
Deutschland<br />
Köpergewebe<br />
hypnotisierter<br />
Mensch<br />
5<br />
4<br />
8<br />
Kykla-<br />
den-<br />
Insel<br />
landsch.:<br />
Fett;<br />
weiches<br />
Holz<br />
Abk.:<br />
Bankleitzahl<br />
madagass.<br />
Halbaffe<br />
Elektronenröhre<br />
niedersächs.<br />
Dichter<br />
† 1910<br />
Sänger<br />
bei<br />
„Wickie“<br />
3<br />
2<br />
9<br />
AR0909-1219_9sudoku<br />
Hafenstadt<br />
am<br />
Limfjord<br />
(Dänem.)<br />
lat.:<br />
Recht<br />
Sohn<br />
von<br />
Obed<br />
(A. T.)<br />
engl.:<br />
Pfanne<br />
franz.:<br />
Felsen<br />
eine<br />
Apfelsorte<br />
lat.:<br />
Indien<br />
österr.<br />
mundartl.:<br />
Gletscher<br />
Polyen<br />
mit drei<br />
Doppelbindungen<br />
Warthe-<br />
Zufluss<br />
in Polen<br />
amerik.<br />
Presseagentur<br />
(Abk.)<br />
Stadt<br />
in<br />
Indien<br />
Musical<br />
von F.<br />
Loewe<br />
† 1988<br />
venezianischer<br />
Admiral<br />
† 1792<br />
Lösungen an: Hinz&Kunzt, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />
per Fax an 040 32 10 83 50 oder per E-Mail an info@hinzundkunzt.de.<br />
Einsendeschluss: 27. <strong>November</strong> <strong>2020</strong>. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Wer die korrekte Lösung für eines der beiden Rätsel oder die Antwort<br />
auf die Preisfrage auf Seite 56 einsendet, kann zwei Karten für die<br />
Hamburger Kunsthalle oder eine von drei DVDs mit dem Dokumentarfilm<br />
„Für Sama“ (Verleih: Filmperlen) gewinnen. Die Antwort auf die Oktober-<br />
Preisfrage war: Hamburger Electricitäts-Werke. Das Lösungswort beim<br />
Kreuzwort rätsel war: Journalist. Die Sudoku-Zahlenreihe: 382 917 546.<br />
6<br />
1<br />
7<br />
6<br />
1<br />
4<br />
7<br />
9<br />
8<br />
8<br />
9<br />
2<br />
6<br />
10<br />
3<br />
12199 – raetselservice.de<br />
Füllen Sie das Gitter so<br />
aus, dass die Zahlen von<br />
1 bis 9 nur je einmal in<br />
jeder Reihe, in jeder<br />
Spalte und in jedem<br />
Neun-Kästchen-Block<br />
vorkommen.<br />
Als Lösung schicken<br />
Sie uns bitte die farbig<br />
gerahmte, unterste<br />
Zahlenreihe.<br />
Impressum<br />
Redaktion und Verlag<br />
Hinz&Kunzt<br />
gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH<br />
Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg<br />
Tel. 040 32 10 83 11, Fax 040 32 10 83 50<br />
Anzeigenleitung Tel. 040 32 10 84 01<br />
E-Mail info@hinzundkunzt.de, www.hinzundkunzt.de<br />
Herausgeber<br />
Landespastor Dirk Ahrens, Diakonisches Werk Hamburg<br />
Externer Beirat<br />
Prof. Dr. Harald Ansen (Armutsexperte HAW-Hamburg),<br />
Mathias Bach (Kaufmann), Dr. Marius Hoßbach (Korten Rechtsanwälte AG),<br />
Olaf Köhnke (Ringdrei Media Network),<br />
Thomas Magold (BMW-Niederlassungsleiter i.R.),<br />
Karin Schmalriede (Lawaetz-Stiftung),<br />
Dr. Bernd-Georg Spies (Russell Reynolds),<br />
Alexander Unverzagt (Medienanwalt), Oliver Wurm (Medienberater)<br />
Geschäftsführung Jörn Sturm<br />
Redaktion Birgit Müller (bim; Chefredakteurin, V.i.S.d.P.),<br />
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Benjamin Laufer (bela), Misha Leuschen (leu), Annabel Trautwein (atw)<br />
Online-Redaktion Benjamin Laufer (CvD), Jonas Füllner, Lukas Gilbert<br />
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Spendenkonto Hinz&Kunzt<br />
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Die Hinz&Kunzt gGmbH mit Sitz in Hamburg ist durch den aktuellen<br />
Freistellungsbescheid bzw. nach der Anlage zum Körperschaftssteuerbescheid<br />
des Finanzamts Hamburg-Nord, Steuernummer 17/414/00797, vom<br />
21.1.2019, für den letzten Veranlagungszeitraum 2017 nach § 5 Abs.1 Nr. 9<br />
des Körperschaftssteuergesetzes von der Körperschaftssteuer und nach<br />
§ 3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes von der Gewerbesteuer befreit.<br />
Geldspenden sind steuerlich nach §10 EStG abzugsfähig. Hinz&Kunzt ist als<br />
gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH im Handelsregister beim<br />
Amtsgericht Hamburg HRB 59669 eingetragen.<br />
Wir bestätigen, dass wir Spenden nur für die Arbeit von Hinz&Kunzt<br />
einsetzen. Adressen werden nur intern verwendet und nicht an Dritte<br />
weitergegeben. Beachten Sie unsere Datenschutzerklärung, abrufbar auf<br />
www.hinzundkunzt.de. Hinz&Kunzt ist ein unabhängiges soziales Projekt, das<br />
obdachlosen und ehemals obdachlosen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe bietet.<br />
Das Magazin wird von Journalist*innen geschrieben, Wohnungslose und<br />
ehemals Wohnungslose verkaufen es auf der Straße. Sozialarbeiter*innen<br />
unterstützen die Verkäufer*innen.<br />
Das Projekt versteht sich als Lobby für Arme.<br />
Gesellschafter<br />
Durchschnittliche monatliche<br />
Druckauflage 3. Quartal <strong>2020</strong>:<br />
59.000 Exemplare<br />
57
Momentaufnahme<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>333</strong>/NOVEMBER <strong>2020</strong><br />
Angie ist eine echte<br />
Kämpfernatur.<br />
Sie wird auch ihre<br />
Krebserkrankung<br />
besiegen. Da ist sie<br />
sich sicher.<br />
„Ich bin noch<br />
lange nicht fertig“<br />
Angie, 59, verkauft Hinz&Kunzt auf der Reeperbahn.<br />
TEXT: LUKAS GILBERT<br />
FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
Angie ist tough. Eine Kämpferin. „Ganz<br />
egal wie oft ich auf die Fresse falle. Ich<br />
stehe wieder auf“, sagt sie. Nachdem<br />
vor zehn Jahren ein erster Tumor bei<br />
der heute 59-Jährigen entdeckt wurde,<br />
hat sie viel Zeit im Krankenhaus verbracht.<br />
Wegen mehrerer Schlaganfälle<br />
saß sie zwischenzeitlich im Rollstuhl.<br />
Aus dem hat sie sich wieder „rausgekämpft“,<br />
kann wieder laufen – wenn<br />
auch mit Gehhilfe. „Und auch den<br />
Krebs werde ich noch besiegen“, ist sich<br />
die „Ruhrpottschnauze“ sicher.<br />
Ihre Dortmunder Kindheit bei der<br />
Mutter, dem liebevollen Ersatzpapa<br />
und ihren zwei Geschwistern war gut,<br />
erzählt Angie. Nach dem Hauptschulabschluss<br />
machte sie eine Lehre zur Bürokauffrau.<br />
Weil sie sich im Büro „tödlich<br />
gelangweilt“ hat, holte Angie ihr<br />
Abi nach und begann anschließend eine<br />
zweite Lehre als Hotelkauffrau: „Ich<br />
wollte was mit Menschen machen.“<br />
Mit 19 Jahren lernte sie in einer Bar<br />
Richard kennen. Ein Ingenieur. „Er<br />
war die Liebe meines Lebens“, sagt sie.<br />
Die beiden bekamen vier Kinder, lebten<br />
ein glückliches Leben. Bis Richard<br />
eines Tages beim Mittagessen umkippte<br />
und starb. Ein unentdecktes Hirnaneurysma<br />
war geplatzt. Plötzlich war Angie<br />
alleinerziehende Mutter: „Zum Trauern<br />
hatte ich keine Zeit. Ich musste für<br />
meine Kinder da sein: funktionieren.“<br />
Noch eineinhalb Jahre lebte sie in<br />
der gemeinsamen Wohnung, dann hielt<br />
sie all die Erinnerungen an ihre Liebe<br />
nicht mehr aus. Angie fuhr Hals über<br />
Kopf mit ihren vier Kindern nach<br />
Hamburg. Die Stadt kannte sie von gemeinsamen<br />
Reisen mit Richard. Die<br />
ersten Monate lebte die junge Familie<br />
in einer Pension, später in einer Wohnung<br />
in Farmsen. Angie schuftete in<br />
Kneipen in St. Georg, ihre Kinder wurden<br />
älter, zogen schließlich aus: „Heute<br />
wohnen alle wieder in NRW. Haben<br />
Jobs, sind verheiratet – und ich habe<br />
acht Enkel“, sagt sie nicht ohne Stolz.<br />
Angie arbeitete weiter im Hamburger<br />
Nachtleben, auf der Reeperbahn.<br />
Im Camelot und in der Ritze etwa.<br />
Rückblickend sei das eine wunderbare<br />
Zeit gewesen. „Ich liebe den Kiez. Die<br />
Offenheit, auch das Milieu. Ich habe<br />
die Zeit genossen“, erinnert sie sich.<br />
„Aber dann hab ich mich leider in<br />
einen Alki verliebt.“ Irgendwann hielt<br />
sie seine ständigen Wutausbrüche und<br />
das Chaos, das er mit seinen Freunden<br />
in der gemeinsamen Wohnung hinterließ,<br />
nicht mehr aus und wählte „den<br />
Hardcore-Weg“ – sie zog aus. 2013 war<br />
das, arbeiten konnte sie da wegen ihrer<br />
Krebserkrankung schon nicht mehr.<br />
Seitdem lebt Angie in einem großen<br />
Zelt auf dem Grundstück eines ehemaligen<br />
Stammgastes. Richtig gemütlich<br />
eingerichtet sei sie da – inklusive Bett.<br />
„Auf dem Boden schlafen? Das könnte<br />
ich nicht.“ Und Hilfe vom Amt? Kommt<br />
für Angie nicht infrage. Sie will sich aus<br />
eigener Kraft wieder hochkämpfen. Dabei<br />
hilft ihr auch der Magazinverkauf.<br />
Nicht nur, weil sie sich so einigermaßen<br />
über Wasser halten kann – vor allem,<br />
weil sie so eine Beschäftigung und das<br />
Gefühl von Unabhängigkeit hat. Von<br />
einer Genossenschaft hat sie nun die<br />
Zusage für eine eigene Wohnung bekommen<br />
und hofft, noch in diesem Jahr<br />
einziehen zu können, Kräfte zu sammeln<br />
und wieder gesund zu werden:<br />
„Ich bin noch lange nicht fertig.“ •<br />
Kontakt: lukas.gilbert@hinzundkunzt.de<br />
Angie und die anderen Hinz&Künztler*innen<br />
erkennt man am Verkaufsausweis.<br />
5109<br />
58
KUNZT-<br />
KOLLEKTION<br />
BESTELLEN SIE DIESE UND WEITERE PRODUKTE BEI: Hinz&Kunzt gGmbH,<br />
www.hinzundkunzt.de/shop, shop@hinzundkunzt.de, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />
Tel. 32 10 83 11. Preise zzgl. Versandkostenpauschale 4 Euro, Ausland auf Anfrage.<br />
Schürze „KunztKüche“<br />
Lange, robuste und pflegeleichte Latzschürze,<br />
Baumwolle-Polyester-Mischgewebe<br />
(35 % Biobaumwolle, 65 % recyceltes<br />
Polyester aus Plastikmüll aus dem Meer).<br />
Farbe: Norddeutsch-Grau.<br />
Maschinenwäsche bis 90 Grad.<br />
Von Kaya & Kato GmbH,<br />
www.kaya-kato.de, Preis: 25 Euro<br />
Puzzle „Kontorhausschnecke“<br />
Fotograf: Vertriebsmitarbeiter Jürgen Jobsen.<br />
1000 Teile, hergestellt in Deutschland.<br />
Preis: 26,90 Euro<br />
Erfrischender Sommertee „Chillax"<br />
Bio-Kräutertee aus Griechenland: Bergtee vom<br />
Olymp* (40 %), Zitronenverbene* (40 %),<br />
Johanniskraut* (20 %), von Aroma Olymp,<br />
www.aroma-olymp.com. Von Hand geerntet<br />
in Griechenland, von den Elbe-Werkstätten<br />
in Hamburg verpackt, 25 g,<br />
Preis: 4,90 Euro<br />
*aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft<br />
Niemand kennt<br />
Hamburgs<br />
Straßen besser<br />
Tasse „Ankerchen“<br />
Sondereditionen für Hinz&Kunzt von<br />
der Hamburger Firma AHOI MARIE.<br />
Mikrowellen- und spülmaschinentauglich.<br />
www.ahoi-marie.com<br />
Preis: 14,90 Euro<br />
Deutsche Winterreise<br />
Musikalisches Hörbuch<br />
Der Liederzyklus von Franz Schubert mit<br />
Originaltextfragmenten von Wilhelm Müller<br />
und Geschichten von Menschen im Abseits,<br />
bearbeitet von Stefan Weiller.<br />
Sprecher*innen: Brigitta Assheuer, Jens Harzer,<br />
Wolfram Koch, Helmut Krauss, Eva Mattes.<br />
Klavier: Hedayet Djeddikar.<br />
Spielzeit: 82 Minuten.<br />
Hörbuchverlag Speak Low, Berlin 2019.<br />
Preis: 14,90 Euro<br />
„Macht auch wach!“<br />
Hinz&Kunzt-Bio-Kaffeemischung,<br />
100 % Arabica gemahlen, 250-g-Beutel,<br />
oder Hinz&Kunzt-Bio-Espresso, italienische<br />
Mischung, kräftiger Geschmack,<br />
ungemahlen, 250-g-Beutel, exklusiv von<br />
der Kaffeerösterei Burg aus Hamburg.<br />
Preis: jeweils 5,95 Euro<br />
Mütze „Kopf hoch!“<br />
Mütze aus 100% Merinowolle.<br />
Farbe: Marineblau<br />
Hergestellt in Norddeutschland.<br />
Handwäsche empfohlen.<br />
Preis: 24,90 Euro
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