Leichtathletik INFORMationen 04/2012
Inhalt: Höhepunkte des Leichtathletikjahres 2012 im Bild + Wahl der Athleten des Jahres + Nachlese zu den Olympischen Spielen + Zum 100. Geburtstag von Toni Nett
Inhalt: Höhepunkte des Leichtathletikjahres 2012 im Bild + Wahl der Athleten des Jahres + Nachlese zu den Olympischen Spielen + Zum 100. Geburtstag von Toni Nett
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Heft 4/<strong>2012</strong> <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 16<br />
Das Herz des Sports<br />
Nachdenkliches zu Olympia<br />
Unser Berichterstatter aus London prägt seit Jahren das Gesicht der <strong>Leichtathletik</strong> in Regensburg.<br />
Er ist Cheftrainer, Organisator und Teammanager der LG Telis Finanz Regensburg. Besondere Erfahrung<br />
und Verdienste hat FREUNDE-Mitglied Kurt Ring in der Nachwuchsausbildung.<br />
Wer von sich sagt, er hätte das Herz des Sports schlagen hören,<br />
muss wohl in diesen Tagen im Londoner Stadtteil Stratford gewesen<br />
sein, genauer gesagt im Olympiastadion während der<br />
<strong>Leichtathletik</strong>tage. Was dort an Stimmung abging, können<br />
keine Fernsehkamera und kein medialer Bericht auch nur annähernd<br />
wiedergeben. Man muss es live erlebt haben. Hier die<br />
versammelte Weltklasse, dort 80.000 <strong>Leichtathletik</strong>-Verrückte<br />
im guten Sinne, und zwar immer, vormittags und abends,<br />
gleich bei welcher Disziplin. Für wenige Stunden konnte man<br />
die Probleme des modernen Sports vergessen, einfach die<br />
tollen Wettkämpfe genießen. Dass ich als nun schon in die<br />
Jahre gekommener Trainer dieses Ereignis mit meinem Schützling<br />
Coco Harrer sowohl auf der einen als auch auf der anderen<br />
Seite erleben durfte, setzt dem Ganzen natürlich noch ein besonderes<br />
Sahnehäubchen auf.<br />
Eine spezielle Rolle spielen die Briten dabei selbst. Immer<br />
freundlich mit ihrer ganz besonderen Bedächtigkeit,<br />
patriotisch bis ins letzte Hemd und doch nicht chauvinistisch,<br />
immer mit der richtigen Achtung für Gewinner und Besiegte,<br />
eben fair. Es ist mir noch nie passiert, dass Unbekannte mir<br />
im Stadion beim Triumpf eines eigenen Athleten spontan<br />
Nur 23/100 sec. fehlten Corinna Harrer, um bei Olympischen Spielen in London<br />
ins Finale über 1.500 m einzuziehen.<br />
Foto: Iris Hensel<br />
per Handschlag gratuliert haben, und ich habe schon viele<br />
Stadien von innen gesehen. Bei Robert Hartings Siegeswurf ist<br />
mir das zu meiner eigenen Verblüffung widerfahren, und ich<br />
staunte nicht schlecht. Die Briten sind einfach stolz auf sportliche<br />
Höchstleistungen, und das nicht nur bei sich selbst.<br />
Und genau so verhalten sie sich auch im Vorfeld eines Großereignisses.<br />
Anstatt ständig nur über mangelnde Leistungen<br />
zu schimpfen und über dies und das zu jammern, nahmen<br />
sie in der Vorbereitung von Olympischen Spielen im eigenen<br />
Land einen Haufen Geld in die Hand, nicht um zu fordern,<br />
sondern um zu fördern. Der Plan ist aufgegangen, Team GB<br />
vollführt einen Goldrausch im ungeahnten Maße, und auch<br />
der schlechteste britische Sportler wird frenetisch begrüßt<br />
und minutenlang beklatscht, auch dann, wenn die Ziele nicht<br />
erreicht werden konnten. An jeder Ecke Londons hängen die<br />
überdimensionalen Plakate ihrer Heroes. Man zeigt sie der<br />
Öffentlichkeit und schafft damit eine riesige Fangemeinschaft.<br />
Da tut das deutsche Kontrastprogramm um Cheffunktionär<br />
Vesper dann schon ein wenig weh. Bar jeglicher reeller Sporteinschätzung<br />
rückt man von Seiten des BMI und DOSB nur<br />
zögerlich mit völlig überzogenen Zielvorgaben heraus, anstatt<br />
seine Sportler zu feiern. Am Ende hätten es 86 Medaillen<br />
bei 28 Olympiasiegen sein sollen. Man macht sich im Vorfeld<br />
wenig Gedanken, woher diese Erfolge denn kommen<br />
sollten. Ein weiser Mann aus der <strong>Leichtathletik</strong>szene hat einmal<br />
gesagt: Funktionäre sollen funktionieren. Tun sie das in<br />
Deutschland denn wirklich? Fragt man viele Athleten/innen<br />
der aktuellen Olympiamannschaft, kommen erschreckende<br />
Dinge zutage. Sie beklagen neben dem fehlenden finanziellen<br />
Engagement vor allem die strukturelle Schwäche des Dachverbandes<br />
als auch der entsprechenden Disziplinverbände.<br />
Irgendwie scheinen unter dem gehobenen Establishment der<br />
sogenannten „Ehrenamtlichen“ die sportspezifischen Profis<br />
verloren gegangen zu sein.<br />
Diese braucht es aber, um den deutschen Schulsport<br />
wieder fit zu machen, um die Unis analog des Beispiels der<br />
amerikanischen Colleges als Partner des Hochleistungssports<br />
zu gewinnen, um ein modernes Sichtungssystem auf den Weg<br />
zu bringen, um die Industrie zur zielgerichteten Förderung bis