Leichtathletik INFORMationen 04/2012
Inhalt: Höhepunkte des Leichtathletikjahres 2012 im Bild + Wahl der Athleten des Jahres + Nachlese zu den Olympischen Spielen + Zum 100. Geburtstag von Toni Nett
Inhalt: Höhepunkte des Leichtathletikjahres 2012 im Bild + Wahl der Athleten des Jahres + Nachlese zu den Olympischen Spielen + Zum 100. Geburtstag von Toni Nett
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Heft 4/<strong>2012</strong> <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 20<br />
Toni Nett zum 100. Geburtstag:<br />
„… kein Honigschlecken“<br />
Toni Nett (geb. am 28. Dezember 1912) gehörte vor 50 Jahren zu den 30 Mitbegründern der „Freunde<br />
der <strong>Leichtathletik</strong>“. Er war seit den 1950er Jahren bis zu seinem Ausscheiden zum Jahresende 1972<br />
aus den Diensten des DLV in der <strong>Leichtathletik</strong> – nicht nur in der deutschen – eine Institution.<br />
Toni Nett gründete „Die Lehre der <strong>Leichtathletik</strong>“, die seit 1955<br />
regelmäßig als Lehr-Beilage in „<strong>Leichtathletik</strong>“, dem amtlichen<br />
Fachorgan des DLV, erschien, meist mit Lehrbildreihen illustriert<br />
und kommentiert; und er ist der Erfinder der Ringfilme, das<br />
sind Endlosschleifen mit den Bewegungsabläufen der Weltbesten,<br />
als Anschauungsmaterial für Trainer<br />
und Athleten, in der Regel in Wettkampfund<br />
Trainingssituationen aufgenommen und<br />
deshalb unverfälschte Dokumente für realitätsnahe<br />
Bewegungsanalysen, aus denen<br />
in der Vorzeit der heutigen Biomechanik<br />
Technik-Leitbilder und Fehleranalysen<br />
herausgearbeitet wurden. Generationen von<br />
Leichtathleten in Ost und West – unter ihnen<br />
Wissenschaftler, Trainer, Studierende, Lehrer<br />
und Athleten aller Leistungsklassen – haben<br />
davon profitiert und unschätzbaren Nutzen<br />
daraus gezogen.<br />
Toni Nett war ein Mann des Wortes in nahezu<br />
unzähligen Fortbildungsveranstaltungen,<br />
auf Tagungen und Kongressen; er war<br />
ein Mann der Schrift mit einer großen Anzahl von Buchpublikationen<br />
und Aufsätzen, und er war ein genialer<br />
Visualisator, der sich zunehmend als Filmemacher verstand,<br />
zuletzt noch den Olympiafilm von 1972 hergestellt und – nicht<br />
nur dabei – die Mühen des Filmemachens in der sportlichen<br />
Realsituation beschrieben hat – „Filmen war kein Honigschlecken…“<br />
– als „Ein-Mann-Unternehmen“ sozusagen, auch<br />
wenn dazu seit vielen Jahren noch seine Frau Elfriede gehörte:<br />
Toni und Elfriede Nett, das war ein Gütesiegel in der <strong>Leichtathletik</strong>lehre,<br />
ausgestattet mit technisch einfachen Mitteln,<br />
aber dennoch von hoher Qualität. Allerdings: Alles nicht so<br />
einfach, wie es sich von außen ansieht. Unendlich viel Arbeit.<br />
Großer Aufwand. Von Fünf-Tage-Woche und 8-Stunden-<br />
Arbeitstag keine Rede, eben: „kein Honigschlecken“, wie er<br />
seinen letzten Beitrag für „Die Lehre der <strong>Leichtathletik</strong>“ im<br />
Heft 51/52 des Jahres 1972 überschrieb.<br />
Toni Nett war ein Mann, der in seinen Arbeiten – und seinem<br />
Denken – die Praxis und stets auch die internationale<br />
Perspektive im Visier hatte. Eines seiner ersten Bücher widmete<br />
er nach einem längeren Studienaufenthalt in den USA der<br />
amerikanischen <strong>Leichtathletik</strong>: „<strong>Leichtathletik</strong> und Schulsport<br />
in den USA“ (1953); und schon in seiner zweiten Lehrbildreihe<br />
portraitierte er den US-Diskuswerfer Sam Iness, der mit 57,93 m<br />
vorübergehend im Besitz des Weltrekords<br />
war. Folgerichtig war er dann in den 1960er<br />
Jahren als Mitbegründer der internationalen<br />
Trainervereinigung „International „Track<br />
& Field Coaches Association“ dessen hoch<br />
angesehenes Mitglied, zugleich auch Begründer<br />
des Europäischen <strong>Leichtathletik</strong>-<br />
Lehrerverbandes, dessen Vorsitz er lange<br />
inne hatte. In dieser Zeit organisierte er eine<br />
ganze Reihe viel beachteter Kongresse im<br />
In- und Ausland. Und zugleich war er unermüdlich<br />
tätig auf den Sportplätzen, bei<br />
den nationalen und internationalen Veranstaltungen<br />
– und, was darüber häufig<br />
vergessen wird –, in seinem häuslichen<br />
„Labor“, wo die Filme gesichtet, archiviert,<br />
geschnitten und für den Lehrbetrieb vorbereitet<br />
werden mussten. Eine unglaubliche Arbeitsleistung,<br />
von der die Außenstehenden in der Regel nichts mitbekamen,<br />
all‘ das dazu noch bei von Anfang an mit angeschlagener<br />
Gesundheit, die er aus Krieg und Gefangenschaft mitgebracht<br />
hatte.<br />
Toni Nett hatte 1939 an der Reichsakademie für Leibesübungen<br />
in Berlin, der damals zentralen Ausbildungsstätte für Sportlehrer,<br />
seinen Studienabschluss als Turn- und Sportlehrer mit<br />
der Zusatzqualifikation als Fachsportlehrer für <strong>Leichtathletik</strong><br />
gemacht. Unmittelbar nach dem Ende des Krieges und der<br />
Gefangenschaft begann er von Stuttgart aus, seinem neuen<br />
Domizil, 1949 seine publizistische Tätigkeit: Es erschienen in<br />
schneller Folge Fachbücher zur „Taktik im Kurz-, Mittel- und<br />
Langstreckenlauf“ (1950), zum „Training des Kurz-, Mittel- und<br />
Langstreckenläufers“ (1950), „Das Übungs- und Trainingsbuch<br />
der <strong>Leichtathletik</strong>“ (1952; 3. Auflage 1956), „Ihr Weg zum<br />
Erfolg. Wie weltbeste Langstreckenläufer trainieren“, 1. und<br />
2. Teil (1952) – eine schier unglaubliche Schreibleistung, zu-