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ST:A:R_22

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Printmedium Wien – Berlin<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Zeitung für Hochkultur Mittelmaß und Schund<br />

Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

04Z035665M – P.b.b. Verlagspostamt 1060 Wien • Adresse: 1060 Wien Capistrangasse 2/8 • office@star-wien.at • Europa € 3,00 • Nr. <strong>22</strong>/09<br />

KUB<br />

Angelo Roventa<br />

Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Jetzt auch im Haus der Architektur in Graz erhältlich!<br />

3,– Euro<br />

vai


2 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch I - Angelo & Superrudi Nr. <strong>22</strong>/2008<br />

EDITORIAL :<br />

Heidulf Gerngross<br />

Dank an Elisabeth Penker, die uns als Mitherausgeberin von<br />

<strong>ST</strong>/A/R <strong>22</strong> verlassen hat. “Verlassen hat” heisst sie geht nach<br />

Kärnten und hat ein Künstlerstipendium in Rom.<br />

ADIO und Du bist und bleibst ein grosser Teil unserer<br />

Gedanken und Geisteswelt.<br />

ADIO DA DA DA.<br />

Penker going<br />

Puppa Goodyear<br />

thanks for your nice birthdayparty<br />

for Heidulf.<br />

Denker coming<br />

Nun bin ich ab Ausgabe 23 Mitherausgeber des *<strong>ST</strong>/A/R*-Printmedium-Wien<br />

und freue ich mich von Herzen. Ich möchte den<br />

*<strong>ST</strong>/A/R* um einige internationale Akzente bereichern, die Website<br />

reorganisieren und Artikel zu aktuellen Entwicklungen liefern, besonders<br />

zu Kunst, Philosophie und Verdauung.<br />

Mit Wien verbinden mich meine Freunde (besonders auch in der<br />

*<strong>ST</strong>/A/R*-Redaktion), Lehraufträge am Institut für Philosophie, der<br />

Passagen-Verlag, die Fa. Trenka / Eucarbon und 5p. International vernetzt<br />

bin ich besonders nach Paris (wo ich 12 Jahre lang studiert und gearbeitet<br />

habe), Brüssel (dort lebe ich mit meiner Familie) und Zürich (wo ich<br />

mich zukünftig verstärkt engagieren werde).<br />

Für den *<strong>ST</strong>/A/R* habe ich seit meinen ersten Tagen in Wien begeistert<br />

und bei der redaktionelle Arbeit sowie der Organisation von Events<br />

unterstützt. Am *<strong>ST</strong>/A/R* begeistert mich das unverwechselbare Licht,<br />

das er in die “konventionelle” Presselandschaft wirft, sein unverkranfter<br />

Umgang mit lokalen und internationalen Kulturereignissen und seine<br />

Offenheit für Lebensfreude. Er efördert die Freiheit der ästhetischen<br />

Erscheinung, entkommt manchem Cliché der gesellschaflichen Gefüge,<br />

hat Mut zum spielerischen Umgang mit Wort und Bild und vieles andere<br />

mehr zur Bereicherung des Lebens in Wien und anderswo. Dazu möchte<br />

ich beitragen.<br />

Christian W. Denker (Dr. art)<br />

Italia in der Aera 53<br />

Go and see!<br />

Ismael Basran <strong>ST</strong>/A/R-Amigo<br />

Habsburgergasse 4


Nr. <strong>22</strong>/2008 Buch I - Angelo & Superrudi<br />

<strong>ST</strong>/A/R 3<br />

Inhaltsangabe<br />

Buch I - Seite 1–8 Buch II - Seite 9–16 Buch III - Seite 17–24 Buch IV - Seite 25–32 Buch V - Seite 33–40 Buch VI - Seite 41–48<br />

Buch VII - Seite 49–56 Buch VIII - Seite 57–64 Buch IX - Seite 65–72 Buch X - Seite 73–80 Buch XI - Seite 81–88 Buch XII - Seite 89–96<br />

Impressum<br />

<strong>ST</strong>/A/R Printmedium Wien<br />

Europäische Zeitung für den direkten kulturellen Diskurs<br />

Erscheint 4 x jährlich, Nr. <strong>22</strong>/2009, Erscheinungsort Wien<br />

Erscheinungsdatum: Dezember 2009<br />

Medieninhaber:<br />

<strong>ST</strong>/A/R, Verein für Städteplanung/Architektur/Religion<br />

A–1060 Wien, Gumpendorferstrasse 42 – 44 / 2 /R1<br />

Herausgeber: Heidulf Gerngrss<br />

Redaktionelle Mitarbeit: Heidulf Gerngross (Architektur) , Wladimir Jaremenko-Tolstoj,<br />

Markus Hinterthür (Science Fiction), Helmut Wimmer (Architektur), Heike Nösslböck (Kunst), Iris Julian (Kunst), Bibi Lechner<br />

(Kunst), Kathrin Pandora (Kunst), Manfred Stangl (Ganzheitliche Ästhetik), Rudolf Gerngroß (Waran), David Staretz (Auto), Dr.<br />

Christian Denker und Brigitte Bercoff (Paris-Brüssel-Wien), Angelo Roventa (Architektur), Philipp Konzett (Galerie), Alexander<br />

Schiessling (Redaktion), Arkan Zeytinoglu (Architektur), Elisabeth Penker (Redaktion), Mirjana Rukavina (Foto),.<br />

Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Wien, Niederösterrreich und Burgenland,<br />

Artdirektion & Produktion & WC-Reinigung: Mathias Hentz<br />

Druckproduktion: Michael Rosenkranz<br />

Andreas F. Lin der Mayr<br />

7 Jahre Stahlstadt Linz, IV<br />

Nach meiner Zeit beim Bundesheer kehrte ich Juni 1976 wieder in den Atomreaktorbau<br />

der VöE<strong>ST</strong>-ALPINE in Linz zurück. Mir war von vornherein klar, dass ich niemals Technischer<br />

Zeichner bleiben würde.<br />

Die Entwicklung um mich herum, betrachtete ich mit wachsender Skepsis. Einige meiner<br />

Kollegen waren schon 1976 mit 19, 20 Jahren Väter, sie heirateten, gründeten eine Familie,<br />

nicht zuletzt, weil es seit Kreisky Geld vom Staat dafür gab. Es lastete ein Tabu darauf, zu hinterfragen,<br />

warum jemand mit 18 schon sein ganzes bevorstehendes Leben, beratschlagt von<br />

Banken und Gewerkschaften, bis zur Pensionierung verplante.Als gäbe es gar nichts anderes!<br />

Ich konnte mich mit halbwegs Gleichgesinnten, etwa potentiellen Indienfahrern, nur darüber<br />

wundern. Gegen jene Häuslbauer-Mentaltiät, wie sie damals gerade groß als von den staatlichen<br />

Institutionen abgesegneter Lebensentwurf im Kommen war, hegte ich eine tiefgreifende<br />

Abneigung. Mir war nach unendlich mehr.<br />

De facto gab‘s zunächst aber nur eines: Abhängen am Zeichentisch, tagein, tagaus, Jahr für<br />

Jahr. Von irgendwas musste man ja leben! So dämmerte ich in vager Hoffnung auf ganz was<br />

anderes, unzählige farb- und geruchlose Bürotage dahin, bis ich im Mai 79 so mürbe und<br />

morsch geworden war, dass ich wie ein fauler Zahn aus allem herausfiel, was mir Halt und<br />

Stütze, freilich einen falschen Halt und eine falsche Stütze gab. Mein Vater rotierte, als er von<br />

meinem Ausscheiden aus der VÖE<strong>ST</strong> mitbekam.<br />

Beim Militär gedachte ich, Bergrettungsdienst bewährt, tapferen, freimütigen Menschen<br />

zu begegnen. Die mochte es vielleicht vereinzelt noch in irgendwelchen Enklaven gegeben<br />

haben, da, wo ich hinversetzt wurde, traf ich keinen. Was mir tatsächlich von Anfang an beim<br />

Heer entgegentrat, waren die kleinen, töricht tückischen Machtspiele, wie sie mir seit den<br />

Tagen des Kindergartens auf die Nerven gingen, - hier fand ich sie auf die Spitze getrieben.<br />

Fortgesetzte Interesselosigkeit an den Abartigkeiten eines Grundwehrdienstes versetzten meinen<br />

Ausbildner derart in Rage, dass er mich von Hörsching in die so genannte Strafkompanie<br />

nach Langenlebarn versetzen lie√ü. Dort herrschte unter blitzblanken Gewehrläufen und<br />

peinlichst observierter Sauberkeit, Hauptmann Stinkwut, glühender Pseudo-Wagnerianer und<br />

offensichtlich gescheiterter Bodybilder, der dir bei geringster Abweichung von seinen hinaus<br />

gebrüllten Befehlen, den Arsch aufzureissen drohte.<br />

Vom Gymnasium für Berufstätige in der Spittelwies, das ich ab September 76 Abend für<br />

Abend besuchte, erhoffte ich mir naiv eine Vertiefung beziehungsweise Erweiterung meiner<br />

humanistischen Bildung. Ich gedachte weltfremd und edelmütig, mich an der Weisheit<br />

Brüste zu laben. Aber mit Ausnahme zweier älterer Professoren, waren alle Lehrer nur daran<br />

interessiert, ihr Programm rasch abzuwickeln. Konkret ging es ja lediglich um das Nachholen<br />

Organisation: Nösslböck Heike<br />

Druck: Herold Druck und Verlags AG, Wien<br />

Vertrieb: <strong>ST</strong>/A/R, Morawa GmbH.<br />

Aboservice: starabo@morawa.com<br />

oder: starabo@morawa.com<br />

Bezugspreis: 3,- Euro (inkl. Mwst.)<br />

Kontakt: grafik@star-wien.at” grafik@star-wien.at<br />

Redaktion: editors@star-wien.at” editors@star-wien.at<br />

Adresse: Gumpendorferstr 42 – 44 / 2/ R1, 1060 Wien<br />

0043-664-521-3307 Österreich<br />

Cover: Angelo Roventa / Foto: Gerhard Klocker<br />

<strong>ST</strong>/A/R wird gefördert von: Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur und Stadt Wien.<br />

<strong>ST</strong>/A/R unzensuriert / unlektoriert / Bussi.<br />

<strong>ST</strong>/A/R ist ein Gesamtkunstwerk und unterliegt dem Urheberrecht.<br />

<strong>ST</strong>/A/R dankt allen BeitragslieferantInnen, MitarbeiterInnen, KünstlerInnen,<br />

UnterstützerInnen und FreundInnen.<br />

der Matura, nicht um die Hochschulreife per se, sondern nur um einen<br />

Zettel als Beleg für eine solche Reife.Die lange Zeit bis dorthin sollte<br />

uns in den Deutschstunden durch Witze-erzählen versü√üt werden. Die<br />

„Amseln“ ( von AMS - Arbeitermittelschule) hätten es ohnedies schwer<br />

genug. Das war zunächst richtiggehend lustig, wurde aber ab dem Moment<br />

schier unerträglich, da sich die Witze zum dritten und vierten Mal<br />

wiederholten. Godot lie√ü grüssen. Gewaltig! Samuel Beckett und Co.<br />

waren auch die Wenigen in dieser Entwicklungsphase, die mich wirklich<br />

was angingen.<br />

Als ich im Juni 76, frisch aus der „Strafkompanie“ ins Büro im Stahlbau<br />

der VöE<strong>ST</strong> in Linz zurückkehrte, empfing mich der Senior-Chef,<br />

Hochschulabsolvent, mit einem Grinsen. Er reichte mir nach kurzem<br />

Zögern seine kalte Hand mit den sehr bemerkenswerten Worten: „Meuhoiden und Auzaahn!<br />

Vastehst? „ Und mit Nachdruck ,“Hamma uns vastaundän?“ Was blieb mir anderes übrig, als<br />

zähneknirschend Ja zu sagen und mich auf meinen Arbeitsplatz zurückzuziehen.<br />

Das Jasagen indes fiel mir in der Folge immer schwerer, zumal die Geschäfte mit der Atomkraft<br />

boomten, ohne dass die Sicherheitsrisiken, vor allem menschlich-moralischer Natur,<br />

sich nur um einen Deut verringert hätten. Mir wurde der Abstellring anvertraut, der für den<br />

Wechsel der Brennelemente erforderlich ist. Bemerkenswert die Form dieses Gestells, es<br />

erinnert mit seinen acht Speichen an das buddhistische Dharma-Rad. Ich fühlte mich daran<br />

festgenagelt in ewiger Wiederholung des Gleichen. Sein Karma erfüllen und tun, was man<br />

nicht lassen kann? Ich konnte mich nicht damit abfinden. Ein Projekt jagte das andere. Auf<br />

Grafenrheinfeld folgte Grohnde, dann Iran 1, gleich darauf Iran 2. Dass das Schah-Regime<br />

wackelte, tat den lukrativen Geschäften keinen Abbruch. Als es so weit kam, dass man sogar<br />

Atomkraftwerke im brasilianischen Urwald errichtete, weit über allen Köpfen einer angestammten<br />

Bevölkerung hinweg, machte ich kein Hehl mehr daraus, dass mir die Sache stinkt<br />

und sprach im Büro offen über meine Bedenken. Die höheren Angestellten, die vor lauter<br />

Gier nach noch mehr Provisionen fast schon zu erblinden drohten, nahmen ohnehin kaum<br />

Notiz von meinem Vorhandensein. Nach erfolgreich geführten Verhandlungen mit dem<br />

T√úV vergnügten sie sich in der Regel bei üppigen Geschäftsessen. Roger Whitaker stand als<br />

Beruhigungsmittel für blank liegende Nerven hoch im Ansehen. Die kleinen Angestellten,<br />

Familienväter, geduckt vor Existenz-Angst, redeten sich alle darauf hinaus, dass man froh sein<br />

müsse, überhaupt Arbeit zu haben. Das also ist der wahre Stand der Demokratie, 30 Jahre<br />

nach Hermann Göring, dachte ich mir und dröhnte mich zu mit Punk Rock.<br />

Im Mai 79 fasste ich unter Furcht und Zittern den freien Entschluss, der VöE<strong>ST</strong> den Rücken<br />

zu kehren und wagte nach ein paar Monaten Arbeitslosigkeit den Schritt, so gut wie mittellos,<br />

nach Wien zu gehen. Peter Altenberg und Egon Friedell, die ich zu dieser Zeit mit glühenden<br />

Ohren las, übten eine viel stärkere Faszination auf mich aus, als alle hochgestochenen Reden<br />

über Atomkraftwerke, die von einem hochdekorierten Fachidioten als die Kathedralen der<br />

Zukunft ausgerufen wurden.


Städteplanung / Architektur / Religion Buch I - Angelo & Superrudi <strong>ST</strong>/A/R 5<br />

vai hat weltweit als erste Institution das elastische Wohnen von Angelo Roventa gezeigt.<br />

Dank vai jetzt: Austellung „Das Spiel der Mächtigen“ mit Angelo Roventa im MAK-Wien.<br />

Ab 1. Dezember 09 bis 10. Jänner 10<br />

Angelo ROVENTA gibt den Weltarchitekten Frank O‘Gurry,<br />

Wolf Grand Brie und Sahaha Hadid eine Watsche.<br />

<strong>ST</strong>/A/R gratuliert dem Erfinder des elastischen Wohnens.


6 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch I - Angelo & Superrudi Nr. <strong>22</strong>/2008<br />

CURY


Nr. <strong>22</strong>/2008 Buch I - Angelo & Superrudi<br />

<strong>ST</strong>/A/R 7<br />

Tony Oursler<br />

24 | 10 | 09 – 17 | 01 | 2010<br />

Tony Oursler | Drag Queen Chorus, 2009 | Videostill | Foto: Tony Oursler Studio | © Tony Oursler<br />

Dialog<br />

Dialogführung und Performance<br />

• Donnerstag, 10. Dezember, 19 Uhr | Der Künstler Götz Bury führt<br />

im Dialog mit Kunstvermittler Winfried Nußbaummüller durch die<br />

Ausstellung. Anschließend wird Bury bei einer seiner berühmten<br />

Kochshows die Besucher mit weihnachtlichen Sägemehlbusserln<br />

aus Feigenholz verwöhnen.<br />

• Donnerstag, 17. Dezember, 19 Uhr | Gesprächspartner von Winfried<br />

Nußbaummüller sind bei dieser Führung die Künstler Maria Anwander<br />

und Ruben Aubrecht, deren konzeptuelle Werke den Kunstbetrieb<br />

und seine gesellschaftliche Relevanz kritisch beleuchten. Nach der<br />

Führung durch die Ausstellung werden die beiden Künstler einige<br />

ihrer Videoarbeiten präsentieren.<br />

Führung<br />

Fix<br />

Öffentliche Führungen werden am Donnerstag 19 Uhr,<br />

Samstag 14 Uhr und Sonntag 16 Uhr angeboten.<br />

Direktorführung<br />

• Donnerstag, 3. Dezember, 19 Uhr<br />

Architekturführung<br />

• Sonntag, 6. Dezember und 3. Januar, jeweils 11 Uhr<br />

Familienführung<br />

• Sonntag, 27. Dezember und 10. Januar, jeweils 14 Uhr<br />

Backstageführung<br />

• Donnerstag, 7. Januar, 19 Uhr<br />

KUB + Kaffee<br />

• Dienstag, 12. Januar, 15 Uhr | Einem geführten Rundgang<br />

durch die Ausstellung folgt die Nachlese im KUB-Café.<br />

Subjektiv<br />

• Donnerstag, 14. Januar, 19 Uhr | Bei dieser Führung stehen<br />

die Sensibilisierung der Wahrnehmung sowie die Reflexion<br />

des psychischen und physischen Erlebens im Mittelpunkt.<br />

Kunsthaus Bregenz<br />

Karl-Tizian-Platz, A-6900 Bregenz<br />

Telefon (+43-5574) 485 94-0<br />

www.kunsthaus-bregenz.at<br />

Film<br />

Filmabend<br />

• Donnerstag, 3. Dezember und 7. Januar, ab 18 Uhr | Auf Wunsch von<br />

Tony Oursler wurde ein dezidiert schrilles Filmprogramm zusammengestellt,<br />

in dem einerseits frühere Videoarbeiten gezeigt, andererseits<br />

mit fremden Filmen die Zwischentöne der Ausstellung reflektiert werden.<br />

Unter anderem präsentiert werden Billy Wilders »Lost Weekend«<br />

(1945), Anti-Drogen-Filme der 1950er- bis 70er-Jahre, der Dokumentarfilm<br />

»Obedience« (1962, Stanley Milgram), der nach Beendigung<br />

des berühmten Milgram-Experiments gedreht wurde und erstaunliche<br />

Ergebnisse über den Gehorsam gegenüber Autoritäten vor Augen<br />

führt, und aktuelle Beispiele der A&E-TV-Serie über Messies (»Hoarders«,<br />

2009).<br />

Jugend – Kind<br />

ART CRASH<br />

• Freitag, 4. Dezember und 8. Januar, 16–18 Uhr | Beim ART CRASH<br />

haben Jugendliche die Möglichkeit, zusammen mit der Künstlerin<br />

Kirsten Helfrich Ausstellungen zu besuchen, Künstlern in ihrem<br />

Atelier über die Schulter zu schauen und ganz generell über Kunst zu<br />

sprechen. Außerdem bieten wir immer wieder coole Jobs an! Infos<br />

unter: k.helfrich@kunsthaus-bregenz.at oder(+43-55 74) 4 85 94-415.<br />

»Leise rieselt …«<br />

• Samstag, 19. Dezember, 10 –13 Uhr und 14–17 Uhr | Noch rechtzeitig<br />

vor Weihnachten besteht die Möglichkeit, mit Marco Ceroli kreative<br />

Geschenke und Weihnachtsdekora tionen zu basteln. Für Kinder von<br />

5 bis 12 Jahren; keine Anmeldung erforderlich.<br />

»Dosenschleim mit Augen«<br />

In den Weihnachtsferien von Dienstag, 29. bis Donnerstag,<br />

31. Dezember ( jeweils 10 – 13 Uhr) bietet Marco Ceroli einen Workshop<br />

nach der Munari-Methode für Kinder von 6 bis 12 Jahren an.<br />

Präsentiert werden die Ergebnisse am Donnerstag, 31. Dezember,<br />

um 13 Uhr im Kunsthaus. Buchung einzelner Tage möglich;<br />

Anmeldung erbeten: (+43-55 74) 4 85 94-415.<br />

Kunstdrache<br />

Der Kunstdrache erzählt dieses Mal zusammen mit dem Dosenschleim<br />

am Mittwoch, 13. Januar um 15 Uhr für Kinder im Alter von 4 bis<br />

10 Jahren Kunstgeschichten.<br />

Workshop<br />

Für Kinder im Alter von 5 bis 10 Jahren findet jeden Samstag von<br />

10 bis 12 Uhr ein Workshop statt. Nach einem Rundgang durch die<br />

aktuelle Ausstellung werden die vermittelten Inhalte anschließend<br />

beim praktischen Arbeiten vertieft.<br />

Öffnungszeiten<br />

Di – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 21 Uhr


8 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch I - Angelo & Superrudi Nr. <strong>22</strong>/2008<br />

Superrudi<br />

NEU!!!<br />

EX- ’KRONE’ - <strong>ST</strong>AR im <strong>ST</strong>/A/R<br />

Auch monatlich im neuen Satiremagazin Rappelkopf.<br />

Hier ein paar nie in der ‘KRONE’ erschienene Strips.<br />

<strong>ST</strong>/A/R kennt keine Zensur.


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch II - Denker <strong>ST</strong>/A/R 9<br />

“Art-Free Territory”, Art Basel Miami Beach<br />

© Lena Lapschina<br />

Die fünfziger Jahre<br />

Kunst und Kunstverständnis in Wien<br />

Museum auf Abruf<br />

6.11.2009 – 9.1.2010<br />

Felderstraße 6-8, Wien 1<br />

(neben dem Rathaus)<br />

Di–Fr 11.00 –18.00, Do 11.00 –20.00<br />

Sa 11.00 –16.00<br />

Eintritt frei<br />

www.musa.at


10 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch II - Denker Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

Bosnien und<br />

Herzegowina<br />

Geschichte, Kultur, landschaft und reiseinfo<br />

ein ausgezeichneter reiseführer von elisabeth gschaider.<br />

314 seiten, mit etwa 450 Farb- und s/w-Fotos und diversen Karten.<br />

alle wichtigen sehenswürdigkeiten, fundierte Hintergrundinformationen<br />

über Land und Leute, ausführliche Kapitel zu<br />

geschichte und Kultur, verlässliche Tipps für sympatische Hotels und<br />

restaurants, Transporthinweise, Tipps für aktivitäten<br />

erhältich im gutsortierten Buchhandel (isBn-13 978-3-200-00619-5)<br />

sowie unter e.gschaider@ottensheim.at


Nr. <strong>22</strong>/2009 Buch II - Denker<br />

<strong>ST</strong>/A/R 11<br />

CATHERINE PANDORA<br />

<br />

im metallischen leben aalglatt verbeult scheint der geist gläsern<br />

glatt spiegelblau und parzelliert- wie ein wortloses licht wie eine<br />

atomare diskrepanz


Städteplanung / Architektur / Religion Buch II - Denker <strong>ST</strong>/A/R 13<br />

“WHY IS IT WE’RE HERE....?<br />

WE’RE HERE TO GO!” (W.S.BURROUGHS)<br />

HANS BIWI LECHNER “THE TRAVELER” 2009<br />

www.getstoned.cc


14 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch II - Denker Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

Radikal in der<br />

Gesprächsverwurschtung<br />

mit Gerald Kofler<br />

Radikal: Du frogst, i trink<br />

Kofler: Lieber Radikal, jetzt<br />

hast Du.....<br />

Radikal: Naa, nix kein neues Barock.<br />

3 Fragen und aus.<br />

Kofler: Ok. Was war dein<br />

Berufswunsch<br />

Radikal: Eichkatzl in Schönbrunn.<br />

Weu erstens, waun dem Eich<br />

katzl fad is, kauns auf<br />

an dünnen Ast steign und Zü<br />

scheißn auf irgendan Tou<br />

ristn.<br />

Zweitens, waun dem Eich<br />

katzl no fader is, kauns<br />

umme ins Poimenhaus und<br />

a Bissl Peyote knabbern<br />

Drittens, wann des Eich<br />

katzl daun vur lauter Stress<br />

an Ruhetog braucht,<br />

kanns owe ge und ein<br />

gemütliches Frühstück zu<br />

sich nehmen.<br />

Kofler: Was is dei liabstes Hobby<br />

Radikal: Vermeintliche Niederlagen<br />

in persönliche Siege umwan<br />

deln, wauns´t ma scho so<br />

amtliche Fragen stöst<br />

Kofler: Du sagst, Deine Wohnung<br />

sei ein psychodelisches Aus<br />

kunftsbüro. Wieso?<br />

Radikal: Weil ich mir die Feiheit her<br />

ausgenommen hab, dass<br />

i meinem Leben so weit Aus<br />

druck gebe, dass erkennbar<br />

ist, dass es auch anders geht.<br />

Kofler: Naja. Aber was hat das mit<br />

Psychodelik zu tun?<br />

Radikal: Herr Redakteur, sie sind zu<br />

wenig entspannt.<br />

Kofler: Wieso?<br />

Radikal: Jetzt sind wir dort, wo eigent<br />

lich Dei Psychotherapeut<br />

Geld verdienen möchte.<br />

Kofler: OkOk. Red ma über Deine<br />

künstlerische Sendung.<br />

Radikal: Künstlerische Sendung ist<br />

Arbeitsunfähigkeit<br />

mal Kreativität. Soll kaaner<br />

sagen ich hob mi net<br />

bemüht.<br />

Fotos, Grafik, Layout Gerald Kofler


Nr. <strong>22</strong>/2009 Buch II - Denker<br />

<strong>ST</strong>/A/R 15<br />

RADIKAL, Rene<br />

Nach erfolgreicher Abwicklung der Geburt zunächst intensive<br />

Beschäftigung mit dem Phänomen Wachstum, dann eine Phase<br />

des Studiums der Halluzinogene und der unermüdicher Kampf für<br />

den Sieg des Individualanarchismus. Lebt und leidet in Wien und<br />

Indien. Veröffentlichungen im Falter, Wiener, MOZ, ÖHxpress, Der<br />

rote Maulwurf.<br />

Arbeit macht high<br />

Meine Fleischerin trägt einen blutigen Arbeitsmantel. Sie zerschneidet<br />

ein Herz. Über ihren geschickten Fingern wölbt sich ihr üppiger Körper.<br />

Ihr gewaltiger Fleischwolf glänzt im Neonlicht wie eine Rakete<br />

- einmal Orgasmus und zurück. Sie füttert die Maschine mit einem<br />

gut abgehangenen Bullen und streut noch einen Sauschädel vom<br />

Magistrat drüber. Zwischen ihren allerliebsten Wurstfingern quellen<br />

hellrosa Fleischpatzen hervor. Mit einer raschen, geradezu eleganten<br />

Bewegung ihrer kräftigen Arme wischt sie ihre Hände am Arbeitsmantel<br />

sauber und reibt sich kurz aber eenüsslich die Oberschenkel.<br />

Ich schlachte inzwischen eine allzu zutrauliche Insassin des nahe<br />

gelegenen Altersheimes. Auf Grund der geringen Fleischausbeute<br />

tippt sich meine Chefin an die Stirn und sieht dabei drein wie Jazz-<br />

Gitti während ihrer 37.ten Abmagerungskur. Ich zucke nur mit den<br />

Achseln und schleppe die alte Dame ins Kühlhaus. Der Fleischerhaken<br />

fährt aanz leicht durch den Pepitamantel. Meine Fleischerin knackt<br />

zwischenzeitlich den Quadratschädel eines Kompaniekommandanten,<br />

klatscht das bisschen Hirn auf die Waage und brummelt grantig: „Das<br />

wird teuer.“<br />

Unter ihrem prall gefüllten Arbeitsmantel zeichnen sich die Ränder<br />

einer gerippten Baumwollunterhose ab. Ich freu‘ mich schon auf<br />

Ladenschluss. „Der Offizier ist aber flachsie“, meint meine Chefin. Ich<br />

komme ihr mit der Kettensäge zu Hilfe, denn das Militär verarbeiten<br />

wir mit Ausnahme des Hirns und der Innereien grundsätzlich zu<br />

Hundefutter.<br />

Langsam geraten wir ins Schwitzen und ich öffne das Fenster zum<br />

Hof.<br />

Während sich meine Chefin nun beim Zubereiten der Leberknödel<br />

erholt, weide ich meinen Vater aus, der mich unvorsichtigerweise an<br />

meinem Arbeitsplatz besuchen wollte. Seine Segelohren behalte ich<br />

als Souvenir, obwohl sie uns für den Presskopf fehlen werden. Ich bin<br />

ein ziem lich sentimentaler Mensch.<br />

Jetzt müssen wir nur noch die Mutter Oberin vom Kloster zur<br />

unbefleckten Empfängnis zerteilen. Ich reiße mir heimlich ihre Klitoris<br />

unter den Nagel. Man gönnt sich ja sonst nichts. Ein rascher Blick auf<br />

die Uhr, schon wieder ist ein Arbeitstag vorbei. Ich putze noch rasch<br />

den Laden und meine Chefin lässt inzwischen das Badewasser ein.<br />

Dann steigen wir benommen aber glücklich gemeinsam in die Wanne.<br />

ARBEIT MACHT HIGH!


16 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch II - Denker Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

2<br />

1<br />

3<br />

6<br />

Leopoldstadt, 2004, © Atelier Erwin Wurm<br />

4<br />

5<br />

Kunst 09 Zürich 15. Internationale Messe für Gegenwartskunst, 13. bis 15. November: 1-Muyan Lindena: Arbeit am Innenleben der Readymades; Galerie<br />

Chelsea, Laufen. -Wer genau hinschaut sieht mehr: Alexandra Huber, “Die Mannsprächtige” (Ausschnitt), 2008; Galerie Brunner, Zürich. 3-Es wäre noch<br />

Platz da gewesen: Tür in einem freien Raum der ABB-Industriehallen. 4-Saubere Ästhetik aus ungewohner Perspektive: Messebesucher hinter Kunsstofftür<br />

vor Zaccheo Zilioli, Ohne Titel, 2008; Galerie Carzaniga, Basel. 5-Orientierungshilfe in Zürich-Oerlikon. 6-Österreichische Kunst auf Erfolgskurs: Elmar<br />

Trenkwalders erkundet spirituelle Sexualität; Galerie Jordan, Paris, Zürich. 7-Alle bewundern Sissi, auch ihr Herr Gemahl: Gemälde von Nina Childress; Galerie<br />

Jordan, Paris, Zürich. 8-Kunst an der Grenze zwischen Wahrnehmung und Erscheinung: Zhang Peng, “Gaze of Sorrow” (Ausschnitt), 2006; Galerie Art<br />

Seasons, Zürich. 9-Objekt und Gedanke als einmalige Form: Marie-Louise Leus, “Schmeichler”, 1997; Galerie Chelsea, Laufen. 10-Der Kunstmarkt lebt! Schildlein<br />

neben einer Arbeit von Raphaël Renaud; Galerie Schlesinger, Zürich. 11-Träumen Hunde von klaren Formen? Messestand der Galerie La Ligne, Zürich.<br />

12-Kunst ohne konzeptuelle Blöße: Vera Molnar, “Dédale Carré”, (Ausschnitt), 2008, Galerie La Ligne, Zürich.<br />

10<br />

7<br />

11<br />

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8<br />

9


Nr. <strong>22</strong>/2009 Buch III - Kammer<br />

<strong>ST</strong>/A/R 17<br />

DI Andreas Gobiet, Zivilingenieur für Bauwesen,<br />

Präsident der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten<br />

für Wien Niederösterreich und Burgenland<br />

Die Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten<br />

für Wien Niederösterreich und Burgenland<br />

Leitbild<br />

Als gesetzliche Interessensvertretung sind wir berufen, innerhalb unseres örtlichen<br />

Wirkungsbereiches die beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der<br />

Architekten und Ingenieurkonsulenten wahrzunehmen und zu fördern.<br />

Im Wissen über den Wert der Leistungen der Ziviltechniker für die Gesellschaft<br />

als Ganzes verstehen wir uns über den gesetzlichen Auftrag hinaus als aktive Lobbyplattform,<br />

die sich systematisch für die Verbesserung der Modalitäten der Berufsausübung<br />

einsetzt.<br />

Dies tun wir durch konsequente Pflege der Beziehungen zu und Verhandlungen mit<br />

den wesentlichen öffentlichen und privaten Auftraggebern, durch Einflussnahme<br />

auf die Formulierung der einschlägigen Gesetze, Verordnungen, Normen, Richtlinien<br />

und Empfehlungen sowie durch die Vernetzung mit den wesentlichen Protagonisten<br />

des Planungs- und Baugeschehens national und international.<br />

Neben der Interessessensvertretung steht die Erbringung von konkreten Serviceleistungen<br />

für unsere Mitglieder gleichrangig im Zentrum unserer Bemühungen.<br />

Tragende Säulen dabei sind die kostenlose Rechtsberatung für Mitglieder, das<br />

Angebot attraktiver, dem jeweiligen Stand der Diskussion entsprechender Weiterbildungsveranstaltungen<br />

sowie eine aktive Öffentlichkeitsarbeit.<br />

wien.arching.at<br />

Die Kammermitglieder<br />

ArchitektInnen: 1.635, davon 281 Frauen.<br />

IngenieurkonsulentInnen: 1.127, davon 53 Frauen<br />

DI Hans Polly, Ingenieurkonsulent<br />

für Vermessungswesen,<br />

Sektionsvorsitzender Ingenieurkonsulenten<br />

DI Thomas Kratschmer,<br />

Architekt Sektionsvorsitzender<br />

Architekten<br />

Interessenvertretung und Service<br />

sind unsere Stärken<br />

Die Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten stellt ihren<br />

Mitgliedern ein umfangreiches Lobbying- und Servicepaket zur<br />

Verfügung. Die Serviceleistungen reichen von der Unterstützung<br />

auf dem Weg in die Selbständigkeit über Rechtsberatung bis hin zur<br />

Förderung der Aus- und Weiterbildung von Ziviltechnikern.<br />

Beratung von Mitgliedern in Rechts- und Honorarfragen-<br />

Beratung von Auftraggebern in Verfahrensfragen<br />

Wettbewerbsinformation für Mitglieder<br />

Positionierung in der Gesellschaft<br />

Service bei Bürogründung<br />

Rechtsberatung für Mitglieder<br />

Verbesserung planerischer und<br />

gestalterischer Rahmenbedingungen<br />

Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung<br />

Wettbewerbsinformation<br />

Aus-, Fort- und Weiterbildung<br />

Kammerzeitung DerPlan<br />

Gobiet


18 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch III - Kammer Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

www.archingakademie.at<br />

Die Förderung lebenslanger Aus- und Weiterbildung ist eine wesentliche Aufgabe einer modernen Berufsvertretung.<br />

Die Kammer bietet seit nunmehr mehr als zehn Jahren aktuelle, praxisbezogene Bildungsveranstaltungen im<br />

Rahmen einer eigenen Akademie.<br />

Dienstleistung „at its best“ –<br />

Wissen schafft Sicherheit.<br />

Für mich bedeuten mehr als zehn Jahre Arch+Ing<br />

Akademie zehn Jahre Dienstleistungserbringung<br />

für Mitglieder der Kammer auf Top-Niveau. Die<br />

Arch+Ing Akademie hat in dieser Zeit nicht nur unzählige<br />

Berufsanwärter und Mitglieder mit Seminaren,<br />

Kursen und Lehrgängen „versorgt“, sie hat auch<br />

die wesentlichen Partner der Architekten und Ingenieurkonsulenten,<br />

im Planungs- und Bauprozess<br />

erfolgreich angesprochen und sich damit zu einer<br />

Wissensplattform für die wesentlichen „Spieler“ des<br />

Baugeschehens entwickelt. Wir, die Architekten und<br />

Ingenieurkonsulenten haben dabei die Gelegenheit,<br />

unsere Inhalte strukturiert in die verwandten<br />

Branchen zu tragen: Bildungsarbeit als Maßnahme<br />

zur Sicherung strategischer Interessenpositionen<br />

des Berufsstandes. Dieser Aspekt scheint mir von<br />

überragender Bedeutung zu sein.<br />

Neben dem Austausch von Wissen findet aber auch<br />

Vernetzung von Planern untereinander sowie von<br />

Planern mit Vertretern anderer Branchen statt.<br />

Beide Faktoren sind für eine gedeihliche Projektentwicklung,<br />

Planung und Umsetzung unabdingbare<br />

Voraussetzung. Last, but not least ist es der<br />

Arch+Ing Akademie gelungen, all ihre Aktivitäten<br />

auch wirtschaftlich erfolgreich zu organisieren.<br />

Neben dem eingezahlten Stammkapital von 35.000<br />

Euro waren weitere Bezuschussungen nicht erforderlich.<br />

Im Gegenteil, die wirtschaftlichen<br />

Erfolge der Arch+Ing Akademie kamen und kommen<br />

den Mitgliedern unserer Kammer unmittelbar<br />

zugute: Zum einen wurde der Umbau der Kammer<br />

2000 zu einem modernen Seminar- und Tagungszentrum<br />

ausschließlich von der Arch+Ing Akademie<br />

finanziert, zum anderen schüttet die Arch+Ing<br />

Akademie regelmäßig Gewinne aus, die direkt<br />

in das Budget der Kammer fließen. Aus heutiger<br />

Sicht gilt es für die Kammer, den eingeschlagenen<br />

Weg abzusichern und vorhandene Potenziale zu<br />

nutzen. Ich habe mich daher seit Beginn meiner<br />

Amtszeit dafür eingesetzt, die Arch+Ing Akademie<br />

strukturell zu stärken. Mit der Einführung eines<br />

zweiten Geschäftsführers, der unter der Leitung<br />

des Kammerdirektors vor allem im Bereich der<br />

Produktentwicklung tätig ist, haben wir eine wichtige<br />

Voraussetzung für eine kontrollierte Expansion<br />

geschaffen.<br />

Unter Expansion der Arch+Ing Akademie verstehe<br />

ich primär die Expansion des Bildungsangebotes<br />

mit dem Ziel, allen Mitgliedern unserer Kammer<br />

Weiterbildungsangebote in verschiedenen Formaten<br />

zur Verfügung zu stellen, die sie in ihrem konkreten<br />

Arbeitskontext unmittelbar unterstützen. Denn so<br />

viel ist klar: So wie Europa im globalen Wettbewerb<br />

nur als Wissensgesellschaft überleben kann, wird<br />

letztlich auch der Wettbewerb auf unternehmerischer<br />

Ebene über das Wissen entschieden.<br />

DI ANDREAS GOBIET<br />

Präsident, Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten<br />

für Wien, Niederösterreich und Burgenland<br />

Branchen- und disziplinenübergreifende<br />

Vernetzung<br />

Schärfung des Profils<br />

Praxisnähe<br />

Förderung berufspolitischer<br />

Interessen<br />

Aktualität und Pluralität<br />

Nähe zum Kunden<br />

Dialog zwischen den wichtigen<br />

Spielern des Planungsund<br />

Baugeschehens<br />

Top-Referenten und Trainerpool<br />

Offenheit und Internationalität


Nr. <strong>22</strong>/2009 Buch III - Kammer<br />

<strong>ST</strong>/A/R 19<br />

Ein Leben für zeitgemäßen Brückenbau<br />

Prof. Alfred Pauser erhielt den ersten Wiener Ingenieurpreis<br />

Gemeinsam mit der Stadt Wien<br />

vergibt die Kammer der Architekten<br />

und Ingenieurkonsulenten<br />

für Wien, Niederösterreich und<br />

Burgenland alle zwei Jahre den Wiener<br />

Ingenieurpreis.<br />

Als erster Gewinner übernahm am 23.<br />

Oktober 2008 der Grandseigneur des<br />

Wiener Brückenbaus, Prof. Alfred Pauser,<br />

den mit 10.000 Euro dotierten Preis<br />

aus den Händen von Stadtrat Rudolf<br />

Schicker und Kammer-Präsident Andreas<br />

Gobiet.<br />

Obwohl Ingenieurleistungen für den<br />

Bau und Erhalt der technischen Infrastruktur<br />

der Gesellschaft sorgen,<br />

wird ihre Arbeit von der Öffentlichkeit<br />

kaum wahrgenommen. Reibungsloser<br />

Verkehr auf Straße und Schiene, sichere<br />

Versorgung mit Wärme, Strom und<br />

Trinkwasser, Abfallentsorgung – alle<br />

diese im Alltag so selbstverständlich<br />

genutzten Dienste werden durch die<br />

im Hintergrund geleistete Arbeit der<br />

Ingenieure bereitgestellt. Mit der Vergabe<br />

des Wiener Ingenieurpreises soll<br />

auf das Können der österreichischen<br />

Ingenieurinnen und Ingenieure aufmerksam<br />

gemacht und ihr Beitrag zum<br />

gesellschaftlichen Wohlstand hervorgehoben<br />

werden. Gleichzeitig sollen damit<br />

junge Talente für die technischen Berufe<br />

begeistert werden.<br />

Nachwuchsmangel<br />

Trotz der wichtigen gesellschaftlichen<br />

Funktion, die Ingenieure ausüben, ist<br />

ihr Ansehen in der breiten Öffentlichkeit<br />

heute unangemessen gering. Diese<br />

fehlende Wertschätzung schlägt sich in<br />

einem bedenklichen Mangel an Nachwuchskräften<br />

nieder; und das, obwohl<br />

die Nachfrage nach Absolventen technischer<br />

Studien ständig steigt. Angehenden<br />

Jungingenieuren bietet sich ein<br />

weites Betätigungsfeld: von der technischen<br />

Chemie, dem Maschinenbau, der<br />

Elektrotechnik und Elektronik über das<br />

Bauwesen und die Kulturtechnik bis hin<br />

zur Raumplanung.<br />

Alfred Pauser, der Grandseigneur des<br />

Wiener Brückenbaus<br />

Wien ist eine Brückenstadt: Brücken<br />

überspannen die Donau und den sich<br />

durch das Stadtzentrum schlängelnden<br />

Donaukanal. Auch im übrigen Stadtgebiet<br />

finden sich viele Brücken, weithin<br />

sichtbare Hochstraßen und tiefliegende,<br />

verdeckte Straßenbrücken. Wer sich<br />

eingehend mit den Wiener Brücken befasst,<br />

findet viele interessante Objekte.<br />

An dieser beachtlichen Sammlung haben<br />

österreichische Ingenieure seit 200<br />

Jahren mitgewirkt. In der zweiten Hälfte<br />

des 20. Jahrhunderts trat der Bauingenieur<br />

Alfred Pauser als Ausnahmeerscheinung<br />

auf den Plan. Wissenschaftliche<br />

Interessen ließen ihn sich früh mit<br />

neuen Konstruktionsverfahren wie dem<br />

Spannbeton befassen, zugleich blieb er<br />

in engem Kontakt mit der Realisierungspraxis,<br />

sodass er einige Pionierwerke<br />

errichten konnte. Er suchte und hielt<br />

international Kontakt und förderte den<br />

Wissensaustausch. Als einer der Wenigen<br />

seines Berufsstandes interessierte<br />

er sich für die Geschichte der eigenen<br />

Disziplin, um daraus zu lernen. Immer<br />

wieder erprobte er neuartige Tragkonzepte,<br />

die besonders bei Brücken im<br />

städtischen Umfeld zu beachtlichen Resultaten<br />

führten. Nicht nur die Ansicht,<br />

auch und insbesondere die Untersicht<br />

ist perfekt durchgearbeitet, sodass eine<br />

nächtliche Beleuchtung ihre Attraktivität<br />

noch steigert. Schönheit und Eleganz<br />

seiner Brücken sind immer integrierende<br />

Bestandteile ihres konstruktiven<br />

Konzepts; nie sind sie bloß appliziert.<br />

Dank seiner breiten Kenntnisse sind<br />

zahlreiche Bauwerke entstanden, die<br />

nicht nur kraftvoll und elegant wirken,<br />

sondern für die der schmale Bereich<br />

gestalterischer Möglichkeiten, den Ingenieurbauwerke<br />

aufweisen, optimal ausgeschöpft<br />

wurde. So bereichern seine<br />

Werke die Stadt Wien nicht bloß funktional,<br />

sondern ebenso ästhetisch.<br />

Geboren wurde Alfred Pauser 1930 im<br />

niederösterreichischen Gmünd. Er studierte<br />

an der Technischen Hochschule in<br />

Wien Bauingenieurwesen. 1964 gründete<br />

er sein eigenes Zivilingenieurbüro.<br />

1982 wurde er als Ordinarius für Hochbau<br />

an die Technische Universität Wien<br />

berufen, 1997 emeritiert.


Städteplanung / Architektur / Religion Buch III - Kammer <strong>ST</strong>/A/R 21<br />

Der junge Ziviltechniker 2009<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Was will der junge Ziviltechniker?<br />

Lukas Goebl: Die Welt umbauen... nicht die Ganze, aber so viel wie mögich!<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Was macht dich so zuversichtlich?<br />

Lukas Goebl: Ich hatte eine hervorragende Ausbildung, u.a. bei Wolf D. Prix auf der<br />

Angewandten, wo ich auch Heidulf Gerngross kennen lernte und bei seinen Projekten<br />

und Ausstellungen mitgestalten konnte, vor allem bei der Architekturbiennale von<br />

Venedig. Meine 3 Jahre Praxis absolvierte ich bei meinem Vater Fritz Göbl, der<br />

schon mehr als 2000 Wohnungen und einige Kulturbauten, darunter das Forum<br />

Frohner, geplant und gebaut hat.<br />

ZT<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Hattest du dich auch schon früher für die Arbeit als selbstständiger<br />

Architekt vorbereitet?<br />

Lukas Goebl: Sofort nach meinem Diplom 2005 habe ich das Explicit Architecture<br />

Lab gegründet. Kurz darauf sind mein Architekturpartner<br />

Dipl.Ing. Oliver “Giger” Ulrich, sowie der Audio- Videodesigner Boris “BiBo”<br />

Steiner dazugestoßen. Seitdem arbeiten wir an nationalen und internationalen<br />

Wettbewerben, Ausstellungen, Ausstellungsgestaltungen, Videodesign,<br />

Stadtutopien und natürlich an konkreten Architekturprojekten.<br />

Ich hab den Ziviltechnikerkurs der ArchIng-Akademie absolviert und bemerkt, dass<br />

ich einiges zur Vorbereitung meiner Selbständigkeit lernen konnte.<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Ist eure Arbeit schon bemerkt worden?<br />

Lukas Goebl: Wir haben beim Wettbewerb Science Center Wels einen Ankauf<br />

errungen, das Margarete Schütte-Lihotzky Stipendium 2009 bekommen, sind<br />

zu internationalen Architekturausstellungen eingeladen (Kosice, Wien, Krems,<br />

Bratislava, Kopenhagen, Lubljana, etc...) und bekommen nun die Chance, die eine<br />

oder andere Arbeit realisieren zu dürfen.<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Und jetzt?<br />

Lukas Goebl: Jetzt sind wir ein neues Büro in die Brunnenmarktgegend gezogen<br />

und arbeiten an 3 Projekten, die realisiert werden könnten. Weiters habe ich<br />

einen Lehrauftrag an der New Design University St. Pölten, im Masterlehrgang<br />

“Innovation- und Gestaltungsprozesse”. In Kosice an der technischen<br />

Universität, leiten Oliver und ich ein Städtebaustudio. Wir arbeiten auch an<br />

zwei Städteplanungsprojekte, Twin City Wien-Bratislava und Kosice-Presov.<br />

Zusätzlich bereiten wir zwei Ausstellungsbeitrage vor.<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Wir wünschen Euch viel Erfolg und es wird uns freuen über euren<br />

Fortschritt zu berichten.<br />

Lukas Goebl: Kann ich noch unsere Homepage bekannt geben?<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Selbstverständlich: www.explicit-architecture.com<br />

Ankauf Science Center Wels in Passivbauweise<br />

GALERIE <strong>ST</strong>EINEK


<strong>22</strong> <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch III - Kammer Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

<strong>ST</strong>/A/R Architekt Helmu<br />

TANZ MIT DEN<br />

BÄUMEN<br />

Die Baukörper wiegen sich im Takt<br />

mit den Bäumen, sie schmiegen<br />

sich an, sie weichen zurück, sie<br />

drehen sich. Der Charakter des<br />

Parkes mit dem herrlichen alten<br />

Baumbestand bleibt erhalten.<br />

Ein wunderschönes<br />

Grundstück – fast eine<br />

Parkanlage mit prachtvollem,<br />

altem Baumbestand.<br />

Was liegt näher, als das<br />

Gebäude dem Baumbestand<br />

anzupassen,<br />

einen „Tanz mit den Bäumen“<br />

zu versuchen und zu wagen,<br />

vier Ebenen, jede Ebene anders<br />

geschwungen konfiguriert,<br />

auf denen eingeschossige<br />

Stadtvillen ruhen.<br />

Durch die differenzierte<br />

Konfiguration der Decks<br />

entstehen vollkommen<br />

besonnte als auch gedeckte<br />

Terrassenflächen.<br />

DI Helmut Wimmer Architekt<br />

Margaretenstraße 70D/2<br />

1050 Wien<br />

Schönbrunnerstraße 26<br />

1050 Wien<br />

Tel. 01 587 85 33<br />

Fax. 01 587 85 33 – 21<br />

E-Mail: wimmer@ats-architekten.at<br />

Mitarbeit:<br />

DI Andreas Gabriel (Projektleiter)<br />

DI Bernhard Weinberger<br />

Ing. Manuel Hajek<br />

DI Angela Wimmer<br />

Ing. Gudrun Alk<br />

DI Peter Hinterkörner<br />

Ausführungsplanung:<br />

uma Architektur ZT GmbH<br />

DI Ernst Unterluggauer<br />

Landschaftsplanung<br />

EGKK Landschaftsarchiktektur<br />

Mollardgasse 85a/11/107<br />

1060 Wien<br />

Statik und Bauphysik:<br />

Vasko + Partner Ingenieure GesmbH<br />

Grinzinger Allee 3<br />

1190 Wien<br />

DI Alexander Krakora<br />

Generalunternehmer:<br />

Bauunternehmung Rudolf Gerstl<br />

Kalkofenstraße 25<br />

4600 Wels


*<br />

*<br />

WM<br />

*<br />

*<br />

WM<br />

*<br />

*<br />

Nr. <strong>22</strong>/2009 Buch III - Kammer<br />

<strong>ST</strong>/A/R 23<br />

t Wimmer<br />

Le Corbusiers Thema, „das Wohngebäude<br />

nicht nur als Teil der Stadt, sondern als<br />

Stadtlandschaft selbst“ gesehen, als vertikal<br />

geschichtetes Bauland, das Gebäude<br />

als Katalysator für die Verdichtung und<br />

Schichtung des städtischen Raumes.<br />

WM<br />

WM<br />

WM<br />

WM<br />

1m 5m 10m<br />

1 : 250; CUMBERLAND<strong>ST</strong>RASSE - HELMUT WIMMER<br />

1m 5m 10m<br />

Wohnungsanzahl:<br />

Bauteil Migra (Straßenriegel):<br />

32 Wohnungen (von ca.62m2 bis ca.140m2):<br />

26 geförderte Mietwohnungen<br />

3 geförderte Eigentumswohnungen<br />

3 freifinanzierte Eigentumswohnungen<br />

32 Garagenplätze<br />

1 : 250; CUMBERLAND<strong>ST</strong>RASSE - HELMUT<br />

Bauteil Arwag (Gartengebäude):<br />

24 Wohnungen (von ca.87m2 bis ca.130m2):<br />

6 geförderte Eigentumswohnungen<br />

18 freifinanzierte Eigentumswohnungen<br />

27 Garagenplätze


24 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch III - Kammer Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

Kontakt Kunst und Kultur<br />

Kontakt. Das Programm für Kunst<br />

und Zivilgesellschaft der Erste Bank<br />

www.kontakt.erstegroup.com<br />

PARTNER<br />

KLANGFORUM<br />

PARTNER<br />

VIENNALE<br />

PARTNER<br />

TANZQUARTIER<br />

PARTNER<br />

VIENNAFAIR<br />

PARTNER<br />

SECESSION


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch IV - ZEYTINOGLU <strong>ST</strong>/A/R 25<br />

Weltarchitekt<br />

Arkan Zeytinoglu<br />

Foto: Katharina Gossow<br />

DU


26 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch IV - ZEYTINOGLU Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

Arkan Zeytinoglu (Traditionalist)<br />

Jede Veränderung die keine Verbesserung ist, ist eine Verschlechterung. (nach A. Loos)<br />

Arkan Zeytinoglu ist als Architekt,<br />

freier Künstler und Designer<br />

in Wien tätig. 1968 wurde er<br />

in Klagenfurt geboren, besuchte<br />

das Gymnasium in Viktring und<br />

studierte von 1986 – 1994 Architektur<br />

an der Technischen Universität<br />

Graz. 1988 – 89 studierte<br />

er Design bei dem Architekten<br />

und Künstler Raimund Abraham<br />

(NewYork). 1993 besuchte er die<br />

Sommerakademie bei der international<br />

renommierten Architektin<br />

Zaha Hadid in Graz. Nach dem<br />

Diplom 1994 arbeitet er ein Jahr<br />

in New York an der Cooper Union<br />

(5th Year Design Studio mit John<br />

Hejduk). Seit 1995 ist er staatlich<br />

befugter und beeideter Ziviltechniker.<br />

Der eine macht<br />

Wurstsemmeln, der<br />

andere Architektur.<br />

Wichtig ist doch, dass<br />

man lebt.<br />

1995 gewann Arkan Zeytinoglu<br />

den Generalplanerwettbewerb für<br />

den Neubau des Bezirksgerichts<br />

Graz und gründete Büros in Wien<br />

und Klagenfurt.<br />

Derzeit deckt die Zentrale in Wien<br />

mit 15 Mitarbeitern sämtliche Leistungen<br />

im Bereich von Architektur<br />

und Interior Design ab, arbeitet<br />

ebenso im Bereich Masterplanung<br />

und realisiert als Generalplaner<br />

Projekte für staatliche und private<br />

Bauherren.<br />

In den vergangenen Jahren wurde<br />

eine Vielzahl von Projekten im<br />

In- und Ausland realisiert, von Bürogebäuden<br />

über Privatobjekte bis<br />

Aus dem Nichts entsteht<br />

nichts. Vielmehr ist es,<br />

dass Vieles viel ist.<br />

hin zu Hotels, Restaurants und<br />

Bars, wobei der Hotelbau einen besonderen<br />

Schwerpunkt darstellt.<br />

Nach gewonnenem Wettbewerb,<br />

ist das Büro zusammen mit SPAN<br />

Architects für den Bau des österreichischen<br />

Pavillon für die Expo<br />

2010 in Shanghai beauftragt.<br />

Architekturbüro Zeytinoglu<br />

ZT GmbH<br />

Mariahilfer Straße 101/3/51<br />

A-1060 Wien<br />

Tel.: +43 (1) 595 38 04-0<br />

Fax: +43 (1) 595 38 04-16<br />

office@arkan.at<br />

www.arkan.at<br />

Dachaufbau Mariahilferstrasse 1:<br />

Das in der Gründerzeit geplante bzw. gebaute Gebäude war ursprünglich mit einer reich dekorierten<br />

Fassade und einer turmartigen Ausbildung an der nordöstlichen Ecke versehen.<br />

Nach einem schweren Bombenschaden im Zweiten Weltkrieg erhielt das Haus eine „Sparfassade“, die<br />

gänzlich auf Dekor verzichtete und nur durch die verbliebenen Fensterflächen strukturiert wurde.<br />

Im Erdgeschoss entstand im Laufe der Jahre der in der Mariahilfer<br />

Es ist der Geist, der im<br />

Haus wohnt.Wenn er<br />

da nicht wohnt, dann<br />

ist es ein leeres Haus –<br />

im wahrsten Sinne des<br />

Wortes.<br />

Strasse gewohnte Fassadenmix aus verschiedenen Geschäftsportalen.<br />

„Der Umbau lässt das Haus wieder als einheitliches Ganzes<br />

erscheinen. Die Erdgeschoßzone wurde heutigen Geschäftsportalen<br />

einer Einkaufsstraße gerecht<br />

gestaltet“, so der beauftragte Architekt Zeytinoglu. „Die Eckgaupenlösung<br />

der Dachflächen am Kreuzungspunkt Mariahilfer Straße<br />

- Getreidemarkt resultierte aus der konsequenten Weiterführung<br />

der Grundrissgeometrie des Bestandes, nämlich einer turmartigen<br />

Lösung, die in die Dachneigung knickt. Es wurde kein Eckturm aufgesetzt,<br />

sondern ein Dachgrat ausgeformt, der mit der Geometrie<br />

der bestehenden Ecklösung korrespondiert.“<br />

„Die Mariahilfer Straße 1 ist Ausdruck unseres Design- und Qualitätsanspruchs“, sagt DDr. Michael Tojner, Vorstand<br />

der WertInvest. „Die WertInvest erwirbt Objekte in bester innerstädtischer Lage mit historischer, oft unter<br />

Denkmalschutz<br />

stehender Bausubstanz und<br />

entwickelt und revitalisiert<br />

diese wertvollen Immobilien<br />

Leben ist Leben –<br />

wenn man lebt.<br />

in Kombination mit moderner<br />

Architektur, wie auch im Fall<br />

der Mariahilfer Straße 1.“<br />

Die Gebaute Landschaft:<br />

Weg und Bewegung. Täler und Schluchten.<br />

Projekt: Hotel Falkensteiner Carinzia, Kärnten<br />

Das Hotel Carinzia am Fuße des Nassfeldes manifestiert den Dialog „Landschaft und Gebautes“ und<br />

definiert innere wie äußere Landschaften in einer ganzheitlichen architektonischen Komposition. Als<br />

gebauter Ausläufer der Sonnenalpe nimmt das Ressorthotel die umliegende Natur auf. Großzügige<br />

Atrien, ausgestattet mit Wasserläufen und ausreichendem Grün lassen Naturerlebnisse im Inneren<br />

des Hotels entstehen. Plätze, Wasserfälle, Galerien dienen anstelle von langen Gängen, als Erschließungsstruktur.<br />

Zentrale Schnittstelle bildet immer wieder die großzügig verglaste Lobby, die als „Atriumschlucht“,<br />

die komplexe Anlage (Gastrobereich, Bars, 160<br />

Gäste-Zimmer und Wellness+Spa Zone) um sich versammelt“.<br />

Die Entstehung von einem<br />

Gebäude ist wie eine<br />

schöne Tonalität. Wie<br />

wenn ein Orchester eine<br />

schöne Musik spielt.<br />

Das ganze Gebäude ist Landschaft, die sich zu besonderen Räumen<br />

erweitert: „Jeder einzelne Schritt bietet dem Auge ein neues<br />

Klangelement der architektonischen Komposition, sei es den Ausblick<br />

auf die bebauten oder grünen Fernen oder die Ansicht der<br />

anmutig geordneten nahen Umgebung.“<br />

Unterschiedliche Raumerlebnisse lassen für den Gast eine Stimmungsreise<br />

durch das Gebäude zu: Sakrales Ambiente in der<br />

Saunawelt, die sich in Licht und atmosphärischer Materialität ausdrückt<br />

und Ruhe- und Sinnessräume schafft. Der Gastronomiebereich<br />

teilt sich in stimmungsvolle Zonen, die von Farb- und Lichtgestaltungen differenziert sind.<br />

Nach außen erweitert die Hotelanlage die dörfliche Struktur und bildet ein neues, starkes Zentrum.<br />

Ecken, Kurven und leichte Kanten strukturieren den 200 Meter<br />

langen Baukörper und lösen die Maßstäblichkeit auf. Indem<br />

Erde-Architektur erscheint<br />

nur im Licht. Sonst ist<br />

schwarz. Da seh i nix.<br />

eine permanente Verschmelzung zwischen Außen- und Innenraum<br />

inszeniert wird, wird auch der Außenraum maximiert und<br />

in das Gebäude geholt.


Nr. <strong>22</strong>/2009 Buch IV - ZEYTINOGLU<br />

<strong>ST</strong>/A/R 27<br />

Dachausbau Mariahilferstrasse 1 , Der schönste Dachboden von Wien<br />

ausgeführt durch Metallbau Heidenbauer Ges.m.b.H & Co KG<br />

Hotel Falkensteiner Carinzia, Kärnten


Städteplanung / Architektur / Religion Buch IV - ZEYTINOGLU <strong>ST</strong>/A/R 29<br />

Dachausbau Mariahilferstrasse 1


30 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch IV - ZEYTINOGLU Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

Cityhotel Falkensteiner, Bratislava


Nr. <strong>22</strong>/2009 Buch IV - ZEYTINOGLU<br />

<strong>ST</strong>/A/R 31<br />

CITYHOTEL BRATISLAVA<br />

Ein Ort der Kommunikation und Entspannung.<br />

Beim Betreten der Eingangshalle befindet sich der Gast in direkter Sichtbeziehung<br />

zur Rezeption - ein in Bronze gekleideter Solitär.<br />

Mittels transparenter Verglasung zur Lobby getrennt, erstreckt sich entlang<br />

des Eingangbereiches ein offener Restaurantbereich mit Buffet und Showküche,<br />

der sich anhand von luftigen, textilen Elementen öffnet oder schließt<br />

und dadurch die Wandlungsfähigkeit des Erdgeschosses unterstreicht.<br />

Den Mittelpunkt des Eingangs-und Empfangsbereiches bildet die Lobbybar,<br />

ebenfalls als Solitär im Raum wahrnehmbar, eingebettet in unterschiedlich<br />

definierte, räumliche Beziehungen.<br />

Hotelbar, Communication Zone, Cigar Lounge und Business Zone formen<br />

sich zu einem ausgewogenen loungeartigen Wohnensemble in der grosszügigen<br />

Hotelhalle.<br />

Die Lobby des Hotels transportiert das Innen nach Außen und das Außen<br />

nach Innen. Beides verschmilzt in der Dramaturgie des Lichts und der Farben<br />

– ein Ort des Sehens und Gesehen Werdens.<br />

Edle, elegante, weiche und im Kontrast stehende metallische warme Farben<br />

und Materialien bilden das Ambiente des Innenraums. Eiche, Velours und<br />

Bronze stehen im Einklang miteinander, vermitteln Wärme und Glanz.<br />

Über die, der Rezeption angeschlossenen Konferenzstiege, erschließt sich<br />

das erste Obergeschoss, das sich jeweils auf einen grosszügig dimensionier-<br />

ten Seminarbereich, sowie denersten Zimmertrakt erstreckt.<br />

Wiederum sind im Foyer der Konferenz der Infopoint, sowie ein Loungemö-<br />

bel, das sich um eine Säule windet, als frei stehende Elemente spürbar.<br />

Der gesamte Gebäudekomplex umschließt dabei einen mittig platzierten<br />

Innenhof, der durch raumhohe Verglasungen den Grünraum ins Innere des<br />

transportiertḋu<br />

Körpers transportiert.<br />

Chic, dynamisch, entdeckungsfreudig Von der hell/dunkel kontrastierenden<br />

Gangatmosphäre, taucht man ein in ein frisches, elegantes Wohngefühl, das<br />

sanft und zurückhaltend den „Flair“ der Stadt unterstreicht.<br />

Das Zimmer vermittelt durch die Auswahl der Materialien, Oberflächen und<br />

Farben eine dynamische, urbane Leichtigkeit, die von einem weiß lackiertem<br />

Möbelensemble getragen wird.<br />

Durch die Verspiegelung des Vorraums und den Glanz des Lacks reflektiert<br />

und öffnet sich der Raum, lässt vorhandene Strukturen ahnend zur Geltung<br />

kommen.<br />

Über den insgesamt 5 Zimmergeschossen thront eine Business -Skylounge,<br />

über die man eine rund umlaufende Terrasse erschließt und die einen Ausblick<br />

auf den historischen Kern Bratislavas freigibt. Weiters befindet sich ein<br />

Wellnessbereich am Dach des Hotels und beherbergt ein Foyer mit Sauna<br />

und Dampfbad. Ruheraum und Fitnessraum sind, wie auch ein Solarium,<br />

vorhanden.<br />

Zwischen Foyer und Fitnessraum erstreckt sich ein kleiner intimer Terrassenbereich,<br />

der zum Verweilen einlädt.<br />

Klassische, zeitgenössische Eleganz erzeugt einen gewissen modernen<br />

„Simple Chic“, der den urbanen Geist reflektiert und und trotzdem ein Gefühl<br />

des „Zuhauseseins“ vermittelt.<br />

Ein Ort mit Seele<br />

und Stil.


32 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch IV - ZEYTINOGLU Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

moved by<br />

experience<br />

Arkan Zeytinoglu:<br />

„Material ist Stoff. Stoffe<br />

ergeben Material. Stoff<br />

als solchen zu entwickeln,<br />

ist förmliche und farbliche<br />

Ideengebung von Material,<br />

welches uns beseelt.“<br />

DESIGN UND FARBKOMPETENZ VERBUNDEN<br />

MIT ERLESENER QUALITÄT!<br />

FLEXIBILITÄT UND TECHNISCHE EXPERTISE<br />

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Bei dem Falkensteiner Hotel & Asia Spa<br />

Leoben in der Steiermark, das im Mai<br />

2008 eröffnet wurde, steht der Aspekt<br />

des sich Wohlfühlens an erster Stelle.<br />

Modernes Design und Lifestyle-Charakter<br />

verbunden mit einem breiten Wellness-<br />

Angebot werden durch die textilen<br />

Akzente stilvoll untermalt. Die 103 Zimmer<br />

und Suiten tragen die einzigartige<br />

Baumann-Note.<br />

Brüder Baumann GmbH<br />

Schremserstraße 38<br />

A-3950 Gmünd<br />

Tel.: +43 2852 9008 0<br />

Fax: +43 2852 9008 209<br />

Your contact: baumann@baumann.co.at<br />

We will respond shortly!


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch V - PENKER <strong>ST</strong>/A/R 33<br />

8<br />

έτσι έχουν τα πράγματα<br />

დავდგეთ იქ სადაც ქარიშხალია<br />

טאָכעס אױפֿן טיש<br />

wyobrazić sobie coś, oznacza zobrazować swoją własną świadomość<br />

ВСИЧКО, КОЕТО НЕ МЕ УБИВА МЕ ПРАВИ ПО-СИЛЕН.<br />

so sind die Dinge<br />

Does the system make the language?<br />

нумер<br />

so sind die dinge<br />

www.dadadaacademy.org


34 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch V - PENKER Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

PRO CHOICE<br />

Wolfgang Breuer, “Untitled” 2008, Toner on Color Copy<br />

Ulla Rossek Wolfgang Breuer Tom Humphreys Nate Young Alivia Zivich Harald Thys


Nr. <strong>22</strong>/2009 Buch V - PENKER<br />

<strong>ST</strong>/A/R 35<br />

Zedlitzgasse 3 1010 Wien prochoice.at<br />

Ei Arakawa / Nikolas Gambaroff, “Two - Alphabet Monograms” 2009<br />

Jos De Gruyter Jana Euler Ei Arakawa Nikolas Gambaroff Henning Bohl Sabine Reitmaier


Städteplanung / Architektur / Religion Buch V - PENKER <strong>ST</strong>/A/R 37<br />

„Flower Structure“<br />

Elisabeth Penker (sonic structure) /Tran Van Anh<br />

(Chello) /Sweet Susie (electronics)<br />

Komposition: Tran Van Anh / ElisabethPenker/Tri Minh<br />

Die Komposition Flower Structure verwendet die 6-Ton Sprache<br />

vietnamesisch als morphologische Struktur Je nach Tonlage hat ein Wort<br />

auf vietnamesisch mehrer Bedeutungen. Das Wort Blume bedeutet<br />

je nach Tonlage Medizin-Maler-Friede-Feuer. Flower Structure ist nach<br />

diesen Tönen/Wörtern arrangiert und wurde erstmals bei den Wiener<br />

Festwochen aufgeführt.<br />

Elisabeth Penker spielt auf ihrem entwickelten Instrument „Sonic<br />

Structure“ mit der Cellistin Tran Van Anh. Van Anh spielte als Cellistin<br />

beim Symphony Orchestra in Hanoi und beim Asian Youth Orchester.<br />

Wiener Festwochen „Flower Structure“ Foto: Marina Faust<br />

Elisabeth Penker (sonic Structure) Van Anh (Chello) Tri Min (electronics)<br />

„Sonic Structure“ hat eine vage Ähnlichkeit mit einem Keyboard und<br />

ist aus Holz und industriellen Materialien gefertigt. Alle Klänge, die auf<br />

dieser Konstruktion erzeugt werden, werden mithilfe einer Reihe von<br />

in unterschiedlicher Höhe montierten Mikrofonen verstärkt, wodurch<br />

es Penker ermöglicht wird, Musik zu machen. Ihre Würdigung von<br />

Luigi Russolos „The Art of Noise“ und Jack Foley.s Aufnahmemethoden<br />

für Filmsoundtracks ermöglicht ihr, ein Vokabular für Rhythmus und<br />

sprachliche Transformationen zu finden. Mithilfe eines Orchesters,<br />

das, obwohl es nur aus industriellen Materialien gefertigten<br />

Instrumenten besteht, in der Lage ist, jene Kräfte einzubinden, die in<br />

die differenzierteste Klangstruktur überhaupt -die Sprache- eingebettet<br />

sind, gelingt Penker eine geglückte Neuformulierung der alten Formel<br />

der Avantgarde.<br />

Wiener Fest Wochen 2009-11-21<br />

Link zu Video von Wiener Festwochen „Asian Village“2009 http://vimeo.com/7205727<br />

Ein Projekt von Wolfgang Schlag & Susanne Roggenhofer<br />

*************<br />

Studio<br />

Elisabeth Penker<br />

Franzengasse 13/1a<br />

A-1050 Vienna<br />

M:0043 (0)681 1036 5210<br />

E: elpenker@gmx.at


38 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch V - PENKER Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

Marina Faust<br />

arbeitet seit 1989 in Zusammenarbeit mit Maison Martin Margiela<br />

als Fotografin und Videokünstlerin.<br />

Ihre Fotos, Texte und künstlerischen Projekte wurden in<br />

Zeitschriften wie Purple Fashion, Le Purple Journal, Numéro<br />

Magazine (Japan), A Guide Magazin und Rondo (Wien), A Magazin<br />

(Belgien) & Ppaper Shop Magazine (Taiwan) veröffentlicht.<br />

Eine Gruppe ihrer traveling chairs, die 2007 in der Galerie Song<br />

Song zu sehen waren sind Teil der Sammlung im MAK (Museum<br />

für Angewandte Kunst, Wien)<br />

Ihre Fotoserien, persönliche Visionen über die Arbeit und<br />

Persönlichkeit anderer Künstler, werden regelmäßig in der<br />

Französischen Kunstzeitschrift Frog publiziert.<br />

Marina Faust bezeichnet für sich selbst den Publikations-Raum<br />

(Zeitung, Magazin, Buch) als Wahrnehmungs- und somit als<br />

künstlerischen Raum.<br />

Ihre Arbeiten wurden in Japan, Korea, Frankreich und Österreich<br />

ausgestellt.<br />

Ihre nächste Ausstellung ist für das Jahr 2010 in Wien in der<br />

Galerie Song Song geplant.<br />

www.gallerandethefilm.com.<br />

Marina Faust, Selbstporträt mit Punkten, 2009, C-print, 80cm x 46cm, Paris, courtesy the artist


Nr. <strong>22</strong>/2009 Buch V - PENKER<br />

<strong>ST</strong>/A/R 39<br />

Marina Faust, Installation, 2004, Mohair und Styropor, 230cm<br />

x 130cm x 90 cm, mit Purple Institute, Bibliothek des Institut<br />

Culturel Français, Mailand, courtesy the artist<br />

Marina Faust, traveling stool und traveling chair, 2009, Holz, Metal, Chrom, Gummireifen,<br />

80cm x 80cm x 67cm und 80cm x 80cm x 100cm, Paris, courtesy the artist<br />

Marina Faust<br />

Marina Faust, Pleaser, 2008, Vinyl und Glas, 55cm x 35cm x 15cm, Paris, courtesy the artist


40 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch V - PENKER Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

JULIE RYAN 303 Gallery, NY<br />

Julie Ryan artist, writer and curator of „The Red Thread“, which most recently<br />

occured at Dana Charkasi Gallery here in Vienna, is presently an artist in<br />

the Linikus sponsored Artists Residency in Bauernmarkt. Though Ryan is<br />

not new to vienna, she is searching for her position in Vienna, a place which<br />

generally doesn’t embrace arists who also write and curate.<br />

Q: How did you come to Vienna initially (was it to paticipate in Franz West’s<br />

opera?)<br />

Julie:<br />

Yes, I was living in Paris and Mary Heilmann called me from Vienna. She had<br />

an exhibition here and was travelling alone and invited me to visit. 14 and<br />

half hour train ride later I joined her. I met Franz then and he invited me to<br />

return and perform for the opening of MUMOK. Since then I have spent my<br />

time in Vienna.<br />

In 2005 you curated „the Read Thread“ shows in Seattle & New York of Austrian<br />

(and others living or connected to Vienna) about the artists you were<br />

directly in contact with at the time Franz West, Muntean Rosenblum, Markus<br />

Schinwald, Lisa Ruyter etc., were as the new ve<br />

rsion here at Dana Charkasi is moving forward, new contacts and new<br />

people in vienna, but also backward as a portrait of the gallery... can you<br />

explain a little.<br />

Julie:<br />

I had had the idea to organize an exhibtion in Vienna. But not seconds after<br />

thinking of it, it seemed a political quagmire. It dawned on me that I was in<br />

a unique position by having access to a space in NYC, the Educational Alliance<br />

where I had curated a series of well received exhibtions over the years.<br />

At this time in 2003, a series of Austrian shows were in the US and I felt<br />

that though they represented an aspect of the Austrian artscene that there<br />

was a vital international scene here that was not being seen or heralded.<br />

Hence, The Red Thread. A cross section of Austrian born and also artists<br />

who choose to live or spend time in Austria that were not on the Austrian<br />

radar as such.<br />

The shows opened almost simultaneously in NYC and a private gallery in<br />

Seattle WA (on both coasts). The Red Thread was conceived as a fexible<br />

platform presenting various aspects of Vienna art scene both conceptual<br />

and physical. It its most recent incarnation at Dana Charkasi Galerie I took<br />

a few artists from the original show and also looked back into the gallery’s<br />

own history by including Joseph Bauer and Johann Fruhmann.<br />

<strong>ST</strong>/A/R:<br />

Your Paintings which are small quirky abstractions with bits of<br />

lanscape references but also ‚painting about painting’ in the way<br />

you are dealing with composition, brushstrokes etc.<br />

Julie:<br />

Painting is the most fundamental aspect of my work. I am interested in the<br />

qualities of paint and painterly allusions to those qualities. Things that look<br />

Fast being made slow, slow appearing fast and throughout that process<br />

glimpsing back at the paintings own history of being made and paintings history<br />

of becoming. The most recent paintings refer to landscape but all paintings<br />

are landscapes or still lifes to some degree. I am interested in how we<br />

live with art. Images that are grasped quickly or emerge over time and are<br />

intended to be viewed at a certain distance away from the space of making.<br />

Guston make entire paintings without walking away from the canvas. Created<br />

at arms length, literally. One feels both the centrality of that experience literally<br />

on the canvas and also that the image itself has a peripheral stance.<br />

This physical experience before an artwork fascinates me as an artist.<br />

<strong>ST</strong>/A/R:<br />

...and the objects or „Wandgeiger“ which are sort of a deconstructed violin<br />

re-assembled onto the wall and which can be played with a bow. Can you<br />

explain how you came accross this idea and how its changed (or developed)<br />

through the various versions which you have presented in Vienna, Belgrade<br />

and most recently at 303 Gallery in New York.<br />

Julie:<br />

If painting, image making, is about space then music is about time. And<br />

I have struggled to conjoin the two. To make an image that seems ideally<br />

viewed at some distance necessitate a closer approach, a touch even. The<br />

Wall Violins which originally came out of a perversion of the story of the Magic<br />

Flute amputates the wing of the Vogelfanger’s bird. What may seem romanticized<br />

or idealized actually has a bit of bloody stump at the end of the feather bits. The<br />

Wall violins also plays the wall - the history of the building where it is installed, the<br />

resonation of the architecture. It can also exist as a substructure over a wall. The<br />

sound itself is more percusive than melodic though each instrument surprises<br />

me. How much sound can emerge from a strung wall. The bridges suspending the<br />

strings are based on actual stringed instrument bridges but I designed to mimick<br />

mountains or fi re to create the tension to be played.


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch VI - AUTO-<strong>ST</strong>AR <strong>ST</strong>/A/R 41<br />

David Staretz<br />

schreibt, redigiert und fotografiert den Auto-<strong>ST</strong>/A/R


42 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VI - AUTO-<strong>ST</strong>AR Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

BENTLY<br />

Bentley Continental Supersports<br />

ZUCKERROHR UND PEITSCHE<br />

Der neuen Bentley Continental Supersports ist der stärkste<br />

und in konkreter Weise erdverbundenste Bentley aller Zeiten<br />

TEXT UND FOTOS: DAVID <strong>ST</strong>ARETZ<br />

Christina Surer kann meinen Annäherungsversuchen<br />

nicht mehr standhalten. Ok, ihr stehen<br />

nicht 680 PS zur Verfügung, ihr SLR McLaren<br />

Edition 7<strong>22</strong> hat um 30 PS weniger als mein Hardcore-<br />

Racing-Tool (das kann man allerdings als Serienstreuung<br />

durchgehen lassen), aber so knallhart, wie ich<br />

aus der Fahrerlagerkurve von oben runtergestochen<br />

komme, so verwegen, wie Baron Richthofen sich aus<br />

der Sonne in den Nacken des Gegners fallen ließ, das<br />

scheint sie doch überrascht zu haben. Gebietet es meine<br />

Höflichkeit, zu blinken? Ach nein, es gibt ja keinen<br />

Blinker hier in der Rennversion des SLR McLaren7<strong>22</strong><br />

GT. Rennversion? Was läuft hier eigentlich?<br />

Bitte erst mal von vorn. Also, wir erinnern uns:<br />

Mercedes entwickelte zusammen mit McLaren einen<br />

Supersportwagen auf der Höhe seiner Zeit, dem trotz<br />

extremer Features wie Sidepipes, völlig glatter Unterboden,<br />

Carbon-Body vorgeworfen wurde, ein bißchen zu<br />

fancy zu sein, sich beliebt machen zu wollen bei Leuten,<br />

die nicht so viel Sachverstand wie Geld besaßen. Es<br />

ist auch kein Geheimnis, dass der Wagen dann nicht so<br />

kompromisslos wurde, wie McLarens Headbrain Gordon<br />

Murray dies vorgestellt hätte. Er hätte sich wohl<br />

eine Steigerung seines F1 gewünscht.<br />

Herbst 2008, fünf Jahre später: Der Wagen lebt, verkauft<br />

sich nach Belieben, beherrscht seinen Auftrag,<br />

die Funktion eines Imageträgers zu verwalten, um der<br />

breiten Mercedes-Käuferschaft klarzumachen, dass<br />

man sehr gut weiß, wie die lauten Töne gespielt werden.<br />

Man offenbarte den SLR McLaren Roadster und danach<br />

noch den auf 150 Exemplare limitierten Edition 7<strong>22</strong> mit<br />

strafferem Fahrwerk, leistungsgesteigertem Motor (um<br />

25 PS auf 650 PS), weniger Gewicht (minus 44 kg) und<br />

Keramikbremsen.<br />

Um die Zündschnur der Begeisterung am Brennen zu<br />

halten, gründete man den Club SLR, der den Vorteil<br />

hat, keinerlei Eintrittsgebühr zu verlangen, allerdings<br />

ausschließlich SLR-Besitzern vorbehalten ist.<br />

Unter diesen Passionierten wiederum gründete man<br />

eine Gentlemen-Renngesellschaft, einen Markencup<br />

oberster Gehobenheit, befeuert von der auf 21 Exemplare<br />

limitierten Racing-Version namens 7<strong>22</strong> GT.<br />

Hier, in der kompromisslosen Zurichtung auf Rennmaschine,<br />

herrschen Rennfahrwerk, funktionale Aerodynamik,<br />

680 PS, ein Drehmoment von 830 Nm und<br />

ein Leistungsgewicht von zwei Kilogramm pro PS, kontrollierbar<br />

aus einem kompromisslos zugeschneiderten<br />

Renncockpit.<br />

So. Und hier, wo von den Privat-Racern richtig viel<br />

Geld ausgegeben wird, um die vom Rennstall und<br />

Engineering-Unternehmen Ray Mallock präparierten<br />

Fahrzeuge zu erwerben, sie unter Dampf zu setzen<br />

samt Mechanikern, Boxencrew, Telemetrie, Catering,<br />

Hostessen, und was noch alles zu einem gelungenen<br />

Wochenende gehört, wollte man dem Spaß noch eins<br />

draufsetzen. Also lud man hochverdiente Haudegen<br />

des Rennsports dazu, wie Christian Ludwig, Jochen<br />

Mass, und Jean Alesi, sowie Chris Goodwin, Michael<br />

Mallock oder Christina Surer aus der jüngeren Fahrergeneration.<br />

Zusammen mit den Privatfahrern werden<br />

sie zu den Teams gelost, um dem ganzen Renngeschehen<br />

mehr Pep zu verleihen.<br />

Vorläufig sind etwa elf Fahrzeuge im Einsatz, das ist ok<br />

für die erste Saison, sollte aber noch besser werden.<br />

Erstmals wagte man sich auch daran, zwei, drei Journalisten<br />

ans Steuer zu lassen, also einen nach obenhin<br />

kaum zu beziffernden Schaden in Kauf zu nehmen.<br />

Um der Sache die Spitze zu nehmen: Nach dem kom-<br />

Abenddämmerung über Sevilla, so wie man sie als Bentley-Gast von der<br />

Dachterrasse des Italienischen Consuls aus genießen kann. Flying Canapées,<br />

Champagnerempfang.


Nr. <strong>22</strong>/2009 Buch VI - AUTO-<strong>ST</strong>AR<br />

<strong>ST</strong>/A/R 43<br />

plizierten Reinturnen war nichts mehr so mühevoll<br />

(außer dem Aussteigen). Multimillionären wird auch<br />

nichts geschenkt.<br />

Aber dann: Die tiefe Sitzposition, dieses Eingepacktsein<br />

in die Schale, das Heranwachsen von Lenkrad und<br />

Paddles, die grandiose Knopfgalerie, das abknöpfbare<br />

Steuer, das heisere Anfachen des Maschine in der Box,<br />

nachdem die Mechaniker die Luft für die vier im Wagenboden<br />

integrierten Hebestempel aus der Hydraulik<br />

gelassen haben und der Wagen schlagartig um zwanzig<br />

Zentimeter zu Boden fällt, das Rausrollen ans Tageslicht<br />

unter frenetischen Gasstößen, nochmals zurück,<br />

(Retourgangfummeln im E-Display) weil der geringe<br />

Einschlag nicht reicht, jetzt aber richtig voran und<br />

Christina Surer hinterher, die mir die Pace macht und<br />

längst schon in die Schikane einschneidet.<br />

Das macht alles unerhörten Spaß, von dem ich gar<br />

nicht erklären könnte, woher er kommt, denn jetzt ist<br />

alles netzfrei ungesichert, dröhnend laut und metallen<br />

schroff, doch mein Vertrauen in Fahrwerk, Bremsen<br />

und Christinas Linie lässt Raum, um diese frenetische<br />

Kraftentfaltung, das massige Einfurchen, das<br />

sideslide-gewandte Durchspulen der wie getöpferten<br />

Nocksteinkehre oder der sich zur Schikane einkringelnden<br />

Fahrerlagerkurve richtig zu genießen, somit<br />

aber nahe an eine gefährliche Selbstgefälligkeit zu rücken,<br />

der Gegenhaltung zur angebrachten Demut; und<br />

einen Moment lang denke ich an einen Tennisspieler,<br />

der nach seinem Outsider-Sieg sagte: „Sobald man sich<br />

im Vorsprung sonnt, sich an der anbahnenden Sensation<br />

delektiert, vergisst man, das es um nichts anderes<br />

als den Kampf um den nächsten Punkt geht. Nur der<br />

zählt! Sonst verliert man Konzentration und Spiel“. Das<br />

rückt mich wieder zurecht, und ehe ich wirklich glaube,<br />

dass Christina mich resigniert vorbei lässt, um mir<br />

freies Bolzen zu gewähren, schau’ ich lieber noch in<br />

den zittrigen Rückspiegel und ziehe gleich den Nacken<br />

ein (und klemme die Backen zusammen), denn hinten<br />

kommen Jochen Mass und seine Trainee, ein Privatfahrer,<br />

im Duett herangeröhrt und brausen vorbei, dass es<br />

mir beinah Heckspoiler aufstellt. Sie hat also nur meinetwegen<br />

gebremst, um schnelleren Verkehr vorbeizulassen.<br />

Naja, lern deinen Platz kennen. Immerhin ist<br />

der gar nicht so übel hinter einem der prominentesten<br />

und hübschesten aller Racinggirls, dem es perfekt gelingt,<br />

zwischen echten Renn-Einsätzen, ihren Aufgaben<br />

als Model und Markenbotschafterin (etwa für Seat<br />

und Yokohama) und, wie hier, als Driver/Trainer zu<br />

brillieren.<br />

Sie kultiviert am Salzburgring, (immer noch ein unerforschtes<br />

Gelände für Sucher der Ideallinie), die flache<br />

Linie, eine umstandslose Kampfspur, wo dir niemand<br />

ins Gewand fahren kann. Sie macht schon kurveneingangs<br />

klar, wem die Führung gehört, und wenn du<br />

durchaus imponieren möchtest, so darfst du beim Anbremsen<br />

ein wenig später und härter ins Eisen steigen,<br />

aber wie sich schnell zeigt, ist Geschmeidigkeit immer<br />

noch die bessere Taktik, das Mitnehmen von Geschwindigkeit<br />

in die Kurve, wie es Christina so beispielhaft zelebriert,<br />

aber wie eine gute Freundin und Pferdediebin<br />

wartet sie hinter der nächsten Ecke, lupft hie und da einmal<br />

das Hauptpedal für dich, und flash-artig muss ich<br />

dran denken, wie ich mit siebzehn in eine gleichaltrige<br />

Schilehrerin verliebt war und wie schnell ich damals<br />

lernte im reinen Bestreben, sie nicht aus den Augen zu<br />

verlieren. Ich sehe Christinas Locken vor mir die Zielgerade<br />

entlang fliegen. Ob auch masselose Schönheit<br />

der Fliehkraft unterworfen sind? Wüsste ich nicht, dass<br />

sie Helm trägt, ich würde dringend vermuten, dass sie<br />

den Lidstrich nachzieht und die Lippen auffrischt, während<br />

ich hinter ihr mit Klauen und Zähnen am Lenkrad<br />

kämpfe, um noch ein Zipfelchen Windschatten zu erhaschen.<br />

Tease me, please me, thrill me, grill me, aber<br />

bitte don’t kill me. Als sie in die Boxenstraße einbiegt,<br />

wirkt das wie eine Einladung zum Cocktail. Aber wir<br />

sind hier Professionisten in unseren Kisten, erst mal<br />

das Interview in den Kasten bringen.<br />

*<br />

Es wäre übertrieben gewesen zu sagen, dass Frau Surer<br />

schon umgezogen war, als ich an die Box zurückhechelte,<br />

aber ihre Frische und Geschminktheit waren<br />

beschämend. Gekonnt vermied sie jeden Kommentar<br />

über unseren Pas de deux, denn sie ist eine höfliche<br />

und anregende Gesprächspartnerin, mit der man sich<br />

über allerlei unterhalten kann, auch über das Wetter.<br />

Aber dieses Thema würden wir gewiss nicht anschneiden.<br />

Übrigens: Christina ist nicht die Tochter, sondern die<br />

Exfrau des ehemaligen F1-Piloten Marc Surer. Und natürlich<br />

vergeben.<br />

Das Hotel der<br />

Veranstaltung, die<br />

Hazienda Benazuza.<br />

Besser drinnen sein<br />

als draußen vor der<br />

Kamera.<br />

Warnung am<br />

Schaltkasten:<br />

So<br />

kann dich<br />

der Blitz<br />

treffen.<br />

Das Cockpit, bewußt metallen,<br />

Reminiszenz an die Great Racing Days.<br />

Der abgespeckte Ledersitz. Carbon hält<br />

den Rücken steif.<br />

Das B, hier im Speichenkranz, prangt<br />

sogar auf den Ventilkappen der Reifen.<br />

Brunnenfigur, mit Bronze-Inlay liebevoll<br />

ausgebessert.<br />

Bentley Continental Supersports am Rande eines Raumalphabets.


Städteplanung / Architektur / Religion Buch VI - AUTO-<strong>ST</strong>AR <strong>ST</strong>/A/R 45<br />

KAUM<br />

ERSCHIENEN,<br />

SCHON IM<br />

MUSEUM<br />

TEXT UND FOTOS: DAVID <strong>ST</strong>ARETZ<br />

Der Lamborghini Reventón ist nur mehr<br />

auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu haben,<br />

allerdings wird man ihn hier auf<br />

keinem Monitor finden: Nur zwanzig<br />

Stück wurden aufgelegt, und wer einen bekommen<br />

konnte, weiß ganz genau, was er da in der<br />

Garage hat. Und dass ihm jetzt mindestens eine<br />

Million Euro auf dem Konto fehlt (Nettokaufpreis<br />

zuzüglich Steuern). Der Reventón, etwas<br />

makaber nach einem Kampfstier benannt, der<br />

im Jahre 1943 den Torero Felix Guzman im<br />

Kampf getötet hatte, basiert auf dem Murcielago<br />

LP 640..Das heißt: Die Hundertermarke durchschießt<br />

der Reventón binnen 3,4 Sekunden.<br />

Und seine Höchstgeschwindigkeit liegt über<br />

340 km/h. Das automatisierte Schaltgetriebe<br />

e.gear knüppelt die Gänge schneller als selbst<br />

ein geübter Fahrer. Und der permanente Allradantrieb<br />

Viscous Traction sorgt dafür, dass die<br />

enormen Kräfte stets in Vorwärtsbewegung umgesetzt<br />

werden. Jedenfalls, solange man nicht in<br />

die Sechskolben-Carbonkeramik-Bremsen steigt,<br />

die den Wagen bei Bedarf wie gegen eine Wand<br />

prallen lassen.<br />

Wie beim Basismodell besteht die Außenhaut aus<br />

CFK, dem ebenso stabilen wie leichten Kohlefaser-Verbundstoff.<br />

Dabei sind die Exterieur- Teile<br />

mit der einzigartigen Karosseriestruktur des<br />

Reventón aus CFK und Stahl verklebt und vernietet.<br />

Der im hauseigenen Centro Stile designte Wagen<br />

ist übrigens asymmetrisch: Auf der Fahrerseite<br />

ist der Schweller opulent ausgeformt, um<br />

die Anströmung des Ölkühlers zu steigern. Auf<br />

der rechten Fahrzeugseite dagegen ist er glattflächig,<br />

um nichts weiter Unterbodenströmung<br />

zu unterstützen. Der aerodynamisch optimierte<br />

Unterboden endet am Heck in einem Diffusor.<br />

Materielien des Innenraums: Alcantara, Carbon,<br />

Aluminium und Leder. Wie im modernen<br />

Flugzeugbau bestehen die Instrumente aus<br />

drei TFT-Flüssigkristall-Flachbildschirmen. Auf<br />

Knopfdruck kann der Fahrer zwischen zwei<br />

Darstellungsformen wählen. Eingefasst sind die<br />

Instrumente übrigens in einem Gehäuse, das<br />

aus einem vollen Aluminiumblock gefräst und<br />

mit einer Haube aus Kohlefaser abgedeckt ist.<br />

Völlig neu ist das G-Force-Meter: Diese Anzeige<br />

zeigt die fahrdynamischen Kräfte, die Längsbeschleunigung<br />

beim Gasgeben und Bremsen wie<br />

auch die Querbeschleunigung in Kurven. Dargestellt<br />

werden diese Kräfte als Bewegung einer<br />

Kugel in einem Kreis, je nach Richtung und<br />

Intensität der Beschleunigung. Ein ähnliches<br />

Instrument findet sich in Höchstleistungs-Flugzeugen.<br />

Auch in der Formel 1 verwendet man<br />

solche Darstellungen zur Analyse der Dynamikkräfte.<br />

Wer einen Reventón aus der Nähe betrachten<br />

will, muss sich ins Museum nach Sant’ Agata Bolognese<br />

bemühen. Dort steht das einzige nicht in<br />

Privatgaragen eingesargte Modell mit der Nummer<br />

20.<br />

LAMBORGHINI REVENTÓN


46 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VI - AUTO-<strong>ST</strong>AR Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

NEU Ferrari 458 Italia<br />

SURFING AT THE EGDE OF THE MOMENT<br />

Große Emotionen, aufwändig erarbeitet. Ein Ferrari zum Ferrarifahren, am besten täglich.<br />

TEXT UND FOTOS: DAVID <strong>ST</strong>ARETZ<br />

Abseits von Jubiläen, künstlichen Emotionen und<br />

historischen Reminiszenzen hat man wieder<br />

einen Ferrari für des Alltags süßen Wahnsinn<br />

hervorgebracht, einen kompromißlosen Supersportwagen,<br />

nicht gefällig, nicht verfettet, nicht mit dem US-<br />

Markt kokettierend. Der 458 Italia ist eine echte Home<br />

Breed, rennsportnah und detailversessen, völlig funktional<br />

konzipiert und aerodynamisch durchsetzt. ”Der<br />

Ferrari 458 Italia führt die Tradition Ferraris fort, durch<br />

technologische Innovationen<br />

aus dem Rennsport den Spaß am Fahren zu erhöhen,<br />

und wurde geschaffen, um die Erwartungen und Ambitionen<br />

unserer leidenschaftlichsten Kunden zu erfüllen”,<br />

heißt es im Pressetext.<br />

Das neue V8-Triebwerk mit 4.499 ccm, 570 PS stark,<br />

ist als Heck-Mittelmotor direkt hinter dem Cockpit versenkt.<br />

Das F1-Getriebe mit Doppelscheibenkupplung<br />

knüppelt sieben Gänge auf Fingerzug durch. Das Fahrwerk<br />

ist rennsportmäßig aufwändig konzipiert, lässt<br />

sich über Lenkradbedienung nachschärfen bis hin zur<br />

absoluten Nürburgring-Konfiguration.<br />

Und, so sagt seine langjährige Privatsekretärin, Sabine<br />

Kehm, es sei kein Marketinggag – Michael (Schumacher)<br />

habe sich wirklich von der ersten Planungsstufe<br />

an laufend eingebracht und das Auto mit Freude und<br />

Engagement bis zur Feinabstimmung begleitet.<br />

Selbst wenn er nur seinen Namen hergegeben hätte, so<br />

hätte er das für eine faszinierende Fahrmaschine getan.<br />

Ein feuriges, befeuerndes, mit dem Fahrer eine innige<br />

Symbiose abziehendes Supersportgerät ohne Reue,<br />

zugeschliffenes Autofahren in einer gegebenen Höchstform,<br />

der nur mehr der Fahrer mutig zuarbeiten kann.<br />

(Selbst auf niedrigst mögliche CO2-Werte wurde geachtet.<br />

Und wer einen schlechtgelaunten Tag hat, kann mit<br />

13,3 l/100 km voranstochern.)<br />

Der völlig neu entwickelte V8 mit 4,5 Liter Hubraum<br />

(was sich aus dem Typencode auslesen lässt) liegt balancegünstig<br />

im Heck, aber vor der Hinterachse, wovon<br />

man sich mit einem Blick durch den Plexiglasdeckel<br />

überzeugen kann.<br />

Seine 570 PS werden über ein F1-Getriebe mit sieben<br />

Gängen und Doppelkupplungsschaltung per stehendem<br />

Lenkpaddle abgefeuert. Das Handschaltgetriebe, einst<br />

geliebte Kulisse, gibt es endgültig nicht mehr. Nur zwei<br />

Prozent aller F430-Käufer hatten es noch bestellt.<br />

Das trotz Fensterheber, Klimaanlage, elektrischer Sitzverstellung<br />

und ähnlichen Annehmlichkeiten erstaunlich<br />

geringe Gewicht von 1380 kg reduziert das PS-Paket<br />

auf 2,42 kg/PS, was es jedermann erlaubt, den Wagen<br />

per LAUNCH-Knopf in 3,4 Sekunden gegen die Hundert<br />

zu werfen. Aber das sind ungefragte Werte in dieser<br />

Liga, wo man ein höheres Verständnis angewandt<br />

schnellen Fahrens sucht, eingespielt mit diesem phantastischen<br />

Doppelquerlenker-Fahrwerk, dessen unterer<br />

Vorderachs-Lenker zwecks geschmeidigerer Anlenkung<br />

L-förmig ausgeführt ist. Hinten arbeitet ein kompliziertes<br />

Multilenker-Gefüge in geradezu organischer<br />

Sehnen-Kinematik die Fahrbahn ab, dass man jetzt<br />

nicht weiß, ob es sich mehr dem Komfort oder mehr der<br />

Sportlichkeit verpflichtet, so geschmeidig geht es auf<br />

jede Straßen- und Fahrsituation ein. Natürlich lässt sich<br />

alles noch nachschärfen in Richtung Sport und RACE<br />

(Rausfliegen erlaubt!), was man mittels ”Manettino”-<br />

Schalterchen direkt auf der Lenkradnabe bewerkstelligen<br />

kann, der neuen Schalterplatte für erste, zweite und<br />

dritte Bedienungshierarchien bis hin zum Scheiben-<br />

Wischwasch. (Selbst der Blinker wird per Daumendruck<br />

abgefeuert, was man in schnellen Kurzschlüssen<br />

manchmal anstelle des Hochschaltens praktiziert.) Nur<br />

das Radio muss per Hand geregelt werden, aber das ist<br />

einfach: Ausschalten genügt, denn diese Musik kommt<br />

aus keinem Sender, die gibt es nur als Live-Orchester,<br />

und sie erfüllt einen symphonischen Auftrag.<br />

Die Sitzposition ist so ins Auto hineinkonzentriert, dass<br />

sich der Beifahrer zum Balancepaket reduziert. Füße<br />

weit vorgestemmt und rechte Hand am Türgriff. Mehr<br />

Funktion hat er nicht.<br />

Alles ist dem Fahrer zugewandt, allen voran der zentrale<br />

Drehzahlmesser, eine Ikone der Motorenanbetung, deren<br />

Gnadenfeuer bis 9000 Touren reicht, was natürlich<br />

zu neuen klanglichen Dimensionen kontrollierter Hysterie<br />

führt, einem Lied über sämtliche Oktaven sinnlicher<br />

Wahrnehmung, sprühend, freudvoll, und erhebend,<br />

das den Fahrer als integrierten Resonanzkörper<br />

in die Gesamtkomposition Ferrari Italia miteinbezieht,<br />

bis er sich schäbig vorkommt, all dies mit schnödem<br />

Geld erkauft zu haben. 236.900 Euro. Es gibt Leute, so<br />

erzählt man bei Ferrari, die bestellen schon automatisch<br />

die nächsten vier, fünf Modelle vor, damit sie garantiert<br />

bei der Erstauslieferung dabei sind. Sonst muss man<br />

sich dreinfügen, achtzehn Monate auf die Auslieferung<br />

eines neuen 458 Italia zu warten.<br />

Dabei hat man nur die reine Dinglichkeit bestellt. Nichts<br />

am Fahrzeug ist überflüssig, nichts geschmäcklerisch.<br />

Die gesamte von Pininfarina entworfene Karosserielinie<br />

ist der Aerodynamik, aber auch dem inneren Luftdurchsatz<br />

verpflichtet. Kleine Ritzen wie die an den Scheinwerfern<br />

spielen eine große Rolle, die Luft tritt über den<br />

Kotflügeln wieder aus, liegt gebändigt an der Karosserie<br />

an, kühlt und drückt den Wagen (bei Vmax mit 360<br />

kg) zu Boden, so dass man von einer virtuellen Existenz


Nr. <strong>22</strong>/2009 Buch VI - AUTO-<strong>ST</strong>AR<br />

<strong>ST</strong>/A/R 47<br />

Schumi wohnt hier nicht mehr. Aber er kommt immer<br />

wieder gern vorbei, um seinen lukrativen Beratervertrag<br />

abzuarbeiten.<br />

eines Negativkörpers aus Luftfluss und Wirbelströmen<br />

sprechen kann – selbst der Luftaustritt im Heck legt<br />

noch ein Schäufelchen nach und verabschiedet den<br />

Wind so, dass er nicht lästig nachhängen möchte, sondern<br />

grußlos entschwindet. Auch die Menjou-Bärtchen<br />

an der Frontlippe sind funktional: Bei zunehmender Geschwindigkeit<br />

ändern die Winglets ihre Lage und steuern<br />

den eindringenden Luftstrom zunehmend in die Kanalrichtung<br />

”weniger Kühlung, mehr Downforce”. Also<br />

in Richtung des flach ausgebildeten Unterbodens.<br />

Der neue V8 mit Trockensumpfschmierung ist völlig<br />

kompromisslos aufgebaut. 127 PS pro Liter sind eine bei<br />

Saugmotoren bisher unerreichte Dimension. Er besitzt<br />

einen kompromisslos durchkonstruierten Aufbau, um<br />

die maximale Drehzahl von 9.000 U/Min. zu erreichen<br />

– ein Wert, der noch nie zuvor in einem Straßenwagen<br />

erzielt wurde. Das Kompressionsverhältnis beträgt 12,5:1<br />

bei einer Leistung von 570 PS. Dies führt zu einer spezifischen<br />

Leistung von 127 PS/L, was ebenfalls ein neuer<br />

Richtwert für Saugmotoren ist.<br />

Das enorme Drehmoment – 540 Nm bei 6.000/min,<br />

über achtzig Prozent davon ab 3.250/min – lässt den<br />

Spaß schon früh einsetzen. Dennoch steigt die Leistungskurve<br />

bis zur 9000er-Marke hin ununterbrochen<br />

an. Auch das spezifische Drehmoment von 120 Nm/l<br />

ist ein Rekordwert.<br />

Man achtete auf geringste innere Reibung (etwa dank<br />

graphitbeschichteter Kolbenschäfte) und erdachte ein<br />

neues Schmiersystem, das die sogenannte fluidodynamische<br />

Effizienz erhöhen half. Bildhaft übertrieben: Es<br />

wird nicht mehr mit Öl gepritschelt, sondern mittels<br />

Pumpendruck und Gegenvakuum ein kontrollierter<br />

Ölfluss erzeugt, der innere Reibungen reduziert. Dazu<br />

wurden auch spezielle Ölpumpen mit variablem Druckaufbau<br />

erdacht, die ihre Leistung bei höheren Drehzahlen<br />

reduzieren.<br />

Das Motormanagement stellt vier verschiedene Konfigurationen<br />

der Ventile für optimierte Drehmomentwerte<br />

in sämtlichen Drehzahlbereichen zur Verfügung. Drei<br />

pneumatische Drosselklappen befördern à la Trompete<br />

den idealen Luftdurchsatz in jeder Lastsituation.<br />

Split Injection verbessert die Motorleistung. dank Zwei-<br />

Phasen-Einspritzung werden die Verbrennungseffizienz<br />

und das Drehmoment im niedrigen Drehzahlbereich<br />

gesteigert. Ein hoher Einspritzdruck (200 bar) garantiert<br />

eine ausreichende Zerstäubung des Benzins sowie<br />

ein optimales Luft/Benzin-Gemisch bis hin zu 9.000<br />

min. Auch dies führt zu gesteigerter Leistung und niedrigerem<br />

Benzinverbrauch.<br />

Die Abgasanlage wurde so durchkomponiert, dass man<br />

jede Fahrsituation akustisch unterlegt bekommt, ohne<br />

dabei aber je genervt zu sein.<br />

Das 7-Gang F1-Getriebe mit Doppelscheibenkupplung<br />

wurde in seiner Funktion zugespitzt,, um möglichst<br />

schnelle, dabei sanfte Gangwechsel zu ermöglichen. Diese<br />

Technologie basiert auf den voneinander unabhängigen<br />

Managements der geraden und ungeraden Gänge,<br />

die durch zwei separate Eingangswellen vorgewählt werden.<br />

Die Schaltzeiten, also das Überlappen der Phasen<br />

des Öffnens und Schließens der beiden Kupplungen,<br />

liegt bei Null, wodurch es keine Unterbrechung des Motordrehmoments<br />

auf die Antriebsräder gibt, sondern<br />

nur sprühendes Voranbeschleunigen, so lange man am<br />

Gas bleibt<br />

Nach den Setzkasten-Beauties 612 Scaglietti, 599 GTB<br />

und dem schillernden California mit V8-Frontmotor<br />

besetzt der 458 Italia wieder das Dino-Fach, also die<br />

Rolle des Junggesellen-Ferrari zum Fahren aus Freude<br />

am Ferrarifahren, das idealerweise keinen Zweitwagen<br />

verträgt. Kann man sich dann wahrscheinlich eh nicht<br />

mehr leisten.<br />

Alles fließt. Die Linie ist durchgängig und aerodynamisch<br />

auf gleichmäßig anliegenden Fahrtwind hin konzipiert.<br />

Im Uhrzeigersinn: Wie eingeschmolzen wirkender<br />

Motor, Mittelkonsole minus Schalthebel,<br />

Lenkrad wie im Rennsport, Lichtgranate<br />

mit Leuchtdioden im Heck und ein vom<br />

Beamten handsigniertes Probekennzeichen<br />

oberhalb der Auspuffbatterie.


48 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VI - AUTO-<strong>ST</strong>AR Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

Glückwunsch von Dr. Denker an Fa. Trenka<br />

Der Café als Suppe, die Zigarre aus Brot,<br />

der Cognac ein Sherry: Die Vorspeise zu<br />

Daniel Spoerris palindromischen Diner.<br />

Energisch, dynamisch, langer<br />

Atem: Michaela Kamler vor<br />

dem Geburtstagskuchen<br />

Auch Nachts imposant: Der<br />

Eingang zu den Festsälen in<br />

den Hofstallungen.<br />

100 Jahre Eucarbon, 100 Jahre Erfolg mit Kohle!<br />

100 Jahre, das ist ein klar beschriebener Zeitraum. Kaufen Sie Eucarbon! So fördern Sie<br />

nicht nur die Ökonomie*, sondern auch die Lebensfreude, denn Eucarbon fördert nicht nur<br />

die Verdauung sondern auch Kunst und Philosophie (Siehe: www.eucarbon.com).<br />

Der *<strong>ST</strong>/A/R* gratuliert herzlich zum Geburtstag und freut sich<br />

auf die weitere Zusammenarbeit.<br />

Die feinsten Häuser vor Ort feiern mit:<br />

MAK, MUMOK und HOTEL SACHER.<br />

Daniel Spoerri<br />

Fachkraft für<br />

EATART und<br />

andere gute<br />

Dinge.<br />

* Besonders in wirtschaftlich anspruchsvollen Zeiten erweist sich Gute Verdauung als vorteilhaft, Detailinformationen erteilt die *<strong>ST</strong>/A/R*-Redaktion gerne, Stichwort: „Kohle durch Kohle“


Nr. <strong>22</strong>/2009 Buch VII - Häupl & Wittgenstein<br />

<strong>ST</strong>/A/R 49<br />

Architektur und Sprache<br />

Heidulf Gerngross, 2009<br />

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Visualisierung: Kurt Caballero


50 <strong>ST</strong>/A/R<br />

BEITRAG ZUM<br />

LITERARISCHEN DISKURS<br />

ÜBER DEN FEHLENDEN<br />

DISKURS<br />

(aus ganzheitlicher Sicht) v. Manfred Stangl<br />

Über den Begriff der Moderne rümpft<br />

Helmut A. Gansterer anlässlich<br />

deren hundertjährigen Bestehens<br />

im Profil 6 vom 4. Februar vergangenen<br />

Jahres die Nase. Am besten schenke man<br />

der Moderne zum runden Geburtstag<br />

die Vernichtung ihres Namens, meint er.<br />

Attraktiv klingt seine Idee, den Zeitpunkt<br />

für das Geburtsjahr deswegen zu wählen,<br />

weil nur 19o8 der Anteil der Frauen an der<br />

„Werdung der klassischen Moderne“ gleich<br />

hoch wie der Männeranteil gewesen sei.<br />

Weniger schön finde ich seinen Vorschlag,<br />

nicht den Künstlern weiterhin überholte<br />

Einteilungen wie Moderne, Postmoderne<br />

usw. zuzumuten. Alle paar Monate bezauberten<br />

uns neue KünstlerInnen mit neuer<br />

Kunst, daher solle man diese jeweils mit<br />

der Bezeichnung Avantgarde plus entsprechender<br />

Jahreszahl erfassen. Etwa für die<br />

(voriges Jahr) aktuelle Kunstproduktion<br />

Avantgarde 2oo8 usf. Die Zeit der Ismen<br />

sei vorüber. Die Moderne, gerade weil - in<br />

ihren klassischen Erscheinungsformen wie<br />

Fauvismus, Expressionismus, Futurismus -<br />

leicht abgrenzbar, sei ein alter Hut. Die heutige<br />

Kunst solle endlich dahingehend erlöst<br />

sein, wo sie hingehöre: in die Einzigartigkeit<br />

der KünstlerInnen, die ihren eigenen Weg<br />

gingen.<br />

Bestechend wohlig hört sich der Vorschlag<br />

an - wer möchte nicht einstimmen, alle<br />

Einordnungen, Beschränkungen und<br />

Schubladisierungen abzuschütteln, ob<br />

Künstler oder keiner.<br />

Nichtsdestoweniger steckt hinter dem verführerischen<br />

Angebot ein korrumpierender<br />

Ansatz. Auch wenn positiv gemeint:<br />

die Inkraftsetzung jener Anti-Diktion<br />

würde zu weiteren Relativierungen bestehender<br />

Begrifflichkeiten - ob für die Kunst,<br />

die Philosophie oder die Politik - führen.<br />

Die Verschwammung der Begriffe ermöglicht<br />

denen, die Begriffe zum Zwecke<br />

der Irreführung benutzen, erfolgreicher<br />

Menschen hinters Licht zu führen, was<br />

heißt, ihnen unter Vorspiegelung falscher<br />

Realitäten zu verkaufen, was verkauft<br />

werden soll. Entweder das Image des sozial<br />

engagierten Politikers oder das eines<br />

Künstlers, der stets Allerneuestes erschaffend,<br />

als Künstler hoch im Kurs stehend<br />

erkannt werden muss.<br />

Bezüglich politischer Begriffsverwirrung<br />

argumentierte Andreas Mölzer, man dürfe<br />

das alte Links/Rechts-Schema nicht zu<br />

ernst nehmen: sozialpolitisch etwa stünde<br />

die FPÖ links – ich meine, laut Mölzers<br />

Definitionsverwischungsversuch wäre sozialpolitisch<br />

Hitler ebenfalls links zu verorten,<br />

weil er in Wien nach der Besatzung<br />

Österreichs Gulasch für die hungernden<br />

Arbeiterfamilien verteilen ließ und<br />

Arbeitsplätze in der Rüstung schuf.<br />

Ein Künstler sollte deswegen nicht<br />

Avantgardist 2oo8, 2oo7 oder o9 genannt<br />

werden, weil der Avantgardebegriff zwar<br />

die Schaffung von „Neuem“ annonciert,<br />

das „Neue“ aber als Hauptkriterium für<br />

Kunst zu setzen, einer Idee aus der Zeit der<br />

Aufklärung entstammt. Damit erweist sich<br />

diese Kunstdefinition selbst als Produkt<br />

der Moderne, deren Anfänge durch die<br />

Abschaffung des Begriffs „Moderne“ ins<br />

Dunkel zu stoßen, zur Mythologisierung<br />

von Kunst beitrüge.<br />

Außerdem bewirkte die Abschaffung aller<br />

Begriffe die endgültige Verunmöglichung<br />

des Kunst/Literaturdiskurses. Der Künstler/<br />

Literat, aber nicht nur dieser - ihm sei’s<br />

verzieh’n -sondern alle, die einen verbindlichen<br />

Diskurs, aus welchen Gründen auch<br />

immer, verweigern, würden bei jeder grif-<br />

Buch VII - Häupl & Wittgenstein Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

figeren Beschreibung eines Kunstobjektes/<br />

Textes sofort mit Phrasen wie: „jede<br />

Bezeichnung ist eine unzulässige Reduktion<br />

und damit Herabsetzung“ und „da beschneidet<br />

wer die Freiheit der Kunst“, oder:<br />

„da will wer begnadetes Schaffen repressiv<br />

eindämmen“, auch: „man darf niemanden<br />

verurteilen“, zur Stelle sein.<br />

Die Übereinkunft betreffs der hochgradigen<br />

Individualisierung gerade am Kunstsektor<br />

führt heute bereits zu beinahe militanter<br />

Ablehnung von Kritik, weil (folgere ich)<br />

das geniale Programm des Kults um das<br />

Individuelle gefährdend.<br />

Jegliche Steigerung obiger Haltung erstickte<br />

freilich eine Diskussion über Kunst<br />

schon im Keim. (Und ich weiß aus eigener<br />

leidvoller Erfahrung, wie schnell Diskurse<br />

abgewürgt werden können). Wolfgang<br />

Ullrich stellte in „Tiefer Hängen“ längst<br />

den Trend in jene Richtung fest, dass Kritik<br />

an einem Kunstwerk sofort als unfreundlicher<br />

bis aggressiver Akt gedeutet wird. Mir<br />

widerfuhr die Auslegung meiner sachlichen<br />

Kritik an moderner Literatur als Verächtlich-<br />

Machung der AutorInnen : nichts liegt mir<br />

ferner – natürlich breche ich ein Tabu<br />

(wenn ich das heilige Ich der Moderne zerpflücke)<br />

und wird deshalb meine Analyse<br />

als besonders abgefeimt eingestuft, aber<br />

ich achte alle die zeitgenössischen oder verstorbenen<br />

Ikonen der Moderne und sogar<br />

der Aufklärung als Personen, selbst wenn<br />

ich dem Großteil ihrer Weltanschauungen<br />

harsch entgegenarbeite.<br />

Beschäftigung mit Kunst heißt übrigens<br />

immer Kritik. Einmal fällt sie bezüglich<br />

eines Objekts positiver, einmal negativer,<br />

meist von beiden etwas aufweisend, aus.<br />

Dennoch heißt’s zu Recht „Kunstkritik“<br />

nicht „Kunstvergottung“. Da diejenigen<br />

Ströme in der Kunstkritik derzeit vorherrschen,<br />

die Aussagen über Kunstobjekte<br />

ohnehin nur in Bezug auf innere<br />

Mechanismen und Stimmigkeiten zulassen,<br />

führte die gänzliche Aufhebung umreißender<br />

Grenzen endgültig ins Begriffs-<br />

Nirwana. Franz West – wie es scheint ein<br />

hochtalentierter Künstler – formulierte<br />

seine Abneigung begrenzender Begriffe<br />

mit der Aussage: „Eigentlich kann der<br />

Betrachter stets nur sein persönliches Urteil<br />

treffen. Ein Kunstwerk gefällt einem eben,<br />

oder es gefällt einem nicht.“ Mit diesem<br />

„Kritikansatz“ würde Kunstkritik auf ein<br />

höchstpersönliches Geschmacksurteil<br />

herunter gebrochen und damit jeglicher<br />

objektivierenden Anstrengung enthoben.<br />

Nun sei selbstredend jedem sein persönliches<br />

Geschmacksempfinden und damit<br />

Geschmacksurteil zugestanden. Aber<br />

das Ergebnis muss nicht, wie implizit erträumt,<br />

die Verfeinerung und Ausprägung<br />

des individuellen Geschmacks bedeuten:<br />

meiner Meinung nach geschieht eher<br />

die Nivellierung des Individuellen, das<br />

mangels verbindlicher Kriterien neben<br />

dem „gefällt mir, gefällt mir nicht“ auf<br />

vorgegebene Codes zurückgreifen wird,<br />

und diese beleuchte ich ja in meiner<br />

„Ästhetik der Ganzheit“ kritisch, wobei,<br />

was die Auflistung solcher Codes betrifft,<br />

C. Saehrendt und S. T. Kittl in ihrem Buch<br />

„Gebrauchsanweisung für Moderne Kunst“<br />

hervorragende Arbeit leisten.<br />

Die Disziplin des Diskurses geriet allein<br />

deshalb in Misskredit, weil eine<br />

Inszenierungs- und Medienkultur wie die<br />

unsere überhaupt zu keinem Thema längere<br />

Debatten zulässt. (Außer zum Thema<br />

Islam/Islamismus vielleicht, wo in übergreifender<br />

Islamophopie sich gar Falter-<br />

Journalisten mit BZÖ- Politikern beinaheverbrüdern<br />

– gesehen im Talk of Town<br />

anlässlich der Religionslehrerpolemiken).<br />

Ansonsten finden zu diversen jeweils aktuellen<br />

Gelegenheiten Club 2 Diskussionen<br />

statt, oder werden Stehgesprächsrunden<br />

zusammengetrommelt, doch die Reduktion<br />

von Information zur Ware, der zu<br />

Folge selbst (insbesondere) emotionale<br />

Betroffenheit rasch in bare Münze (bzw.<br />

Verkaufs- und Zuseherzahlen) umgesetzt<br />

wird, verunstaltet die Ideale der globalen<br />

Dauerinformation zum Medienrummel.<br />

Geschehnisse scheinen nur an einem Tag<br />

interessant, längstens solange nicht zu<br />

viele andere Fernsehstationen darüber<br />

berichteten. Zusammenhänge zwischen<br />

den Begebenheiten sind irrelevant,<br />

werden weder gesucht noch wenigstens<br />

anerkannt und das grausigste Ereignis<br />

ist einige Tage nach dessen medialer zu<br />

Tode Aktualisierung in der Flut der nachfolgenden<br />

„Informationen“ vergessen.<br />

Deshalb fordert das Volk kaum politische<br />

Verantwortung ein bei Krisen. Deswegen<br />

nimmt es sich selbst als außerhalb der<br />

Ereignisse stehend wahr. Darum sind die<br />

Informationsofferten der Massenmedien<br />

nur Unterhaltungsprogramm, bei dem<br />

Wichtiges erst wieder in den Fokus rückt,<br />

wenn die nächste unglaubliche Nachricht<br />

die Erde erschüttert – bis zum allernächsten<br />

Tag. So wächst indessen unbeachtet<br />

die alltägliche Gewalt, so verkommen<br />

unsere Kinder zu psychischen und emotionalen<br />

Krüppeln, so verdrängen wir die<br />

Probleme der Pflege in einer überalterten<br />

Gesellschaft, so auch ignorieren wir die<br />

erbarmungslose Ausbeutung Afrikas und<br />

schlittern starrenden Auges in die nächste<br />

Weltkrise (Klima und/oder Finanzen) - und<br />

blicken uns dann erstaunt um, weil keiner<br />

warnte.<br />

Alexander Schießling stellte im letzten<br />

(dem Winter-)st/a/r fest, dass desgleichen<br />

keine Literaturdiskurse (oder Kunstdiskurse<br />

generell) stattfinden. Saehrendt und Kittl<br />

bemerken eine Mutation der Kunstkritik<br />

(durch Kuratoren und Kritiker) hin zum<br />

elaborierten Werbeslogan, der Mega-<br />

Ausstellungen gewinnbringend einem<br />

Massenpublikum anpreisen soll. Diesen<br />

Überhang zu Vermarktungskriterien<br />

und vor allem zu einer allgegenwärtigen<br />

Oberflächenkunst konstatiert ebenfalls<br />

Schießling. Er meint allerdings, dass dieser<br />

Konsumkunst jene Talente gegenübergestellt<br />

gehörten, die im Schattendasein darbend<br />

im Leid ihrer Existenz die Initiation<br />

des Künstlers/Dichters erfahren. Meiner<br />

Einschätzung nach ist gegenwärtig (im<br />

Gegensatz zur klassischen Moderne)<br />

nicht Leid der Nährboden, aus dem Kunst<br />

quillt, sowenig ich freilich die augenblickliche<br />

Überhöhung des Erfolgreichen,<br />

Bekannten und Teuren (was alles meist<br />

im Originalitätsspektakel zusammenfließt)<br />

als Kunstkriterium anerkennen möchte.<br />

Der Zorn einiger gegenwärtig bedeutender<br />

AutorInnen/KünstlerInnen (gerade in<br />

Österreich – siehe Streeruwitz oder Jelinek,<br />

welcher im Speziellen für ihr unermüdliches<br />

politisches Engagement Anerkennung<br />

zu zollen ist) richtet sich gegen die<br />

Scheinschönheit der Glitzerwelt, wie sie<br />

Werbeindustrie und Hochglanzmagazine<br />

feilbieten. Doch funkeln die beiden - scheinbar<br />

sich ausschließenden - Welten als die<br />

zwei Seiten derselben Medaille. Auf der künstlich<br />

schillernden prostituieren sich junge<br />

Frauen, die gerne Top-Models wären durch<br />

den Seelenstriptease (bis von den Seelchen<br />

nichts mehr eigenes bleibt - Model im<br />

wahrsten Sinne des Wortes, hineingegossen<br />

die Erwartungen der schönen neuen<br />

Bilderwelt: wobei am katastrophalsten sich<br />

bei allen Super-Star-Shows die - nicht allzu<br />

- unterschwellige Botschaft auswirkt, es<br />

zählten nur die Besten, die Fittesten, die<br />

Konkurrenzbereitesten, Ehrgeizbesessenst<br />

en,Wettbewerbsgierigsten, Erfolgsgeilsten:<br />

trägt dann die Masse der „Verlierer“ nicht<br />

zu größerer Hoffnungslosigkeit in der<br />

Gesellschaft, zu Selbsthass und Projektion<br />

der verzweifelten Wut auf Randgruppen<br />

bei?) und über die Fernsehkanäle flimmern<br />

die Storys der Reichen, Schönen und<br />

Berühmten, doch auf der anderen Seite - im<br />

„Schatten“ - tummeln sich ebenfalls einige<br />

eitle GesellInnen, die ihren Schmerz zur<br />

Schau stellen, ihn zu vermarkten gemäß der<br />

Regel: der groß Leidende müsse zugleich<br />

der große Künstler sein. Solch Auffassung<br />

brachte nach meinem Verständnis eine<br />

Kunstideologie hervor, die Kunst seit der<br />

Aufklärung als Ersatzreligion begreift, die<br />

einerseits als eigenständige Religion (mit<br />

den entsprechenden Merkmalen, wie völlige<br />

Autonomie etc.) sich selbst verheißt,<br />

sowie andrerseits eine gewichtige Säule<br />

des Überbau der Moderne-Kultur mit<br />

deren Zentrierung ums Ich darstellt. Dazu<br />

müssen, wie in jeder richtigen Religion,<br />

Märtyrer die Übermenschlichkeit der<br />

Ideologie beglaubigen, die sich ja als weitaus<br />

wertvoller präsentieren will, als ein<br />

einzelner Mensch – sei es ein Genie –<br />

je sein kann. Optimal ist natürlich die<br />

Verquickung von beidem: Das Genie ist<br />

zugleich der jung versterbende und als<br />

Held der Moderne(-n Kunst) im Gedächtnis<br />

bleibende Einzelne. Das Genietum wird<br />

damit gewürdigt, der Einzelne unter die<br />

Idee vom Geniesein untergeordnet, doch<br />

verweist der Genialitätskult wieder auf<br />

Vergottung des Einzelnen, des Besonderen,<br />

des Individuellen zurück.<br />

Dass der im Schatten Wuchernde in seiner<br />

Vereinzelung leidet, dass er kein halbwegs<br />

normales, angenehmes Leben führt, tut der<br />

Idee des Großartigen keinen Abbruch. Im<br />

Gegenteil: dieses Unglücklich-Sein, dieses<br />

Leid garantiert ja erst die Wichtigkeit der<br />

von solch Verzweifelten hervorgebrachten<br />

Kunst. Hier muss ich Schießling widersprechen:<br />

ein gewaltiges Stück Narzissmus<br />

gehört zu einem Leben, das auf jegliche<br />

„normale“ Lebensqualität verzichtet, um<br />

vor sich selbst als Außerordentlicher, als<br />

Originaler, als Genie gelten zu können.<br />

Meiner Erfahrung nach quälen gerade die<br />

Talentierten unter den Künstlern/Dichtern<br />

sich leicht ein Leben lang mit dieser<br />

Märtyrerrolle herum, vor allem dann, wenn<br />

sie mehr oder weniger Erfolg haben und<br />

deshalb die Moderne-Masche durchzuziehen<br />

sich berufen fühlen, anstatt Wege aus<br />

dem Schlamassel persönlich zu suchen und<br />

künstlerisch aufzuzeigen.<br />

Aus ganzheitlicher Sicht liegt die<br />

Lösung weder im schönen Schein<br />

der Luxuskunst sich selbst vermarktender<br />

Künstler-Manager, noch in den<br />

Entbehrungen der Schattenexistenz oder<br />

der (oftmals) larmoyanten Konfrontation<br />

der „Durchschnittsbürger“ mit dieser<br />

Gräuel-Welt. Nicht soll den Leuten die<br />

Auseinandersetzung mit den verdrängten,<br />

mit den persönlichen und kulturellen<br />

Schatten erspart bleiben, nicht sollen<br />

die Schandflecken einer Kultur übertüncht<br />

werden, die - wie Schießling spannend hervorhebt<br />

- bereits heute Züge eines szientistischen<br />

Faschismus zeigt. „Der Fritzl steckt<br />

in jedem von uns“, spricht Hubsi Kramer<br />

mutig aus und wird dafür angefeindet, wie<br />

einst Urs Allemann, als er im „Babyficker“<br />

die Sichtweise des Kleinkinderschänders<br />

einnahm, den Leser mit verdrängten<br />

Schemen zu konfrontieren. Entrüstet brüllen<br />

gerade diejenigen auf, welche sich den<br />

eigenen Schatten nicht stellen: Kramer<br />

nutzt den öffentlichen Diskurs, um Kunst/<br />

Theater dorthin zu führen, wo sie/es auch<br />

Wolf Guenter Thiel gerne hätte: in den<br />

Fokus gesellschaftlicher Relevanz, den<br />

Kunst umfassender wieder erhalten könnte,<br />

sobald sie ethisch orientiert (alleine deshalb<br />

schon in einer gleichgültigen, auf Ignoranz<br />

und Profit ausgerichteten Welt) provoziert,<br />

und ihre diversen Stilmittel verstärkend zu<br />

diesem Zwecke nützt.<br />

Natürlich wird der Künstler/Autor den<br />

Einsatz der ästhetischen Mittel genau<br />

abwägen müssen. Provokation als beliebtes<br />

modernes Mittel allein erscheint zu<br />

wenig: sie dürfte nur Mittel zum Zweck<br />

sein – eben, wie es Kramer gelingt, um<br />

Aufmerksamkeit für Inhalte zu schaffen, sodass<br />

er den Zusehern bei „Talk of Town“ zu<br />

vermitteln vermag, dass die allgegenwärtige<br />

Sexualisierung und Pornographisierung<br />

der Gesellschaft zu vermehrtem sexuellen<br />

Missbrauch in den Familien führt.<br />

(Inwieweit ein Künstler dabei wieder bloß<br />

den Medienmarkt bedient wäre gesondert<br />

zu diskutieren, allzu großer Pessimismus<br />

erwiese sich als Hemmnis. Provokation<br />

als Selbstzweck allerdings dient nur der<br />

Eigenwerbung der Super-Markt-Künstler<br />

und der Profilierung sich aufplusternder<br />

Medienkonservativer).<br />

In einem Essay (erschienen in der wienzeile


Nr. <strong>22</strong>/2009 Buch VII - Häupl & Wittgenstein<br />

<strong>ST</strong>/A/R 51<br />

Nr.51) zum Werk Michel Houellebecqs arbeitet<br />

Schießling heraus, dass jener (zumindest)<br />

einer Vorstufe eines szientistisch-biologistischen<br />

Faschismus huldigt, welcher<br />

letztlich den genverbesserten, schönen, jungen<br />

und kräftigen neuen Menschen zum<br />

Ziel hat, woraufhin Schießling von Peter<br />

Gutjahr (im wienzeile Heft 53) gescholten<br />

wird, eine wissenschaftsfeindliche Position<br />

zu vertreten, und wir wüssten ja alle wohin<br />

solch - die Irrationalität beschwörende<br />

- Geisteshaltung führe. Bei allem Respekt<br />

vor Peter Gutjahr als integre Person - ich<br />

musste über diesen Reflex lachen, jede<br />

Kritik an unserer modernen, wissenschaftsgläubigen<br />

und entfremdeten Zeit sofort als<br />

rechtslastig anzuprangern; zu genau erinnere<br />

ich mich an die völlig unsachliche und<br />

undurchdachte Ablehnung meiner ganzheitlichen<br />

Einstellung, die von intellektualistischer<br />

Seite geradezu automatisch als<br />

faschistoid denunziert wurde.<br />

Dabei beschreibt Schießling Houellebecq<br />

zutreffend, lautet die Quintessenz von<br />

„Elementarteilchen“ doch, dass die<br />

Sexualkraft sowie Monopole und Kriege in<br />

Zusammenhang stünden. Diese im Grunde<br />

kryptochristliche Haltung, welche die Natur,<br />

die Sinne und die Emotionen der Menschen<br />

verantwortlich für alles Böse auf der Welt<br />

macht, trägt in Wahrheit zur Verdrängung<br />

und damit zu größerem Leid bei: nicht die<br />

Gefühle zerstörten die Welt, sondern des<br />

Menschen Fähigkeit zum instrumentellen<br />

Gebrauch des Verstandes, der reichlich<br />

unvernünftig eingesetzt, Natur, die Erde,<br />

das Überleben des Menschen bedroht. In<br />

meiner „Ästhetik der Ganzheit“ bekenne<br />

ich mich zu Emotion und Sinnlichkeit, zu<br />

Mitgefühl und Intuition und werde am<br />

schärfsten attackiert von wohl jenen, die<br />

ihre Körperlichkeit, ihre Gefühle, ihr Sein<br />

unter der Zementdecke der Zivilisation am<br />

rigidesten ersticken.<br />

Die Gläubigen der Wissenschaft und<br />

Vernunft übersehen, dass die wissenschaftliche<br />

Denkweise und die psychische<br />

Verkrüppelung einander nicht nur nicht<br />

ausschließen, sondern gar bedingen. Der<br />

Herrschaft des Verstandes, der Schärfe der<br />

Logik entspricht im Faktischen die Gewalt,<br />

heißt es sinngemäß in Peter Oberdorfers<br />

Roman „Kreuzigers Tod“. Sehr wohl kann<br />

der Verstand mit seiner Fähigkeit zu intellektualisieren,<br />

zu verdrängen, zu rationalisieren<br />

(wie wir aus der Psychologie wissen),<br />

allerlei Ursachen für Probleme erfinden,<br />

indessen aber die abgrundtiefe Wut im<br />

eigenen Inneren, die verkrüppelte Seele und<br />

die verkümmerten Gefühle total übersehen<br />

– gar all jene „negativen“ Eigenschaften leicht<br />

auf Andere projizieren: auf die Künstler<br />

und Autoren etwa, die darüber aufzuklären<br />

versuchen. Ein Diskurs darüber scheint<br />

dennoch unmöglich, da die Künstler,<br />

welche der Kunst als Religionsersatz frommen<br />

und dem Glauben an die Ratio anhängen,<br />

selber die Diskussion über das verstandesorientierte<br />

Ich der Moderne, über<br />

die daraus folgende Relativierung ethischer<br />

und moralischer Werte und den Verlust von<br />

Liebe und Mitgefühl, als Tabubruch - weil<br />

Verstand und Denken kompromittierend -<br />

verweigern.<br />

Die alleinige Beschwörung der Vernunft,<br />

die Analyse der Zustände (zumal mit<br />

Fokussierung der Extreme) gilt aus ganzheitlicher<br />

Sicht jedoch als unzureichend.<br />

Die etwa von einer Jelinek wiederholte<br />

und nicht enden wollende Abspulung von<br />

Zerstörtheit und Schmerz überschwemmt<br />

die tatsächlichen Gründe des Leids wortund<br />

bildgewaltig. Wie anfänglich gesagt:<br />

Kunst ist nicht selbstredend Leid, und die<br />

überbordende Auflistung von Negativem<br />

zeichnet gefährlich kompakt eine Welt<br />

des Schreckens und der unauflöslichen<br />

Zerstörung, die gerne als die wirkliche<br />

Welt missdeutet wird, sodass keinerlei<br />

Überwindung oder wenigstens Linderung<br />

möglich scheint.<br />

Damit sind die Zyniker und Quasirealisten<br />

aus dem Schneider, welche Provokation<br />

oder postmoderne Relativierung und<br />

Dekonstruktion fordern: oftmals - ohne jegliche<br />

ethische Ausrichtung - letztlich alles<br />

ums Ich rotieren lassen, sämtliche Mittel<br />

der Kunst schänden, sich selbst darzustellen<br />

und zu erhöhen, sodass in der scheinbaren<br />

Höhe ihrer Kunst bloß die tatsächliche<br />

Größe ihres (meist narzisstischen)<br />

Komplexes sichtbar wird. Natürlich darf<br />

dem Künstler nicht sein Schmerz auch noch<br />

vorgehalten werden; sein Leid resultiert<br />

zumeist aus der seelenzerstörenden Gewalt<br />

einer, das Sein erdrückenden, Kultur: die<br />

Methode aber, die eigene Zerstörtheit<br />

als Turbo-Antrieb zur Befriedigung und<br />

Inszenierung narzisstischer Wünsche nach<br />

Erfolg und Anerkennung zu missbrauchen,<br />

muss schon kritisiert werden dürfen, ohne<br />

gleich in Verdacht zu geraten, Begriffe wie<br />

„Entartung“ in die Debatte einführen zu<br />

wollen. Immerhin verhindert gerade der<br />

blühende Narzissmus zahlreicher Künstler/<br />

Philosophen/Intellektuelle die Möglichkeit<br />

der Einsicht in die Zusammenhänge von<br />

(formal oftmals brillanter, doch inhaltsleerer)<br />

Oberflächenkunst und Imagegesellschaft<br />

- ärger noch: trägt deren Narzissmus ja<br />

zur Verbreitung von phantasmagoriescher<br />

Oberflächlichkeit bei.<br />

Wie verstrickt die Pseudoethik intellektueller<br />

Erwägungen und schierer Zynismus unter<br />

einer Decke stecken können, dokumentiert<br />

gerade Houellebecq, wo dessen kryptochristliche<br />

Moral aus „Elementarteilchen“<br />

zu blanker Verhöhnung der Ausgebeuteten<br />

gefriert, wenn in „Plattform“ er den Tausch<br />

von Geld (aus der reichen Welt) gegen Sex<br />

(in der dritten Welt) billigt, überhaupt die<br />

Begegnungen zwischen Männern und<br />

Frauen (in der Karibik und Thailand) eher<br />

an Softporno-Männerphantasien als an irgendeine<br />

Realität erinnern. Nun lasse ich<br />

mir von niemandem sagen: „Das ist ja der<br />

künstlerische Kniff dabei, so will er provozieren<br />

und Aufmerksamkeit gewinnen<br />

und fürs Thema sensibilisieren.“ Nein, das<br />

genaue Gegenteil ist der Fall: der Autor hat<br />

nicht - wie in heutiger Kunstauffassung -<br />

nichts mit dem Werk gemein, er und die<br />

Romanfiguren hängen sehr wohl zusammen,<br />

allein H. nutzt die diesbezügliche<br />

Verwirrung zur Geschäftemacherei und<br />

(siehe Schießlings Analyse) zur Verbreitung<br />

einer beispiellos bedenklichen Ideologie.<br />

Seit der Aufklärung beherrscht der Verstand<br />

die Kunst. Bald erklärte die Kunst ihre<br />

Unabhängigkeit von der Welt. Vor nicht allzu<br />

langer Zeit galt auktoriales Erzählen als<br />

ideologisch und verpönt, da ein Erzähler in<br />

dritter oder erster Person dem Autor „gottähnliche<br />

Macht“ über die Romanfiguren<br />

bescheren würde, als ob die Sprachwülste<br />

des interpunktionslosen und betont inhaltsleeren<br />

Dauerreflektierens „experimenteller“<br />

Literatur nicht ebenso einer bestimmten<br />

Denkungsart folgten: der Weltanschauung<br />

der Aufweichung nämlich, der Auflösung,<br />

der Absurdität, die aber - wider aller<br />

Beteuerungen - prompt in die Allmacht des<br />

dahinterstehenden, uneingegrenzten Ichs<br />

(und dessen Ideen) steuerte. Die Autoren<br />

erklärten schließlich ihre Wahrnehmungen,<br />

ihre Gedankenwelten als unabhängig<br />

von sich selbst – als quasiobjektiv: welch<br />

Anmaßung der Allmacht des Denkens!<br />

Gleichzeitig definierten die Kritiker die<br />

Unabhängigkeit des Werkes vom Autor,<br />

und schließlich verfiel die Kunstwelt der<br />

Phantasie, Kunst/Literatur sei, was der jeweilige<br />

Betrachter/Leser selber in das Werk<br />

hineinblicke, womit jeder mögliche Diskurs<br />

endete.<br />

Gegenwärtig kehrt die Literatur zum<br />

Erzählen zurück, nimmt aber häufig die<br />

Relativierungen und den Wertverlust der<br />

Dekonstruktionsphase und des vorangegangenen<br />

quasiwissenschaftlichen Experiments<br />

mit der Sprache in dieses neue Erzählen hinein.<br />

Autoren üben also wieder Macht über<br />

ihre Romanfiguren aus, zugleich indes<br />

wird so getan, als ob diese nun, geläutert<br />

im wissenschaftlichen Experiment und den<br />

Weihen der Dekonstruktion, nie mit einer<br />

Grundeinstellung des Autors zusammenhingen,<br />

sondern als weiterhin vom Autor getrennte<br />

Entitäten existierten. Doch es ist der<br />

Autor, der etwa die Erzählfigur in bestimmte<br />

ausgewählte Szenen stellt, in denen<br />

diese übers Geschehen berichtet; also vermittelt<br />

der Autor wiederum Ideologie, doch<br />

offiziell, mystifizierend, werden explizite<br />

Weltanschauungen nach wie vor empört<br />

abgelehnt.<br />

Es ist der Verdienst Alexander Schießlings<br />

in seinem Essay über Houellebecq deutlich<br />

zu machen, dass mittlerweile ungeniert ein<br />

szientistisch-biologistischer Faschismus<br />

sich Bahn bricht, gespiegelt im kaum verhüllten<br />

Weltbild des Autors, was wohl nur deshalb<br />

übersehen werden konnte, weil in den<br />

Begriffs- und Diskursverwirrungen einer<br />

abgehobenen, scheinautonomen Kunstwelt<br />

der Überblick über das Augenscheinliche<br />

verloren gegangen ist.<br />

Schießling stellt drastisch den<br />

Zusammenhang des Denkens der<br />

Erzählfigur mit dem des Autors her und<br />

resümiert: „H. könnte an jeder Stelle seiner<br />

Romane uns wissen lassen, dass er anders<br />

als die Erzählfigur denkt.“<br />

Ich bemängle, dass H. sich spätestens<br />

in „Plattform“ überhaupt nicht<br />

von der Erzählfigur abgrenzt, sodass<br />

der Romanantiheld (der notabene das<br />

neue Erzählen zuhauf bevölkert) seinen<br />

Sarkasmus und die psychische Kälte durch<br />

H. „autorisiert“ bekommt: Wodurch die<br />

entfremdeten Mittelstands-Leser des reichen<br />

Europas sich in ihren selbstbefriedigenden<br />

Meinungen durch den berühmten<br />

Superstar bestätigt fühlen dürfen.<br />

In „Ausweitung der Kampfzone“ ironisiert<br />

H. die Erzählfigur souverän und hilft<br />

Verdrängtes und Ausbeuterisches aufzuarbeiten.<br />

Später aber vertritt H. die (nun eher<br />

intellektualistisch<br />

gefühls- und naturfeindliche denn kryptochristliche)<br />

Weltanschauung eines szientistischen<br />

Rassismus, dem folgend die reichen,<br />

schönen, zwar seelisch angekränkelten, aber<br />

nichts desto trotz zahlreichen Bürger (deshalb<br />

verkauft er sich so gut) Europas (und<br />

den USA) das Recht haben, für ihr Geld<br />

sich an der weniger gestörten Sinnlichkeit<br />

der Wilden zu bedienen. Zudem habe die<br />

Natur uns schwer geschädigt, da wir altern<br />

und sterben müssen, deswegen könnten<br />

wir uns an den „Schwächeren“ schadlos<br />

halten, zudem vermögen wir die Natur und<br />

unser Schicksal nur mittels Gentechnik<br />

und Klonkörper zu überwinden.<br />

Schießling schließt: „Elementarteilchen“<br />

und H.’s letzter Roman „Die Möglichkeit<br />

einer Insel“, seien der Entwurf eines szientistischen<br />

Faschismus, der die Macht über<br />

die Menschen einer wissenschaftlichen<br />

Elite zu Füßen legt.<br />

Schießlings Analyse ist hochbrisant,<br />

ergänzen möchte ich, dass Szientismus<br />

(also der Glaube, die Wissenschaften<br />

könnten die Welt lückenlos erklären) und<br />

Intellektualismus zwei Pfeiler desselben<br />

Überbaus der Ich-Ideologie (der Moderne)<br />

bilden. Der Intellektuelle wird, wie in<br />

Diskussionssendungen im TV beobachtet,<br />

die Reduktion des Menschen auf seine<br />

biochemischen neuronalen Impulse erbost<br />

zurückweisen, doch er selbst, der an<br />

einen Geist glaubt, der an das einzelne<br />

Hirn gekettet ist, unterscheidet sich in<br />

den Konsequenzen seines Glaubens (der<br />

Verstand könne die Welt restlos erläutern –<br />

wenigstens begreifen) nicht wesentlich vom<br />

Biologisten oder Szientisten. Künstliche-<br />

Intelligenz Forscher basteln an einem<br />

Bioroboter, der - unter Ausmerzung der<br />

Erbsünde Körperlichkeit - das Denken als<br />

gottgleich für ewige Zeiten konserviert.<br />

Ästhetische Prinzipien zu erarbeiten,<br />

welche primär ethische Aspekte beinhalten,<br />

die obige Schreckensszenarien der<br />

Gegenwart und nahen Zukunft zu bewältigen<br />

helfen, wäre die Aufgabe derjenigen,<br />

deren Hauptanliegen in der Überwindung<br />

der Dekonstruktionswut der Postmoderne<br />

liegt; wie z.B. für einen Wolf Guenter<br />

Thiel.<br />

In der von mir verfassten - noch nicht abgedruckten<br />

- „Ästhetik der Ganzheit“ finden<br />

sich die Prinzipien Stille, Einfachheit,<br />

Mitgefühl, Ausgewogenheit (zwischen<br />

Provokation/Ironie/„Negativität“ und<br />

Erkenntnis des Schönen), Emotionalität/<br />

Sinnlichkeit/Intuition (genauer ausgeführt<br />

im Winter-st/a/r Heft Nr. 2o und unter<br />

www.sonneundmond.at).<br />

Als kleinsten gemeinsamen Nenner könnte<br />

man gelten lassen, was Eva Menasse über<br />

die Gestaltung von Romanfiguren eines<br />

amerikanischen Schriftstellers sagt: Es geht<br />

nicht allein um die präzise Ausarbeitung,<br />

wirklich schön wird’s, wenn der Autor<br />

seine Figuren geradezu liebt. „Liebe“ ist<br />

ein starkes Wort, aber hier das einzig<br />

richtige. Sympathien für die Figuren zu<br />

empfinden, gar für eine Erzählfigur, die<br />

dann sympathischen Sex mit einer netten<br />

Farbigen hat, oder mit einem Antihelden<br />

sich zu identifizieren, der linkisch einige<br />

Abenteuer bewältigen muss, dann aber eh<br />

die Karriereleiter nach oben fällt („Was wir<br />

tun sollen“), oder der die Welt vermessend,<br />

Natur und Exotik sich untertan macht, verweisen<br />

auf das Ich der Moderne, auf die<br />

narzisstische Bespiegelung der persönlichen<br />

Einzigartigkeit und Grandiosität,<br />

haben aber mit Liebe zur Welt, zu andern<br />

Menschen, zur Schöpfung, zum eigenen<br />

inneren Selbst überhaupt nichts gemein.<br />

(Wobei die provokante und ängstigende<br />

Frage sich aufdrängt: Hat der Erfolg Daniel<br />

Kehlmanns gar mit der szientistisch ästhetisch-faschistischen<br />

Gesinnung bereits unheimlich<br />

vieler Zeitgenossen zu tun?).<br />

Im Mittelpunkt steht der Mensch. Und rundum<br />

stirbt die Natur. Die Haltungen ganzheitlicher<br />

Kunst münden in Lebensfreude<br />

und Naturliebe. Das „Sein“ des Menschen<br />

ist umfassender als das Konzept seines Ich.<br />

Die Ich-Konzeption ist zeitlich und kulturell<br />

bedingt. Das Ich der gegenwärtigen<br />

Ich-Ideologie klammert fast vollständig das<br />

„Sein“ aus, definiert sich über den Verstand<br />

(den instrumentellen speziell: was meint,<br />

die Geschicklichkeit des Denkens zum<br />

eigenen Vorteil zu nutzen), den Erfolg (also<br />

hierarchische Maßstäbe) und zunehmend<br />

über das, was Schießling als ästhetischen<br />

Faschismus beanstandet („ästhetisch“ heißt<br />

hier: das gesellschaftliche Wertesystem<br />

infiltrierend; vorerst (!) nicht als „Recht“<br />

verbindlich).<br />

„Sein“ meint die Eingebundenheit in Welt<br />

und Natur. Bedeutet Gefühle und Intuition<br />

zuzulassen. Ein Eiszeitatheismus muss jegliche<br />

Rückverbindung des Menschen an<br />

etwas Anderes, Größeres wüst bekämpfen.<br />

Hier verschmolzen Kunst und Wissenschaft<br />

zu unheilvollen Verbündeten. Intellekt und<br />

der Glaube ans Sichtbare, Materielle zerren<br />

den Menschen aus der Einheit mit der<br />

Welt, zerschmettern sein Urvertrauen (bereits<br />

in der Kindheit, wenn körperängstliche<br />

Mütter ihre Kinder unbewusst ablehnen<br />

bzw. symbiotisch vereinnahmen, was heißt:<br />

es fehlt das Gefühl für lebendige Grenzen;<br />

und später wenn die Kinder bloß über ihre<br />

Leistungen bestätigt werden und dadurch zu<br />

Gefolgsleuten der Karriere/Konsumkultur<br />

herangebildet werden). Isolation,<br />

Entfremdung, Zynismus, Misanthropie,<br />

Gewaltausbrüche aus Hoffnungslosigkeit<br />

und Angst sind die Folge. Der heutige<br />

Moderne schreit und schreibt aus dieser<br />

Angst heraus, er findet den Ausweg nicht,<br />

weil seine Vorurteile, seine Analyse- und<br />

Zerstückelungszentriertheit ihn davon<br />

abhalten, den kulturellen Narzissmus zu<br />

überwinden, in dem er mit der eigenen<br />

Seele feststeckt; ein Narzissmus, der ihm<br />

Heilung als etwas Kitschiges, Romantisches<br />

bis Faschistoides rationalisiert. Im<br />

Fortschreiten der Moderne kam zudem das<br />

Verständnis des sogenannten „Finalzwecks“<br />

abhanden; alle Analyse richtet sich derzeit<br />

auf Ursachen, auf letzte Entstehungsgründe<br />

für Leid und Übel, sodass wir immer unverständiger<br />

und verbitterter auf das harte<br />

Los der Lebensbewältigung starren, statt<br />

die Herausforderungen zu schätzen, die<br />

in Problemen und Krisen liegen, um etwa<br />

den eigenen Anteil an Konflikten zu erkennen<br />

und/oder die Lehren des Schicksals für<br />

uns (und die Kultur) zu begreifen und anzunehmen,<br />

was allerdings eine spirituelle<br />

Sichtweise der Dinge voraussetzt.<br />

Religiosität allein schützt freilich vor<br />

Narzissmus nicht. Wie wir gerade am Ex<br />

US-Präsidenten und dessen Gut/Böse-<br />

Ausschließlichkeitsreligion erfahren mussten.<br />

Ohne Vertrauen und ganzheitliche<br />

Sicht der Zusammenhänge jedoch gehen<br />

wir inmitten all unserer Rationalität<br />

(nicht zuletzt in Begriffslabyrinthen,<br />

Relativierungsdiffusionen und emotionaler<br />

Dissonanz) verloren. Viel gäbe es zu debattieren.<br />

Wenigstens ein kleiner Beitrag möge<br />

geleistet sein.<br />

Informationen zur „Ästhetik der<br />

Ganzheit“ sowie zum Sonne und<br />

Mond Förderungsverein für ganzheitliche<br />

Kunst und Ästhetik unter<br />

HYPERLINK “http://www.sonneundmond.at”<br />

www.sonneundmond.at


Städteplanung / Architektur / Religion Buch VII - Häupl & Wittgenstein <strong>ST</strong>/A/R 53<br />

Landmarks & Talking heads 2009<br />

Ungewöhnliche Architektur-Portrait-Fotos von Peter Korrak<br />

„schwindelerregend“ wirken auf den ersten Blick viele der Photographien von Peter Korrak,<br />

die er über längere Zeit hinweg mit seinem Projekt „landmarks & talkingheads“ realisiert hat.<br />

Mit diesem einzigartigen Vorhaben werden aus einer ungewöhnlichen Perspektive heraus Persönlichkeiten<br />

aus Kultur, Kunst, Politik, Sport, Klerus und Wirtschaft mit „ihren“ Bauwerken und deren<br />

Architekturen gewissermaßen verschmolzen.<br />

Nicht nur die phototechnische Brillanz (Hasselblad H3D – die Digitalkamera mit dem derzeit höchsten<br />

Auflösungvermögen von 60 Millionen Pixel ist ihm gerade gut genug) fasziniert, sondern auch<br />

die Intention und Konzeption: Die spezifische Verschränkung von Portrait- und Architekturphotographie<br />

eröffnet neue Wahrnehmungsformen, indem die Individualität der Persönlichkeiten mit der<br />

Individualität der Architekturen korreliert und dadurch neue Blicke auf Bekanntes und Vertrautes<br />

ermöglicht.


54 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VII - Häupl & Wittgenstein Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

<strong>ST</strong>/A/R-Kulturinitiative<br />

Buchmesse – Frankfurt am Main<br />

sponsered by<br />

Distribution of 400 <strong>ST</strong>/A/R’s<br />

in Frankfurt<br />

13–18 Okt. 2009<br />

Dr. Tolstoj<br />

DI.Heidulf Gerngross<br />

Vallie Airport<br />

aka Goeschel<br />

Protest gegen China.


Nr. <strong>22</strong>/2009 Buch VII - Häupl & Wittgenstein<br />

<strong>ST</strong>/A/R 55<br />

Volksbuch neuauflage -<br />

auch als ebook<br />

Größter Mann der Welt<br />

Gerngross<br />

Kleinster Mann<br />

der Welt<br />

Cubasch (Verlag der Apfel /<br />

www.verlagderapfel.at) im<br />

Gespräch mit<br />

Heidulf Gerngross


56 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VII - Häupl & Wittgenstein Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

Anna-Maria Bogner<br />

www.ambogner.com<br />

„DER ZU-GEDACHTE RAUM“, 2007<br />

Installation/ Verlegeplatten, Stahl, Licht;<br />

(Breite: 0,70m, Höhe: 2,50m, Länge: 9,90m)


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch VIII - Presseinformationsdienst <strong>ST</strong>/A/R 57<br />

Hauptbahnhof Wien<br />

Mehr als ein Bahnhof.<br />

Der Südbahnhof ist bald Geschichte. An seine Stelle tritt der Hauptbahnhof Wien, modern und zentral gelegen. Gleichzeitig mit dem<br />

neuen Bahnhof entsteht ein attraktives Stadtviertel – optimale Verkehrsanbindung und hohe Wohnqualität inklusive.<br />

Schnellere Zugsverbindungen, hoher Reisekomfort, beste Anbindungen in die City: Der neue Hauptbahnhof Wien wird eine wichtige Drehscheibe<br />

im Herzen Europas. Mit einem entscheidenden Vorteil: Züge können aus allen Richtungen kommen. Und danach in alle Richtungen weiterfahren.<br />

Der Hauptbahnhof entsteht zwischen dem derzeitigen Südbahnhof und dem Südtiroler Platz, auf dem sich auch der Haupteingang befinden wird.<br />

Neben der U1 garantieren 11 S-Bahnen, 3 Straßenbahnen und Busse eine gute Anbindung in die Stadt. Das Bahnhofsgebäude selbst wird modern, hell<br />

und barrierefrei. Ein bunter Mix aus Geschäften und Gastronomie lädt zum Bummeln und Verweilen ein.<br />

Am Puls der Zeit: Ein neues Stadtviertel für Wien<br />

Insgesamt 59 Hektar wird er groß sein, der neue Stadtteil entlang dem Hauptbahnhof- Areal. Zwischen Wiedner Gürtel im Norden, Arsenalstraße<br />

im Osten und Sonnwendgasse/Gudrunstraße im Süden und Westen. Rund um einen weitläufigen Park entsteht im Süden des Areals ein attraktives<br />

Wohnviertel. Mit 5.000 Wohnungen für zirka 13.000 Menschen – Richtung Ostbahn gut abgeschirmt durch Büro und Gewerbegebäude. Die Stadt<br />

Wien sorgt für gute soziale Infrastruktur: Unter anderem mit einem Bildungscampus mit Schule und Kindertagesheim.


58 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VIII - Presseinformationsdienst Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

Alle Wege führen durch Wien<br />

Wien hat in Europa zunehmend an Bedeutung<br />

gewonnen. Besonderen Stellenwert hat die<br />

Stadt als Verkehrsknoten: hier kreuzt der Donau-<br />

Korridor West-Ost die Nord-Süd-Achse Berlin-<br />

Prag-Wien.<br />

Parallel verläuft die sogenannte<br />

„Magistrale für Europa“, eine Eisenbahn-Hochleistungsverbindung<br />

zwischen den Städten Paris,<br />

Straßburg, Stuttgart, München, Salzburg, Wien<br />

und Budapest, für deren Ausbau die Stadt Wien<br />

verstärkt eintritt.<br />

Durch die Reformen in Osteuropa und die EU<br />

besteht die Chance, den Donauraum wiederzubeleben,<br />

der seit jeher eine Kultur-und Wirtschaftsachse<br />

ist.


Nr. <strong>22</strong>/2009 Buch VIII - Presseinformationsdienst<br />

<strong>ST</strong>/A/R 59<br />

HAUPTBAHNHOF WIEN – Ab 13. Dezember: Südbahnhof, adieu!<br />

Demnächst geht’s los:<br />

Wien baut einen neuen, modernen Hauptbahnhof und ein attraktives<br />

Stadtviertel. Auf dem Areal zwischen Wiedner Gürtel, Arsenalstraße,<br />

Gudrunstraße und Sonnwendgasse.<br />

Schnelle Zugsverbindungen, hoher Reisekomfort, optimale Anschlüsse:<br />

Der neue Hauptbahnhof Wien wird Drehscheibe für<br />

den regionalen, nationalen und internationalen Reiseverkehr. Mit<br />

einem modernen Bahnhofsgebäude direkt am Südtiroler Platz mit<br />

der U1-Station. Baustart ist Anfang 2010 – erste Veränderungen im<br />

Schienenverkehr gibt’s bereits heuer.<br />

13. Dezember 2009:<br />

Südbahn endet in Meidling<br />

Der Südbahnhof schließt – die Bahnsteige 11-19 werden stillgelegt.<br />

Der Bahnhof Wien Meidling übernimmt teilweise die Funktion des<br />

Südbahnhofs. Die Fernverkehrs- und Nahverkehrszüge der Südbahn<br />

und die Fernverkehrszüge der Ostbahn enden und beginnen zum<br />

Großteil in Wien Meidling. Die meisten Nahverkehrszüge der Südbahn<br />

werden über die Stammstrecke durchgebunden.<br />

S-Bahn-Stammstrecke durchgehend in Betrieb<br />

S-Bahnzüge und Nahverkehrszüge, die Richtung Floridsdorf fahren<br />

und von dort kommen, verkehren wie bisher. Die S-Bahn-Station<br />

Südbahnhof ist während der Errichtung in Betrieb und erhält provisorische<br />

Stiegen-Aufgänge und Lifte in den Schweizer Garten.<br />

Wien Südbahnhof (Ostbahn)<br />

Ein provisorischer Ostbahnhof für den Nah- und Regionalverkehr der<br />

Ostbahn sowie für die S 60 wird auf Höhe Schweizer-Garten-Straße<br />

errichtet. Dieses Provisorium bietet die übliche Bahnhofs-Infrastruktur.<br />

Großer Baustart 2010<br />

Der Südbahnhof wird Anfang 2010 abgetragen. Danach stehen Aushubarbeiten<br />

auf dem Programm, um die Fundamente errichten zu<br />

können.<br />

Die ersten Züge ab Ende 2012<br />

Im Dezember 2012 erfolgt die Teil- Inbetriebnahme des Hauptbahnhofs<br />

– der Hauptbahnhof Wien wird erstmals im Fahrplan der ÖBB<br />

aufscheinen.<br />

Gesamtfertigstellung des Bahn- Infrastrukturprojekts 2015. Der provisorische<br />

Ostbahnhof wird auf Höhe Schweizer-Garten-Straße<br />

errichtet.<br />

Hauptbahnhof Wien – Zeitplan<br />

Ab 13. Dezember 2009:<br />

• Sperre Südbahnhof (Südbahn):<br />

Bahnsteige 11-19 werden stillgelegt.<br />

• Fern- und Nahverkehrszüge der Südbahn<br />

und Fernverkehrszüge der Ostbahn ab/bis<br />

Wien Meidling.<br />

• Provisorischer Ostbahnhof für den Nah- und<br />

Regionalverkehr der Ostbahn auf<br />

Höhe Schweizer-Garten-Straße.<br />

• S-Bahn-Stammstrecke durchgehend<br />

in Betrieb.<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.hauptbahnhof-wien.at<br />

2010:<br />

• Abriss des Südbahnhofs und großer<br />

Baustart<br />

• Aushub- und Fundamentarbeiten<br />

• Beginn des Umbaus des Wiedner Gürtels<br />

Ende 2012:<br />

• Teilinbetriebnahme Hauptbahnhof Wien<br />

2013/14:<br />

• Fertigstellung erster Wohnbauten und<br />

eines Parkteiles


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch VIII - Presse<br />

Neben dem Bahnhof entsteht ein neues<br />

Stadtviertel direkt im Zentrum Wiens:<br />

Aufwertung des gesamten Gebietes.<br />

Beseitigung der Barriere zwischen den Bezirken.<br />

Ca. 5.000 Wohnungen für ca. 13.000 Menschen<br />

Büroflächen für ca. 20.000 Menschen<br />

8 ha Park (doppelt so groß wie der Rathauspark)<br />

Schulcampus (Volks-+ Mittelschule, Kindertagesheim)<br />

gute Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln:<br />

U1, Verlängerung der U2 in den neuen Stadtteil, S-Bahnen (S1, S2, S3, S5, S6, S8, S9,<br />

S15), Straßenbahn Linien 18, 0, D, Autobuslinien 13A, 69A


idualverkehr.<br />

U<br />

-Bahn, S-Bahn, Bus: Der der U1 am Südtiroler Platz:<br />

Hauptbahnhof ist gut an Durch eine Passage gelangen<br />

informationsdienst llem im Bereich Matzfer<br />

Platz zu Behinde-<br />

angebunden. So werden etwa<br />

das öffentliche Verkehrsnetz Sie direkt zum Bahnhof. <strong>ST</strong>/A/R 61 ■<br />

für<br />

Zahlen,<br />

den Individual-<br />

Daten<br />

die<br />

&<br />

Buslinien<br />

Fakten<br />

13A<br />

zum<br />

und 69A<br />

. So wird es ab Juli in sowie die Straßenbahnlinie O<br />

ester<br />

Projekt<br />

Straße und<br />

Hauptbahnhof<br />

in direkt am nördlichen<br />

Wien<br />

Vorplatz<br />

eine Haltestelle erhal-<br />

runstraße zunächst<br />

swärts – ab August in ten. Die Linie 18 wird ihre<br />

Fahrtrichtungen >> Leistungsdaten – zu jetzige Bahn-Infrastruktur Haltestelle behalten. Projekt<br />

änkungen kommen.<br />

itig mit Schulbeginn Passage zur U1-Station<br />

nt sich • Gesamtfläche die SituationInfrastrukturprojekt Neu bei der Linie ca. 50 D: ha Sie wird<br />

Bis • dahin Länge werden des Bahn-Infrastrukturprojektes in das Wohngebiet ca. verlängert, 6 km<br />

fahrerInnen • Gesamtfläche um Ver-Brückenneubas gebeten. • ca. 100 km Gleis ■ Garten aufgehoben. Neu bei Ebenfalls geplant bis zum neuen Stadtteil: U2.<br />

die Schleife ca. beim 30.000 Schweizer m²<br />

• ca. 300 Weichen<br />

7<br />

• ca. 8 km Lärmschutzwände<br />

>> Leistungsdaten Verkehrsstation Hauptbahnhof Wien<br />

einschl. BahnhofCity<br />

• 5 überdachte Inselbahnsteige - 10 Bahnsteigkanten<br />

• Bahnsteigbreiten: durchschnittlich 12,10 m<br />

• 14 Personen- und 5 Lastenaufzüge<br />

• 29 Rolltreppen<br />

• Durchgehend barrierefrei<br />

• Direkte Anbindungen an den Fern- und Nahverkehr durch S-Bahn,<br />

U-Bahn, Straßenbahn, Busbahnhof<br />

• Kreuzungspunkt dreier TEN-Korridore:<br />

• TEN 17: Paris-Straßburg-Stuttgart-Wien-Bratislava<br />

• TEN <strong>22</strong>: Athen-Sofia-Budapest-Wien-Prag-Nürnberg/Dresden<br />

• TEN 23: Danzig-Warschau-Brünn/Bratislava-Wien-Venedig<br />

• Tiefgarage mit ca. 630 Auto-Stellplätzen<br />

• Fahrradgarage mit ca. 1.150 Fahrradabstellplätzen<br />

• Behindertenstellplätze, Kiss & Ride, Taxistandplätze<br />

• Einkaufszentrum mit ca. 20.000 m 2 in der Verkehrsstation<br />

• ca. 100 Geschäfte und zahlreiche Gastronomiebetriebe<br />

>> Leistungsdaten Neues Stadtviertel – Immobilienprojekt<br />

• Lage zwischen Wiedner Gürtel, Sonnwendgasse, Gudrunstraße und Arsenalstraße<br />

• 59 ha Gesamtausmaß:<br />

• davon 8 ha Grünfläche<br />

• Gemischte Nutzung: Büros, Wohnungen, Handels-, Dienstleistungsbetriebe,<br />

Hotel, Schulen, Kindergarten<br />

• 550.000 m 2 Bürofläche<br />

• 20.000 Arbeitsplätze<br />

• 5.000 Wohneinheiten für 13.000 Menschen<br />

Wiener Linien


62 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VIII - Presseinformationsdienst Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

Beste Verkehrsanbindung<br />

HAUPTBAHNHOF WIEN<br />

Wien baut einen neuen Hauptbahnhof. Und damit die wichtigste Drehscheibe für den regionalen, nationalen und internationalen Reiseverkehr.<br />

Mit dem Abriss des Südbahnhofs starten die Bauarbeiten.<br />

Bis 13. 12. 2009 ist der alte Südbahnhof die Endstation von Süd- und Ostbahn. Dann wird ein Durchgangsbahnhof errichtet, von dem Züge aus<br />

allen Richtungen kommend in alle Richtungen weiterfahren können. Mit der Schaffung dieser hochleistungsfähigen Nord-Süd- und Ost- West-<br />

Verbindung wird der Bahnhof zu einem zentralen Knotenpunkt im transeuropäischen Schienennetz.<br />

Egal wohin man in der Stadt will:<br />

Beste Anbindungen sind garantiert<br />

Das Gebäude des neuen Hauptbahnhofes rückt vom heutigen Standort des Südbahnhofes in Richtung Südtiroler Platz. Eine neue, großzügige<br />

Passage wird den neuen Hauptbahnhof direkt mit der U1-Station am Südtiroler Platz, den zahlreichen S-Bahn-<br />

Linien und der unterirdischen Straßenbahnhaltestelle der Linie 18 verbinden. Alle Zugänge werden barrierefrei gestaltet, insofern wird es auch<br />

kein mühsames Kofferschleppen über Stiegen geben. Die Entfernung der U-Bahn zum Bahnhof wird jener am Westbahnhof zur U3 entsprechen.<br />

Weiters garantieren oberirdisch die Straßenbahnlinien D (die in das neue Stadtviertel verlängert wird) und O, die Buslinien 13A und 69A sowie die<br />

regionalen Busse die Anbindung in die Stadt und in die Region. Das Stadtviertel im Süden wird in Zukunft mit der U-Bahn-Linie U2 erschlossen.<br />

Ein neues Stadtviertel entsteht<br />

Im Süden des Areals entsteht ein attraktives Wohnviertel. Mit 5.000 Wohnungen, einem Schulcampus und einer Parkanlage.


Nr. <strong>22</strong>/2009 Buch VIII - Presseinformationsdienst<br />

<strong>ST</strong>/A/R 63


64 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VIII - Presseinformationsdienst Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

Südbahnhof-”Augen” sind im ZKM<br />

Hofstetter Kurt’s “Ein Augenblick Zeit” am Wiener Südbahnhof wurden vor<br />

dem Abriss an das Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe<br />

übergeben, um dann als Symbol der Erinnerung im neuen Hauptbahnhof<br />

wieder zu erscheinen.<br />

„bahnorama“<br />

Informationszentrum Hauptbahnhof Wien<br />

Ω Neuer Name „bahnorama“:<br />

Aussichtsplattform auf 40 m Höhe für<br />

attraktives PanORAMA auf den neuen<br />

HauptBAHNhof<br />

Ω Interaktive Ausstellung auf 4<br />

„Plattformen“ mit Informationen<br />

für unterschiedliche Zielgruppen:<br />

BahnkundInnen, AnrainerInnen,<br />

ExpertInnen, Kinder<br />

Ω 3D-Animationen, Modell, Filme...<br />

Ω Gastronomie/Cafe<br />

Ω Ort für Veranstaltungen,<br />

Präsentationen etc.<br />

Ω Führungen durch die Ausstellung<br />

Ω Zielpublikum: Interessierte<br />

Öffentlichkeit, SchülerInnen,<br />

StudentInnenen, Wien-Touristen etc.<br />

Ω Baubeginn November 2009<br />

Ω Eröffnung Sommer 2010<br />

Ω Adresse: 1100, Favoritenstraße 49-53 /<br />

Ecke Sonnwendgasse<br />

Visualisierung: Sigi Herzog


Nr. <strong>22</strong>/2009 Buch IX - Dr.Tolstoj - GAS-<strong>ST</strong>ATION<br />

<strong>ST</strong>/A/R 65<br />

Unser Café<br />

U N S E R C A F É<br />

Kunstwerk von Heidulf Gerngross der Zweite, courtesy: <strong>ST</strong>/A/R Sammlung


Nr. <strong>22</strong>/2009 Buch X - Heike<br />

<strong>ST</strong>/A/R 73<br />

Natura Morte<br />

1 Seitental eines Seitentales<br />

1 alte Schmiede im Villgratental<br />

1 temporär adaptierter Ausstellungsraum<br />

9 Künstlerpositionen<br />

1 Lesung von Franz Schuh<br />

3 Tage im Sommer<br />

Ein Projekt von: Heiri Häfliger, Sabine Jelinek, Lukas Schaller, Edith Bergmann<br />

CHRI<strong>ST</strong>IAN GANZER<br />

CHRI<strong>ST</strong>OF GAGGL<br />

ANJA MANFREDI<br />

EDITH BERGMANN<br />

SABINE JELINEK<br />

JUDITH PICHLMÜLLER<br />

HEIRI HÄFLIGER<br />

LUKAS SCHALLER<br />

PETRA MÜHLMANN<br />

Natura Morte, 24. Juli - 27. Juli 2009, Schmiede Erschbaum, A-9931 Außervillgraten/Osttirol<br />

www.erschbaum.at


74 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch X - Heike Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

Architekturzentrum Wien<br />

Museumsplatz 1 im<br />

1070 Wien<br />

T++43 -1- 5<strong>22</strong> 31 15, www.azw.at<br />

bis100_star-274x205.indd 1<br />

<strong>22</strong>.07.2009 11:09:18 Uhr<br />

Tabor<br />

Hafner<br />

Wondra<br />

Gartler<br />

Gerngross<br />

Frey<br />

„Die österreichische Architektur der 60er Jahre ist<br />

ohne steirische Impulse undenkbar.” Friedrich Achleitner<br />

Eine Veranstaltung des Az W – a_schaufenster 11:<br />

TU Graz 1964–1968 – regt zu einer Wiederentdeckung der „Situation Graz“ an.<br />

Im Gegensatz zu den Wiener Kollegen ging es den „Grazern“ nie um eine „Medialisierung“ oder um die Ausbildung eines spektakulären Formenrepertoires.<br />

Im Mittelpunkt des Interesses steht eine technisch-ökologische Bauweise, bei der es sehr mehr um Abläufe als um formale<br />

Details geht.w<br />

Im Architekturzentrum Wien wurden anhand der Impulsreferate von Frey, Hafner, Gartler und Gerngross Vielfalt und Eigenständigkeit der<br />

Grazer Entwicklung greifbar. Die gezeigten Architektur- und Städtebauprojekte mit ihrem strukturellen Ansatz überraschen bis heute. Das<br />

Interesse des Publikums zeigte, dass die Diskussion über den Begriff der „Grazer Schule“ längst nicht abgeschlossen ist ...<br />

Gäste:<br />

Konrad Frey mit Bernhard Hafner, Heidulf Gerngross, Klaus Gartler<br />

Moderation: Jan Tabor, Architekturtheoretiker u. -publizist<br />

Mittwoch, 28. Oktober 2009, 18:00 Uhr<br />

Ein ausführlicher Veranstaltungsbericht von Jan Tabor erscheint im Hintergrund 45.


Nr. <strong>22</strong>/2009 Buch X - Heike<br />

<strong>ST</strong>/A/R 75<br />

1989. Ende der Geschichte oder Beginn der Zukunft?<br />

Anmerkungen zum Epochenbruch<br />

9. Oktober 2009 – 7. Februar 2010<br />

1989 markierte einen Epochenbruch. Der Atem der Geschichte wehte durchs kollektive Bewusstsein,<br />

Utopien wurden begraben und gleichzeitig neue, bislang ungeahnte Zukunftsszenarien aufgerissen.<br />

Die Ausstellung spürt den Chiffren, Metaphern und Metonymien nach, die mit dem Verfall eines Systems<br />

und einem politischen Umbruch verbunden sind: Es geht nicht um Dokumentation alltäglicher<br />

Realitäten oder historische Analyse sondern um Begrifflichkeiten und Anmutungen wie Bürokratie,<br />

Verrat, Überwachung, Nostalgie, Gewalt, Manipulation und Ironie, die mit den Mitteln der Kunst auf<br />

ihre Tauglichkeit zur gesellschaftlichen Selbstanalyse hin untersucht werden.<br />

Mit mehr als 30 teilnehmenden KünstlerInnen aus Ost und West: Marina Abramovic,<br />

Chantal Akerman, Erik Bulatov, Sophie Calle, Maurizio Cattelan, Harun Farocki und Andrej Ujica,<br />

Anna Jermolaewa, Ilya & Emilia Kabakov, Alexander Kosolapov, Komar & Melamid, Barbara Kruger, Josephine<br />

Meckseper, Boris Mikhailov, Marcel Odenbach, Martin Parr, Susan Philipsz, Marek Piwowski,<br />

Pushwagner, Neo Rauch, Nedko Solakov, Jane & Louise Wilson u. a. m.<br />

Begleitprogramm zu 1989: Ein umfangreiches Begleitprogramm mit Diskussionen, Lectures,<br />

Filmvorführungen, Lesungen und Künstlergesprächen beleuchtet den Themenbereich „1989“ unter<br />

Gesichtspunkten wie „Kulturpolitik“, „Nationalismus“, „Religion/Spiritualität“, „Ökonomie“ und „Vision/Illusion“<br />

kritisch und stellt philosophische sowie künstlerische Positionen zur Diskussion.<br />

- Mo, 14.12.2009, 19 Uhr: Vortrag von Michail Ryklin (Philosoph, Akademie der Wissenschaften, Moskau) –<br />

Kunst und Tabu. Neue russische Beispiele im internationalen Kontext<br />

- Do, 14.01.2010, 19 Uhr: Künstlergespräch mit Harun Farocki (Künstler, CZ/D)<br />

- Do, 28.01.2010, 19 Uhr: Lesung von Bora Ćosić (serbischer Schriftsteller) – Westlich vom Paradies und Gespräch<br />

mit Stefan Gmünder (Der Standard)<br />

Alexander Kosolapov, Gorby, 1991, Karl<br />

Kostyál Collection, Courtesy Galerie<br />

Hussenot, Paris © VBK, Wien, 2009<br />

Informationen zu Ausstellung und weiteren Programmpunkten unter: www.kunsthallewien.at<br />

Kunsthalle Wien, Museumsplatz 1, A-1070 Wien, Infoline: +43-1-52189-33, www.kunsthallewien.at<br />

Öffnungszeiten: täglich 10 – 19 Uhr, Do 10 – <strong>22</strong> Uhr<br />

Bina Klingler<br />

Ausschnitte “Little Book of Paradox”,<br />

2009, Moleskine Sketchbook, Copic Marker<br />

big-time-tough-bunny-girl - Protagonistin,<br />

Heldin, ambivalente Muse, Du, Ich...<br />

Messer - zukunftsträchtiges Werkzeug,<br />

Motivator, scharf, präzise, sanft...<br />

Blut - emotionale Kraft, aufgewendet, eingesetzt,<br />

verspielt für das was war, was ist, was<br />

kommt und was niemals sein wird...<br />

kleiner Hase - schließt den Kreis, Vergangenheit,<br />

Beobachter, Retter, Zauberer,<br />

Zeuge...<br />

Kontakt: binaklingler@gmx.net


French Manicure, 2009, Horn, Nagellack, 70 x 67 x 60 cm –<br />

Heike Nösslböck Heike<br />

Galerie Strickner<br />

Fillgradergasse 2/7, 1060 Wien<br />

Mob.: +43-680-201 44 52<br />

Nösslböck ist Künstlerin und maßgebliche Partnerin im <strong>ST</strong>/A/R-Team. E: office@galeriestrickner.com<br />

Foto: Christof Gaggl ©


78 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch X - Heike Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

Über Synergien zwischen Geometrie und Kunst von Hofstetter Kurt<br />

Die Entdeckung vertrauter Proportionen<br />

in der Geometrie der Durchdringung<br />

Die Umsetzung zur Skulptur<br />

N.I.C. – nature is cool<br />

Neue wissenschaftliche Erkenntnisse mit<br />

Zirkel und Lineal<br />

2001 habe ich beim Entwerfen des Sonnenpendel<br />

Pavillons #2 – der Station PHI – eine einfache Konstruk-tion<br />

des Goldenen Schnittes entdeckt. 1)<br />

Die Konstruktion 1 (siehe unten)<br />

A und B sind zwei beliebige Punkte. Ihr Abstand<br />

voneinander – die Strecke AB – ist der Radius des<br />

Kreises K mit Mittelpunkt A und auch des Kreises K’<br />

mit Mittelpunkt B. Die doppelte Strecke AB, d.h. der<br />

Durchmesser von K, ist der Radius des Kreises KD mit<br />

Mittelpunkt A und auch des Kreises KD’ mit Mittelpunkt<br />

B. 2)<br />

Die Kreise K und K’ durchdringen einander und schneiden<br />

sich in S1 und S2. Ihre linsenförmige Schnittmenge<br />

wird als Vesica Piscis (Fischblase) bezeichnet – ein<br />

uraltes Fruchtbarkeitssymbol.<br />

Die Schnittpunkte aller 4 Kreise S1, S2, S3, S4<br />

liegen auf einer Geraden, die sowohl die Vesica Piscis<br />

als auch die Strecke AB halbiert. Ihre Abstände<br />

zueinander sind in der vertrauten Proportion des<br />

Goldenen Schnittes 3) , d.h. das Verhältnis der Strecke<br />

S1S2 (major) zur Strecke S2S3 (minor) = dem Verhältnis<br />

der Strecke S1S2 (major) zur Strecke S1S4<br />

(minor) = PHI. 4)<br />

Diese Konstruktion wurde 2002 im Journal „Forum Geometricorum“<br />

als wissenschaftliche Neuerung publiziert. 5)<br />

Interessant in der Konstruktion 1 ist, dass es nur zwei<br />

weitere Kreise mit demselben Radius AB gibt, die<br />

sowohl K als auch K’ berühren, nämlich K’’ mit Mittelpunkt<br />

S3 und K’’’ mit Mittelpunkt S4. Sie sind alleine<br />

durch die Punkte A und B bzw. K und K’ bzw. die<br />

Vesica Piscis eindeutig bestimmt. 6)<br />

Darüberhinaus vermittelt mir die Stellung der Kreise<br />

K’, K’’ und K’’’ eine entscheidend vertraute Proportion.<br />

Meine Intention, diese Proportion der drei Kreise<br />

künstlerisch umzusetzen und mitzuteilen, führte mich<br />

zur Skulptur N.I.C., wobei ich die zweidimensionalen<br />

Kreise zu dreidimensionalen Kugeln erweiterte und<br />

aus Edelstahl mit dem Durchmesser von 111 cm<br />

materialisierte. 7)<br />

Diese räumliche Ausformulierung der Proportion erfuhr<br />

eine extreme Gleichzeitigkeit von Stabilität und Labilität.<br />

Ihre Unbedingtheit zum Goldenen Schnitt verweist<br />

auf Muster der Natur, wie die vertraute Stellung der<br />

Blütenblätter der Rosen oder der Blütenstände der<br />

Sonnenblumen. 8)<br />

Die Existenz von 2 Polen definiert in den wechselwirkenden<br />

Translationen von ihrem Abstand zueinander<br />

sowie in den interferierenden Rotationen ihrer Durchdringungskreise<br />

kanonisch vertraute Proportionen.<br />

Meiner Faszination am ekstatischen Auftritt des<br />

Goldenen Schnittes in den zahlreichen Verbindungen<br />

der Berührungspunkte, Scheitelpunkte und Schnittpunkte<br />

von N.I.C. mit ihren horizontalen und vertikalen<br />

Achsen (siehe Bild) folgten weiterführende<br />

Proportionsstudien (Figur 1 - Figur 6). Dabei entdeckte<br />

ich einfachste Konstruktionen des Goldenen<br />

Schnittes mit Zirkel und Lineal oder mit Zirkel alleine,<br />

die als neue wissenschaftliche Erkenntnisse veröffentlicht<br />

wurden. 5)<br />

Zum Beispiel die Konstruktion 2 – veröffentlicht 2005:<br />

Die Kreise K’’ und K’’’ berühren die Kreise K und K’ in<br />

B1, B2, B3, B4. Die Verbindungsstrecke B1S2 teilt die<br />

Strecke AB in G exakt im Goldenen Schnitt, d.h. das<br />

Verhältnis der Strecke AG (major) zur Strecke GB<br />

(minor) = PHI . 9)<br />

Darüber hinaus liegen die Berührungspunkte auf dem<br />

Kreis K’’’’ mit dem Mittelpunkt Z und Radius AB, d.h.<br />

sie sind vom Zentrum exakt um die Strecke AB entfernt.<br />

Aus den Konstruktionen entwickle ich seit 2002 Muster<br />

und Parkettierungen, die im wesentlichen durch den<br />

Winkel B1S2S1 bestimmt sind und in der Rezeption<br />

ihrer statischen Musterbilder zwingend optische<br />

Dynamik erfahren. 10)<br />

1) Sonnenpendel ist ein internationales Medienkunstprojekt von Hofstetter<br />

Kurt - siehe http://www.sunpendulum.at<br />

2) K’ und KD’ ergeben sich jeweils auch aus der Parallelverschiebung von K<br />

und KD um die Strecke AB.<br />

3) Für mich ist der Begriff „vertraute Proportion“ treffender als der Begriff<br />

„harmonische Proportion“ des „Goldenen Schnittes“.<br />

4) PHI ist eine irrationale Zahl. Sie wird auch als die Goldene Zahl bezeichnet;<br />

ihr Wert = 5^,5*,5+,5 = 1,6180…<br />

5) scientific papers von Hofstetter Kurt @<br />

Forum Geometricorum ISSN 1534-1178:<br />

2008 A simple compass-only construction of the regular pentagon<br />

2008 A simple ruler and rusty compass construction of the regular pentagon<br />

2006 A 4-step construction of the golden ratio<br />

2005 Division of a Segment in the Golden Section with Ruler and Rusty<br />

Compass<br />

2004 Another 5-step Division of a Segment in the Golden Section<br />

2003 A 5-step Division of a Segment in the Golden Section<br />

2002 A simple construction of the Golden Section<br />

Crux Mathematicorum ISSN: 1496-4309 (print 1706-8142):<br />

2006 An Efficient Construction Of The Golden Section<br />

6) Im Dialog PHI von Bob Hewis (Wien, 2003) Hofstetter Kurt:<br />

“For me every interpenetration of two bodies implies a harmonic relationship<br />

with the bodies derived, that simply touch and do not interfere ... “<br />

7) In Experimentierreihen sind zahlreiche N.I.C. Miniaturen aus Nirosta-<br />

Hohlkugeln in Größen zwischen 12 – 60 cm entstanden. Darunter auch freistehende,<br />

bewegliche N.I.C. Miniaturen, die sich durch die Erdanziehungskraft<br />

und einer asymmetrischen Verteilung zusätzlicher Gewichte in der untersten<br />

Kugel selbstständig aufrichten und sich stets vertikal justieren.<br />

2007 hat der Wiener Architekt Heidulf Gerngross die Skulptur N.I.C.<br />

zu einem 70 m hohen „Dreieinigkeitsbauwerk Kurt“ für den Wiener Karlsplatz<br />

archistriert.<br />

8) http://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Schnitt#Vorkommen_in_der_Natur<br />

9) http://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Schnitt#Konstruktionen_mit_Zirkel_und_Lineal<br />

10) http://www.sunpendulum.at/tilings<br />

Konstruktion 1 Figur 1<br />

Figur 2 Figur 3<br />

FIGUR 2<br />

FIGUR 3<br />

FIGUR 4<br />

minor<br />

major<br />

MINOR MAJOR<br />

m i n o r m a j o r<br />

m i n o r<br />

m i n o r<br />

m i n o r<br />

m a j o r<br />

m a j o r<br />

m i n o r<br />

m a j o r<br />

Konstruktion 2 Figur 4<br />

Figur 5 Figur 6<br />

FIGUR 6<br />

FIGUR 7<br />

FIGUR 8<br />

MINOR<br />

minor<br />

MINOR<br />

MAJOR<br />

MINOR<br />

major<br />

MAJOR<br />

major<br />

minor<br />

major minor<br />

MAJOR<br />

m i n o r<br />

m a j o r<br />

N.I.C. – nature is cool – eine Skulptur von Hofstetter Kurt, die extreme Proportionen von gleichzeitiger<br />

Stabilität und Labilität als Referenz zum Ort mitteilt und markiert.<br />

Der Kreuzungsbereich Langegasse – Laudongasse im 8. Wiener Gemeindebezirk ist durch den doppeltrassigen<br />

Viertelkreis der Strassenbahnlinie geprägt. Dieser mächtige Zirkelschlag steht in Spannung<br />

zur Richtungsbeibehaltung in der Langegasse und Laudongasse. Der Fußgängerverkehr wird aus<br />

dem Kreuzungsbereich extrapoliert auf einen Punkt konzentriert – einem komplementären Pol. An<br />

dieser Stelle ist N.I.C. direkt am Gehsteig installiert.<br />

Drei Kugeln sind so übereinander angeordnet, dass die mittlere Kugel aus der vertikalen Achse verschoben<br />

seitlich die obere und untere berührt. Es entsteht der Eindruck schwebender Leichtigkeit.<br />

Die Positionen ihrer Berührungspunkte leiten sich direkt aus der 2001 von Hofstetter Kurt entdeckten<br />

Zirkelkonstruktion des Goldenen Schnittes ab und beziehen sich auf Muster der Natur.<br />

HOF<strong>ST</strong>ETTER KURT<br />

N.I.C. – nature is cool<br />

Kreuzung Lange Gasse - Laudongasse, 1080 Wien Q: www.wien.gv.at<br />

Inauguration 09.10.2009<br />

IMPRESSUM<br />

Herausgeber: Zwei Kongruent Null<br />

Verein zur Förderung von Projekten aus Kunst und Wissenschaft<br />

Lange Gasse 42/3.2, 1080 Wien<br />

unterstützt von BMUKK und WienKultur/Wissenschaft<br />

Inhalt, Bilder und Grafik: Hofstetter Kurt. Alle Rechte vorbehalten. Wien © 2009<br />

Kontakt: hofstetter@sunpendulum.at<br />

Die Skulptur N.I.C. – nature is cool wurde realisiert durch


Nr. <strong>22</strong>/2009 Buch X - Heike<br />

<strong>ST</strong>/A/R 79<br />

HOF<strong>ST</strong>ETTER KURT<br />

N.I.C. nature is cool<br />

Der Plakatfolder wurde unterstützt von BMUKK und WienKultur/Wissenschaft.


80 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Rz_inserat-star.qxd:Rz_plakat 07.11.2009 15:16 Uhr Seite 1<br />

Buch X - Heike Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

MICHAEL NAGL<br />

Aspekte der Sexarbeit<br />

k/haus Passagegalerie<br />

18. 12. 09 – 10. 01. 10<br />

künstlerhaus<br />

karlsplatz 5<br />

1010 wien<br />

www.k-haus.at<br />

künstlerhaus


81 <strong>ST</strong>/A/R<br />

DU<br />

Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

Buch XI- Literatur <strong>ST</strong>/A/R 81<br />

DU<br />

Bricolage und Datenmontage von Marcus Hinterthür


82 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch XI- Literatur Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

<strong>ST</strong>/A/R Literatur<br />

Chef-Redakteur 2009 Alexander Schießling<br />

DIE GESELLSCHAFT<br />

ALS SCHLACHTHOF<br />

Stimmen wir uns ein auf die<br />

Apokalypse. Auf die permanente<br />

Apokalypse, die der permanenten Revolution<br />

des Trotzki und Mao Tse-tung (Zedong)<br />

folgt. Lesen wir also Anomia von Lukas<br />

Kollmer. Der Text ist zwischen Sommer<br />

2006 und Frühjahr 2008 entstanden,<br />

das heißt vor der weltweiten Finanzkrise,<br />

die im besten Fall zu einer Krise des<br />

Neoliberalismus und der unumschränkten<br />

Globalisierung geführt haben wird,<br />

auch vor der Wahl Barack Obamas zum<br />

amerikanischen Präsidenten, in einer Zeit<br />

also, die wenig Anlass zu irgendeiner Art<br />

„Hoffnung“ gab. Dies ist im Auge zu behalten,<br />

wenngleich natürlich fraglich ist,<br />

ob die Abdankung des Neoliberalismus,<br />

der Globalisierung und George Bush’s<br />

überhaupt einen Neuanfang einleiten<br />

könnten.<br />

Die zweite Hälfte des neunzehnten<br />

und die erste Hälfte des zwanzigsten<br />

Jahrhunderts waren durch zwei<br />

konkurrierende Utopien geprägt: den<br />

Internationalen Sozialismus und den<br />

Faschismus. Diese beiden utopischen<br />

Gesellschaftsentwürfe zerrieben die<br />

Bürgerliche Revolution zwischen den<br />

Fronten und beerbten sie gleichzeitig.<br />

Obwohl im schärfsten Gegensatz zueinander,<br />

hatten sie etwas gemeinsam:<br />

das utopische Moment, den revolutionären<br />

Habitus, den Glauben an die<br />

Möglichkeit einer besseren Zukunft,<br />

kurz, die Aufbruchsstimmung. Seit dem<br />

Ende des Zweiten Weltkriegs ist diese<br />

Stimmung im Abflauen. Die Sechziger<br />

Jahre kann man als letztes Lebenszeichen<br />

des revolutionären Elans im Westen<br />

sehen. Seither geht die revolutionäre<br />

Stimmungskurve nach unten, oder, die<br />

kritischen Gemüter kühlen seither permanent<br />

ab. Wo sollte sich das besser<br />

zeigen als in der „Literatur“? Wo zeigt<br />

es sich deutlicher?<br />

Anomia stellt nun den Tiefpunkt dieser<br />

(vereinfacht) gedachten „Revolutions-<br />

Stimmungskurve” dar und zwar in beiden<br />

Bedeutungen dieser Formulierung:<br />

Das Stimmungstief ist Sujet des Textes,<br />

einerseits, andererseits ist er selbst ein<br />

Symptom davon.<br />

Am tiefsten Punkt des Tiefs angelangt,<br />

wird der Ort dieses Anlangens<br />

selbst einerseits zum Thema, andererseits<br />

zur bestimmenden Kraft. Topos,<br />

der Ort, ist in der U(…)topie der Ort der<br />

Verheißung, aber in der Dys(…)topie<br />

einer der Verdammnis. Mit letzterem<br />

haben wir es zu tun, wenn wir Anomia<br />

lesen.<br />

Der Icherzähler dessen Namen<br />

wir nie erfahren werden, lebt in einer<br />

Gesellschaft der nicht allzu fernen<br />

Zukunft, in der den Menschen Chips<br />

(RFIDs) implantiert werden, mittels derer<br />

sie einfach (zunächst sozial, in der Folge<br />

davon physisch) abgeschaltet werden können,<br />

sobald sie zur „Last” werden. Das<br />

physische Geld ist abgeschafft, der herkömmliche<br />

Fernseher ist von Screenwalls<br />

abgelöst worden. Wir haben es mit den<br />

üblichen Requisiten des SF-Genres zu<br />

tun, die aber hier nicht um ihrer selbst<br />

willen verwendet werden, sondern als<br />

Repräsentanten einer sozialen Struktur<br />

fungieren. Um diese geht es und der Text<br />

kann als Versuchsanordnung verstanden<br />

werden, die der Frage gilt, was mit<br />

den Individuen in einer brutalisierten,<br />

anomischen beziehungsweise asozialen<br />

Gesellschaftsordnung geschieht.<br />

Durch die Wahl der „Zentralperspektive“<br />

(einer „Hauptperson“, eines<br />

„Protagonisten”, eines „Icherzählers”)<br />

hat sich der Autor entschieden, nur einen<br />

kleinen Ausschnitt einer solchen<br />

sozialen Ordnung darzustellen, was einerseits<br />

der Reflexion engere Grenzen<br />

setzt, andererseits aber verhindert,<br />

dass der Leser in der Uferlosigkeit der<br />

Komplexität verloren geht (was ohnehin<br />

schon immer geschehen sein muss).<br />

Zugleich aber sieht sich ein zur „konkreativen”<br />

(Heinrich Rombach) Lektüre<br />

entschlossener Leser dieses Textes zur<br />

sogenannten Überinterpretation genötigt,<br />

da er auch das in die Reflexion mit<br />

einzubeziehen hat, was aus der Lektüre<br />

nur indirekt hervorgeht.<br />

Der Begriff einer „konkreativen<br />

Lektüre” meint hier ein Lesen, das den<br />

Text nicht wie ein Objekt behandelt, das<br />

es von Außen zu beschreiben gilt, sondern<br />

als Anbahnung einer Bewegung, die<br />

ins Offene führt. Eine solche Lektüre bastelt<br />

sich aus dem Text ein Gefährt und<br />

macht ihn zum Gefährten einer immer<br />

schon improvisierten Fahrt ins Blaue;<br />

ein definitives Ziel dieser Fahrt kann es<br />

ja aus mehreren Gründen nicht geben:<br />

weil ein Text durch die Lektüre die ihn<br />

konstituiert immer schon ein anderer als<br />

„er selbst” wird, die Begegnung von Leser<br />

und Text die Entstehung eines Gewebes<br />

bedeutet, das nunmehr von zwei Autoren<br />

herrührt, sofern der Leser eben notwendig<br />

konkreativ liest, indem er seinen Text<br />

(er)findet; weil der eine Text notwendig<br />

auf andere verweist, in deren Sphäre er<br />

erst als Literatur lesbar wird und diese auf<br />

wiederum andere Texte und so fort;<br />

Es ist Sommer, die Hitze legt sich<br />

wie ein Schweißfilm über den ganzen<br />

Text. Der Icherzähler, nennen wir ihn<br />

der Einfachheit halber Ego, muss als<br />

Alkoholiker bezeichnet werden. Er arbeitet<br />

als Museumsaufsicht und hat auch<br />

noch einen zweiten Job, den er uns aber<br />

wie seinen Namen nie verraten wird. Und<br />

er schreibt, er schreibt hunderte Seiten,<br />

die er für unbrauchbar hält. Schon zu<br />

Beginn des Textes wird uns klar gemacht,<br />

dass Ego kein liebenswerter Mann ist.<br />

Die Bekannte, die beinah schon zum<br />

Skelett abgemagert, vor dem Haustor auf<br />

ihn wartet, um mit ihm Kaffee zu trinken,<br />

oder etwas menschliche Wärme zu<br />

spüren und die er zurückweist: „Geh in<br />

irgendein Lokal. Hör auf mir nachzurennen.<br />

Bei mir gibt es keinen Kaffee mehr. Ich<br />

gehe schlafen. Geh du auch besser schlafen.<br />

Geh ins Bett. Du hast doch ein Bett? Ich<br />

bin sicher, dein Bett wird dich heute ganz<br />

besonders mögen.“<br />

„Du bist so ...“<br />

Sie beginnt zu weinen. Sie macht es nicht<br />

mehr lange. RFID deaktiviert. Die hat kein<br />

Bett mehr. Weiter unten quert mit hohlem<br />

Grollen ein Panzerwagen die Gasse, hält für<br />

wenige Sekunden, rollt weiter.”<br />

Die Szene endet damit, dass Ego das<br />

Haustor, an das seine Bekannte sich<br />

klammert, zuschlägt, wobei ihre dürre<br />

Hand eingequetscht wird. Brutal, egoistisch.<br />

Die Gesellschaft, die uns beschrieben<br />

wird, befindet sich in Aufruhr,<br />

im Ausnahmezustand. Hungersnot<br />

herrscht, Revolten in den Außenbezirken,<br />

unerträgliche Hitze und dies alles scheint<br />

durch einen einzigen Großkonzern beherrscht<br />

zu werden: der Croques Ltd.<br />

Ego lebt sein Leben zwischen Lohnarbeit,<br />

Schreiben und Trinken, der „goldenen<br />

Triangel”, und alle drei Pole erscheinen<br />

ihm vollkommen sinnlos. Eine<br />

Alternative dazu gibt es freilich auch<br />

nicht. Diese Fesselung an den gegebenen<br />

Zustand und die Einkerkerung in die gegebenen<br />

Verhältnisse tragen alle Figuren<br />

der Novelle mit ihrem Körper aus. Diese<br />

Körper werden zu Symptomen, zu materiellen<br />

Speichern, die die Verhältnisse<br />

visualisieren, indem sie ihnen zum<br />

Opfer fallen. Der Körper aller Figuren,<br />

auch der Egos, ist der rote Faden, an dem<br />

entlang sich die Szenerie entfaltet. Der<br />

Körper als Touchscreen, auf dem und in<br />

dem sich der soziale Film abspielt. Diese<br />

allzu dünne Bekannte, deren Hand in<br />

der zugeschlagenen Tür eingequetscht<br />

wird: der Schmerz sozialer Ausgrenzung<br />

ist physischer Art. Es ist nicht wie in<br />

George Orwells „1984”, wo die soziale<br />

Macht noch metaphysischer, gespensterhafter<br />

Natur ist. In Anomia geht es zur<br />

Sache und die Sache ist der Körper des<br />

Individuums. Dieser Körper krepiert, sobald<br />

die RFID deaktiviert ist:<br />

„Vor dem Haus schwatzen minderjährige<br />

Mütter zwischen verlassenen Bierdosen<br />

und ich kämpfe mich durch brütende Hitze<br />

und über stinkende Berge prall gefüllter<br />

Müllsäcke, als ich über einen dumpfen<br />

Brocken stolpere. Mit hohl geöffnetem Maul<br />

liegt sie auf dem Trottoir in den Dreck gebettet<br />

und starrt mich aus leergefressenen<br />

Augenhöhlen an.<br />

„Ich sagte doch, geh ins Bett“, murmle<br />

ich. Meine Beine haben Atem geholt,<br />

schwingen lose unter meinem Leib wie<br />

Altweibersommerspinnfäden.”<br />

Die Bekannte ist tot, namenlos gestorben,<br />

Ursache unbekannt. Ego erscheint<br />

in diesen Passagen als gleichgültiger<br />

Unbeteiligter, dessen einzige Sorge er<br />

Alex Schießling; Foto: Martina Bauer<br />

selbst ist. Dieses Charisma relativiert<br />

sich zunehmend, das heißt, im Laufe<br />

der Erzählung. Ego wird sich ohne erkennbare<br />

Bemühungen, die das zum Ziel<br />

hätten, verändern. Anfangs erscheint er<br />

als „cool”, erst gegen Ende gestattet ihm<br />

der Autor menschliche Züge. Im Kapitel<br />

„Last best hope”, das in etwa die Mitte des<br />

Textes darstellt, erscheinen beide Motive<br />

gleichzeitig: Das Motiv der Empathie und<br />

das der Abgrenzung vom Leid anderer.<br />

Die Coolnes gewinnt. In diesem Kapitel<br />

wird genau gezeigt, wie eine empathische<br />

Haltung in eine Flucht vor dem „Leid<br />

anderer” umschlägt. Wieder ist es eine<br />

namenlose Frau, die sich in größter Not<br />

befindet, als Ego auf sie trifft. Sie wird gerade<br />

vergewaltigt und blutet überdies aus<br />

Wunden an den Füßen, die sie sich durch<br />

Glassplitter zugezogen hat. Ego rettet sie<br />

zunächst, indem er ihren Peiniger vertreibt,<br />

er bringt sie nach Hause. Dann<br />

aber antizipiert Ego die möglichen<br />

Schwierigkeiten, in die er kommen<br />

kann, wenn er sie in ein Krankenhaus<br />

bringt, ihr weiterhin hilft. Das führt<br />

dazu, dass er die Szene wechselt. In einem<br />

Gespräch beschrieb Lukas Kollmer<br />

diese Situation so: In dieser Gesellschaft<br />

sind Hilfe und Selbstaufgabe beinahe<br />

dasselbe. Solidarität wird also klein geschrieben,<br />

beziehungsweise gar nicht.<br />

Auch Ego leidet physisch. Ungezählt sind<br />

die Stellen, in denen uns sein schlechter<br />

Zustand beschrieben wird. Riesige<br />

Gelsen saugen ihm das Blut aus, Übelkeit<br />

befällt ihn andauernd, er fügt sich selbst<br />

Wunden zu, besonders dann, wenn er<br />

andere Schmerzen überblenden möchte,<br />

kurz, sein Körper wird uns als Ort des<br />

Leidens beschrieben, jeder Körper ist<br />

hier ein solcher Ort. Die Körper in dieser<br />

Erzählung leiden und sind überdies<br />

monströs, zum größten Teil ekelerregend,<br />

selbst die Körper der Tiere spielen<br />

verrückt. Katzen beginnen violett zu<br />

glühen wenn sie fressen und zufrieden<br />

sind, Insekten sind riesig, die meisten<br />

menschlichen Figuren einfach hässlich.<br />

In dieser schmutzigen, stinkenden Welt


Nr. <strong>22</strong>/2009 Buch XI- Literatur<br />

<strong>ST</strong>/A/R 83<br />

bleibt auch Ego nicht verschont und sein<br />

Zustand verschlechtert sich zusehends.<br />

Eine einzige Figur entgeht auf ironische<br />

Weise diesem Schicksal: Cecilia, die<br />

Geliebte Egos, die er während der Arbeit<br />

im Museum kennenlernt. Bei ihr tritt an<br />

die Stelle des physischen Leides und der<br />

Hässlichkeit die psychische Krankheit.<br />

Nichts in dieser Welt ist in Ordnung,<br />

gesund und gut. Die Körper sind einer<br />

Umformung ausgesetzt, die sie zerstört,<br />

das heißt, die die Menschen zerstört, die<br />

diesen Körper zu leben haben. Hier muss<br />

nun von der meiner Ansicht nach besten<br />

und wichtigsten Erfindung des Textes gesprochen<br />

werden: den Transsubstaten.<br />

Croques Ltd., der omnipräsente<br />

Konzern, betreibt eine<br />

Filmproduktionsfirma, die von einem gewissen<br />

Hasenform (köstlicher Name) gemanagt<br />

wird, der zugleich den Regisseur<br />

gewisser Filme und Ereignisse macht.<br />

Der Text bleibt bezüglich der genauen<br />

Berufsbezeichnungen indifferent, unbestimmt.<br />

Diese Produktionsfirma produziert<br />

die Transsubstate.<br />

Der Leser wird durch die erste Hälfte<br />

des Textes nur an die Startrampe geführt<br />

und erst durch die zweite Hälfte<br />

in das Zentrum dieser Welt geschossen.<br />

Während die erste Hälfte sich vor allem<br />

mit dem Leben Egos beschäftigt, geht<br />

es ab der zweiten Hälfte vor allem um<br />

Croques Ltd. und Hasenform. Das heißt,<br />

um die Transsubstate.<br />

„Zu sehen ist ein enger, gelb gefliester<br />

Raum, in dessen Mitte ein nacktes<br />

Transsubstat hängt. Nach wenigen<br />

Augenblicken beginnt sein Kopf sich zu<br />

bewegen, es hebt ihn, reißt den Mund auf,<br />

schreit vielleicht, doch es gibt keinen Ton,<br />

dann beginnt Blut aus seiner Stirn zu schießen<br />

und mit einem Ruck spaltet sich sein<br />

Gesicht. Dann beginnt sein gesamter Körper<br />

sich zu schälen, in Brocken fällt Schicht um<br />

Schicht davon ab. Als die äußere Hülle verschwunden<br />

ist, lässt sich sein Inneres kaum<br />

mit dem eines Menschen vergleichen, wie<br />

beliebig sind dicht gepresste Fleisch- und<br />

Organstrukturen zusammengestopft, die<br />

nun ebenfalls Element für Element zu Boden<br />

tropfen. Nach den wenigen Sekunden, die<br />

all das dauert, bleibt nur wie verbrannt verkrümmtes<br />

Astwerk aufrecht hängen, welches<br />

wohl ein Skelett darstellen soll. Darunter ein<br />

schmieriger, glänzender Haufen grüner, gelber,<br />

roter und brauner Masse. Hasenform<br />

hält das Bild an. Ich will hinausgehen und<br />

kotzen. Hasenform legt zwei dicke Lines<br />

Heroin auf.”<br />

Die Transsubstate haben mehrere<br />

Funktionen. Ihre erste Aufgabe ist,<br />

in Filmen mitzuspielen, um dort ihr<br />

„Desintegrationsverhalten”, also die<br />

Selbstvernichtung, zur Schau zu stellen.<br />

Der Konzern hält das Patent, das<br />

Kino steht vor einer „Revolution”,<br />

Hasenform bezeichnet die Transsubstate<br />

als „Revolutionäre”. Ein Transsubstat ist<br />

ein künstlich erzeugter, antropomorpher<br />

Körper, der zu nichts anderem erzeugt<br />

wird, als sich selbst zum Gaudium der<br />

Masse zu vernichten. Und tatsächlich<br />

schlagen diese Filme ein. Fanclubs entstehen<br />

usw. Man sieht gerne bei der<br />

Peinigung und (Selbst)vernichtung der<br />

Transsubstate zu. Reality TV an die Spitze<br />

getrieben. Sie haben aber auch noch eine<br />

andere Nutzungsmöglichkeit: Sie können<br />

verzehrt werden, der Hungersnot abhelfen.<br />

In Anomia, Name für einen Ort<br />

und zugleich Titel dieser Novelle ?, gibt<br />

es also künstlich erzeugte Lebewesen,<br />

die einerseits verzehrt werden und andererseits<br />

der Unterhaltung dienen;<br />

diese Lebewesen sind aber keine Tiere,<br />

sondern dem Menschen nachempfunden.<br />

Ego interessiert sich nun dafür, wie<br />

menschenähnlich „sie” sind. Seine erste<br />

echte Begegnung mit einem von „ihnen”,<br />

sieht so aus:<br />

„Ich schreite an das Transsubstat heran,<br />

bis unsere Nasenspitzen einander fast<br />

berühren.<br />

„Kannst du mich hören?“ frage ich.<br />

Immer die gleichen trägen, schmatzenden<br />

Bewegungen.<br />

„Kannst du mich hören!“<br />

„Lll ... llliesiiich ...“<br />

Ich schrecke zurück, werfe meinen Kopf<br />

zu Hasenform herum. Er schaut mich verwirrt<br />

an.<br />

„Llliesiiich ...“, höre ich wieder, während<br />

ich Hasenform anstarre. Stille. Schmatzen<br />

der Transsubstatbewegungen. Hasenform<br />

öffnet seinen breiten, dicklippigen Mund,<br />

seine Zunge faltete sich einmal auf und<br />

wieder ab. Dann bewegt er seinen plumpen<br />

Schädel wie in beständiger Verneinung hin<br />

und her.<br />

„Nicht?“ frage ich.<br />

„Nein“, nuschelt er.<br />

„Sicher?“<br />

„N-ei-nnn!“<br />

Im Transsubtat erreicht der Text in der<br />

Tat sein eigenes Zentrum, im Transsubstat<br />

zieht der Text sich zusammen, verdichtet<br />

sich und implodiert. Es sind diese geschundenen,<br />

g e q u ä l t e n<br />

Leiber, die einzig<br />

und allein<br />

den Zwecken<br />

anderer zu<br />

dienen haben,<br />

in denen sich<br />

das Ganze des<br />

Textes, des<br />

Buches versammelt:<br />

Der<br />

Gipfel ist mit<br />

ihnen erreicht.<br />

Es gibt ein<br />

chinesisches<br />

Sprichwort,<br />

das lautet:<br />

„Wenn du den<br />

Gipfel eines<br />

Berges erreichst<br />

- klettere<br />

weiter.”<br />

D e r<br />

Körper eines<br />

M e n s c h e n<br />

erscheint in<br />

Anomia als<br />

seine größte<br />

Schwäche, er<br />

ist der Ort, den<br />

die Macht ins<br />

Visier nimmt.<br />

Croques Ltd.<br />

ist deshalb<br />

auch in besonderer<br />

Weise<br />

am Körper der<br />

Frau interessiert,<br />

so sehr,<br />

dass die Chefs<br />

eine „Miss<br />

Cover: Just_Liili<br />

Universe” verspeisen.<br />

Die sozialen Machtverhältnisse<br />

schreiben sich in Anomia nicht in den<br />

Körper ein wie ein Text auf ein Blatt Papier:<br />

dieses wird durch den Text nicht zerstört.<br />

Die gesellschaftlichen Verhältnisse, die<br />

soziale Situation eines Menschen zeichnet<br />

den Körper und macht ihn zu einzig ihrem<br />

Zeichen. Die Politik, die mit ihm gemacht<br />

wird, seine Schutzlosigkeit, seine<br />

unheilbare Schwäche, Ort des Schmerzes<br />

zu sein, seine Sterblichkeit, all dies saugt<br />

die Freiheit auf und lässt die Kultur als<br />

lächerliche Ablenkung von der Realität<br />

erscheinen. Der Körper verzehrt sich umwillen<br />

seiner Existenz und wird verzehrt<br />

umwillen der Existenz anderer.<br />

Während man sich durch Anomia bewegt,<br />

entsteht die Frage, ob Widerstand<br />

gegen Croques Ltd. möglich ist, in welcher<br />

Weise Widerstand gegen die Macht<br />

sinnvoll sein könnte. Dabei stößt man<br />

notwendig auf die RFID’s, auf jene<br />

Implantate, die es der Macht möglich machen,<br />

einen Menschen auf Knopfdruck<br />

aus dem sozialen Kontext zu stoßen, ihn<br />

zu verbannen. Die Macht hat sich des<br />

Körpers bemächtigt, sie kommt nicht<br />

mehr von außen. Die RFID’s sind die<br />

Macht im Innersten und dennoch kann<br />

sie sich noch einmal selbst toppen, indem<br />

sie Körper produziert, denen man keine<br />

Chips mehr implantieren muss, da sie<br />

schon den jeweiligen Zwecken entsprechend<br />

programmiert sind. Die Macht ist<br />

mit den Transsubstaten wieder einen<br />

Schritt weiter: Sie steht nun am Ursprung<br />

allen Lebens. Unter diesen Bedingungen<br />

ist Revolution nicht mehr denkbar.<br />

Die zukünftigen (schon im Ansatz<br />

gegenwärtigen) Möglichkeiten von<br />

Wissenschaft und Technik lassen die klassischen<br />

Formen der Revolution alt aussehen.<br />

In Anomia wird auch nicht mehr<br />

Bezug auf sie genommen. Aber Lukas<br />

Kollmer zeigt uns den Kriegsschauplatz,<br />

auf dem die zukünftigen Kriege stattfinden<br />

werden: Es ist der genetische<br />

Code, das Programm, das nunmehr dem<br />

Körper vorgeschrieben wird, bevor es sich<br />

einschreibt. Die Transsubstate sind eine<br />

Warnung.<br />

Kollmer zeigt das Problem, bietet freilich<br />

keine Lösungen. Er schreibt nicht<br />

mit „revolutionärem Elan”, ruft nicht<br />

zu den Waffen, aber er zeigt ganz klar<br />

den Zusammenhang zwischen Macht,<br />

High Tech, Maschine und Körper: Die<br />

Macht mechanisiert den Körper, da sie<br />

mit seiner fleischlichen Lebendigkeit<br />

ein Problem haben muss. Der Mensch<br />

als Bioroboter.<br />

Der Mechanismus vieler Dystopien,<br />

man hat ihn schon oft beschrieben, ist<br />

der Mechanismus einer Warnung. Die<br />

Warnung antizipiert kommendes Unheil.<br />

Eine Warnung vor dem Unvermeidlichen<br />

ergäbe keinen Sinn. Auch angesagte<br />

Katastrophen finden wahrscheinlich<br />

nicht statt, so wenig wie angesagte<br />

Revolutionen. Es sei denn, sie hätten bereits<br />

unbemerkt stattgefunden und die<br />

Warnung vor dem Kommenden wäre nur<br />

ein Irrtum im Tempus.<br />

von Alexander Schießling<br />

Foto (c) Stefan Buchberger<br />

Lukas Kollmer Anomia. Roman,<br />

bei LUFTSCHACHT Wien 2009<br />

ISBN 978-3-902373-38-0<br />

www.luftschacht.com<br />

Anthologiebeiträge<br />

in autorenmorgen 01. Prosa/Lyrik-<br />

Anthologie, 2003 Nihil. Roman, 20<br />

03 Schlächtervergessen. Erzählung,<br />

2005


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch XI-<br />

Wie es war und wie es gewesen sein wird<br />

Eine Fortschreibung von Geschichte und Literatur nach der Shoah<br />

von Doron Rabinovici<br />

Es war einmal. Märchen heben so Fachwerken zahlreiche Gelehrte wieder giert genannt, und das ist gar nicht nett<br />

an und machen Kinder lauschen. zu Kindern und spielen einander vor, gemeint. Der Streit, ob die Historiographie<br />

distanziert oder parteilich sein<br />

Es war einmal, so klingt das Signal,<br />

es gäbe eine Forschung ohne Forscher,<br />

das alle Kleinen aufhorchen läßt,<br />

so lautet die Parole, mit der Feen, Hexen<br />

und Zauberer aufgerufen, mit der<br />

Elfen, Riesen und Drachen zum Leben<br />

erweckt werden. Vor langer, langer<br />

Zeit, in einem fernen Land, jenseits aller<br />

Ortsangaben und Jahreszahlen wird<br />

das schlechthin Gute vom Bösen par<br />

excellence bedroht, aber nie besiegt.<br />

Es war einmal, bedeutet uns, die wir<br />

erwachsen sind, daß nun erzählt wird,<br />

was so nie geschah, aber gleichzeitig<br />

wird mit diesen Worten behauptet, daß,<br />

wenn, wovon die Fabel berichtet, auch<br />

nie war, die Mär dennoch ein für allemal<br />

wahrhaftig war und wahr bleibt,<br />

jenseits aller Wirklichkeit. Ihre Aussage<br />

scheint durch die Überlieferung abgesichert,<br />

wobei für jedes Sprichwort, für<br />

jede Volksweisheit und für jede Volksweise<br />

immer schon ein Gegenstück in<br />

der Tradition existiert. Die alten Redensarten<br />

widersprechen einander seit<br />

jeher, aber wirken dennoch fort; und<br />

wenn sie nicht gestorben sind, dann leben<br />

sie noch heute.<br />

Wenn Volljährige Legenden lesen, erwarten<br />

sie zumindest seit der Aufklärung<br />

keine historisch gesicherte Darstellung.<br />

Nicht wenige verlangen hingegen<br />

von der Geschichtswissenschaft,<br />

was sie in den Epen und Mythen nicht<br />

mehr finden können. Das historische<br />

Fach macht Mündige wieder hörig,<br />

macht selbst Gottlose wieder gläubig.<br />

Hier suchen sie die Offenbarung, wie<br />

es einmal war, wie es einmal wirklich<br />

war. Von der universitären Lehre wird<br />

Objektivität und rationale Distanz verlangt,<br />

wohingegen die Literatur dem<br />

Subjektiven und dem Gefühl zugeordnet<br />

bleibt. Weil die Geschichte über<br />

unumstößliche Fakten verfügt, sollen<br />

die Menschen aus ihr lernen, und zuweilen<br />

klingt diese Hoffnung, als wä-<br />

als verfügte der Akademiker nicht über<br />

einen Standpunkt und wäre frei von Interessen.<br />

Wissenschaftlicher Wandel spiegelt<br />

gesellschaftlichen wider. Nicht neue<br />

Fakten, denn die alten hätten allemal gereicht,<br />

um dem Glauben an eine arische<br />

Herrenrasse abzuschwören, sondern<br />

die militärischen und politischen Siege<br />

über den Nationalsozialismus änderten<br />

die Weltsicht, etwa den Sprachgebrauch<br />

der Erblehre - oder in moderner Terminologie,<br />

der Humangenetik; änderten<br />

nicht bloß das Vokabular, sondern<br />

ebenso einige Thesen und Praktiken<br />

dieses Faches.<br />

Mit diesen Worten soll nicht ein weiterer<br />

der zahlreichen Nachrufe auf die<br />

Aufklärung angestimmt werden. Ebenso<br />

will ich nicht behaupten, es gäbe gar<br />

keine Geschichte, weil es derer so viele<br />

gibt. Gewiß; die Historie kennt keine<br />

sprachliche Pluralform, eben weil sie<br />

bloß in der Mehrzahl existiert, und es<br />

läßt sich kein roter Faden, kein einziger<br />

unbeschadeter unter den vielen Garnen<br />

finden, an dem die eine große Erzählung<br />

aller Menschen geknüpft ist. Was<br />

da von uns zusammengebunden wird,<br />

hängt nicht an einem Zwirn, sondern<br />

ist Flickwerk, das in seinem Ganzen<br />

wahrgenommen werden kann oder als<br />

Bruchstück. Aber was gesponnen wird,<br />

ist nicht schiere Willkür, ist nicht bloß<br />

Spiegelbild unserer Vorlieben. Was die<br />

Wahrheit ist, darüber mag diskutiert<br />

werden, nicht geleugnet werden kann<br />

jedoch die Existenz der Halbwahrheit<br />

und der blanken Lüge.<br />

Zurecht wurde nach dem Sieg über<br />

den Nationalsozialismus die scheinbare<br />

Objektivität der Wissenschaft kritisiert.<br />

Jaques Presser, Schriftsteller und Historiker,<br />

Autor des zweibändigen Standardwerkes<br />

„The Destruction of the Dutch<br />

müsse, wurde polemisch geführt. Eine<br />

Wissenschaft, die einen Standpunkt<br />

einnehme, werde von persönlichen Ansichten<br />

beherrscht, hieß es, und in der<br />

Tat, abschreckende Beispiele gab es genug;<br />

Akademiker, die sich den Dogmen<br />

der Macht und der Macht der Dogmen<br />

unterwarfen. Für sie ist Geschichte bloß<br />

ein Vorspiel. Neue Erkenntnisse mögen<br />

daran nichts mehr rütteln. Die Zukunft<br />

ist gewiß, bloß die Vergangenheit ändert<br />

sich laufend.<br />

Jaques Presser bezog Stellung, um<br />

seine Position offenzulegen. Ein solches<br />

Vorgehen bedeutet ein mehr an Fairneß<br />

und Redlichkeit als das Verlangen nach<br />

Gelassenheit. Was aber ist redlich, und<br />

wem gegenüber sollte die historische<br />

Forschung es sein? Die Forderung, die<br />

Opfer gerecht zu behandeln, scheint banal,<br />

doch unklar bleibt, was das bedeutet.<br />

Während die Täter kein Anrecht auf<br />

Anonymität haben und nicht aus ihrer<br />

Verantwortung entlassen werden können,<br />

den Mördern in der historischen<br />

Darstellung keine Diskretion gewährt<br />

werden darf, sollen die Opfer in ihrem<br />

Leid nicht sensationslüstern zur Schau<br />

gestellt werden. Noch darf dem Opfer<br />

ein zweites Mal seine Existenzberechtigung<br />

als Individuum, sein Platz in der<br />

Geschichte verweigert werden.<br />

Wenn von der Geschichtsschreibung<br />

Redlichkeit verlangt ist, was hieße das<br />

gegenüber den Tätern? Etwa, daß sie<br />

sich in der Darstellung wiedererkennen<br />

sollten? Fast alle der im Nürnberger<br />

Prozeß angeklagten Spitzenfunktionäre<br />

des „Dritten Reiches“ präsentierten sich,<br />

wenn es um die Vernichtung der Juden<br />

ging als schiere Befehlsempfänger. Einer<br />

der Untergebenen Eichmanns,<br />

Franz Novak, sagte etwa aus:<br />

„Ich selbst war kein ausgesprochener<br />

Judenhasser. Man muss sich aber die<br />

Forschung, die einst vom Verbrechen<br />

dienstbar gemacht werden konnten.<br />

Ebenso abzulehnen ist eine Sicht, die<br />

zur Dämonisierung neigt, und damit<br />

gleichsam sakral überhöht, was unterschiedliche<br />

Menschen unterschiedlichen<br />

Menschen zufügten. Damit ist<br />

nicht gemeint, es ginge einfach darum,<br />

die Banalität zu zelebrieren, der Mörder<br />

sei ein Mensch gewesen wie alle anderen<br />

auch, der Hunde gestreichelt, Kinder<br />

getätschelt und unter Flatulenzen<br />

gelitten habe. Wer nicht wegschauen<br />

will, kann erkennen, daß sich seit einiger<br />

Zeit ein Blickwinkel durchsetzt,<br />

der von den Opfern der Vernichtung<br />

absieht, um das Augenmerk den Mitläufern<br />

und Tätern zuzuwenden. Wir<br />

werden dunkle Kinosäle geladen,<br />

um uns den Führerbunker, ja, Hitler persönlich zu versetzen, zumindest<br />

aber jene, die ihm dienten, ihm<br />

nahe waren und ihn vergötterten. Wo<br />

nichts als Verblendung war, soll Aufklärung<br />

erwachsen. Vom so genannten<br />

ren die Opfer nichts als pädagogische<br />

Ge-Rabin<br />

ei-Rabin<br />

Jews“ , der Geschichte der Verfolgung<br />

damalige Zeit vergegenwärtigen, mit<br />

Untergang, dem Millionen ihre Rettung<br />

Anschauungsobjekte aus einer Lehr-<br />

der Juden den Niederlanden, und des<br />

der ungeheuren von oben geleiteteten<br />

verdanken, wird erzählt, von jenem Un-<br />

mittelsammlung. Ist aber so eindeutig,<br />

einzigartigen Romans „Die Nacht der<br />

Propaganda gegen die Juden. Sicher<br />

tergang, der bereits damals als Götter-<br />

was uns die Geschichte beibringt? Vor<br />

Girondisten“ versuchte nie zu verheh-<br />

war ich kein Judenfreund. Mit diesen<br />

dämmerung inszeniert worden war. Ein<br />

einiger Zeit versammelte sich etwa der<br />

len, von welcher Position aus er schrieb,<br />

harten Maßnahmen war ich aber nicht<br />

Drama im übelsten Sinne des Wortes.<br />

Generalstab der israelischen Armee ja schreiben mußte. Der jüdische Über-<br />

einverstanden. Ich kann nicht einmal<br />

Selbst die Darstellung seines Suizids<br />

Yad va Shem. Die Medien waren nicht<br />

lebende, der untergetaucht dem Mas-<br />

sagen, ob Eichmann ein ausgesproche-<br />

folgt den Regieanweisungen des Mas-<br />

geladen. Die Veranstaltung war nicht<br />

senmord entrann, war um Sachlichkeit<br />

ner Judenhasser war.“<br />

senmörders. Das Drehbuch hält sich an<br />

eines der öffentlichen Rituale des bemüht, und dennoch, oder vielmehr<br />

Gewiß; alles ist relativ. Was bedeu-<br />

die Mythen der Mitläufer. Damals wie<br />

denkens. Intern sollte die Bedeutung<br />

eben deshalb, ließ er keinen Zweifel<br />

tete es genau, unter den SS-Männern<br />

heute können die Zuschauer angesichts<br />

der Shoah diskutiert werden. An darüber, daß er nicht bloß über die Op-<br />

der Wiener „Zentralstelle für jüdische<br />

des Führers einen wohligen Schauer<br />

nem Punkt brach heftiger Streit aus. Es<br />

fer berichtete, sondern ihrem Namen<br />

Auswanderung“ und im Vergleich zu<br />

verspüren, denn der Diktator war immer<br />

ging um die Frage, ob die Erinnerung<br />

sprach. Was an Presser unter anderem<br />

all diesen anderen nazistischen Mas-<br />

schon ein mediales Ereignis, das erst im<br />

an den Massenmord den israelischen<br />

besticht, ist die Redlichkeit, mit der er<br />

senmördern kein „ausgesprochener Ju-<br />

Zwielicht ganz zur Geltung kam. Das<br />

Soldaten, im Kampf gegen die zweite<br />

seiner Arbeit nachging. Er spiegelte<br />

denhasser“ gewesen zu sein? Und wer<br />

Janusgesicht aus Zucht und Willkür,<br />

Intifada nütze oder schade. Offiziere,<br />

niemandem vor, seine Untersuchung<br />

wollte schon nach 1945 erzählen, wel-<br />

aus Unrecht als Ordnung und Ordnung<br />

die dem Friedenslager zugerechnet mit ebensolcher Geisteskälte angehen che antijüdischen Töne er noch wenige im Unrecht, aus Disziplin und Pogrom,<br />

werden können, und das sind in Israel<br />

nicht wenige, diese linkeren Offiziere<br />

also meinten, Auschwitz sollte gedacht<br />

zu können, wie manch Entomologe<br />

der Erforschung von Ungeziefern, und<br />

das war ehrlicher als die Bekundungen,<br />

Jahre vorher gespuckt hatte?<br />

Redlichkeit gegenüber den Tätern<br />

heißt nicht, sich dem Plädoyer der Mör-<br />

war das Erfolgsrezept des Nazismus.<br />

Der Untergang war kein geschichtlicher<br />

Zufall, sondern Konsequenz der apoka-<br />

werden, um einen zügelnden Einfluß<br />

auf die Rekruten auszuüben und um an<br />

humanistische Traditionen anzuschließen.<br />

Die Falken im Militär vertraten<br />

hingegen die Ansicht, das Gedenken an<br />

die Ermordung der europäischen Juden<br />

sollte eher der Stärkung des israelischen<br />

Verteidigungswillens dienen.<br />

Die politische Anschauung bestimmt<br />

die historische Sichtweise, doch trotz<br />

dieser banalen Erkenntnis werden vor<br />

es ließe sich die Vernichtung kühl betrachten,<br />

ohne durch dieses Paradigma<br />

bereits Stellung bezogen zu haben. Wer<br />

der eigenen Voreingenommenheit begegnen<br />

will, muß die Suche nach ihr<br />

aufnehmen. Auf diese Weise kann erkannt<br />

werden, welche unserer inneren<br />

Projektionen einleuchtender scheinen<br />

als alle Aufklärung.<br />

Die Art der Geschichtsschreibung, die<br />

Presser repräsentiert, wird gerne enga-<br />

der anzuschließen, sondern eher, ihr<br />

Wesen und ihr menschliches Dasein<br />

den Lesern begreifbar zu machen, ohne<br />

deshalb einer Apologie zu verfallen, die<br />

aus dem Verstehen ein Verständnis für<br />

die Untat macht? Wie das Verbrechen<br />

nicht so schildern, daß alles im Nachhinein<br />

unvermeidbar und beinah notwendig<br />

erscheint? Wer nichts als Objektivität<br />

und den kühlen Blick sucht,<br />

wiederholt die Fehler jener Art von<br />

lyptischen Sehnsucht, denn fest stand,<br />

daß die Entscheidung eine totale, eine<br />

endgültige sein sollte. Pech bloß, aus<br />

der Perspektive der Nazis ein Mißgeschick<br />

sozusagen, daß sie die Unterlegenen<br />

waren, daß es sie letztlich selbst<br />

traf. In seinem Buch „Kitsch und Tod“<br />

deckte Saul Friedländer diese Ideologie<br />

der Vernichtung auf und schilderte die<br />

Faszination, die von ihr auch Jahrzehnte<br />

danach noch ausgeht.


Literatur <strong>ST</strong>/A/R 85<br />

zigtausenden Leichen zu einem logistischen<br />

Problem wurde. „Die Probleme<br />

waren so groß, daß man wieder zusätzlich<br />

Verbrennungsgruben einführen<br />

mußte. Doch die Krematorien, so viel<br />

kann man sagen, haben ihre Aufgabe<br />

so gut sie konnten, erfüllt.“ Ja, so viel<br />

kann man sagen, und ich denke nicht<br />

daran, dies van Pelt vorwerfen zu wollen,<br />

denn seine Pflicht bestand darin,<br />

alle Mißverständnisse aufzuklären, die<br />

Irving verbreitet hatte. Eva Menasse er-<br />

Um den Apparat der Verfolgung entlarven<br />

zu können, bräuchte es Vorstellungskraft,<br />

aber reicht sie aus, um zu<br />

verstehen, was geschah? Nein, in jedem<br />

Buch über die nationalsozialistischen<br />

Morde wird erwähnt, daß, was sich ereignete,<br />

unvorstellbar bleibt. Dabei ist<br />

klar, daß diese Erkenntnis zur schieren<br />

Formel wird. Gefragt könnte werden, ob<br />

nicht jede historische Abhandlung mit<br />

diesem Problem konfrontiert ist. Sind<br />

die Leiden im Dreißigjährigen Krieg<br />

terie mit Wissenschaftlichkeit zu begegnen,<br />

wobei ich wußte, daß dadurch<br />

vieles nicht zur Sprache kommt. Mir<br />

ging es aber, anders als in einem literarischen<br />

Text nicht so sehr um das noch<br />

Unbenannte, als vielmehr um konkrete<br />

Problemstellungen. Ich wollte jenseits<br />

meiner Phantasien forschen, wer die<br />

jüdischen Funktionäre gewesen waren,<br />

wollte ihre Dokumente präsentieren,<br />

sie verzeichnen und darbieten. Ich<br />

brauchte eine gesicherte Antwort auf<br />

klärt, in distanzierter Form: „Van Pelt<br />

stützt sich auf zwei Dokumente aus<br />

Auschwitz, eines über die Verbrennungsleistungen<br />

der Öfen, ein zweites,<br />

in dem doch wahrhaftig ein Ingenieur<br />

der Bauleitung säuberlich ausgerechnet<br />

hat, wie viel Kohle pro Krematorium gebraucht<br />

wird.“<br />

Der Historiker sowie der Chronist<br />

stehen vor derselben Problematik. Sie<br />

können bloß mit den Maßstäben der<br />

Mörder das Ausmaß der Untat verdeutlichen.<br />

wissenschaftlich darstellbar? Gewiß Fragen, die seit langem mich beschäftigten,<br />

Berichtet wird von seuchenhy-<br />

nicht; was aber mit Auschwitz benannt<br />

wird, entzog sich allem, was voraus gedacht<br />

werden konnte, widersprach allen<br />

Vorstellungen von Rationalität. Wieso<br />

war es im „Dritten Reich“ im Moment<br />

der Niederlage noch wichtig, die letzten<br />

über 70.000 im Getto Lodz verbliebenen<br />

Juden zu morden? Die Opfer konnten<br />

nicht begreifen, weshalb ihr Leben,<br />

ihre Fähigkeiten, ja letztlich nicht einmal<br />

ihre Arbeitskraft noch etwas zählten.<br />

Mit dem Mord an Millionen durch<br />

Verwaltung ist der Tod zu etwas geworden,<br />

was so noch nie zu fürchten war.<br />

Keine Möglichkeit mehr, daß er in das<br />

erfahrene Leben der Einzelnen als ein<br />

irgend mit dessen Verlauf Übereinstimmendes<br />

eintrete.<br />

„(...) seit Auschwitz heißt den Tod<br />

fürchten, Schlimmeres fürchten als den<br />

Tod.“, schrieb Adorno.<br />

So fraglich es ist, ob die Geschichtsschreibung<br />

darstellen kann, wie es einmal<br />

war, wie es einmal wirklich war, so<br />

zweifelhaft ist auch, ob, falls sie diese<br />

Aufgabe erfüllen könnte, sie ihre ganze<br />

Pflicht geleistet hätte. Die Historiographie<br />

bemüht sich zumeist anzugeben,<br />

was an einem bestimmten Ort zu einer<br />

gewissen Zeit geschehen ist. Doch um<br />

zu verstehen, was stattfand, muß klar<br />

sein, was eben noch nicht, nicht mehr<br />

sich ereignete, kurzum, was geschehen<br />

hätte können; welche Alternativen sich<br />

den Handelnden einst boten. Welche<br />

Hoffnungen hatten sie hegen dürfen,<br />

ehe eintraf, wovon wir nun berichten?<br />

Diese Überlegungen widersetzen sich<br />

einer Geschichtsschreibung, die vorgibt,<br />

daß nicht anderes geschehen konnte,<br />

als letztlich geschah. Die Historiographie<br />

wäre dann nichts als die Kapitulation<br />

vor der Macht des Faktischen.<br />

aber ebenso eine eindeutige Ent-<br />

gegnung für jene, die zwischen Opfern<br />

und Tätern nicht unterscheiden wollen.<br />

Ihre Thesen mußte ich so sachlich wie<br />

möglich widerlegen. Es wäre fatal gewesen,<br />

das Thema allein der eitlen Selbstdarstellung<br />

wegen zu verfehlen. Es ging<br />

um Selbstbeschränkung.<br />

Doch diese Zurückhaltung hat ihren<br />

Preis. Die Geschichtswissenschaft verwendet,<br />

um zu schildern, was geschah,<br />

das Vokabular des Verbrechens. Unweigerlich<br />

gebrauchen wir dabei die<br />

Termini derer, die über die Untat bestimmten<br />

und sie organisierten. Mit<br />

ihren Begriffen wird bezeichnet, wie<br />

die Ausraubung, Verfolgung und Ermordung<br />

vor sich ging. Wir sprechen<br />

von Deportation, und das bedeutet<br />

wohl nichts als Zwangsverschickung,<br />

meint das Lexikon, aber mit Ethymologie<br />

kommt in diesem Fall niemand<br />

weiter. Hinter „Deportation“ verbarg<br />

sich die Verschleppung in den Massenmord.<br />

Die Wörter „Umsiedlung“ und<br />

„Sonderbehandlung“ können jederzeit<br />

auf ihre buchstäbliche Bedeutung überprüft<br />

werden, der eigentliche Inhalt und<br />

seine geschichtliche Dimension bleiben<br />

aber verborgen. Unter „Umsiedlung“<br />

bloß eine Delogierung zu verstehen,<br />

hieße gar nichts zu begreifen. Wie soll<br />

„Sonderbehandlung“ übersetzt werden?<br />

Euphemismus war Teil der Politik der<br />

Nazis. Wie Ausdrücke verstanden oder<br />

mißverstanden werden, ergibt sich aus<br />

dem Kontext. Die Kritik an der Sprache<br />

wird von der Geschichtsschreibung jedoch<br />

kaum geleistet. Die Wissenschaft<br />

unterwirft sich den Sprachregelungen,<br />

und vermag sich der Wechselbeziehung<br />

zwischen Inhalt und Form nicht zu widersetzengienischen<br />

Maßnahmen, von der technischen<br />

Perfektionierung der Barbarei.<br />

Unanschaulich bleibt, daß hiermit die<br />

Logik der Mörder widergespiegelt wird.<br />

Jenseits des wissenschaftlichen Handwerks<br />

liegen die Möglichkeiten der Literatur,<br />

die gar nicht vorgibt, bloß die<br />

Fakten wiederzugeben. Sie kann sich<br />

eben deshalb einer Wahrheit annähern,<br />

die alle Wirklichkeit übertrifft, ohne sie<br />

zu verraten. „Ich lese den ersten Absatz<br />

und stelle fest: So war es, so! Poe hätte<br />

es anders erzählt, aber noch einmal: SO<br />

WAR ES.“ In großen Lettern schreibt<br />

Jaques Presser diesen letzten Satz, und<br />

wir lesen: „Ich, Jaques Suasso Henriques,<br />

geboren am 24. Februar 1916,<br />

ich schwöre: Dies ist die volle Wahrheit,<br />

unverblümt, nichts ist hinzugefügt.“<br />

Und an anderer Stelle erlebt Jaques<br />

Suasso Henriques, es ist Nacht, und ein<br />

Transport soll abgehen, wie ein Mann<br />

sich die Augen aussticht: „Ich habe<br />

das gesehen, selbst gesehen, in vielen<br />

Nächten der Verdammnis. ICH HABE<br />

DAS GESEHEN.“ Wieder in gesperrten<br />

Buchstaben.<br />

Auf die Frage des Sprachwissenschaftlers<br />

Sem Dresden, ob sich das wirklich<br />

so ereignete, teilte ihm Presser mit,<br />

er habe ein kleines „Ödipus-Element“<br />

für erforderlich gehalten und sich deshalb<br />

„diese Wirklichkeit“ ausgedacht.<br />

An Pressers Vorgehen ist gewiß nichts<br />

Verwerfliches, denn er behauptete ja in<br />

keinem Satz, Jaques Suasso Henriques<br />

zu sein. Das Buch ist als Roman, als<br />

Fiktion zu erkennen. Der Autor gibt<br />

nicht vor, die Erzählstimme zu sein.<br />

Andernfalls wäre es Etikettenschwindel<br />

und Anmaßung. Jaques Presser, der<br />

versteckt nur überlebte, dessen Frau<br />

bei einer Zugkontrolle verhaftet und<br />

Solch ovici<br />

ein historischer Determinismus<br />

Wer die Fakten der Vernichtung aus-<br />

im Konzentrationslager Sobibor ermor-<br />

bestätigt jedes Unrecht, da es im Rück-<br />

breiten will, dem fällt es schwer, die Per-<br />

det wurde, schrieb an seinem Roman,<br />

blick unausweichlich scheint. Doch<br />

spektive der Opfer einzunehmen. Die<br />

mußte ihn schreiben, weil er mit seiner<br />

einst war noch in Schwebe, was ex post<br />

Strukturen des Terrors nachzuzeichnen<br />

historischen Arbeit über die Vernich-<br />

sich schicksalhaft zur Geschichte fügt.<br />

und von den Tötungskapazitäten einer<br />

tung der niederländischen Juden nicht<br />

Die Länder des Westens hätten etwa in<br />

Gaskammer zu sprechen, bedeutet im<br />

fortfahren konnte.<br />

den späten dreißiger Jahren den Mas-<br />

Sinne der Schergen zu sprechen. Im<br />

Jenseits der bloßen Fakten ist eine<br />

senmord an den deutschen und öster-<br />

Prozeß gegen den Rechtsextremisten<br />

Einsicht, die sich der Wissenschaft ver-<br />

reichischen Juden verhindern können,<br />

David Irving kam der Gutachter und<br />

schließt. Wie es wirklich war und was<br />

wenn sie anders auf die nationalsoziali-<br />

Professor für Kulturwissenschaften<br />

noch geschehen hätte können, dem<br />

dem Kopf gehen.“<br />

stischen Verfolgungen und Vertreibun-<br />

Robert Jan van Pelt zu Wort, um gegen<br />

geht die Historie nach. Literatur kann<br />

gen reagiert, die Flüchtlinge bereitwillig<br />

den Auschwitzleugner Irving auszusa-<br />

jedoch eher als die Geschichtswissen-<br />

aufgenommen hätten. Die Niederlage<br />

gen. Irving nahm den Zeugen der Ge-<br />

schaft erzählen, Ruth Klüger hat darauf<br />

Deutschlands hätte zudem früher als<br />

genseite ins Kreuzverhör, doch Pelt ließ<br />

bereits hingewiesen, „was gewesen sein<br />

im Mai 1945 erfolgen können.<br />

sich nicht beirren. Gewissenhaft beant-<br />

könnte“ oder, möchte ich hinzufügen,<br />

Es geht bei diesen Fragen nicht darum,<br />

wortete er alle Fragen, zerriß die Argu-<br />

wie es gewesen sein wird.<br />

zu klären, was geschehen wäre, wenn mente Irvings in der Luft. Eva Menasse Wie es gewesen sein wird; dieser deutsche<br />

der Lauf der Dinge eine andere Richtung<br />

genommen hätte, aber die Auf-<br />

berichtete darüber. Pelt, der Experte,<br />

sagte etwa, daß die Beseitigung von Satz läßt sich auf verschiedene<br />

Weise lesen. Einerseits behaupten jene,<br />

gabe der Geschichtsschreibung ist eben<br />

nicht bloß zu klären, wie es einmal war,<br />

sondern sehr wohl auch, wie es sein<br />

hätte können. Aus diesem Blickwinkel<br />

wollte ich meine historische Studie „Instanzen<br />

der Ohnmacht“ über die jüdische<br />

Administration in Wien während<br />

der nationalsozialistischen Verfolgung<br />

schreiben. Das Thema läßt mich seit<br />

Jahren nicht los.<br />

Davon leichthin zu erzählen, war mir<br />

nicht möglich. So versuchte ich der Ma-<br />

die literarisch schreiben, nicht, sie gäben<br />

die Wirklichkeit wieder. Gewiß; die<br />

Memoiren und Berichte der Überlebenden<br />

sind voll von den Bekundungen,<br />

nichts sei hier fabuliert. Im Gegenteil;<br />

sie rufen uns auf, ihnen zuzuhören; ihnen<br />

Vertrauen zu schenken. Von ihrer<br />

größten Angst berichtete etwa Primo<br />

Levi:<br />

„Viele Überlebende erinnern sich<br />

daran (unter anderem Simon Wiesenthal<br />

auf den letzten Seiten seines Buches<br />

„Doch die Mörder leben“ [Droemer/<br />

Knaur, München/Zürich 1967]), was<br />

für ein Vergnügen es den SS-Leuten<br />

bereitete, den Häftlingen zynisch vor<br />

Augen zu halten: ,Stellen Sie sich nur<br />

vor, Sie kommen in New York an, und<br />

die Leute fragen Sie: ,Wie war es in diesen<br />

deutschen Konzentrationslagern?<br />

Was haben sie da mit euch gemacht??<br />

[...] Sie würden den Leuten in Amerika<br />

die Wahrheit erzählen [...] Und wissen<br />

Sie, was dann geschehen würde? [...] Sie<br />

würden Ihnen nicht glauben, würden<br />

Sie für wahnsinnig halten, vielleicht<br />

sogar in eine Irrenanstalt stecken. Wie<br />

kann auch nur ein einziger Mensch<br />

diese unwahrscheinlich schrecklichen<br />

Dinge glauben - wenn er sie nicht selbst<br />

erlebt hat?“<br />

Wir lesen die Erinnerungen der Opfer<br />

nicht als wissenschaftliche Darstellungen.<br />

Wir sind uns bewußt, daß hier<br />

subjektiv Erlebtes präsentiert wird. Ich<br />

entsinne mich eines Besuches in Wilna.<br />

Ich begleitete meine Eltern und deren<br />

Freunde, Ida und Micha, ein Ehepaar.<br />

Meine Mutter, Schoschanna Rabinovici,<br />

und Ida stammen beide aus der<br />

Stadt, dem Jerusalem des Nordens, wie<br />

sie einst hieß.<br />

Wie aufgeregt meine Mutter war, als<br />

wir in Litauen ankamen. Vor den Zöllnern<br />

fürchtete sie sich, wie an keiner anderen<br />

Grenze. Ich möge meine Kameras<br />

und den Computer in den Formularen<br />

angeben, sonst bekäme ich bei der Ausreise<br />

Schwierigkeiten und könnte dann<br />

die Geräte nicht wieder mitnehmen. Ich<br />

verspottete ihre Angst, erklärte, die Sowjetunion<br />

sei untergegangen. Aber ich<br />

verstand, weshalb sie die Uniformierten<br />

hier als Gefahr empfand.<br />

Sie konnte die Straßenschilder in ihrer<br />

einstigen Stadt nicht lesen, weil nichts<br />

mehr in Polnisch, alles in Litauisch angeschrieben<br />

war. Aber sie fand wieder,<br />

wonach sie suchte und sie wollte es mir<br />

zeigen. Das Haus und das Geschäft ihres<br />

Großvaters; die Wohnung, in der<br />

sie gelebt hatte; den einzigen Baum im<br />

Getto, im Hof des Judenrates; den Weg<br />

zur Selektion.<br />

„Wir liefen weiter und traten dabei auf<br />

Kinder und Säuglinge. Sie lagen unter<br />

unseren Füßen, und es war schwer,<br />

zwischen einem Kleiderbündel und<br />

einem Bündel mit einem Säugling zu<br />

unterscheiden. Plötzlich bemerkte ich<br />

ein Baby direkt vor meinen Füßen. Ich<br />

blieb stehen. Ich war unfähig, weiterzu-<br />

gehen und auf den Kopf des Kindes zu<br />

treten. Meine Mutter zog mich schnell<br />

hoch über das Baby hinweg, doch der<br />

Anblick des Babys, das unter meinen<br />

Füßen lag, sollte mir nicht mehr aus<br />

Schoschana Rabinovici, meine Mutter,<br />

verfaßte ein Buch über ihr Überleben,<br />

über das Getto, das Konzentrationsla-<br />

ger Kaiserwald, das Vernichtungslager<br />

Stutthof und den Todesmarsch. „Dank<br />

meiner Mutter“, heißt es. Viele Jahre<br />

ehe sie es zu schreiben begann, war es<br />

bereits fertig, so sagt sie, fertig in ihr. Es<br />

war in Kapitel geordnet gewesen. Ihre<br />

Erinnerung, ohne jedes Pathos, in zurückhaltender,<br />

doch klarer Sprache, beginnt<br />

mit dem Satz: „Am <strong>22</strong>. Juni 1941<br />

sah ich meinen Vater zum letzten Mal.“<br />

Teils fußt das Werk auf Aufzeichnungen,<br />

die sie aufbewahrt hatte. Auf ihre<br />

jidischen Gedichte, die sie zur Zeit der<br />

Vernichtung als Jugendliche geschrieben<br />

hatte, etwa jenes für ihren Vater,<br />

das meine Mutter im Getto schrieb. Es<br />

gibt die Gedanken und Gefühle eines<br />

literarisch ungeschulten Kindes wieder


86 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch XI- Literatur Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

und wurde für ihr Buch in keiner Weise<br />

bearbeitet. Ihre Zeilen hätten, wenn es<br />

nach dem Willen der Mörder gegangen<br />

wäre, die Vernichtung nie überstehen<br />

dürfen; das Buch hätte nach den Vorstellungen<br />

der Nazis nie erscheinen sollen.<br />

Viele Texte, Tagebücher und Briefe<br />

entgingen den Nationalsozialisten.<br />

Nicht wenige der Opfer versuchten damals<br />

festzuhalten, was geschah. 1947<br />

gab Rasmow Benjamin dem Dokumentationszentrum<br />

des Bundes jüdischer<br />

Verfolgter des Naziregimes, das von Simon<br />

Wiesenthal geleitet wurde, zu Protokoll:<br />

„Ich war Augenzeuge wie Murer<br />

eigenhändig während einer Aktion drei<br />

ältere Männer und eine Frau auf der<br />

Straße erschoß, weil sie erschöpft von<br />

dem Aussiedlungstransport zurückblieben.<br />

Ich habe auch gesehen wie Murer<br />

während einer Ausrottungsaktion bei<br />

meinem Haus eigenhändig ein kleines<br />

Kind von der Mutter fortgerissen hat und<br />

es an der Wand zerschmetterte.“ Macht<br />

es Sinn, sich zu überlegen, ob Rasmow<br />

Benjamin das Elend, die Ermordung<br />

eines Kleinkindes kunstfertiger hätte<br />

beschreiben können? Könnte eine neue<br />

Literatur einer jungen Generation etwa<br />

eindringlicher verdeutlichen, was jene<br />

großen Schriftsteller und Schriftstellerinnen,<br />

die selbst der Vernichtung entronnen<br />

sind, bereits zur Sprache brachten,<br />

was sie zum Ausdruck brachten?<br />

Was muß der Aussage von Rasmow Benjamin<br />

hinzugefügt werden? Allenfalls,<br />

daß Franz Murer, der in jenem Ghetto,<br />

aus dem meine Mutter, Schoschana<br />

Rabinovici, stammt und unter den Opfern<br />

als „Schlächter von Wilna“ bekannt<br />

gewesen war, später, im Österreich der<br />

sechziger Jahre vor Gericht trotz seiner<br />

Schuld freigesprochen wurde. Womöglich<br />

wäre zu berichten, daß am Tag der<br />

Urteilsverkündung alle Blumenhandlungen<br />

der Stadt ausverkauft waren, da<br />

der Ausgang des Prozesses und der Angeklagte<br />

gefeiert wurden. Und wissen<br />

Sie, was ein „Judenschlag“ ist? So nannten<br />

die Dorfbewohner, die Nachbarn<br />

Murers, jenes Waldstück, das die Murerfamilie<br />

verkauft hatte, um dem Verwandten,<br />

dem Murer Franz, den teuren<br />

Anwalt zahlen zu können. Gewiß, über<br />

das Fortwirken der Vergangenheit im<br />

heutigen Österreich kann ich nicht wenige<br />

Geschichten schreiben, doch wozu<br />

sollte ein Nachgeborener solche Erinnerungen<br />

wiederaufbereiten, um sie als<br />

bloßen Fundus seiner Erzählungen zu<br />

gebrauchen?<br />

Welch bittere Ironie. Lange Zeit war<br />

kaum beachtet worden, was Menschen,<br />

die der Vernichtung entkamen, erinnerten.<br />

Erst in den letzten Jahrzehnten errangen<br />

ihre Bücher endlich breite Aufmerksamkeit.<br />

War nach dem Krieg die<br />

Auseinandersetzung mit der sogenannten<br />

„Endlösung“ gemieden worden, so<br />

scheint es zuweilen gar, als hätten Erzählungen<br />

über Auschwitz nun eine<br />

Renaissance, die sich an die Stelle der<br />

Dokumente, Erinnerungen und Überlebensberichte<br />

drängen will. Die Geschichte<br />

wird hier aufgeputzt, als wäre<br />

sie für sich nicht genug.<br />

Braucht es etwa sogenannte „außergewöhnliche<br />

Liebesgeschichten“, wobei<br />

„außergewöhnlich“ dabei ist, daß Romantik<br />

vor dem Hintergrund von Gettos<br />

und Vernichtungslagern verheißen<br />

wird? „Eine Liebe in Auschwitz“ nennt<br />

etwa Thilo Thielke sein Buch, das im<br />

Spiegel Buchverlag herauskam, und<br />

auf dem Einband ist zu lesen: „Einmal<br />

verlieh die Himmelsmacht Liebe auch<br />

in der Hölle Auschwitz Flügel: die Geschichte<br />

von Cyla Cybulska und Jerzy<br />

Bielecki, die sich im KZ ineinander verliebten,<br />

dem Lager gemeinsam entflohen,<br />

sich aus den Augen verloren und<br />

voneinander glaubten, sie seien ums<br />

Leben gekommen“ ein Irrtum, wie sie<br />

Jahrzehnte später durch einen Zufall<br />

erfahren...? Auf dem Umschlag sind die<br />

Photos der beiden Überlebenden vor der<br />

Abbildung der Geleise und des Lagertores<br />

zu sehen. Fünf Jahre lang habe der<br />

Redakteur Thielke recherchiert, doch<br />

er formuliert, als schreibe er an einem<br />

Roman, an einem Ärzteroman. Im Präsens<br />

sind die Sätze gehalten, wobei dadurch<br />

die Gegenwärtigkeit des Verbrechens<br />

nicht verdeutlicht wird, sondern<br />

verwischt.<br />

Im Mittelpunkt steht die Leidenschaft<br />

zwischen der jüdischen Gefangenen<br />

und dem polnischen Häftling. Daneben<br />

verblassen alle Qualen der Folter und<br />

der Verfolgung. Wen wunderts; es geht<br />

um die „Himmelsmacht Liebe in der<br />

Hölle Auschwitz“. Die nun in Brooklyn<br />

lebende Cyla läßt Thielke über Jerzy<br />

Bielecki sagen: „Sie habe ihn geliebt wie<br />

keinen vor ihm und auch niemanden<br />

danach“. Was Liebe angesichts der Gaskammern<br />

bedeutet und ob eine solche<br />

Bindung überhaupt an alltäglichen Beziehungen<br />

gemessen werden darf, wird<br />

in diesem Buch nicht erörtert. Cyla Cybulska<br />

und Jerzy Bielecki entkommen<br />

dem Vernichtungslager, doch später<br />

vermeinen sie voneinander, umgekommen<br />

zu sein. Jahrzehnte nachher sehen<br />

sie sich wieder. „Für die große Liebe jedoch<br />

ist es zu spät“, so Thielkes Schlußsatz.<br />

Er will uns glauben machen, daß<br />

ein Irrtum bloß dem vollendeten Glück,<br />

dem Happy End, im Wege stand. Als<br />

wären Bindungen, die im Lager entstanden,<br />

nach der Befreiung nicht oft<br />

gescheitert.<br />

Die Mär über die vermeintlich einzig<br />

große Liebe inmitten der Lager,<br />

über die „Himmelsmacht in der Hölle<br />

Auschwitz“ banalisiert das Verbrechen.<br />

Was bleibt, ist, um ein weiteres Mal mit<br />

Saul Friedländer zu sprechen, Kitsch<br />

und Tod als Widerspiegelung des Nazismus.<br />

Aus all dem Morden, so die verlogene<br />

Botschaft, erwachse ein vermeintliches<br />

Heil, ein Glück im Unglück, das<br />

bloß aufgrund der Nachkriegswirren<br />

sich nicht zum Guten fügte. Die Wahrheit<br />

ist weniger befriedigend. Die Liebe<br />

triumphierte nicht über die Vernichtung;<br />

eher im Gegenteil, die soziale Ermordung<br />

ging der körperlichen voraus.<br />

Was den Juden angetan wurde, rührte<br />

zuallererst an ihr Empfinden und Zutrauen.<br />

Soll aus Auschwitz ein romantischer<br />

Ort werden, der dem Rendezvous<br />

diente? Taugen die Geschichten von<br />

den Sonderzügen und den Stationsrampen<br />

zur leichten Bahnhofsliteratur? Gewiß;<br />

die Qual der Opfer könnte sich zu<br />

Buche schlagen. In manchen Verlagen<br />

mag die Hoffnung umgehen, mit dieser<br />

Mischung aus Leidenschaft und Lagerleid<br />

größeren Absatz zu erzielen. Beunruhigender<br />

als das Erscheinen schlechter<br />

Bücher ist die Marktpolitik, die sich<br />

dahinter offenbart. Das zynische Kalkül,<br />

mit den Qualen der Ermordeten Profit<br />

erzielen zu wollen.<br />

Weshalb erlebt die Mischung, die Vermischung<br />

aus Fakten und Fiktion just<br />

dann eine Konjunktur, wenn die Überlebenden<br />

allmählich wegsterben? Vielleicht,<br />

weil sich nun die meisten der<br />

Opfer kaum mehr gegen einen solchen<br />

Abklatsch wehren können?<br />

Je ferner die Vergangenheit zurückliegt,<br />

um so größer wird die Angst, sie könnte<br />

für das breite Publikum zu blaß oder zu<br />

graulich wirken, und eben darum wird<br />

das Dunkel des Verbrechens mit Sentimentalität<br />

und Kolportage eingefärbt<br />

und aufgehellt. Da der Massenmord abseits<br />

unserer Vorstellungen liegt, wird<br />

übermalt und retouchiert, was geschah.<br />

Eben die Tendenz, das Gedenken an die<br />

Vernichtung zu verkitschen, beweist,<br />

wie sehr die Erinnerung noch verstört.<br />

Vielleicht ist das Kalkül noch zynischer.<br />

Dient die Shoah bloß als dramatisch düstere<br />

Todeskulisse, in der die Liebe besser<br />

aufleuchten kann? Geht es alleinig<br />

darum, bekömmliche Liebesromane zu<br />

verkaufen? Oder soll der Hintergrund<br />

der Vernichtung, den abgeschmackten<br />

Kitsch im Zentrum gar legitimieren helfen<br />

und die Trivialität, die in einer anderen<br />

Szenerie bloß noch lächerlich wirkt,<br />

gegen kritische Einwände schützen?<br />

Der historische Tatort wird zuweilen<br />

zur bloßen Location. Dabei geht es nicht<br />

nur um die Darstellung der Vergangenheit,<br />

sondern vielmehr um die Fetischisierung<br />

des Grauens in der Geschichte<br />

und in der Gegenwart. Die Untat wird<br />

zum Clip. Das Attentat zum Event. Die<br />

Folter zum Foto. Die Enthauptung zum<br />

Video, und wer zusieht, wie die Täter<br />

ans Werk gehen, sieht damit zu, daß sie<br />

ans Werk gehen. Die Medien sind ihr<br />

Tatort. Die Barbarei der Schauerlichkeiten<br />

weiß die Kultur der Beschaulichkeit<br />

zu nutzen.<br />

Auch wer keine Seite von Adorno je<br />

gelesen hat, kennt sein Diktum über<br />

Kunst, über Lyrik nach Auschwitz,<br />

kennt gleichwohl bloß die verkürzt und<br />

entstellt wiedergegebene Formel: „...<br />

nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben,<br />

ist barbarisch ...“ Der ganze Satz<br />

heißt: „Kulturkritik findet sich der letzten<br />

Stufe der Dialektik von Kultur und<br />

Barbarei gegenüber: nach Auschwitz<br />

ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch,<br />

und das frißt auch die Erkenntnis<br />

an, die ausspricht, warum es unmöglich<br />

ward, heute Gedichte zu schreiben.“ So<br />

wendet sich das Verdikt gegen die Kunst<br />

und gegen sich selbst, aber auf keinen<br />

Fall verkündet der Satz ein Verbot, vielmehr<br />

erklärt er ein Dilemma. Alle Teile<br />

der Gesellschaft und auch alle Formen<br />

der Kunst hatten nach Auschwitz ihre<br />

Unschuld verloren.<br />

Auf keinen Fall verkündet Adorno ein<br />

Verbot, vielmehr erklärt er die Ohnmacht,<br />

zeigt einen Verlust an, beklagt<br />

ihn. Mit ihm läßt sich deswegen sagen:<br />

„Erheischt negative Dialektik die Selbstreflexion<br />

des Denkens, so impliziert das<br />

handgreiflich, Denken müsse, um wahr<br />

zu sein, heute jedenfalls, auch gegen<br />

sich selbst denken. Mißt es sich nicht<br />

an dem Äußersten, das dem Begriff<br />

entflieht, so ist es vorweg vom Schlag<br />

der Begleitmusik, mit welcher die SS<br />

die Schreie ihrer Opfer zu übertönen<br />

liebte.“<br />

Mit der Kunst kann das Opfer, der Einzelne,<br />

der Vereinzelte zur Sprache kommen.<br />

In ihr darf sein Recht auf Stimme<br />

und Gehör leben. Sie ermöglichte und<br />

ermöglicht noch eine Rebellion des Individuums<br />

gegen die Auslöschung. Sie<br />

erlaubt dem Subjekt sich der Tyrannei<br />

der Kultur und der Kultur der Tyrannei<br />

zu entziehen. Sie vermag die Stimme<br />

gegen die Kriege zu sein, die im Namen<br />

der Kulturen geführt werden, um so<br />

mehr, da die Kunst heute mehr denn je<br />

aus der Kultur und ihrem Betrieb verwiesen<br />

und vertrieben wird. Sie lebt in<br />

ständiger Flucht.<br />

Jenseits der Kultur der Macht kann<br />

die Macht der Kunst wirken. Das Versagen<br />

ist nicht die Ausnahme. Kunst<br />

an sich ist noch Nichts, was bejaht werden<br />

muß. Der Etikettenschwindel begegnet<br />

einem täglich. Die Literatur bietet<br />

Offenbarung jenseits aller Gewißheit.<br />

Um Adorno ein letztes Mal zu zitieren:<br />

„Kunst ist Magie befreit von der Lüge,<br />

Wahrheit zu sein.“<br />

Literatur kann von der Geschichte erzählen,<br />

indem sie erzählt, was von ihr<br />

nicht mehr erzählt werden kann. Die<br />

Möglichkeiten narrativer Literatur sind<br />

nicht eingeschränkt, sondern eher umgelenkt,<br />

vielleicht sogar erweitert.<br />

Leo Perutz etwa schrieb mit seinem<br />

Roman „Nachts unter der steinernen<br />

Brücke“ ein Mosaik, ein Puzzle des Gedächtnisses,<br />

das nicht von der Shoah<br />

handelt, sonder über die Vernichtung


Nr. <strong>22</strong>/2009 Buch XI- Literatur<br />

<strong>ST</strong>/A/R 87<br />

spricht, indem es gleichsam über sie<br />

hinweg spricht. Von einer Geschichte<br />

zur anderen verdichtet sich das Bild. Die<br />

Legenden aus der mittelalterlichen Prager<br />

Judenstadt erzählt der Hauslehrer<br />

und Nachfahre in jenem Moment, da<br />

der baufällige Bezirk abgerissen wird,<br />

und sein Schüler schreibt sie nieder, als<br />

die Juden in Prag, ja in Europa der Vergangenheit<br />

angehören, ermordet waren<br />

und die Gemeinden mit all ihren Überlieferungen<br />

und Traditionen vernichtet<br />

sind. Dies wissend lesen wir das Buch.<br />

Während die Juden vernichtet wurden,<br />

webte Perutz an ihren Sagen aus dem<br />

mittelalterlichen Prag.<br />

Perutz nutzte alle Quellen, um die Erinnerung<br />

aufzurufen, obgleich er nicht<br />

vom Nazismus schrieb. Er siedelte das<br />

Werk vor der Vernichtung an. Im Wissen<br />

um alles, was nachher geschah, ist<br />

der Text geschrieben und wird er gelesen.<br />

Die Geschichte vom mittelalterlichen<br />

Prag wird durch die Vergangenheit<br />

nicht verstellt und die Vergangenheit<br />

durch die Geschichte nicht beschönigt.<br />

Im Gegenteil; die Auslassungen machen<br />

deutlicher, was sich ereignete.<br />

Auch der Band „Kaddisch für ein ungeborenes<br />

Kind“ von Imre Kertesz ist<br />

kein Buch über die nazistische Vergangenheit.<br />

Es spielt in der unmittelbaren<br />

Gegenwart. Nein, tobt es in diesem<br />

Buch, antwortet B. auf die harmlose<br />

Frage eines Bekannten, ob er Kinder<br />

habe. „Nein“, so verweigerte er sich dem<br />

Wunsch seiner Frau, die längst nicht<br />

mehr seine Frau ist, Kinder zu zeugen.<br />

Der Text bäumt sich auf, wendet und<br />

windet sich zu einem Nekrolog für ein<br />

Nicht Geborenes, zu einem Abgesang<br />

aus schwebenden und schwankenden<br />

Tönen, zu einer Klanglandschaft der<br />

Ambivalenz, wie sie bloß Imre Kertesz<br />

in Worten hörbar machen kann, zu einem<br />

Kaddisch, zum Totengebet eines<br />

Menschen, der preisgibt, daß er sich<br />

nicht erinnern will, obgleich er sich erinnern<br />

will, und der sich erinnert, ob er<br />

will oder nicht, weil er nicht vergessen<br />

kann, und wie er sagt, „keine Angst,<br />

Kinder, nicht aus irgendeiner ,moralischen<br />

Verpflichtung’“. Er betrachtet<br />

das Dasein eines Kindes als Möglichkeit<br />

seines Seins, um das Nicht-Sein dieses<br />

Kindes als radikale und notwendige Liquidierung<br />

seines Seins zu betrachten,<br />

denn allein so habe alles, was ihm geschah<br />

- ohne daß er wohl wußte, wie ihm<br />

geschah - alles, was er getan habe und<br />

ihm angetan worden sei, einen Sinn.<br />

Dieser innere Monolog richtet sich gegen<br />

sich selbst, richtet sich selbst, ist ein<br />

Kaddisch gegen den Kaddisch, ist keine<br />

Lobpreisung des Allmächtigen mehr,<br />

sondern das Einbekenntnis einer Ohnmacht.<br />

Diese Ausführungen sind, wie<br />

Jean Améry erklärte, die Bewältigungsversuche<br />

eines Überwältigten.<br />

Literatur bietet zumindest die Chance<br />

neuer Fortschreibungen. Sie versucht<br />

zuweilen dem Entsetzen mit Humor<br />

zu begegnen, und zwar nicht um es<br />

durch brüllendes Gelächter zu übertönen,<br />

sondern, im Gegenteil, damit das<br />

Lachen einem im Halse stecken bleibe.<br />

Der Witz dient der Erkenntnis, wenn<br />

er uns das Denken nicht erspart, aber<br />

erleichtert, wenn er sich nicht über die<br />

Opfer lächerlich macht, sondern uns<br />

mit ihnen fühlen hilft.<br />

Was damals geschah, läßt sich nicht<br />

in mir geläufigen Kategorien fassen.<br />

Vor wenigen Jahren befragte ich einen<br />

alten Juden in Wien zur Geschichte seiner<br />

Befreiung aus Auschwitz. Ein kleiner,<br />

energischer Mann mit Glatze, der<br />

recht unsentimental von der Zeit des<br />

Massenmords sprach. Die Szene beruht<br />

auf einer wahren Begebenheit, einem<br />

Interview, das ich vor Jahren in Wien<br />

führte. Die Geschichte jenes Überlebenden<br />

läßt mich bis heute nicht los. Er war<br />

bloß seiner Mutter wegen im nationalsozialistischen<br />

Wien geblieben. In Theresienstadt<br />

verliebte er sich in eine Frau<br />

und heiratete sie, obgleich jüdische<br />

Hochzeiten längst verboten waren. Als<br />

er nach Auschwitz deportiert werden<br />

sollte, bestand sie darauf, ebenfalls verschleppt<br />

zu werden. Beide überlebten<br />

wie durch ein Wunder, fanden einander<br />

in Wien wieder und nun ließen sie sich<br />

gesetzlich trauen.<br />

Als ich von diesem zweifach unwahrscheinlichen<br />

Glück und dieser Liebe<br />

hörte, wagte ich erst nichts zu sagen,<br />

dann aber fragte ich schüchtern, weshalb<br />

ich in seiner Wohnung kein Zeichen<br />

seiner Frau sah. War sie gestorben? Der<br />

Alte meinte bloß: „Naja, wir haben uns<br />

dreiundfünfzig scheiden lassen.“ Wieso<br />

denn, entfuhr es mir, den eben noch<br />

romantische Gefühle umwogt hatten,<br />

worauf der Greis sagte: „Sie war jähzornig.<br />

Hat immer nur geschrien. Es war<br />

schwer auszuhalten.“<br />

„Und vorher“?<br />

„Aber ja, auch vorher schon“, versicherte<br />

mir der Überlebende mit schelmischen<br />

Lächeln: „Ja, im Lager bereits.<br />

Aber damals glaubten wir noch beide,<br />

es liegt an Hitler!“<br />

Ich habe diese Begebenheit, diese<br />

Groteske in meinen Roman „Ohnehin“<br />

eingebaut. Ich erzähle damit nichts von<br />

Auschwitz, doch vielleicht erzähle ich<br />

auf diese Weise unter anderem, was ich<br />

nicht von Auschwitz erzählen kann.<br />

Zuweilen, wenn ich aus meinen Büchern<br />

lese und nachher für eine Diskussion<br />

bereitstehe, will jemand aus<br />

dem Publikum wissen, weshalb ich, der<br />

Nachgeborene, Geschichten schreibe,<br />

die in der Vergangenheit angesiedelt<br />

sind. Andere sind erstaunt, daß ich, der<br />

ich doch so jung sei, ja, in diesen Momenten<br />

scheine ich zum Pubertanten,<br />

zum Unterstufler zu mutieren, mich<br />

noch mit den Themen des Krieges auseinandersetze.<br />

Diese Fragen werden<br />

zumeist freundlich gestellt, nicht selten<br />

sind sie von redlichem Interesse motiviert,<br />

aber manchmal scheint ein Ressentiment<br />

durch, und die Beschäftigung<br />

mit der Shoah schlechthin steht mittlerweile<br />

unter einem Generalverdacht, einem<br />

Argwohn, der in den vergangenen<br />

Jahren an Kraft gewann. Werde ich nach<br />

einer Lesung gebeten zu erklären, weshalb<br />

mein Roman in der nationalsozialistischen<br />

Vergangenheit spiele, weise<br />

ich darauf hin, daß er doch gar nicht<br />

in diese Zeit gesetzt ist. Nie in meinem<br />

Leben verfaßte ich eine einzige Erzählung,<br />

die in einem Lager oder einem<br />

Getto angesiedelt ist, und selbst wenn<br />

ich von den Verhältnissen in den litauischen<br />

Gettos erzählen wollte, das Buch<br />

meiner Mutter kopierte, meine Protagonisten<br />

durch eine Selektion triebe, sie<br />

ermorden ließe, von den Strategien des<br />

Entrinnens phantasierte, zu schildern<br />

versuchte, was sie empfänden, würde<br />

ich nicht die Vergangenheit aufarbeiten,<br />

weil sie sich ja nicht mehr aufarbeiten<br />

läßt. Es geht allemal bloß um die<br />

Gegenwart. Was erörtert, aufgedeckt<br />

und verhandelt, was verdrängt, verleugnet<br />

und ausgeblendet wird, bestimmen<br />

allein die aktuellen Machtverhältnisse,<br />

nie die früheren.<br />

Ich schreibe vom Umgang mit der<br />

Vertreibung, der Verfolgung und der<br />

Vernichtung. Ich spreche hier vom<br />

Umgang mit diesen Fragen, und meine<br />

nicht bloß die historische Auseinandersetzung<br />

mit der Shoah, sondern ebenso<br />

die aktuelle, die politische Handhabung<br />

von Flucht und Genozid in der Gegenwart.<br />

Dabei geht es mir keineswegs um<br />

eine Gleichsetzung dessen, was einst<br />

geschah, und was heute sich ereignet.<br />

Vielmehr will ich sehen, welche Parallelen<br />

sich uns aufdrängen und warum.<br />

Ich schaue mir an, was Menschen nun<br />

geschieht, im Lichte, nein, vielmehr<br />

im Schatten des Vergangenen, und ich<br />

rätsle, wie es gewesen sein wird. Woran<br />

ich arbeite, woran ich mitarbeite, ist die<br />

Fortschreibung von Geschichte und<br />

Geschichten. Ich schreibe fort in jeder<br />

Bedeutung des Wortes, will nämlich<br />

manches weiterschreiben und anderes<br />

weg. Selbst diese Vorlesung ist eine<br />

Fortschreibung vieler Erzählungen und<br />

eines Textes, an dem ich lange schon<br />

sitze und an dem ich bald wieder feilen<br />

werde. In ihm geht es um nichts als um<br />

den Unterschied zwischen der Frage,<br />

wie es war, und jener, wie es gewesen<br />

sein wird.<br />

Literatur kann verdeutlichen, wie es<br />

gewesen sein wird, und das bedeutet<br />

nicht bloß, wie es wohl geschehen sein<br />

könnte, sondern heißt weiters, eine Kalkulation,<br />

ein Zählen im Erzählen, eine<br />

Abrechnung mit dem, was uns noch zustoßen<br />

kann. Es heißt, fortzuschreiben,<br />

wie es überwunden und einst eingesehen<br />

werden wird. Über die Bedingungen<br />

im England vor mehreren Jahrhunderten<br />

wissen die meisten Menschen<br />

nicht viel, aber das Treffen zwischen<br />

Mary Stuart und Königin Elisabeth, das<br />

wissenschaftlich betrachtet sich nie ereignete,<br />

kennt jeder Gymnasiast.<br />

Ich erinnere mich an 1984 von George<br />

Orwell, entsinne mich, daß ich bereits<br />

in den Siebzigern daran denken mußte<br />

und mit anderen darüber sprach, wie es<br />

sein würde, jenes Jahr zu erleben, daß<br />

zum Synonym des Totalitarismus geworden<br />

war. Ich verbinde mit der Zahl<br />

keine historische Assoziation mehr, sie<br />

ist für mich wiederum allein zum Titel<br />

eines Buches geworden.<br />

„So hat es zu sein“, verkündet die Politik.<br />

„So war es“, mag die Geschichte<br />

behaupten, die Literatur sagt bloß: „So<br />

wird es wohl gewesen sein.“ Wie es gewesen<br />

sein wird, das ist es, was mich<br />

antreibt. Das literarische Schreiben vermag<br />

zur Sprache zu bringen, was noch<br />

ungesagt ist, vermag dem Unsagbaren<br />

und dem Unerhörten ein Wort zu verleihen.<br />

Ich muß an einen Ausspruch denken,<br />

der doch, wenn ich nicht irre, von August<br />

Wilhelm von Schlegel stammt.<br />

Sagte Schlegel nicht, der Historiker sei<br />

ein Prophet, der in die Vergangenheit<br />

schaut? Erinnern die Worte nicht an<br />

Walter Benjamin? Ist dieser Beruf nicht<br />

in der Tat dazu verdammt, mit rücklings<br />

verrenktem Kopf voranzuschreiten?<br />

Aber war es nicht Heinrich Heine, der<br />

Schlegel widersprach und meinte, mit<br />

mehr Fug und Recht könne der Dichter<br />

ein Geschichtsschreiber genannt werden,<br />

der in die Zukunft schaut? Stimmte<br />

nicht Georg Büchner darin überein und<br />

meinte, der dramatische Dichter sei ein<br />

Geschichtsschreiber, der Geschichte ein<br />

zweites Mal zum Leben erwecken lasse,<br />

indem er aus Charakteristiken Charaktere<br />

schaffe? Ja, so wird es wohl gewesen<br />

sein...<br />

Die wissenschaftliche Geschichtsschreibung<br />

versucht in ihren Studien<br />

über den Massenmord das Thema abzuhandeln.<br />

Bis nichts erforscht ist, was<br />

der bisherigen Auffassung widerspricht,<br />

und solange keine neue Interpretation<br />

die alten Ergebnisse in Zweifel zieht,<br />

mag das wissenschaftliche Buch seinen<br />

Zweck erfüllen. Der Historiker will ein<br />

Standardwerk schaffen. Kein Dichter<br />

will hingegen schreiben, was nichts als<br />

Standard wäre. Die universitäre Studie<br />

wird, so gut sie ist, in absehbarer Zeit<br />

überholt sein. Ein künstlerischer Text<br />

mag hingegen nach vielen Jahren erst<br />

an Kraft gewinnen. Literatur ist ein Prozeß,<br />

und sie ist ein Zeugnis des Scheiterns<br />

im Umgang mit der Vernichtung.<br />

Sie lotet aus, wo das Wort versagt, und<br />

auf diese Weise ist sie in jeder Bedeutung<br />

dieses Begriffes ein stetes Versprechen,<br />

eine unentwegte Fortschreibung,<br />

wie es gewesen sein wird.<br />

Copyright: Doron Rabinovici 2008<br />

• Ohnehin Roman. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 2005<br />

• Credo und Credit. Einmischungen Frankfurt/M.:<br />

edition suhrkamp, 2001<br />

• Instanzen der Ohnmacht. Wien 1938-1945.<br />

Der Weg zum Judenrat. Historische Studie Frankfurt/<br />

M.: Jüdischer Verlag bei Suhrkamp, 2000<br />

• Suche nach M. Roman. Frankfurt/M.:<br />

Suhrkamp, 1997<br />

• Papirnik. Stories Frankfurt/M.:<br />

edition suhrkamp, 1994<br />

• Der ewige Widerstand. Über einen strittigen Begriff<br />

Styria-Verlag, 2008<br />

• Das Jooloomooloo Doron Rabinovici<br />

(Text), Christina Gschwantner (Illust.)<br />

jooloomooloo, Wien, 2008


88 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Neue Miniaturen<br />

Neue Miniaturen von Günther Kaip<br />

Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

Wie selbstverständlich<br />

Wie selbstverständlich erschüttert das häufige<br />

Auftauchen der Gegenstände das Ergebnis.<br />

Ein Drittel unsere Zuversicht verschwindet<br />

im Messbecher, die anderen Teile werden in<br />

den Cocktail-Gläsern mit Eiswürfeln verrührt.<br />

Manchmal kommt noch ein Schuss einer<br />

Maßnahme dazu, mit Schlagobers aufgeschäumt,<br />

eine Brise Salz.<br />

Erfolgt dann mittels tiefer Einsicht der Befehl<br />

zur Zeitverkürzung, trinken wir folgsam unseren<br />

Cocktail, wischen uns die weißen Schnurbärte ab<br />

und schwängern unsere geschürzten Lippen mit<br />

Worten, die wir in obszönen Übersetzungen an<br />

die Toreinfahrten nageln.<br />

Ihr Schläfer<br />

Ihr Schläfer, zündet die Kerze an. Offen ist das<br />

Grab. Die Engel lungern am kalten Boden und<br />

heben bei jedem Gebet, das sie hören, den Kopf.<br />

Reichen sich die Hände. Zeigen die Zunge.<br />

Wie sie es gelernt haben. Schaut jemand in das<br />

Grab, und sei es ein Hund, erröten die Engel<br />

und schmücken sich schnell mit Nachbildungen<br />

ihrer Heiligenscheine. Natürlich vergessen sie<br />

nicht den Atem anzuhalten und ihre Hände zu<br />

falten, wie sie es in den Leichenhallen gelernt<br />

haben. Hier aber, in diesem einsamen Grab,<br />

fürchten sie sich, wissen nicht wohin, bis der Tote<br />

kommt. Schlagen sich ängstlich die Stunden um<br />

die Ohren, erzählen sich Geschichten, die bis zu<br />

seiner Ankunft ablenken sollen.<br />

Also kommt ihr Schläfer, steht den Engeln bei,<br />

denn der Tote möchte endlich in sein Grab.<br />

Die Beine und Arme<br />

Die Beine und Arme werden sorgfältig<br />

zusammengelegt, bis sie faustgroß sind,<br />

mit Zellophan verschweißt und in die dafür<br />

vorgesehenen Regale gelegt. Nichts deutet<br />

auf Verfolgung hin, auf Brandschatzung und<br />

Verleumdung. Kommt jemand vorüber, grüßt<br />

er anständig und tastet automatisch nach seinen<br />

eigenen Beinen und Armen. So ist es uns auch<br />

einmal ergangen, wir erinnern uns an die Lust,<br />

über die Schenkel zu streichen, über die Arme,<br />

es war ein Augenblick der Unterwerfung, und<br />

doch, in unserem Größenwahn setzten wir diese<br />

Bewegung mit dem Ursprung der Welt gleich.<br />

Heute aber sitzen wir vorne an der Kassa, schieben<br />

die faustgroßen Zellophanbällchen über den<br />

Scanner und halten die Hand auf. Manchmal sind<br />

wir deprimiert darüber, dass in einem Jahr sich<br />

nur zwei drei Kunden zu uns verirren, die, haben<br />

sie erstmal erkannt, was sie kaufen und wo sie sich<br />

befinden, mit aller Gewalt dazu überredet werden<br />

müssen, ihre Handlung zu Ende zu bringen.<br />

Unterdessen<br />

Unterdessen hatte das Pferd sein Rosshaar im<br />

Schweißtrog neben der Scheune gewaschen.<br />

Acht Uhr Abend war es, und die Sonne ging erst<br />

jetzt im Westen auf, blass vom Schlaf, an den<br />

Rändern zerknittert. Um der Scheune trieben sich<br />

Kleintiere herum, stets darauf bedacht dem Pferd<br />

nicht zu nahe zu kommen. Übrigens saß auch<br />

ein Reiter im Sattel und fönte das lange Rosshaar,<br />

funkelnde Fäden zwischen den Fingern, die nur<br />

drei an der Zahl waren. Auf dem Kopf hatte er<br />

einen alten Schlapphut<br />

auf, den Schmetterlinge<br />

und Gelsen in edler<br />

Eintracht umkreisten.<br />

Im nahe gelegenen Teich<br />

veranstaltete ein Fuchs<br />

Tauchübungen, schnorchelte<br />

elegant zwischen den Seerosen.<br />

Einige Bäume kamen aus dem<br />

Wald, um besser zu sehen. Ein<br />

Habicht stieß vom Himmel,<br />

verlor die Kontrolle über seinen<br />

Sturz und landete im Misthaufen.<br />

Dieser dumpfe Aufprall ließ alle<br />

Anwesenden zusammenfahren - das<br />

Pferd machte einen Satz, warf dabei<br />

den Reiter in hohem Bogen aufs<br />

Scheunendach, das unter dieser Last<br />

einbrach, und der Reiter knallte mit<br />

voller Wucht in den Fresstrog des<br />

Schweins, das gerade Abendtoilette<br />

machte und empört das Weite suchte,<br />

während die Schmetterlinge und<br />

Gelsen irritiert in der Luft standen<br />

und schließlich zum Weiher flogen,<br />

wo der Fuchs sich mit letzter Kraft<br />

ans Teichufer retten konnte, denn<br />

er hatte wieder einmal seine Kräfte<br />

überschätzt, während die Bäume<br />

enttäuscht im Wald verschwanden, und einzig<br />

der Mistkäfer blieb gelassen, bettete den Kopf des<br />

Habichts auf seinen Schoß, bog seinen Schnabel<br />

wieder gerade und untersuchte ihn nach anderen<br />

Verletzungen.<br />

Da es gerade neun Uhr wurde, packte die Sonne<br />

ihren Korb mit den Essensresten voll und rollte<br />

hinter den Horizont. Morgen würde sie zu Hause<br />

bleiben, denn niemand hatte sie beachtet. Das war<br />

nicht fair.<br />

Ein viel versprechender<br />

Anfang<br />

Ein viel versprechender Anfang waren die<br />

feuchten Spuren auf dem himmelblauen Flanell.<br />

Weiters ein vorbeifahrender Lastkraftwagen, der<br />

die Glasscheiben zum Vibrieren brachte, ein<br />

vergessener steif gefrorener Mantel im Schneefeld<br />

vor dem Haus, die durchgestrichenen Summen<br />

im Kassabuch, das in der weiß gekachelten Küche<br />

auf dem Tisch lag. Doch es half nichts. Das<br />

Handlungsregister hing im Vorraum aus, durch<br />

den sich ein breiter Strom von Schneematsch<br />

wälzte, sich an den Zimmertüren aufstaute und<br />

in Kürze bis an die Decke reichte. Dazu kam die<br />

unerwartete Mondfinsternis, die vom Geschehen<br />

ablenkte. Irgendwo hustete ein Mensch, was<br />

natürlich zu keinem Ergebnis führte. Die Dünung<br />

der Landschaft zeigte kleine Auffälligkeiten<br />

und erklärte sich bereit, neue Instruktionen zu<br />

empfangen. Inzwischen trockneten die feuchten<br />

Spuren auf dem himmelblauen Flanell. Der Mond<br />

bleibt verschwunden, und jetzt erhebt sich der<br />

steif gefrorene Mantel aus dem Schnee und geht<br />

übers Feld. Irgendwo hustet wieder ein Mensch.<br />

Hiermit können wir die Beweisführung<br />

abschließen und zu den Akten legen.<br />

Hast du schon<br />

Hast du schon den liebenden Blick des Todes<br />

gesehen, wenn er sich entschieden hat.<br />

Gleichgültig, wo er sich gerade befindet - sein Leib<br />

leuchtet in dieser diamantenen Nacht, errichtet<br />

Pyramiden, ist das Rauschen des Mississippi, das<br />

erste Dämmern des Tages, das Licht der Sonne<br />

und die Farben des Regenbogens, die heiße Zunge<br />

im Mund, der Speichel, das Herz und die Lunge,<br />

der Schatten auf der Haut, der Schweiß in den<br />

Achselhöhlen - die Erde dreht sich mit ihm ins<br />

Universum, während er dir geduldig den Staub<br />

von den Schultern bläst.<br />

Klettere weiter<br />

Klettere weiter, nimm die Hände aus den<br />

Hosentaschen, denn sonst wird es nichts mit<br />

deinem Gebet an die untergehende Sonne. Noch<br />

zerrst du den Glauben an gestern hinter dir her,<br />

sein Blut erstickt die Wasseradern, wird Kruste.<br />

Über dir der lautlos schwingende Adler, im<br />

Aug’ seine Kapelle mit all ihren Turbinen und<br />

Dynamos, dazwischen ihre zerbrochene Achse<br />

und die heilende Quelle. Die musst du erreichen,<br />

… Fortsetzung folgt (vielleicht)<br />

Günther Kaip, geboren 1960 in Linz, nach diversen Jobs 1980 Übersiedlung nach<br />

Wien, wo er seit 1991 als freier Autor lebt. Er schreibt lyrische Prosa für Erwachsene<br />

(häufig in Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern) und poetische Geschichten<br />

für Kinder (etwa – gemeinsam mit der Illustratorin Angelika Kaufmann – über die<br />

Riesenschlange „Kurt“). Publikationen (u.a.): „Trash“ (2004). „Nacht und Tag“<br />

(2005)


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch XII - Waran <strong>ST</strong>/A/R 89<br />

Wenn sich zwei streiten - freu ich mich<br />

Was sich liebt das lecht sich. und sollten wir uns nicht mehr sehen, könnt ihr<br />

euch den Rest ja denken. Meine Pornosammlung kann sich sehen lassen<br />

Nur Sklaven fahren in den Urlaub.<br />

Schönen Urlaub.<br />

Die Erde hat uns wieder,<br />

so wie sie uns kennt<br />

Ohne Grenzen keine Nation<br />

Ohne Nation kein Patriot<br />

Ohne Patriot kein Soldat<br />

Ohne Soldat kein Idiot<br />

Ohne Idiot kein Künstler<br />

und ohne Künstler kein Leben<br />

und ohne Leben keine Regeln<br />

und ohne Regeln keine Freiheit<br />

und ohne Freiheit kein Selbstmord<br />

und ohne Selbstmörder keine Draufgänger<br />

und ohne Draufgänger keine Looser


90 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch XII - Waran Nr. <strong>22</strong>/2009


WWW.TOL<strong>ST</strong>OI.RU<br />

Nr. <strong>22</strong>/2009 Buch XII - Waran<br />

<strong>ST</strong>/A/R 91<br />

Liebe Frauen in alphabetischer<br />

Reihenfolge<br />

von A–Z. Wenn ich nicht mitspielen<br />

darf, wenn ich nicht ich sein<br />

darf, wenn ihr alle gegen mich<br />

seid, spornt mich das mehr an,<br />

als wenn ihr Luft für mich wäret.<br />

Ihr woll nicht meine Freunde sein<br />

OKAY. Jetzt, genau jetzt, seid ihr<br />

meine Untertanen. Verzeihe euch<br />

nichts. Schönen Urlaub.<br />

Meine Freunde sagen zumindest<br />

das sie mich mögen,<br />

aber ihr, ha ihr ihr


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch XII<br />

Lieber Hirntod als gechipt und geoutet<br />

Mittwoch, 3. Juni, 2009 14:56 Uhr<br />

Giftzwerge sitzen auf der Veranda und unterhalten sich über die Regenwürmer die sich durch das ERDREIcH fressen<br />

bald sind sie und sterblich aber hackst du sich entzwei werden zwei draus Einer mit Kopf und einer ohne<br />

Karotti hat geglaubt Raketen mit 200%iger Treffsicherheit Fernwärmelenkwaffen TARGET EU<br />

Heuchler Querulanten Fabrikanten Hydranten Familie kann man sich nicht aussuchen Freunde<br />

auch nicht<br />

jeder sollte das Weite suchen wenn Sehnsüchte und Wünsche in Erfülllung gehen sehnen wir uns zurück an die<br />

Zeit des Zweifelns<br />

niemand gibt gerne auf nur weil er versagt hat auf allen Linien paralllel Karierre leiter KADMIUM<br />

LITHIUM ELEMENTE ALLimente alibi kettenreaktion kawumm<br />

retro tundra sieb unterjochen rassentrennung XENOPHOBIE<br />

RASENHEIZUNG<br />

SCR VS. FAK der ewige KRIEG<br />

GRINGO WHERE DO YOU GO the harder they come the harder they fall wonna know<br />

you´re gonna live like a free man or a slave<br />

fi ghting for the things I want<br />

between now and the day I die we´ll meet us in the sky timetravelller<br />

EXODUS OVER AND OUT FINALLE GRANDE LOVEOVER


- Waran <strong>ST</strong>/A/R 93<br />

dermensch ist schon längst ausgestorben, der neandertaler hat überlebt, und sich nicht weiterentwickelt<br />

als ich mich gar nicht wieso nicht, halt warte kurz, okay geht schon wieder. lass<br />

uns deer menscheit den letzten furz abzocken, so wie wirs immer getan haben wenns um die<br />

wurscht ging. und jetzt 20 liegestutz<br />

niemals<br />

abeer dafur in senegal wo. wie auch immer alles beim alten nur wir sind alter als gedacht über<br />

dem kopfstand..... da kannst im würstelstand<br />

kalles am kopf haun<br />

.,,speziell, was deine Phantasien bezüglich deines “heiligen”<br />

Teils anbelangt - wie war das nochmals, du bist unzufrieden<br />

damit, weil er im unerregierten Zustand nicht so eine stattliche<br />

Größe hat wie andere “Vergleichsobjekte”.<br />

Solltest du dir mal mindestens 2 Jahre lang à 3 mal die<br />

Woche auf der Couch liegend gemeinsam mit einem qualifizierten<br />

Psychonalytiker durch den Kopf gehen lassen.<br />

Wieso ist mein Penis im unerregten Zustand nicht so groß<br />

wie der des Nachbarn oder wahlweise Schulkollegen oder<br />

des ...?<br />

Wieso werde ich dauernd von Menschen erregt, deren<br />

Körper ich häßlich empfinde und deren Geruch mir zuwider<br />

ist? Wahlweise: Frauen, die mir zuviel Scheiße denken und<br />

zuviel reden.<br />

Ich habe noch niemals im Leben so eine abgrundtief hässliche<br />

Einladung zu einer Ausstellung bekommen.<br />

Ach ja, wenn du in Erklärungsnotstand kommen solltest<br />

und manch einer dich als Nazischwein bezeichnet, kannst ja<br />

meine obigen Gedanken diesbezüglich verwenden.<br />

Und hinzufügen, dass DU das alles garantiert niemals vergessen<br />

wirst können.


94 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Nr. <strong>22</strong>/2009


Nr. <strong>22</strong>/2009 Buch XII - Waran<br />

<strong>ST</strong>/A/R 95<br />

Sein oder nicht sein –<br />

wo ist hier die Frage?<br />

Die Schnitzeljagd hat begonnen MAMPF Jet Set vom Feinsten Jet Lee<br />

Vom Euro zum Schilling, zur D-Mark. zur Drachmen, zur LIRE, zum France , Zur Pesetas und zum Tauschhandel<br />

Wer den Kopf in den Sand steckt wird am nächsten Tag mit den Zähnen knirschen<br />

Ein Gehirn wäscht das Andere<br />

Bye Bye Belinda<br />

Keine Zeit für Sentimentalitäten KEIN MITLEID MIT EUCH ALLEN Ihr seid einfach nur zum KOTZEN<br />

Diplomaten genießen auch Immunität, aber vom Gefilzt werden<br />

Male nicht den Teufel an die WAND<br />

Warum eigentllich nicht Oder soll ich gleich meine Seeeleverkaufen<br />

Da spiel ich lieber Domino mit einer Domina<br />

dIE FILZLAUS ist intelligenter als der Mensch. Die Kakerlacke und die Termiten und die Heuschrecken überleben jeden<br />

Atomkrieg<br />

Haie sind gegen Krebs immun 21 12 20 12 Happy End Datum relativ<br />

Schöne Grüsse von der Dorfschlampe aus Mürzzuschlag Karate meisterin 3. Dan-TAnga die mit dem Stiernacken<br />

Welches Verhältnis hat der Teufel zu Fliegen Eintagsfliegen leben exact 3 Tage also 4<strong>22</strong>0 Minuten<br />

WAR IS THE DEATH OT HUMAN REASON<br />

back in the day relationship We gotta build a big ship<br />

and it´s called FRIENDSHIP for all wapplers and superschnorrers Let´s play EGOshooter together PAX<br />

spray back you have to pray and pray just pay the full nice price don´t you remember me BÖRLIN<br />

Linzer Augen tomorrow never come You don´t have to worry proud marry keep on burning<br />

FOR ALL THE PARTY-PEOPLE ALL over the WÖRLD (WÖRDERN)<br />

P.S. : Hallo Brüder und Schwestern Wir spucken in die Hände und dann reichen wir uns die Hände<br />

Wer hat euch zu Einsamkeit gezwungen. So viel Schmerz in Euren Augen. Wer hat euch blos so verletzt<br />

Augenblicke ohne Blickkontakt. Einen hab ich noch: Treffen sich zwei Blicke , sagt der eine zum Andern: “Geh mir aus den Augen; Aus den Augen<br />

aus dem SINN”<br />

Bald kommt die SINNFLUT DIE ARCHE II steht bereits bereit Frischer Wind kommt auf ein Regenbogen zieht vorbei und<br />

Vögel sinken Lieder<br />

Some holy moment Some hope today to stay for everyone In Liebe DJohn Gunscha<br />

Sollltzen wir uns nicht mehr sehen dann: Sieh dich vor<br />

AUGEN AUF UND DURCH<br />

Pavel´s Motto ist : Nach dem Spiel ist vor dem Spiel<br />

Rudi´s Motto ist:<br />

Vor dem Spiel ist nach dem Spiel<br />

Heidulf´s Motto ist: Jede Nacht bringt betrunkene Frauen<br />

Adam´s Motto ist: Bier holen und Wein trinken


96 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Printmedium Wien – Berlin<br />

Buch XII - Waran Nr. <strong>22</strong>/2009<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Nr. <strong>22</strong>/ Herbst 2009<br />

Zeitung für Hochkultur Mittelmaß und Schund<br />

Mirjana Rukavina & Sebastian Sauer, ADA 20J., aus der Serie:<br />

Seduced by Uncertain Knowledge, Wien, 2009<br />

3,– Euro

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