16 Kunsthaus Zug Nr. <strong>45</strong>/2015 born in Kötschach HOUSE 1 KIOSK 38 Vorschlag für 3 Archiquanten HEINRICH BÜCHEL IN COOPERATION WITH HEIDULF GERNGROSS Buch V – EHALT Nr. 28/2011 Kötschach Mauthen für meinen Geburtsort Kötschach plane ich eine zurückhaltende architektonsiche Mitteilung zu machen. Es ist die Trilogie des Archiquanten. Die sollte auf der Wiese vor dem Kirchennebeneingang bis zur Oberfl äche eingegraben werden. Material sollte “Laaser” Marmor sein. Im Bild ein Probehinlegen. Alle unsere Plandrucke werden von Plankopie Eder in der Theobaldgasse 1060 Wien gemacht. Zu unserer vollen Zufriedenheit ! Die Capella Bianca ist ein Treffpunkt für kulturelle soziale philosophische künstlerische und normale Diskurse und sollte am Plöckenpass errichtet werden. Danke an Carl Gressel, der sein Grundstück zur Vergügung stellt. Derzeit wird der Flächenwidmungsplan von der Kärntner Landesregierung geprüft. above: Capella Bianca, Venice Architecture Biennale (2002) below: first container house, shown in Vienna (1992) Freundehaus von Architekt Dipl.Ing. Wilfried Zojer Das Haus “Freundehaus” - ein erweiterter Wohnraum im Garten, ein Treffpunkt für Familie und Freunde, ein Ort der Begegnung und Kommunikation. Ein Freundehaus realisierte sich Stephan Kanzian 2008 in seinem Garten in der Aue, einem Ortsteil von Kötschach in Kärnten. Der Bauherr stellte sich eine Holzkonstruktion an die Stelle vor, wo der Kirschbaum steht in seinem Garten. Nach gut einjähriger Planung steht nun, etwas nach hinten versetzt, eine Konstruktion aus Stahlbeton im Garten, die mit ihrer Silhouette an die Gebirgskette der im Hintergrund befindlichen Karnischen Alpen erinnert. Um das Gebäude zu verorten, wurde Beton im Sinne von gegossenem Stein verwendet. Zahlreiche Findlinge, die der nahegelegenen Lammerbach bei einem Hochwasser anschwemmte, prägen die Landschaft. Im Laufe der Jahre setzten sich Moose und Flechten an der Steinoberfläche fest. Bald wird diese Alterserscheinung auch am Freundehaus wahrnehmbar sein. Um einen Wohlfühlcharakter zu erzielen, werden die Innenseiten aus hochglänzendem Kirschholz gefertigt. Der eigene Kirschbaum konnte übrigens stehen bleiben, was nicht nur den Architekten freut.
Nr. <strong>45</strong>/2015 50 Literatur 17 Buch VII – Literatur Nr. 24/2010 DAS GEHIRN ALS BIOTECHNISCHE IN<strong>ST</strong>ALLATION Alexander Schießling Wäre die Erde ein Ort des Friedens, der Freiheit und Gerechtigkeit, gäbe es tatsächlich keinen Grund, die technischen Revolutionen der Vergangenheit und der Zukunft skeptisch zu betrachten. Technoprogressiv oder Ökokonservativ? Da stellt sich die Vorfrage, bei wem sich technische Macht akkumuliert. Macht und Technik hängen innerhalb einer Feedbackschleife voneinander ab. Während der ägyptischen Revolution wurde das Mobilfunknetz einfach ausgeschaltet, der türkische Premierminister Erdogan wollte das Gleiche mit Twitter tun. Wünscht man etwa im Sinne einer Utopie den Cyborg, muss man schon die Frage stellen, wer ihn zu welchem Zweck kreieren wird. Wer sich selbst steuernde, technische Systeme einfach schön findet, müsste konsequenterweise auch von Drohnen begeistert sein. Der wissenschaftlich-technische Fortschritt schreitet unaufhaltsam fort und die Erde sieht jetzt aus wie ein inputabhängiger, sich selbst regulierender kosmischer Automat. Sie sieht auch wie ein blaues, mehrdimensionales offenes System mit einer genau errechenbaren Lebenserwartung aus. Allgemeiner gesagt, ist das herrschende „Weltbild“ im wesentlichen durch die Naturwissenschaften bestimmt. Vor einiger Zeit nun haben Forscher begonnen, sich mit dem Gehirn zu beschäftigen. Das Gebiet der Neurobiologie ist daraus hervorgegangen. Man hat meist elegant darüber hinweggesehen, dass es ein DAS Gehirn in einem bestimmten Sinn nicht gibt: Es gibt nur ein Gehirn. Dieses ist ganz und gar das Gehirn eines bestimmten Wesens. Diese Besitzverhältnisse sind im Auge zu behalten, wenn es um Optogenetik geht. Mit der Optogenetik steht jetzt ein neurobiologisches Kontrollinstrument für das Gehirn sowohl eines Menschen als auch eines Tieres zur Verfügung, bei dem es sehr darauf ankommen wird, wie man es einsetzt. Wenn man es beim Menschen einsetzen sollte, wäre der erste menschliche Automat Realität. FERN<strong>ST</strong>EUERUNG DES GEHIRNS MITTELS LICHT Optogenetik wird beschrieben als Methode, Nervenzellen in lebenden Geweben oder Organismen mithilfe von (kurzwelligem) Licht berührungslos zu steuern. Ihre Vorgeschichte im engeren Sinn beginnt im Jahr 2002 mit der Entdeckung des lichtsensitiven Proteins Chanelrhodopsin2 (ChR2) in der Grünalge Chlamydomonas reinhardtii. Die Alge besteht aus lediglich einer Zelle, die nur wenige (10–20) Mikrometer groß ist. Der Direktor des Max-Planck-Institutes für Biophysik Ernst Bamberg und sein Kollege Peter Hegemann beobachteten nun ein erstaunliches Phänomen bei der Alge: Wurde dieses winzige augenlose Wesen von einem Lichtstrahl getroffen, machte es Schwimmbewegungen (ein lustiges Pflänzchen). Die Frage drängte sich auf, wie die Alge das Licht wahrnehmen konnte. 2002 gelang den beiden Forschern die Auflösung des Rätsels. Sie isolierten das lichtsensitive Chanelrhodopsin2, das auf Licht mit der Bildung eines Ionenkanals reagiert, aus der Zellwand der Alge. Dieser Kanal läßt positiv geladene Atome, also Ionen, in die Zelle strömen, die sich daraufhin depolarisiert und ein Aktionspotenzial (Schwimmbewegung) auslöst. Lichtreize werden auf diese Weise in der Zelle in elektrische und chemische Signale umgewandelt. Zwei Jahre nach der Entdeckung dieses Kanalrhodopsins brachte es Karl Deisseroth mittels einer hinterhältigen Methode in das Gehirn einer Maus ein. Karl Deisseroth ist Psychiater, Bioingenieur und Neurobiologe an der Stanford University. Manche Medien schreiben ihm die Erfindung der Optogenetik zu. Er hatte das Gen, das die Herstellung des Kanalrhodopsins codiert, aus der Alge isoliert. Dieses Gen (Gene sind nichts anderes als „Bauanleitungen“ für Proteine, die in jeder Zelle „hergestellt“ werden) implantierte er anschließend einem als harmlos bezeichneten Virus, das er mit einem Promotor (Die wichtigste Eigenschaft eines Promotors ist die spezifische Wechselwirkung mit bestimmten DNA-bindenden Proteinen, welche den Start der Transkription des Gens durch die RNA-Polymerase vermitteln und als Transkriptionsfaktoren bezeichnet werden) koppelte. Dieses gentechnisch veränderte Virus injizierte er in das Gehirn der kleinen Labormaus. Dort setzte das Virus nun das Genschnipsel in durch den Promotor ausgewählte Zellen ein, die daraufhin begannen, das lichtempfindliche Rhodopsin in der Zellmembran zu exprimieren, die in der Folge lichtsensitiv wurde. Dadurch wurde es prinzipiell möglich, bestimmte Zellen mittels Lichtreiz zu aktivieren. Nur mußte man der Maus noch die Lichtquelle in den Schädel einsetzen. Das tat man, indem man ihr ein Glasfaserkabel operativ implementierte. Durch dieses Kabel konnte man nun einen Laserlichtblitz senden, der die beleuchteten Zellen dazu bringt, ihre Aktionspotenziale freizusetzen. Sobald also ein Lichtblitz gesendet wird, tut die OPTOGENETIK 2014 Maus genau das, wofür die angesteuerten Neuronen in ihrem Gehirn zuständig senschaften erwiesen und könnte eines als äußerst interessant für die Neurowis- sind. Diese Technik wird in den Medien Tages auch zu neuartigen Therapieformen als „Fernsteuerung des Gehirns mittels führen. Das Problem: Bislang werden die Licht“ bezeichnet. Nun wollen Neurowissenschaftler aber Nervenzellen nicht nur an einzelne Punkte im Gehirn ausge- notwendigen Lichtstrahlen normalerweise nur „einschalten“, sie wollen Gehirnaktivitäten auch „ausschalten“ können. Hier komplexen Sequenz von Aktivierungen in liefert, obwohl die Hirnaktivität aus einer kamen ihnen andere Proteine aus Bakterien und Quallen zu Hilfe, unter anderen verschiedenen Bereichen besteht.“ E das Halorhodopsin. Auch dieses Protein in neuartiger 3-D-Chip soll die ist lichtsensitiv. Während das Kanalrhodopsin auf blaues Licht reagiert und die Optogenetik deshalb in die dritte Dimension führen – mit der Möglichkeit, Nervenzelle aktiviert, reagiert das Halorhodopsin auf gelbes Licht und deakti- Lichtmuster an Nervenzellen fast überall im Gehirn zu senden, berichtet Technology Review in seiner Online-Ausgabe. viert sie. Miteinander in die Zellwand der Neuronen von Versuchstieren exprimiert, „In den nächsten Jahren wird es zahlreiche ergeben sie einen Ein-Aus-Schalter. So dieser Geräte geben‘, glaubt Ilker Ozden, können Zellen beliebig mittels Laserlicht Forschungsdozent am Nanophotonics and aktiviert und deaktiviert werden. Deisseroth beschreibt dies in einem Interview Neuroengineering Laboratory der Brown University, der an ähnlichen Technologien so: „Optogenetik bedeutet: Wir benutzen Licht und Optik, um einzelne, ganz Diese Fortschrittssprachregelung findet arbeitet.“ (Technology Review) bestimmte Zellen zu kontrollieren. Mit sich in fast allen Publikationen. Die Ausnahmen seien erwähnt: Michael Lange Optogenetik lassen sich Zellen in einem lebenden Gewebe und sogar in einem mit seiner Radio-Dokumentation über lebenden Tier gezielt an- und ausschalten. Optogenetik im Deutschlandfunk weist Wir kontrollieren zum Beispiel Nervenzellen genau so wie ein Dirigent die einzelnen genetik hin, ebenso Julia Offer in Labor- auf die Mißbrauchspotentiale der Opto- Instrumente in einem Orchester kontrolliert.“ [Michael Lange, Deutschlandfunk, journal, Ausgabe 5, 2010 1. 2012] Die in der medialen Berichterstattung Die mit bloßem Auge sichtbaren Wirkungen dieser Technologie sprechen eine noch deutlichere Sprache. Eine Maus, aus deren Kopf ein Glasfaserkabel ragt, sitzt ruhig in ihrem Käfig. Ein blauer Lichtblitz läuft durch das Kabel. Die Maus beginnt wie verrückt im Kreis zu rennen. Ein gelber Lichtblitz durchläuft das Kabel: Sofort, buchstäblich auf Knopfdruck, verfällt die Maus wieder in Bewegungslosigkeit. Gero Miesenböck, Neurowissenschaftler aus Österreich an der Oxford University, wird laut Deutschlandfunk von seinen Studenten als „genialer, aber ein wenig verrückter“ Wissenschaftler beschrieben. Er hat die Optogenetik an Fruchtfliegen ausprobiert. Auch der „Mensch“ ist für diese Wissenschaft ein kybernetisches „System“ Seine Ergebnisse sind denkwürdig. Er meint: „Wir üben diese Fernsteuerung nicht aus, um die Fliegen zu willfährigen Exekutoren unserer größenwahnsinnigen Pläne zu machen, sondern um zu verstehen, wie das Gehirn funktioniert. Ab einem bestimmten Punkt ist es ganz wesentlich, das System beeinflussen zu können. Und das hat in der Neurobiologie für lange Zeit gefehlt, oder es war zumindest sehr schwierig.“ Der Begriff „System“ verrät etwas über die Beziehung der Wissenschaft zu ihren „Tiermodellen“. Auch der „Mensch“ ist für diese Wissenschaft ein kybernetisches „System“. Ein System, das im Prinzip einem „Tiermodell“ gleich ist: Sonst könnten anhand von Tiermodellen keine für humanmedizinische Zwecke signifikanten Erfahrungen gemacht werden. Das Gehirn als System, das man „ab einem bestimmten Punkt“ manipulieren muß, will man es zur Gänze verstehen. Und man will. Miesenböck hat ein Stück DNA eines lichtgesteuerten Ionenkanals, also eines Proteins, auf die beschriebene Weise in einen Fliegenembryo injiziert, das sich in das Genom der Fliege integrierte, von da in die Keimbahn des Tieres gelangte und so das lichtsensitive Protein an alle ihre Nachkommen weitergab. Der Ionenkanal wurde nun in ganz bestimmte Zellen des armen Fliegenhirns exprimiert, Zellen, die der Neurologe „den großen Kritiker“ nennt. Werden diese Zellen aktiviert, werden die aktuellen Handlungen der Fliege mit Unlustgefühlen besetzt, die Fliege denkt, sie macht gerade etwas Falsches und vermeidet dieses Verhalten zukünftig. „Hunderte Fliegen laufen in einer Art Setzkasten hinter Glas kreuz und quer durcheinander. Durch kleine Tore können sie von der einen in die andere Kammer des Kastens gelangen. Zu sehen gibt es wenig, aber zu riechen. Ein für Fliegen angenehmer Geruch von links, „we was thinking about how to use this on humans, and the answer is: just make them like all that shit.“ Marcus Hinterthür ein weniger angenehmer von rechts. Also bevorzugen die Fliegen die linke Seite. Nur vereinzelt schauen Fliegen rechts vorbei. Dann ein Lichtblitz. Die Vorliebe der Fliegen ändert sich von einem Moment zum anderen. Sie zieht es nun zur anderen Seite, bis sich fast alle Fliegen auf der rechten Seite des Kastens aufhalten.“ (Michael Lange, Deutschlandfunk, 2012) Mittlerweile wird diese Technik weltweit eingesetzt und die Fernsteuerung gelingt nicht nur bei Mäusen und Fliegen, sondern auch bei Affen. Ebenfalls 2012, am 27. Juli, war in der österreichischen Tageszeitung Der Standard zu lesen: „Wie Wim Vanduffel und Kollegen im Fachblatt Current Biology schreiben, gelang es ihnen erstmals an Affen, deren Augenbewegungen mittels Lichtimpuls im Hirn zu steuern. Sie kamen damit der Hoffnung näher, Optogenetik irgendwann bei Menschen zu therapeutischen Zwecken einzusetzen.“ D ie Optogenetik „erlaubt“ es, das Verhalten von Lebewesen fernzu- steuern und ihr Bewußtsein mit falschen Informationen zu versorgen. „Die Fliegen lernten also aus Fehlern, die sie gar nicht begangen hatten“, sagt Gero Miesenböck. Hierzu ein unheimliches Beispiel: „Unbeweglich liegen die etwa zwei bis drei Zentimeter langen Fische in einer flachen Wanne. Sie sind fast durchsichtig bis auf die dunklen Streifen, die ihnen den Namen geben: Zebrafische. Ihr Leben scheint ereignislos, ohne jegliche Zerstreuung. Aber das ist nur scheinbar so, denn ihre Augen sind auf Computermonitore gerichtet und ihre Gehirne unterwegs in einer fremden Welt. In seinem Labor an der Harvard Universität in Boston arbeitet der junge Professor Florian Engert mit Fischen. Er beraubt sie jeglicher Freiheit und erforscht dennoch ihr Schwimmverhalten. ’Da kann man lernen, was die Rolle einzelner Neuronen, also Nervenzellen ist beim Verhalten.’ Um die Nervenzellen der nahezu durchsichtigen Fische in Ruhe zu untersuchen, mußte Engert die Tiere lähmen oder sie in Gel einbetten. Mit den natürlichen Bewegungen der Tiere war es dann vorbei. Deshalb versetzte Florian Engert seine Versuchstiere in eine virtuelle Welt, in der sie sich frei bewegten. Nur in Gedanken. Genauso wie die Menschen im Kinofilm Matrix ist die ganze Welt dieser Fische eine Illusion aus dem Computer.“ (Michael Lange, Deutschlandfunk) Die Optogenetik verändert die Neurowissenschaften von Grund auf, indem sie es erstmals ermöglicht, neuronale Aktivität in einem lebenden Gehirn in Echtzeit zu beobachten. „Obwohl die Optogenetik erst vor wenigen Jahren aufkam, hat sie schon bemerkenswerte Fortschritte ermöglicht. So ließen sich damit weit reichende funktionelle Schaltkreise im Gehirn kartieren. Außerdem gelang es, den neuronalen Informationsaustausch zwischen den beiden Hemisphären der Hirnrinde von Mäusen sichtbar zu machen. Auch Voruntersuchungen über neurologische Erkrankungen haben Forscher mit der Optogenetik schon am Tiermodell durchgeführt. Dabei konnten sie mittels Channel- und Halorhodopsin jene Schaltkreise charakterisieren, die bei der so genannten Tiefenhirnstimulation zur Therapie von Parkinsonpatienten im späten Erkrankungsstadium erregt werden. Selbst der Heilige Gral der Neurowissenschaften liegt dank der Optogenetik in Reichweite: die Entschlüsselung der komplexen Abläufe im lebenden Gehirn. (Offizielle Information des Max- Planck-Instituts) Der Einsatz der optogenetischen Manipulation führt zur Erweiterung des neurologischen Wissens, das seinerseits die Perfektionierung der Techniken zur Manipulation „des Sys- tems“ “ vorantreibt. Technik und Wissenschaft optimieren sich gegenseitig und der „Fortschritt“ beschleunigt sich grund dieser Logik. Es ist also nur eine auf- Frage der (immer „kürzer“ werdenden) Zeit, bis diese Technik so weit gereift sein wird, daß sie beim Menschen zum Einsatz kommt. Die techno(büro)kratische Ausdrucksweise der Wissenschaftler bringt jene Ideologie zum Ausdruck, die ein Teil ihrer Wissenschaft ist. Diese Ideologie zeigt sich in der Metapher des Gehirns als Schaltkreis oder Computer, als im Prinzip rationales System – ebenfalls eine Metapher. Anders läßt sich das „Gehirn“ in der Naturwissenschaft kaum noch sehen: als Schaltkreis, System, Informationsverarbeitungsmaschine. Wenn es eine Gefährlichkeit der Neurobiologie gibt, dann bekundet sie sich in der verwendeten Sprache einer Terminologie, die nicht zwischen lebendigen Wesen und Maschinen zu unterscheiden vermag. Daß auch eine Maus ein schmerzfühlendes, autogenes und autonomes Einzelwesen genannt werden kann, hat nur einen technischen Sinn. Sie ist ein Tiermodell, ein manipulierbar-studierbares System. Es lebt zwar, das ist ja das Rätsel, aber das ist irrelevant: Wissen erfordert eben Opfer, insbesondere jenes Wissen, das von sich Selbst der Heilige Gral der Neurowissenschaften liegt dank der Optogenetik in Reichweite: die Entschlüsselung der komplexen Abläufe im lebenden Gehirn erfolgreich den Mythos verbreitet hat, es wäre das einzig zuverlässige Instrument, die Wirklichkeit zu verstehen. In diesem technokratisch sich selbst optimierenden System gibt es die zwingende Logik seiner Weiterentwicklung. Die Wissenschaft, die alles berechnet, ist selbst das Berechenbarste geworden. vielen Texten zum Thema handelt Bei es sich um Fortschrittspropaganda, wie es Paul Virilio genannt hätte. Reale Gefahren oder ethische Einwände werden nicht einmal ignoriert. Zwei Beispiele sollen veranschaulichen, wie breit der optogenetische Konsens mittlerweile ist. „Die Optogenetik eignet sich zur Untersuchung neurologischer Erkrankungen wie Epilepsie, Parkinson, Depression oder Altersblindheit. Wichtiges Hilfsmittel sind dabei genetisch veränderte Tiere mit Krankheitsbildern, die menschlichen Erkrankungen ähneln und die mit Rhodopsin-Genen ausgestattet sind. Ziel ist es, im Gehirn oder im Auge der Tiere Nervenzellen mit Licht kontrolliert an- oder abzuschalten. Dadurch sollen die entsprechenden Krankheitsphänomene aufgehoben, beziehungsweise durch einen Gendefekt erblindeten Mäusen das Sehvermögen zurückgegeben werden. Die erfolgreichen Tierversuche eröffnen eine Perspektive für biomedizinische Anwendungen.“ (DIE ZEIT, 23. April 2013) „Die sogenannte Optogenetik kombiniert gentechnisch manipulierte Nervenzellen mit einer Lichtquelle, um selektiv Gehirnbereiche an- und auszuschalten. Das Verfahren hat sich im Tierversuch vernachlässigten Anwendungsmöglichkeiten der Optogenetik sind weitreichend. Man könnte das Suchtverhalten beeinflussen, das Aggressionsverhalten, man könnte das Gedächtnis manipulieren und man könnte Blinde sehend machen. Man könnte jedes als „Störung“ definierte Verhalten beeinflussen – sowohl mit als auch ohne die Einwilligung der betroffenenen Personen. Die Optogenetik hat das Potential, die Zukunft dessen zu verändern, was man mit Michel Foucault Bio- Macht nennen muß. Daß diese Technik im medizinischen Bereich Verbesserungen bringen kann, scheint jede Kritik daran von Vorneherein steril zu machen. Wer könnte sich gegen den Einsatz einer Technik aussprechen, die „möglicherweise einen ganz neuen Ansatz zur Wiederherstellung der Nervenfunktion bei Blindheit oder bei einer Degeneration des Gehirns sowie zur Behandlung einer ganzen Reihe anderer neurologischer und psychiatrischer Störungen“ bietet? „Chancen und Risiken“ Image Courtesy: Manash P. Barkataki Die Mißbrauchsmöglichkeit dieser Technologie ist mit ihrem positiven Versprechen unauflöslich verbunden. Bei beidem handelt es sich sicherlich noch um „Chancen und Risiken“. Sinnvolle Kritik ist nur mit einer gewissen Unsicherheit im Rahmen einer „Technikfolgenabschätzung“ möglich. Sowohl der medizinische Wert der Optogenetik als auch die Gefahren, die mit ihr verbunden sind, stellen zur Zeit bloß ferne Möglichkeiten dar. Die Möglichkeit medizinischer Anwendung muß in Europa schon aus rechtlichen Gründen in den Vordergrund gerückt werden, da bei biomedizinischen Forschungen die „Benefizienz“ für das menschliche Individuum, laut Bioethik- Konvention des Europarates von 1997, vom Gesetzgeber verlangt wird. Laut Artikel 2 dieser Konvention haben bei biomedizinischen Forschungen und Anwendungen das Wohl und das Interesse des menschlichen Individuums Vorrang gegenüber dem „bloßen Interesse der Gesellschaft oder der Wissenschaft.“ Europäische Forschungen in diesem Bereich finden stets als Erforschung neuer Therapieformen statt, da sie nur so stattfinden dürfen. Doch wird sichtbar, daß neben dem therapeutischen Sinn der Optogenetik andere Anwendungsmöglichkeiten entstehen. Solche zusätzlichen Potentiale biomedizinischer Forschungsfortschritte haben den Europarat 2005 zu einem „erläuternden Bericht“ zur Bioethik- Konvention aus 1997 veranlaßt. Die rasanten, umwälzenden Entwicklungen im Bereich der Biomedizin gaben europaweit Anlaß zu „Besorgnissen wegen des ambivalenten Charakters vieler dieser Fortschritte. Die Wissenschaftler und die Praktiker, die dahinter stehen, verfolgen ehrenwerte Ziele, die sie häufig auch erreichen. Aber einige der bekannten oder vermuteten Entwicklungen ihrer Arbeit nehmen aufgrund einer Verfälschung ihrer ursprünglichen Zielsetzungen eine gefährliche Richtung oder bergen zumindest diese Wann es zur Erprobung der Optogenetik am Menschen kommt ist nur eine Frage der Zeit Gefahr. Die heute immer komplexere und sich auf immer weitverzweigtere Bereiche erstreckende Wissenschaft zeigt daher eine Licht- und Schattenseite, je nachdem wie sie angewandt wird.“ Die „Schattenseite“ im Fall der Optogenetik kann nur ans Licht kommen, wenn man sich vergegenwärtigt, in welch sensible Bereiche diese Technik eindringt. Gemeint ist hier einerseits das Gehirn und andererseits, da es sich um ein Instrument vor allem innerhalb der Neuropsychiatrie handelt, der Bereich der psychiatrischen „Kli- nik“, , jene geschlossenen Bereiche, die, für die Öffentlichkeit meist unzugäng- lich, Menschen beherbergen, die aus dem öffentlichen Diskurs verschwunden sind. Man muß sich vor Augen halten, daß die Optogenetik erst durch Anwendung am Menschen bewährt werden kann. Die Versuche am „Tiermodell“ haben nur begrenzte Aussagekraft. Die Forschung am Menschen ist für diese Technik von entscheidender Bedeutung und ihr erklärtes (medizinisches) Ziel. Die erste Gefahr, die sich abzeichnet, ist mit der ersten Anwendung der Optogenetik am Menschen verbunden. Entscheidend für eine solche Anwendung sind neben den medizinischen Fragen aber auch solche des Rechts. Für biomedizinische Forschung gibt es je nach Rechtsraum unterschiedliche Regelungen. Die strenge europäische Bioethikkonvention ist verbindlich nur in Europa, in den USA, China, Japan, Israel hingegen, in Ländern also, die starke biotechnologische Forschungssektoren ausgebildet haben und weiter ausbilden, gelten weitmaschigere Regelungen. Die Forschung hat sich globalisiert und ist de facto nicht einheitlich zu regulieren. Es fließen in allen wissenschaftlich entwickelten Ländern große Summen an biotechnologische Forschungslabors. Dieses Geld kommt aus zwei Quellen: den Forschungsbudgets der Staaten und den großen Pharma-Konzernen. Die Optogenetik hat international Aufsehen erregt; in über hundert Laboren weltweit arbeitet man an ihrer Perfektionierung. Wann es zur Erprobung der Optogenetik am Menschen kommt, ist nur eine Frage der Zeit; es gibt bereits nationale Vorstöße, die biomedizinische Forschung am Menschen zu erleichtern. Die Bioethikkommissionen von Italien und Österreich haben sich dafür eingesetzt, biomedizinische Forschungen an nicht einwilligungsfähigen Personen (Kindern, Demenzkranken, Menschen mit „kognitiven Defiziten“) zu erlauben. Auch wenn man Sciencefiction vermeiden möchte, erkennt man leicht weniger integre Anwendungsmöglichkeiten und Mißbrauchspotentiale der Optogenetik. Die imaginäre Ausgestaltung dieser Möglichkeiten glaube ich, an diesem Punkt, weglassen zu können, sie dürften dem Leser bereits selbst möglich geworden sein. Eine Methode, die die technische Fernsteuerung von Verhalten und die gezielte Veränderung von Bewußtsein erlaubt, ist nichts, was man ignorieren könnte. Der internationalen Entwicklung der Optogenetik kann letztlich nur eine ebenso internationale Diskussion über ihre Zulässigkeit antworten. Ist die Verwandlung eines Gehirns in ein ferngesteuertes hybrides System zulässig? Trotz aller medizinischer Vorteile, die diese Technologie zu bieten scheint, sind die mit ihr verbundenen Risiken eindeutig zu groß. Eine kritische Öffentlichkeit muß dem blinden Zweckoptimismus, der unfehlbar jeden wissenschaftlich-technischen Fortschritt begleitet, die Gefolgschaft verweigern. Noch ist es möglich, über den Einsatz der Optogenetik zu diskutieren, aber wie lange noch? 2014, Alexander Schießling