Kurier zum Sonntag 06/2021
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6.2.2021 |Nummer 6 DIE WOCHE IM VEST
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DieCorona-Pandemie
ist ihr Weckruf
Kreis RE. Online-NachhilfeinMathe oder Webinarerundums Thema Kosmetik:
Wiesichjunge Leutetrotz odergerade wegender Corona-Krise mitdigitalen Ideenselbstständig machen.
VonMarkusGeling
Einzelhändler,
kleine
Gewerbebetriebe, Gastronomen,
Solo-Selbstständige,
Künstler,
Freiberufler: Viele Menschen
haben inder Corona-
Krise Existenzsorgen. Es
gibt aber auch die anderen,
die sich genau jetzt, während
der Pandemie, selbstständig
machen. Ist das
wirklich eine gute Idee?
„Gründen ist grundsätzlich
immer eine gute Idee.
Es kommt halt auf das jeweilige
Vorhaben an“, sagt
Eva-Maria Wobbe vom Startercenter
Kreis Recklinghausen.
So gebe es für einige
Dienstleistungen erst jetzt
einen Markt, gerade im digitalen
Bereich. Dabei denkt
Wobbe beispielsweise an
den jungen Mann, der lange
Zeit erfolglos Handwerksbetriebe
von der Notwendigkeit
des Online-Marketings
überzeugen wollte – „und
dem sie jetzt auf einmal die
Bude einrennen“.
Oder an Alexandros Chouliaras
(26). Der Marler hat
kurz vor Beginn der Pandemie
den „Numbersclub“ ge-
gründet: Ein akademisches
Bildungsinstitut, das Schüler
auf Mathe-Prüfungen
vorbereitet. Durch den ersten
Lockdown wurde Chouliaras
dann in seinem Vorhaben
bestärkt, diesen
Nachhilfeunterricht digital
anzubieten: Ein Erfolg –
„der durch Corona sicherlich
beschleunigt wurde“,
wie der Münsteraner Mathe-Student
denkt.
Dennoch war der Anfang
schwierig. Denn während
des ersten Lockdowns seien
die Kinder und Jugendlichen
in den Schulen mehr
oder weniger „durchgewunken“
worden –„und die Eltern
waren skeptisch, ob
Nachhilfe digital wirklich
effektiv sein kann“, so
Chouliaras. Doch durch die
Erfahrungen der vergangenen
Monate wüssten sie
mittlerweile, dass digitale
Lösungen funktionieren –
und auch Vorteile mit sich
bringen können: Bei seiner
Online-Live-Nachhilfe etwa
könne das Kind zu Hause in
der gewohnten Umgebung
bleiben, was auch Zeit spare.
„Das Feedback, das ich
bekomme, ist bisher ausschließlich
positiv.“
Chouliaras, der sich die
nötige technische Ausrüstung
mithilfe des Gründerstipendiums
NRW leisten
konnte und gerade seine Bachelor-Arbeit
schreibt, betreut
mittlerweile 30 Schüler,
einzeln und inGruppen.
Und er ist sich sicher, dass
die Nachfrage nach Nachhilfe
im kommenden Schuljahr
weiter steigen wird:
„Denn dann hatten die
Schüler anderthalb Jahre
lang nicht mehr so richtig
Unterricht.“
Manmuss auchjemanden
finden, derdafür bezahlt
Es ist also die Zeit der digitalen
Angebote. Dennoch sei
hier längst nicht jede Idee
erfolgversprechend, betont
Wobbe. „Man muss immer
jemanden finden, der auch
bereit ist, dafür zu bezahlen.“
Wenn der Kunde etwa
das Gefühl habe, zwei Klicks
weiter das gleiche umsonst
zu bekommen, „dann funktioniert
das nicht“.
Aufgehen könnte dagegen
die Online-Geschäftsidee
von Maike Köster (25) und
ihrem Freund Marc Schnitzler
(28). Die beiden machen
sich gerade mit „Slothmetics“
selbstständig. Die Idee:
Sie bieten Webinare, Onlinekurse
oder Podcasts rund
ums Thema Kosmetik an:
Was haben Seifen, Cremes
oder Gele für Inhaltsstoffe –
und welche davon sind für
welchen Hauttyp besonders
gut geeignet oder sogar gefährlich?
Das nötige Fachwissen
beziehen die beiden
aus ihrem Chemie-Studium
an der Westfälischen Hochschule
in Recklinghausen.
Ihr Plan für die Zukunft:
Sie wollen inOnline-Kursen
nicht mehr nur vermitteln,
wie man Kosmetik selber
herstellen kann – sondern
die dafür nötigen, bereits
fertig portionierten Rohstoffe
und Zutaten wie Öle, Fette
oder Emulgatoren mit
den eigenen Rezepten auch
als Set verkaufen. „Die Kundin
muss dann nur noch alles
zusammenmischen“, so
Köster. Das Wichtigste sei
dabei, dass niemand sich
oder anderen schade. „Deshalb
ist unser Anspruch:
Das muss trottelsicher
sein“, sagt Köster lachend.
Die 25-Jährige mit den lockeren
Sprüchen („Ich
möchte mal ein Imperium
haben“) hat eine große Nähe
zu den sozialen Medien.
Dass sie und ihr Freund
jetzt aber so stark aufs Online-Geschäft
setzen – und
nicht zunächst etwa auf
Präsenzseminare –hat dann
doch mit Corona zu tun.
„Das war wie ein Weckruf“,
sagt Köster. „Uns wurde
klar: Wenn wir gründen,
müssen wir uns breit aufstellen.
Eben genau so, dass
das Geschäftsmodell auch in
Pandemiezeiten funktionieren
kann.“
In schwierigen Zeiten zu
gründen sei so ungewöhnlich
nicht, sagt Wobbe.
„Auch in der Finanzkrise
war esso, dass einige gesagt
haben: ‚Ich lege jetzt trotzdem
los. Und wenn die
Wirtschaft dann wieder anzieht,
bin ich schon da‘.“
Man müsse sich aber der besonderen
Situation bewusst
sein und sollte besser nicht
alles auf eine Karte setzen –
auch nicht auf die digitale.
Alexandros Chouliaras (26) ausMarlbietetmit seinem „Numbersclub“Mathe-Nachhilfeonline
an.
FOTO:PRIVAT
Marc Schnitzlerund MaikeKösterinformieren überKosmetikund vermitteln,
wieman sie selber machen kann.
FOTO:PRIVAT