Kurier zum Sonntag 06/2021
- Keine Tags gefunden...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
6
REPORTAGE 6.2.2021 |Nummer 6
Dauercampen
in Zeiten desLockdowns
DATTELN. Hotels? Pensionen? Alle geschlossen. Werfür ein paar Tage raus aus den eigenenvier Wänden
möchte,hat derzeit ein Problem.Aber es gibt ein Schlupfloch –leider nichtfür alle.
VonNilsDietrich
Sie kommen jedes Wochenende
nach Datteln.
In Sichtweite der
Haard haben sich die
Fischers auf dem Campingplatz
Wehlingsheide eingerichtet.
Kurzurlaub im Wochentakt,
alles vor der
Haustür. Aus dem nahen
Recklinghausen ist es
schließlich ein Katzensprung.
„Wegen Corona fällt
uns zuHause die Decke auf
den Kopf“, erzählt Jeannine
Fischer durch das geöffnete
Seitenfenster ihres Wohnwagens.
Im Hintergrund
schauen die beiden Kinder
fern, es ist Samstagvormittag.
„Hier kann man richtig
ausspannen. Zu Hause ist ja
immer irgendwas.“
Seit Herbst 2020 sind die
Fischers Dauercamper. Ihr
Wagen steht seither auf
dem Campingplatz Wehlingsheide.
Der darf nämlich
auch während des Lockdowns
öffnen, sosagt esdie
Corona-Verordnung des Landes
Nordrhein-Westfalen.
Allerdings gilt diese Regelung
nicht für „normale“
Touristen, sondern ausschließlich
für Dauercamper.
Also Menschen, die einen
eigenen Stellplatz besitzen
oder diesen für mindestens
sechs Monate angemietet
haben.
Dazu zählen nicht nur die
Fischers, sondern auch ihre
Nachbarn. Andrea und Matthias
Horstkötter wohnen
eine Hausnummer weiter
mit Hündin Lucy in ihrem
Wohnmobil. „Wir leben
hier, sind im letzten Jahr
komplett umgezogen“, sagt
Matthias Horstkötter. Die
Tochter hatte geheiratet
und suchte eine neue Wohnung
im heimischen
Hamm, da wagten die Eltern
den Schritt raus in die
Alles andereals verwaist:Auf dem Campingplatzsind durchausGästeanzutreffen,wie
diegeparkten Autoszeigen.
Leben derzeit aufdem Campingplatz:Matthias undAndrea Horstköttermit HundLucy.
Natur. „Wir nutzen das
Wohnmobil wie eine Wohnung“,
berichtet der Hausherr.
Bad, Küche – die
Horstkötters haben hier alles,
was man zum Leben
braucht. Der Schriftzug „Zu
Hause“ ist durch die Windschutzscheibe
im Innern
des Wohnmobils zu erkennen.
Momentan lebt das
Ehepaar die gesamte Zeit
hier, später geht es vielleicht
mal in den Süden.
Matthias Horstkötter arbeitet
bei der Telekom, imHomeoffice,
und das ist dort,
wo das Wohnmobil steht
und ein Internetanschluss
vorhanden ist.
Ruhig scheint esamSamstagvormittag
auf dem Campingplatz
nur auf den ersten
Blick. Geschäftsführer
Friedrich Schnieder hat
auch jetzt alle Hände voll zu
tun. Gerade noch hat er ein
Vorstellungsgespräch geführt,
umdie Ecke sind die
Handwerker bei der Arbeit.
„Tourismus geht derzeit
nicht, aber wir rechnen damit,
dass wir imApril oder
Mai wieder durchstarten
können“, erklärt der Unternehmer.
Momentan beherbergt er
vor allem die Dauercamper.
Viele Rentner seien dabei,
die diese Jahreszeit normalerweise
in wärmeren Gefilden
in Italien oder Spanien
verbringen würden, aber
wegen Corona in der Heimat
bleiben. Andere haben
sich einen der Bungalows
für den Winter angemietet.
Gelegentlich entfliehen
auch Arbeitnehmer dem
Trubel im heimischen Homeoffice,
um in Ruhe arbeiten
zukönnen.
FOTOS: NILS DIETRICH
Camping-Boom
dank Corona
Die Beherbergungen auf
deutschenCampingplätzen
lagenimJahr 2020 voraussichtlich
nurknapphinter
demRekordjahr 2019,teilte
derBundesverbandder
Campingwirtschaft in
Deutschland EndeNovembermit.
Im September2020 haben
diehiesigen Campingplätze
einÜbernachtungsplus von
56 ProzentimVergleich zum
Vorjahresmonat erzielt.
Während im Zeitraum von
Januar bisSeptember 2019
rund 32,75Mio.Übernachtungenn
gemessen wurden,
warenesfür denselbenZeitraum
im Jahr 2020 mit31,21
Mio. fast genauso viele.