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Jazzclub A-Trane und Jazzsänger Atrin Madani

Erster Adventssonntag 2020, Eiseskälte,

15 Uhr, einsetzende Dämmerung. Weihnachtsmusik

schallt durch die Straße. Auf

den Balkonen: strahlende Gesichter. So

hört sich eine berührende Weihnachtsgeschichte

in Corona-Zeiten an, als Jazz- und

Chansonsänger Atrin Madani im Freien

für die Nachbarschaft Musik macht. Seine

Medaille hat natürlich auch eine andere

Seite. Darüber sprachen wir mit ihm und

dem Betreiber des legendären Jazzclubs

A-Trane, Sedal Sardan.

In der Öffnungsphase zwischen den beiden

Lockdowns hat Sedal Sardan versucht die

Abläufe so umzustrukturieren, dass der

Betrieb kostendeckend läuft, aber das

Feeling nicht verloren geht. Von eigentlich

100 Plätzen konnten nur 33 belegt werden.

„Wir haben eine hohe Nachfrage erwartet,

waren am Ende aber froh, überhaupt die

33 vollzukriegen. Sie Sorge vor einer Ansteckung

in geschlossenen Räumen war

zu groß“, schaut Atrin Madani zurück auf

den Sommer. Sedal Sardan hat alle Hilfsmittel

beantragt, die angeboten wurden.

Insgesamt schildert der Clubbetreiber eine

frustrierende Angelegenheit: „Sie benutzen

Titel wie Soforthilfe. Darunter verstehe ich

was anderes. Überbrückungshilfe müsste

eigentlich auch schnell kommen, weil

man damit ja etwas überbrücken soll. Es

gibt Versprechen, die nicht eingehalten

werden. Daraus entstehen Nervosität und

Misstrauen.“

Mangelnde Gerechtigkeit und Zeichen

von Menschlichkeit in der Krisenzeit

Für Atrin Madani fing 2020 mit seinem Debüt

im A-Trane nahezu perfekt an. Dann

kam ein radikaler Bruch. „Das Schlimmste

war für mich diese Perspektivlosigkeit. Nicht

zu wissen, wie es jetzt weitergeht.“ Auch

wenn der Musiker als Student durch das

Raster der Hilfsgelder fiel, rechnet er dem

Land Berlin die schnelle, unbürokratische

Hilfe hoch an. Doch wie viele Soloselbstständige

bringt er kein Verständnis für

die Betriebskostenklausel auf: „Was sind

denn bei uns Künstlern Betriebskosten?

Unser Proberaum ist nicht gleichzeitig unser

Wohnraum. Unsere Gitarrensaiten oder Mikrofone,

die Wartungen, das sind Betriebskosten,

die wir nicht zum Leben brauchen.“

Um nach dem ersten Lockdown wieder

öffnen zu können, haben viele Läden, ob

Restaurants oder Kulturstätten, renoviert

und in Lüftungsanlagen investiert. Trotzdem

war klar: Die Kulturstätten dürfen als

letztes wieder öffnen. „Finanziell ist das ein

Teufelskreis. Einerseits muss der Club bei

der reduzierten Gästezahl die Eintrittspreise

erhöhen, um die Künstler, die lange kein

Geld verdient haben, einigermaßen zu bezahlen.

Gleichzeitig haben viele Leute lange

Zeit selbst keine Einnahmen gehabt, weil sie

in Kurzarbeit waren.“ Atrin setzt nun große

Hoffnungen in Olaf Scholz, der weitere Hilfsfonds

für den Kulturbereich angekündigt

hat. „Denn warum sollen wir als Künstler

oder warum sollen die Betreiber die Kunst

subventionieren?“ Laut Atrin ist in Sachen

Gerechtigkeit vieles während der Krise

schiefgelaufen: „Wenn man sich anschaut

was für einen Steueranteil die Soloselbstständigen

oder die Kulturschaffenden im

Entertainmentbereich tragen, warum sind

wir nicht angesehener? Warum zählen wir

weniger als die Automobilindustrie? Wir

haben keine Lobby.“ Er bezeichnet das

als ein generelles Gesellschaftsproblem

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meinviertel – Kultur Spezial

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