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Seite 28 September 2012<br />
r wohnt in Scholven,<br />
arbeitet als Chemikant<br />
bei Sabic, ist in festen Händen<br />
und gilt als ruhiger und<br />
höflicher Zeitgenosse. Soweit<br />
ganz normal, werden<br />
Sie sagen? Das stimmt, doch<br />
bei dem sportlichen Hobby<br />
von Ludger Garding werden<br />
dann doch einige Leser dieser<br />
Geschichte ins Grübeln<br />
geraten: Denn der 47-Jährige,<br />
der am 1. September<br />
Geburtstag feiert, ist ein<br />
Hobby-Extremsportler. Wobei<br />
man das Wort „extrem“<br />
durchaus wörtlich verstehen<br />
kann...<br />
Von Frank Leszinski<br />
Ludger Garding hat sich seit<br />
fünf Jahren quasi mit Haut<br />
und Haaren dem Radsport verschrieben.<br />
Als der frühere 100<br />
km-Läufer des SuS Schalke 96<br />
aus Verletzungsgründen dem<br />
geliebten Laufsport schweren<br />
Herzens adieu sagen musste,<br />
brauchte er unbedingt ein neues<br />
Hobby, um neue sportliche<br />
Grenzen auszuloten. „Da habe<br />
ich mich aufs Rad geschwungen,<br />
seitdem habe ich keine<br />
Verletzungsprobleme mehr“,<br />
erzählt der Scholvener, der<br />
sich mit der ihm eigenen Akribie<br />
auf seine Wettkämpfe<br />
vorbereitet.<br />
Dabei handelt es sich längst<br />
nicht mehr um „normale“ Rennen,<br />
sondern um ausgewählte<br />
Prüfungen, die unsportliche<br />
Zeitgenossen gewiss als Anschlag<br />
auf Leib und Leben<br />
werten würden. Nur drei Beispiele<br />
aus dem vergangenen<br />
Monaten: Ludger Garding<br />
nahm an der sogenannten<br />
Olympiade für Langstrecken-<br />
Anzeige<br />
Bis an die Grenze<br />
Ludger Garding ist Extremsportler<br />
<strong>In</strong> seinem Element: Ludger Garding auf dem Rad. –Foto: Privat<br />
Radfahrer „Paris - Breest - Paris“<br />
über 1250 Kilometer teil,<br />
wo er unter 2500 Startern den<br />
bemerkenswerten 100. Platz<br />
belegte. Seine Endzeit betrug<br />
53 Stunden und 20 Minuten.<br />
„Davon habe ich zehn Minuten<br />
an einer Bushaltestelle geschlafen“,<br />
erzählt Garding als<br />
wäre es das Normalste von der<br />
Welt seinem staunenden Gesprächspartner.<br />
Dabei kommt ihm bei solchen<br />
Strapazen zwar zugute,<br />
dass er im Wechseldienst bei<br />
Sabic an Tag- und Nachtarbeitszeiten<br />
gewöhnt ist. „Das<br />
größte Problem ist der Schlafmangel.<br />
Mein Körper macht<br />
manchmal Grenzerfahrun-<br />
gen“, sagt der Extremsportler.<br />
Das gilt ebenso für den<br />
Wettkampf in Nauders in Tirol,<br />
der als härtestes Ein-Tages-Rennen<br />
der Welt für Hobby-Fahrer<br />
gilt. Kein Wunder,<br />
denn die Teilnehmer haben<br />
dort 540 Kilometer bei 14.500<br />
Höhenmetern vor der Brust.<br />
Das Stilfster Joch, der höchste<br />
Gebirgspass in Italien (2757<br />
m), muss gleich zweimal überquert<br />
werden. Mit zwei Trai-<br />
Pro Jahr legt<br />
Garding 24.000<br />
Kilometer zurück<br />
ningslagern auf Gran Canaria<br />
hatte sich Ludger Garding auf<br />
diese Strapaze vorbereitet, an<br />
der 65 Radfahrer teilnahmen.<br />
Doch nach zehn Kilometern<br />
war Garding erst einmal frustriert:<br />
„Da war ich Letzter, weil<br />
meine Mitstreiter so ein Höllentempo<br />
vorlegten, als gebe<br />
es kein Morgen mehr.“ Doch<br />
der Scholvener blieb ruhig,<br />
sammelte viele Konkurrenten<br />
ein und belegte nach 26 Stunden<br />
und 57 Minuten Rang 18.<br />
Dieser „Spaß“ kostete ihn<br />
übrigens rund 1.400 Euro,<br />
weil bei diesem Rennen Be-<br />
gleitfahrzeuge und Begleiter<br />
zwingend vorgeschrieben sind<br />
und auch die Trainingslager<br />
aus eigener Tasche bezahlt<br />
werden müssen. „Leider habe<br />
ich keine Sponsoren. Aber<br />
solche Rennen machen mir<br />
viel Freude, weil man viel von<br />
der Welt sieht und neue Leute<br />
kennen lernt“, erzählt der<br />
47-Jährige, dessen Freundin<br />
Simone ihn oft begleitet.<br />
<strong>In</strong> Mailand bei der sogenannten<br />
Migli Italia 1001<br />
über 1.650 km mit 16.000<br />
(!) Höhenmetern war Ludger<br />
Garding jedoch auf sich allein<br />
gestellt. Vielleicht wird seine<br />
Lebenspartnerin sogar froh<br />
gewesen sein, ihn diesmal<br />
nicht begleitet zu haben. Denn<br />
bei Temperaturen von bis zu<br />
48 Grad entwickelte sich ein<br />
Wettkampf mit solchen Qualen,<br />
dass mehr als die Hälfte<br />
der 350 Teilnehmer aufgaben.<br />
Fast unnötig zu erwähnen,<br />
dass Ludger Garding nicht<br />
aufgab und nach mehr als vier<br />
Tagen Wettkampf Platz 22 erreichte.<br />
Nur 30 Stunden Pause gönnte<br />
sich der Scholvener bei<br />
dieser Tortur. „Einmal habe<br />
ich sogar in einer Garage geschlafen,<br />
weil ich nicht mehr<br />
konnte“, erzählt Garding, der<br />
neben seiner Fitness auch sehr<br />
viel logistische Arbeit betreiben<br />
muss, um vor unliebsamen<br />
Überraschungen gefeit zu<br />
sein.<br />
Pro Jahr legt Garding rund<br />
24.000 Kilometer mit dem Rad<br />
zurück. Nur der November ist<br />
völlig frei von radsportlichen<br />
Aktivitäten. Dann geht es in<br />
den wohlverdienten Urlaub.<br />
Spielt das Wetter in Deutschland<br />
nicht mit, schwingt sich<br />
der Sportbegeisterte im Fitnessstudio<br />
aufs Rad. Dass eine<br />
Einheit dann weniger als vier<br />
Stunden dauert, ist nur ganz<br />
selten vorgekommen...<br />
Zugabe<br />
!<br />
Auch Ludger Gardings<br />
nächstes Radsport-<br />
Abenteuer ist bereits<br />
geplant: Der „Glocknerman“,<br />
der als ältester<br />
und schwerster Ultra-<br />
Radmarathon in Europa<br />
gilt und wo im nächsten<br />
Jahr gleichzeitig auch die<br />
Senioren-Weltmeisterschaften<br />
ausgetragen werden.<br />
Bis dahin wird sich<br />
Ludger Garding schon im<br />
Training der einen oder<br />
anderen Herausforderung<br />
stellen – auch so mancher<br />
extremen.