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DP_2021_04

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34 DEUTSCHE POLIZEI 04/2021 DP

Hingeschaut

POLITISCHE ENTWICKLUNGEN IN FUSSBALLSTADIEN

Kurvendynamik

Lange schien klar, wer hierzulande auf den Stehrängen

der Fußballstadien das politische Sagen hatte. DP-Autor

Christoph Ruf über den massiven Bedeutungsverlust der

rechten Szene in den Fankurven.

der Regionalliga Nordost, berichtet dort ein

Cottbusser Fan („Michi“), der hier Cottbus,

Chemnitz und Lok Leipzig aufzählt. Überall

sonst habe man von der ersten bis zur vierten

Liga nicht mehr viel zu melden. „Früher

war alles besser. Da war der Fußball rechts

dominiert“, klagt auch der Moderator des

NS-Podcasts. „Wie konnte es dazu kommen,

dass linke Gruppen tonangebend sind, und

Christoph Ruf

Es war ein trauriges Häuflein, das

sich am 25. Januar vorm Betzenberg-

Stadion in Position brachte. Acht

vermummte Sympathisanten der neonazistischen

Kleinstpartei „III. Weg“ demonstrierten

am Tag vor dem Drittliga-Spiel des

1. FC Kaiserslautern gegen einen Aufsteiger

aus München. „Auf dem Betze“, so hieß es

zur Erläuterung auf der Facebook-Seite des

III. Weges, „ist Türkgücü München jedenfalls

nicht willkommen.“

Maul halten

Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten.

Tags drauf hing ein großes Transparent

vor der Heimkurve, die aktive Fanszene des

1. FC Kaiserslautern hatte es aufgehängt:

„Maul halten, wenn die Westkurve spricht.

Wer hier willkommen ist, entscheidet nicht

ihr.“ Ähnlich waren ein paar Wochen zuvor

die Reaktionen in der Magdeburger Fankurve

ausgefallen, die dem durchsichtigen Kalkül

der Rechten ebenfalls eine Abfuhr erteilten.

Denn Türkgücü ist zwar tatsächlich ein

Verein, der von vielen Fans kritisch gesehen

wird. Allerdings nicht wegen seiner türkischen

Wurzeln, sondern, weil er – ähnlich

wie RB Leipzig oder der (mit diesem Plan gescheiterte)

KFC Uerdingen – mit viel Investorengeld

im Zeitraffer zu sportlichen Erfolgen

getrieben werden soll.

Das Kalkül des III. Weges, die weit verbreitete

Kritik an den Auswüchsen des

durchkommerzialisierten Sports als Köder

für die eigene Ideologie heranzuziehen, war

für Fans leicht zu durchschauen. Anstatt die

erhoffte Mobilisierung im Sinne der „nationalen

Sache“ zu initiieren, zeigte die NS-

Szene nur einmal mehr, wie weit sie sich von

der Lebenswelt jüngerer Fans entfernt hat.

Abpraller

Hätten die NS-Aktivisten einen emotionalen

Zugang zu Fanszenen, hätten sie gewusst,

dass Fans jedweder Couleur kaum etwas

mehr verabscheuen, als wenn ihre Kurve

parteipolitisch instrumentalisiert werden

soll. Bereits 2010 machten Rostocker Fans

NPD-Politikern um Udo Pastörs sehr massiv

vorm Stadion-Eingang klar, dass ihre Kurve,

die damals gewiss nicht linksorientiert war,

nicht als Kulisse für Partei-Propaganda zur

Verfügung steht. Unterwanderungsversuche

von außen prallen in den Fankurven seit jeher

ab. Das ist nichts Neues. Neu ist, dass

in den Kurven selbst rechtes Denken nicht

mehr salonfähig ist – im Gegenteil.

Nicht mehr viel zu melden

Autoren aus der rechtsextremen und offen

neonazistischen Szene schlugen zuletzt in

mehreren Publikationen Alarm. In den Fankurven

herrsche eine „linksradikale Hegemonie“

vor, die es zurückzudrehen gelte, so

der Tenor des Podcasts „Revolution auf Sendung“

des III. Weges. „Explizit rechte Fanszenen,

wo die Verhältnisse gut stehen“, erkenne

er nur noch bei drei Vereinen aus

Klare Botschaften aus den Kurven.

rechte Fans im Stadion eigentlich nicht mehr

viel zu melden haben?“

Wertewandel

Das lässt sich beantworten. Zum Teil hat sie

ganz einfach soziologische Gründe. Wer in

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