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Mentalkraft<br />
Entscheidend sind also die Ziele, die<br />
man sich steckt. Aber wie definiere ich<br />
meine Ziele? Wie verhindere ich, dabei<br />
über das Ziel hinauszuschießen?<br />
Klara: Da muss man zunächst einmal<br />
unterscheiden. Es gibt sogenannte smarte<br />
Ziele – also zum Beispiel, ich will fünf<br />
Kilo abnehmen, ich will schneller laufen<br />
etc. Die sind spezifisch, realistisch und<br />
messbar. Wenn man aber mehr in die<br />
Tiefe geht, zu den wahren Beweggründen<br />
hinter all unseren Entscheidungen –<br />
warum will ich dieses Studium, diesen<br />
Job, dieses Haus oder diese Beziehung?<br />
–, haben persönliche Ziele eine<br />
noch wesentlich wichtigere Funktion,<br />
indem sie eine Richtung vorgeben. Den<br />
Kalenderspruch „Der Weg ist das Ziel“<br />
haben wir alle schon 10.000-mal gehört,<br />
das ändert jedoch nichts an seiner Richtigkeit.<br />
Weil du in diesem Prozess unheimlich<br />
viel über dich selber lernst und<br />
Energien freisetzt, mit denen du mehr<br />
aus dir herausholen kannst. Mit der<br />
Verfolgung eines Ziels kannst du dich<br />
also quasi upgraden.<br />
Nico: Das kann ich aus meiner persönlichen<br />
Erfahrung nur unterstreichen. Ziele<br />
sind, vor allem im Profisport, natürlich<br />
extrem wichtig, genauso wichtig ist aber<br />
auch der Umgang mit diesen Zielen. Für<br />
mich heißt das große Ziel, in die Top Ten<br />
der Welt zu kommen. Damit ist nicht<br />
nur die Richtung klar, sondern auch die<br />
Grundmotivation für alle Dinge, die ich<br />
dafür investiere – für jedes Tennistraining,<br />
für jedes Ausdauertraining, für<br />
jedes gesunde Essen, für jede Regeneration.<br />
Wenn dein Ziel deinem gesamten<br />
Leben auf positive Weise eine Richtung<br />
gibt, läufst du auch nicht Gefahr, es bei<br />
jedem Scheitern zu hinterfragen oder<br />
gleich über Bord zu werfen.<br />
geben: Erster sein, viel Geld verdienen,<br />
ein tolles Auto … Wirklich gut performen<br />
wird aber nur derjenige, der seine persönlichen<br />
Bedürfnisse nicht seinem Ehrgeiz<br />
opfert. Voraussetzung dafür ist, dass<br />
ich meine Werte und Prioritäten klar<br />
definiere. Und dann auch die nötigen<br />
Trennlinien ziehe.<br />
Nico: Was allerdings nicht immer einfach<br />
ist. Mein Sport ist ja geradezu das<br />
Paradebeispiel einer Leistungsgesellschaft,<br />
wo du als Person beinhart in einer<br />
Rangliste gewertet wirst. Du steckst in<br />
einem permanenten Wettkampf. Ich bin<br />
jetzt in der glücklichen Lage, dass ich im<br />
Umfeld von Dominic Thiem trainieren<br />
kann – sein Vater Wolfgang ist mein<br />
Coach –, und es ist wirklich beeindruckend,<br />
wie Dominic seine Lebensbereiche<br />
trennen kann. Wie er auf dem Platz<br />
Vollgas gibt und abseits davon der entspannteste<br />
Typ ist. Ich bin ja eher der<br />
Dauervollmodus-Typ und kann mir da<br />
sicher noch einiges abschauen.<br />
Ganz wichtige Aspekte des Mentaltrainings<br />
sind der Umgang mit dem<br />
Scheitern und die Fähigkeit, aus<br />
Niederlagen gestärkt hervorzugehen.<br />
Lässt sich das wirklich erlernen?<br />
Klara: Tatsächlich ist das sogar der<br />
allerwichtigste Aspekt – und ja, es lässt<br />
sich erlernen. Das Zauberwort in diesem<br />
Zusammenhang heißt Selbstreflexion.<br />
Gerade als Sportler muss man ehrlich<br />
zu sich selber sein können. Und das tut<br />
manchmal richtig weh. Weil man auch<br />
die eigenen Fehler sehen und anerken-<br />
„WIE DOMINIC THIEM AUF DEM PL<strong>AT</strong>Z VOLLGAS GIBT<br />
UND ABSEITS DAVON DER ENTSPANNTESTE TYP IST,<br />
DAVON KANN ICH MIR EINIGES ABSCHAUEN.“<br />
Nico Langmann<br />
„MENTALE STÄRKE H<strong>AT</strong> VIEL MIT VERLETZLICHKEIT<br />
ZU TUN. DENN VERLETZLICHKEIT IST<br />
KEINE SCHWÄCHE, SONDERN EINE SUPERKRAFT.“<br />
Klara Fuchs<br />
Klara: Entscheidend ist auch, dass man<br />
erkennt: Was ist Erfolg für mich? Erfolg<br />
ist ja in unserer Gesellschaft stark vorgenen<br />
muss. Aber nur diese schonungslose<br />
Selbstanalyse führt dazu, dass man lernt,<br />
sich auf jene Prozesse zu fokussieren,<br />
die man wirklich beeinflussen kann, und<br />
andere, die man ohnehin nicht kontrollieren<br />
kann, auszublenden. Diese Fokussierung<br />
auf die eigenen Möglichkeiten ist<br />
also gleichzeitig ein großer Befreiungsschlag,<br />
der wahre Wunder wirken kann.<br />
Nico: Befreiungsschlag, mein Stichwort.<br />
Ich glaube, es geht um das, was jeder<br />
Sportler als Flow-Zustand kennt, und das<br />
mentale Training hilft dir, diesen Zustand<br />
möglichst oft zu erreichen. Control what<br />
you can control. Bei mir ist das dann so,<br />
dass ich nur noch den Ball sehe, dem<br />
ich wie ein Hund hinterherjage, meine<br />
Schläge ziehe und an nichts anderes denke.<br />
Beim Tennis kommt ja da auch immer<br />
der Spielstand dazu, die sogenannten<br />
Big Points, Breakball bei 5:4 im dritten<br />
Satz – was allerdings dem Ball völlig<br />
wurscht ist, denn der weiß das ja nicht.<br />
Der fliegt, wie er immer fliegt. Genau<br />
dasselbe Prinzip sollte für dich gelten.<br />
Du spielst, wie du immer spielst. Konzentriert<br />
und instinktiv. Aber das erreichst<br />
du nur, wenn du deinen Kopf genauso<br />
trainierst wie deinen Bizeps oder Trizeps.<br />
klara: Schlussendlich hat mentale<br />
Stärke immer auch ganz viel mit Verletzlichkeit<br />
und Scham zu tun. Das mag<br />
ein bisschen komisch klingen, aber Verletzlichkeit<br />
– und ich meine jetzt nicht<br />
Selbstmitleid und Herumjammern – ist<br />
keine Schwäche, sondern ganz im Gegenteil<br />
eine Superkraft. Weil sie authentisch<br />
ist. Denn eines ist klar: Ohne Authentizität,<br />
ohne die Akzeptanz dessen, wer du<br />
bist, und ohne den Mut zu definieren,<br />
wer du sein willst, wirst du deine Kraft<br />
und deine Möglichkeiten nie voll ausschöpfen<br />
können – weder die physischen<br />
noch die psychischen.<br />
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16 THE RED BULLETIN