Landesspiegel 02/08 herunterladen - BDB
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Der Groninger Bahnhof<br />
OLDENBURG<br />
Niederländischer Städtebau und<br />
270 m 2 für 2 Personen<br />
Brücke Gasunie<br />
Hoofdstation Stationsplein<br />
22 <strong>BDB</strong> LANDESSPIEGEL <strong>02</strong>/20<strong>08</strong><br />
Das schöne Wetter Anfang Mai zeugte von besten Voraussetzungen für<br />
eine <strong>BDB</strong>-Fahrradtour durch Groningen.<br />
Bei angenehm trockenen und nicht zu heißem<br />
Klima ging es gewohnt pünktlich los in<br />
Richtung Holland. Dank der BdB Pünktlichkeit<br />
blieb genug Zeit für eine Kaffeepause am Info-<br />
Zentrum der Blauen Stadt mit einem herrlichen<br />
Blick über die neu geschaffenen Wasserflächen.<br />
Jedes Grundstück dieses riesigen städtebaulichen<br />
Wohnbauprojektes verfügt über einen<br />
eigenen Zugang zum Binnengewässer von ca.<br />
sechs Quadratkilometern, das eigens für diesen<br />
Zweck gemeinsam von sechs Nachbargemeinden<br />
unter der Leitung des niederländischen<br />
Architekten und Städteplaners Jan Timmer neu<br />
geschaffen wurde. Leider konnte der ursprüngliche<br />
Plan, auch das Rheiderland auf deutscher<br />
Seite einzubeziehen, nicht umgesetzt werden.<br />
Nach diesem ersten Eindruck neuen niederländischen<br />
Städtebaus ging es weiter nach<br />
Groningen zum Groninger Museum auf der Museumsinsel.<br />
Dort erwartete uns eine spezielle<br />
Architekturführung, die Dank der kompetenten<br />
Erläuterungen zum Bauwerk viel Interessantes<br />
bot. Beeindruckend war alleine schon die Tatsache,<br />
dass ein einziges Unternehmen, in<br />
diesem Fall die Gasunie (dieses Unternehmen<br />
ist ein in Groningen ansässiger Energieversorger<br />
mit einem eigenen Gasfeld in der Provinz<br />
Groningen und betreibt die Gasverteilung und<br />
-leitung bis nach Frankreich und Italien), 25<br />
Millionen Gulden für einen Museumsneubau<br />
zur Verfügung stellte.<br />
Diese Mittel waren es, die einen solch hervorragenden<br />
Bau auf einer eigens dafür errichteten<br />
Insel erst möglich gemacht hat. Unter der<br />
Leitung von Alessandro Mendini haben noch<br />
drei weitere Architektur- und Designbüros zu<br />
der außergewöhnlichen Architektur beigetragen:<br />
Philippe Starck, Coop Himmel(b)lau und<br />
Michele de Lucchi. Jedes der Büros hat einen<br />
der Teilbereiche gestaltet, die nun zusammen<br />
ein Stadtzeichen Groningens sind. Beim Bestaunen<br />
der Museumsarchitektur und der für<br />
jede Ausstellung eigens neu geschaffenen<br />
Farbgestaltung blieb leider nur wenig Zeit, die<br />
derzeit laufende wirklich sehenswerte Ausstellung<br />
Chinesischer zeitgenössischer Kunst<br />
zu bewundern.<br />
Der Einblick in das historische Stadtbild und<br />
die neueren Planungen zum Bau eines City-<br />
Centers direkt hinter dem großen Markt war<br />
der nächste Höhepunkt des Tages. Ein weiteres<br />
städtebauliches Projekt, bei dem eine<br />
komplette Straßenfront um mehrere Meter<br />
zurück verlegt werden soll, um das historische<br />
Original wieder herzustellen. Davon ist z. B.<br />
auch das Haus einer Studentenverbindung aus<br />
der Gründerzeit betroffen. Derzeit laufen noch<br />
die Verhandlungen, ob und wie dieses Gebäude<br />
abgebrochen werden darf und welche Entschädigung<br />
die Verbindung erhalten soll. Im<br />
Bereich der zukünftigen Baugrube werden im<br />
Moment noch archäologische Ausgrabungen<br />
durchgeführt.<br />
Nach dem Mittagessen im t´Feithuis, einem<br />
traditionsreichen Groninger Café und Restaurant,<br />
konnten wir auf unsere Fahrräder steigen.<br />
Los gings durch die neue Groninger Fahrradgarage<br />
„het stadtsbalkon“ am Bahnhof mit<br />
bewachten Stellplätzen für mehrere Tausend<br />
Fahrräder – die übrigens kostenlos ist - zunächst<br />
zum neuen Groninger Fußball–Stadion,<br />
das völlig neuartig als Mall konzipiert ist. Unter<br />
dem Spielfeld befindet sich die Tiefgarage,<br />
ebenerdig unter den Rängen der Mall-Bereich<br />
mit diversen Läden, aber auch Büros und<br />
Dienstleistern.<br />
Weiter ging es durch diverse Groninger<br />
Wohngebiete aus verschiedenen Bauzeiten,<br />
z. B. das Quartier „Helpman“ als Beispiel für die<br />
Amsterdamer Schule, das wie ein Dorf in der<br />
Stadt angelegt ist, einem Reihenhausquartier<br />
aus den 60ern des letzten Jahrhunderts, bei<br />
dem die Dachgeschosse sehr gelungen aufgestockt<br />
wurden, sowie einem weiteren Reihenhausquartier<br />
dieses Jahrhunderts, das uns<br />
mit seinem extrem ökonomischen Flächenverbrauch<br />
und gleichzeitiger architektonischer<br />
Qualität beeindruckte.<br />
Dann ging es zum Quartier Hoornser Meer,<br />
einem Projekt des sozialen Wohnungsbaus,<br />
das in einem städtebaulich wertvollen Naherholungsgebiet<br />
errichtet wurde und inzwischen<br />
aus der sozialen Bindung heraus gefallen<br />
ist. Die Wohnungen wurden als Eigentumswohnungen<br />
mit gutem Erfolg verkauft.<br />
Direkt am Hoornse Meer liegt auch das Highlight<br />
unserer Fahrt: das „Wall House #2“ vollendet<br />
kurz nach dem Tode des Architekten John<br />
Heijduk (1929 – 2000).<br />
Geplant 1972 für einen amerikanischen<br />
Landschaftsarchitekten ist es jedoch ein rein<br />
experimenteller Bau, ein Wohnhaus von 270m²<br />
Wohnfläche konzipiert für zwei Personen. Jede<br />
Funktion – Schlafen (EG), Essen (OG), Wohnen<br />
Wallhouse<br />
Groninger China-Ausstellung<br />
(2. OG), Arbeiten (Rückseiete OG) hat ihren<br />
eigenen Raum. Um die Lebens-Funktion zu<br />
wechseln, muss jedesmal die Wand durchschritten<br />
werden, die durch ihre Präsenz den<br />
Prozess des Überganges deutlich macht. Jedes<br />
Fenster richtet den Blick des Betrachters ganz<br />
bewusst aus.<br />
Da jeweils nur die Hälfte der Gruppe vom<br />
Director der Stiftung Kie Ellens geführt werden<br />
konnte, hatte der Rest der Gruppe bei Kaffee,<br />
Tee und leckerem holländischem Gebäck die<br />
Gelegenheit, die Räume in Ruhe auf sich wirken<br />
zu lassen und die Architektur zu erfahren.<br />
Seit 2004 hat eine Stiftung das Gebäude<br />
übernommen und es der Öffentlichkeit zugänglich<br />
gemacht. Hier leben wechselnde Künstler,<br />
die im Haus arbeiten und ausstellen. Während<br />
der Abwesenheit der Künstler oder bei Ausstellungen<br />
kann das Haus besichtigt werden. 270<br />
Quadratmeter Wohnfläche konzipiert für das<br />
Leben von lediglich zwei Menschen – das ist<br />
sicher aus heutiger Perspektive kein ökonomisch<br />
sinnvolles Bauen. Ganz zu schweigen<br />
vom ungünstigen A/V-Verhältnis bei den heutigen<br />
Energiepreisen!<br />
Sich in diesem Haus aufzuhalten ist jedoch<br />
ein Erlebnis, das sicher niemand von uns mehr<br />
missen möchte. Auf dem Rückweg zum Bus,<br />
der uns am Bahnhof erwartete, hatten wir noch<br />
die Gelegenheit, den Hauptsitz der Gasunie zu<br />
sehen. Der im Volksmund „Affenhügel“ genannte<br />
Bau besteht vollständig aus organischen<br />
Formen und ist im Innenbereich mit den Farben<br />
des Regenbogens gestaltet. Im restaurierten<br />
Bahnhof aus der Jahrhundertwende wurde<br />
noch intensiv diskutiert und mit einem kurzen<br />
Zwischenstop mit BdB-Imbiss an der Grenze<br />
ging es dann zurück in die Heimat.<br />
Annette Lang<br />
<strong>BDB</strong> LANDESSPIEGEL <strong>02</strong>/20<strong>08</strong> 23